Titel: | Das Kupferoxyd-Ammoniak ein Auflösungsmittel für die Pflanzenfaser; von Dr. Eduard Schweizer. |
Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. XC., S. 361 |
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XC.
Das Kupferoxyd-Ammoniak ein
Auflösungsmittel für die Pflanzenfaser; von Dr. Eduard Schweizer.
Aus dem Journal für praktische Chemie, 1857, Bd. LXXII S.
109.
Schweizer, über das Kupferoxyd-Ammoniak.
Das Kupferoxyd-Ammoniak – die durch Auflösen des basischschwefelsauren Kupferoxyds in Ammoniak erhaltene Flüssigkeit,
besitzt in ausgezeichnetem Grade das Vermögen, bei
gewöhnlicher Temperatur Pflanzenfaser aufzulösen.
Uebergießt man gereinigte Baumwolle mit der blauen
Flüssigkeit, so nimmt erstere bald eine gallertartige schlüpfrige Beschaffenheit an,
die Fasern gehen auseinander und verschwinden, und nach einigem Durcharbeiten mit
einem Glasstabe hat sich das Ganze in eine schleimige Flüssigkeit verwandelt. Dabei
findet nicht die geringste Wärmeentwicklung statt. Hat man nicht eine hinreichende
Menge der Flüssigkeit angewendet, so bleibt ein Theil der Fasern noch sichtbar;
setzt man dann aber einen Ueberschuß der Lösung hinzu und schüttelt um, so erhält
man eine beinahe klare blaue Lösung, die sich, nachdem
sie mit Wasser verdünnt worden ist, filtriren läßt.
Uebersättigt man die filtrirte Lösung mit Salzsäure, so entsteht ein voluminöser
weißer Niederschlag, der, auf einem Filter gesammelt, ganz das Ansehen von feuchtem
Thonerdehydrat besitzt.
Es scheint diese Substanz zwar desorganisirte, aber in ihrer
chemischen Natur nicht wesentlich veränderte Cellulose zu seyn.
Vertheilt man den durch Auswaschen vollständig von den Salzen befreiten
gallertartigen Niederschlag in Wasser, setzt Jodkalium
und nachher etwas Chlorwasser hinzu, so färbt sich die Substanz braun, ein Beweis, daß dieselbe weder Stärke noch ein
stärkehaltiger Körper ist.
Beim Eintrocknen auf dem Wasserbade schwindet jener Niederschlag stark zusammen und
hinterläßt eine hornartige, durchscheinende, spröde
Masse, welche Aehnlichkeit mit eingetrocknetem Kleister hat, jedoch keinerlei
Geschmack besitzt und zwischen den Zähnen nicht klebt. An der Luft erhitzt,
verbrennt die Substanz, ohne einen Rückstand zu lassen.
Ganz auf gleiche Weise wie Baumwolle verhalten sich Papier
und Leinwand zu der Kupferoxyd-Ammoniaklösung, nur
werden sie etwas langsamer als die Baumwolle aufgelöst.
Streicht man die Lösung der Faser auf eine Glasplatte und läßt sie darauf
eintrocknen, so bleibt ein bläulichweißer dünner Ueberzug, der fest an dem Glase
anliegt.
Auch auf einige thierische Gebilde erstreckt sich die lösende Kraft des
Kupferoxyd-Ammoniaks. Seide löst sich in der
bezeichneten Flüssigkeit noch schneller auf als Baumwolle; aus der filtrirten klaren
Lösung wird durch Säure ebenfalls ein gallertartiger Körper ausgeschieden. Wolle wird nur in der Wärme vollständig gelöst. Haare werden nach und nach von der Flüssigkeit zerstört,
ohne daß eine vollständige Auflösung statt findet. Thierische
Blase quillt darin im Anfange bloß auf, löst sich aber nach einiger Zeit
ebenfalls.
Auffallend ist, daß die der Pflanzerfaser so nahe stehende Stärke von der Flüssigkeit nicht gelöst wird; beim Erhitzen bildet sich
ein schön blauer Stärkekleister, während die Flüssigkeit beinahe entfärbt wird.