Titel: | Ueber einen antiken rothen Glasfluß (Hämatinon) und über das Aventurin-Glas; von Dr. Max Pettenkofer in München. |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XXXIII., S. 123 |
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XXXIII.
Ueber einen antiken rothen Glasfluß (Hämatinon)
und über das Aventurin-Glas; von Dr. Max Pettenkofer in
München.
Im Auszug aus den Abhandlungen der
naturwissenschaftlich-technischen Commission bei der königl. bayer.
Akademie der Wissenschaften zu München, Bd. I S. 123.
Pettenkofer, über einen antiken rothen Glasfluß und über das
Aventurin-Glas.
König Ludwig J. von Bayern hatte im J. 1844 eine Kommission von Künstlern und
Gelehrten nach Pompeji entsendet, deren Aufgabe es theilweise auch war, über die
künstlerische Technik der Alten, so weit sie an den dortigen Ausgrabungen bemerkbar
wäre, Erfahrungen zu sammeln und Untersuchungen anzustellen. Der nunmehr verstorbene
Director der k. bayer. Akademie der Künste v. Gärtner
brachte von dorther ein Stück eines undurchsichtigen prächtig rothen Glasstusses,
der mir unter dem Namen antikes Porporino zur Analyse übergeben wurde, mit dem
weitern Auftrage, nach einer Methode zu forschen, dieses Kunstproduct wieder
herstellen zu können.
Das antike Stück war ein unregelmäßig eckiges Bruchstück einer größeren Masse. Die
Farbe steht zwischen mennig- und zinnoberroth. Die Bruchflächen zeigen sich
nur theilweise muschlig. Die Härte ist etwas mehr als die des Apatits. Selbst die dünnsten Splitter
sind kaum durchscheinend. Im Diamantmörser und zuletzt im Achatmörser zerrieben,
gibt es ein Pulver, welches in der Farbe zwischen fleischroth und hell ziegelroth
steht. Betrachtet man dieses Pulver mit Wasser befeuchtet unter einem Mikroskop bei
200maliger Vergrößerung, so gewahrt man deutlich, daß rothe Krystalle in eine weiße
Glasmasse eingebettet sind. Eine Seite der Masse wurde angeschliffen und polirt, die
Politur zeigt einen sehr hohen Glanz. An einigen Stellen sind sehr kleine
Kupferkörner als metallglänzende Punkte wahrzunehmen. Das spec. Gewicht ist 3,495.
Die chemische Analyse ließ in 100 Theilen folgende Substanzen erkennen:
Kieselerde
49,90
Natron
11,54
Kalk
7,20
Bittererde
0,87
Bleioxyd
15,51
Kupferoxydul
11,03
Eisenoxydul (mit Spuren von
Manganoxyd)
2,10
Thonerde
1,20
Diese Zusammensetzung läßt keinen Zweifel, daß die prächtige Farbe von Kupferoxydul
herrührt.
Auffallend ist das Verhalten dieses Glasflusses vor dem Löthrohr. Schmilzt man ein
Stück von etwa 200 Milligr. vor dem Löthrohr auf Kohle, gleichviel, ob in der
Oxydations- oder Reductionsflamme, und nur so lange, bis es durch und durch
weich geworben und sich etwas gerundet hat, und läßt nun erkalten, so erhält man
eine außen sammtschwarze, innen grünlich schwarze, dem Obsidian nicht unähnliche
Glasmasse, an der es mir auf keine Weise mehr gelang eine rothe Farbe
hervorzubringen. Die gefundene Zusammensetzung und dieses Verhalten läßt keinen
Zweifel übrig, daß man es mit jenem rothen Glasstusse zu thun hat, welchen C. Plinius Secundus in seiner Naturgeschichte im 36. Buche,
26. Capitel erwähnt, und als Hämatinon (blutroth) bezeichnet, wo er vom Ursprung und
der Bereitung des Glases, vom Obsidianglas und verschiedenen anderen Arten von
Gläsern handelt.
Zur Nachahmung dieses Glasflusses schmolz ich zunächst einen Satz aus 90 Grm. Quarz,
10 Grm. Kalk, 40 Grm. Bleiglätte und 62 Grm. Soda zu einem klaren Glase und fügte
demselben 20 Grm. Kupferoxydul (zerriebenen reinen Kupferhammerschlag) hinzu,
welches mit einem Kupferstabe eingerührt wurde. Herausgezogene und erkaltete Proben
dieses Glases besaßen eine schwarzgrüne, durchaus keine ins Rothe gehende Farbe. Um
das vielleicht entstandene Kupferoxyd zu Oxydul zu reduciren, rührte ich die
schmelzende Glasmasse mit einem Eisenstabe, und erlangte dadurch eine schmutzig rothe, streifige Färbung
der Masse, wenn dieselbe schnell abgekühlt wurde. Wurde diese aber noch längere Zeit
im Flusse erhalten, etwa auch noch mit einem Kupferstabe etwas gerührt, so
verschwanden auch die rothen Streifen wieder; die nun gezogenen Proben aber hatten
eine merklich andere Farbe als vor der Einwirkung des Eisens: während nämlich vorher
dünne Glasfäden deutlich grün waren, zeigten sie sich jetzt bräunlich, nur mit einem
Stich ins Grüne; während dickere Massen vorher schwarzgrün waren, zeigten sie sich
jetzt hell leberbraun. Am andern Tage fand sich die Glasmasse in dem langsam
erkalteten Tiegel mit einem dünnen sammtschwarzen Häutchen überzogen, und beim
Zerschlagen zeigte sie durch und durch den bereits erwähnten eigenthümlichen
leberbraunen Ton; am Grunde fanden sich viele und mitunter sehr große Körner von
ausgeschiedenem regulinischem Kupfer. Andere ähnliche Versuche gaben ähnliche
Resultate.
Ich setzte nun ein Stück der antiken pompejanischen Masse mit Quarzsand umhüllt in
einem Tiegel der Hitze des Windofens aus. Als die Masse durch und durch weich war,
wurde der Tiegel aus dem Feuer gehoben und der Abkühlung überlassen. Beim
Zerschlagen zeigte das Hämatinon sich nun im Innern durch und durch von leberbrauner
Farbe, ganz ähnlich wie die Proben der erwähnten Schmelzversuche. Darauf brachte ich
die größeren Stücke wieder in den Tiegel, bedeckte sie abermals mit Sand, erhitzte
sie wieder bis zum vorigen Grade und unterhielt etwa zwei Stunden lang eine dunkle
Rothgluth, worauf ich den Windofen von allen Seiten verschloß, um eine möglichst
langsame Abkühlung zu erzielen. Als ich des andern Tages die abgekühlten Stücke
zerschlug, zeigten sie sich wieder durch und durch roth, von Farbe noch etwas tiefer
roth als sie ursprünglich waren. Hiernach war es offenbar, daß auch die ächte
pompejanische Masse, wieder geschmolzen, leicht die Leberfarbe annehmen konnte, wenn
sie rasch abgekühlt wurde, und daß die nämlichen leberbraunen Stücke wieder roth
wurden, wenn sie abermals erhitzt und sehr langsam abgekühlt wurden. Ich deutete die
Erscheinung dahin, daß die braune Masse das Kupferoxydul wenigstens theilweise im
amorphen Zustande, die rothe hingegen dasselbe im krystallinischen Zustande
enthalte. Die krystallinische Natur des rothen Farbstoffes wurde durch das Verhalten
unter dem Mikroskop auf das Klarste bestätigt.
Hiernach glaubte ich zum Ziele zu gelangen, wenn ich die Proben der vorerwähnten
Schmelzversuche nochmals schmolz und langsam abkühlen ließ, diese Voraussetzung
wurde aber nicht bestätigt, es gelang nicht, diese Proben dazu zu bringen, eine
rothe Farbe anzunehmen, während doch Stücke der antiken pompejanischen Masse, denen durch
Erhitzen und schnelleres Abkühlen die rothe Farbe genommen war, unter gleichen
Umständen stets die rothe Farbe wieder erhielten. Die Ursache des Mißlingens der
Versuche konnte zwei Quellen haben, entweder in der quantitativen oder in der
qualitativen Zusammensetzung der fertigen Glasmasse. Ich sah augenscheinlich, daß
sich während des Schmelzens viel verflüchtigte, und ich hatte deßhalb auch an Soda
und an Bleioxyd wesentlich mehr zugesetzt, als die Analyse ergab. Andererseits hatte
die Analyse der antiken Masse nahezu 1 Proc. Bittererde ergeben, welche ich Anfangs
als etwas Zufälliges unberücksichtigt ließ. Ich wählte nun folgenden Satz:
100 Gramme
Kieselerde,
11
„
Kalk,
1
„
Bittererde (Magnesia
usta),
33
„
Bleiglätte,
50
„
Soda.
Nachdem diese Bestandtheile zu klarem weißen Glase geschmolzen waren, wurden 25
Gramme Kupferhammerschlag, und etwas später 2 Gramme Eisenhammerschlag, und zuletzt
etwas Kohle zugegesetzt.
Nachdem ich die geschmolzene Masse möglichst langsam in dem Windofen hatte erkalten
lassen, besah ich sie am folgenden Tage, indem ich sie vom Tiegel loslöste und ein
paar Stellen des halbkugelförmigen Glaskuchens mit dem Hammer anschlug. Auf dem
Bruche zeigte sich die bekannte leberbraune Farbe. Ich legte das Stück in einen
neuen Tiegel von gleicher Größe mit dem, worin es geschmolzen worden war, und setzte
sie von Morgens 6 Uhr bis Abends 6 Uhr dem Feuer des Streckofens (in der königl.
Münze zu München) aus, an einer Stelle, wo das Glas so weich wurde, das es leicht
Eindrücke von einem spitzen Eisenstabe annahm. Während der Nacht wurde der Ofen
nicht weiter geheizt und bis Morgens 5 Uhr der Abkühlung überlassen. Um diese Zeit
wurde der Tiegel ausgenommen. Die Glasmasse war so weit abgekühlt, daß sie keine
Eindrücke mehr annahm, doch war die Temperatur noch so hoch, daß ein Wassertropfen;
auf den Tiegel gebracht, zischte. Als ein Stück vom Rande der Masse abgeschlagen
wurde, zeigte sich das Innere prächtig roth, von der Farbe des antiken Stückes nicht
zu unterscheiden. Ich ließ aus dem halbkugelförmigen Glastuchen drei kreisrunde
Platten schneiden und jede auf einer Seite poliren. Es zeigte sich, daß die oberen
Theile des Glaskuchens eine etwas lebhaftere Farbe hatten als die unteren, eine
Erscheinung, die auch bei allen späteren Versuchen unter verschiedenen Abänderungen
der Mischungsverhältnisse wiederkehrte. Es scheint die Krystallisation der Masse
wesentlich von oben nach unten fortzuschreiten. Sie ist unten oft noch nicht
beendigt, wenn ihr das Sinken der Temperatur ein Ende macht, während die oberen
Schichten völlig auskrystallisirt sind.
Einen zweiten gelungenen Versuch machte ich mit Beibehaltung der nämlichen Mischung
und Verfahrungsweise, mit dem einzigen Unterschied, daß ich die Krystallisation der
Glasmasse in einem Muffelofen bewerkstelligte. Das Product der Schmelzung von 100
Grammen Kieselerde wurde im Tiegel in der Muffel wieder bis zum Weichwerden erhitzt,
etwa sechs Stunden in diesem Zustande erhalten und dann bei sorgfältigem Verschluß
aller Züge des Ofens der langsamen Abkühlung überlassen. Die Farbe der Glasmasse war
noch schöner als die der antiken, sie hatte einen lebhaften Stich ins Carminrothe
erhalten. Sie war jedenfalls vollständiger auskrystallisirt als die vorhergehende
Probe; sie hatte den Farbenton, welchen auch antike Stücke zeigten, die ich durch
rasche Abkühlung entfärbt und durch langsame Abkühlung wieder gefärbt hatte.
Da ich einsah, daß die Bildung des Hämatinon auf einer Bildung von rothen Krystallen
einer Kupferverbindung beruhe, welche vorher im Glase aufgelöst war, so versuchte
ich, diese Krystalle in noch leichtflüssigeren Massen hervorzurufen. Ich schmolz
100 Gramme
Kieselerde,
10 „
Kalk,
1/2 „
Bittererde,
40 „
Bleiglätte,
60 „
Soda,
30 „
Kupferhammerschlag,
2 „
Thonerde,
3 „
Eisenhammerschlag.
Diese Masse zeigte schon nach einmaligem langsamem Abkühlen im Windofen zahlreiche
rothe Punkte in einer gelblichen Glasmasse. Beim Schleifen und Poliren traten
dieselben als prächtige Büschel von nadelförmigen, prismatischen Krystallen hervor.
Namentlich groß zeigten sich die Krystalle an Stellen, wo ein Kupferkörnchen lag, um
das sie sich concentrisch auszubreiten schienen.
Nachdem die vorbeschriebenen Versuche bereits in oder vor dem Jahre 1847 angestellt
waren, nahm ich im Jahre 1853, wo die technische Commission bei der bayerischen
Akademie der Wissenschaften mir die Mittel zu weiteren Versuchen in größerem
Maaßstabe gewährte, die Sache wieder auf. Ich nahm nun das Zehnfache der früheren
Quantitäten, so daß ich einen Schmelzsatz jederzeit auf 1 Kilogr. Quarzsand einwog.
Ebenso wie früher wurde zuerst farbloses Glas geschmolzen, dann Kupferhammerschlag
und gegen das Ende der Schmelzung etwas Eisenfeilspäne zugesetzt, von letzteren 8–10 Gramme.
Die Eisenfeilspäne wurden mit einem Kupferstabe so lange in der Glasmasse gerührt
und gemischt, bis keine Streifen mehr wahrzunehmen waren. Ich wollte nun größere
Platten herstellen und wendete zu diesem Zweck zunächst eine Messingform an, fand
dieselbe aber nicht für tauglich, weil beim Erweichen in der Muffel die Masse an
mehreren Stellen festschmolz und man nur zerbrochene Stücke ausbrachte. Es wurden
darauf leicht gebrannte Thonformen versucht, diesen adhärirte aber so viel Luft, daß
die gegossene Masse jederzeit voll großer Blasen wurde, unmittelbar nachdem sie in
die Form gegossen ward. Dieses konnte man nicht verhindern, wenn man auch die Formen
bedeutend erhitzte, so daß sie theilweise noch roth glühten, wenn man die flüssige
Glasmasse aus dem Tiegel eingoß. Es blieb sonach nichts übrig, als die in den
irdenen Formen befindliche blasige Masse in der Muffel hinterher so hoch und so
lange zu erhitzen, bis sie wieder so zusammengeschmolzen war, daß sich die Blasen
darin verloren hatten. Die Behandlung in der Muffel hatte mithin sich nicht bloß auf
das Anwärmen der geschmolzenen Masse bis zum nöthigen Grade der Weichheit zu
erstrecken, sondern anfangs bedeutend über diesen Temperaturgrad hinaus, und dann
mußte man allmählich bis zu der Temperatur herabsteigen, wo die Krystallisation der
Masse erfolgte, und diese Wärme gehörig lange erhalten. Ich gelangte durch Probiren
bald dahin, zu wissen, wie lange ich stark und wie lange ich schwach feuern mußte,
um mit einiger Sicherheit auf eine schöne Farbe rechnen zu können. Nach Beendigung
des schwachen Feuerns wurde die Schüre des Muffelofens mit Brennmaterial (klein
gespaltenem Fichtenholze) voll gefüllt, und nachdem es in vollen Brand gerathen war,
alle Züge des Ofens sorgfältig geschlossen. Auf Glashütten, wo in den Kühlöfen jede
hier nöthige Temperatur vorhanden ist und beliebig lange erhalten werden kann, wird
man jedenfalls viel leichter und sicherer zum Ziele gelangen, gleichwie hier auch
der Guß, überhaupt die Vertheilung der Masse, viel leichter zu bewirken ist. Trotz
der Unvollkommenheit meiner Mittel gelangen mir doch mehrere ovale Platten von 8 und
5 1/2 Zoll Durchmesser. Ich versuchte auch noch, einen Theil der Kieselerde in der
Mischung des Hämatinon durch Borsäure zu ersetzen, um zu sehen, wie das Verhalten
dadurch abgeändert würde. Zwei derartige Mischungen waren folgende:
a)
80 Gramme
Kieselerde,
120 „
Bleiglätte,
72 „
Soda,
24 „
Kupferhammerschlag,
18 „
geschmolzener Borax,
1 Gramm
Eisenhammerschlag.
b)
80 Gramme
Kieselerde,
110 „
Bleioxyd,
72
„
Soda,
5
„
Kalk,
26
„
Kupferhammerschlag,
18
„
geschmolzener Borax,
2
„
Eisenhammerschlag.
Beide Proben krystallisirten bereits bei dem ersten langsamen Abkühlen im Windofen
nach dem Schmelzen. In der leichtflüssigeren Masse a
zeigen sich die Krystalle weit größer als in der schwerflüssigeren b. Beide sind beträchtlich spröder und zerbrechlicher
als die Massen ohne Borax. Nach dem Schleifen und Poliren zeigen sich die
Krystallisationen von vorzüglicher Schönheit. Das Ansehen namentlich bei a ist tief dunkel, fast schwarz, nur bei auffallendem
Sonnenlichte tritt die rothe Farbe deutlich hervor, und da nur auf gewissen Stellen
der aus zahllosen, neben einander gereihten Krystallen bestehenden Fläche, während
andere mit bläulichem Lichte sehr lebhaft schimmern. Die Krystalle zeigen somit jene
Art Dichroismus, welche man im auffallenden Lichte bei manchen Krystallisationen,
z.B. beim Flußspath, hie und da beobachtet. Der bläuliche dichroitische Schimmer auf
tief dunklem Grunde ist mit dem Schimmern von Sternen auf nächtlichem Hintergrund zu
vergleichen, weßhalb ich dieser boraxhaltigen Masse den Namen
„Astralit“ gab.
Das Aussehen dieser Astralite erinnerte mich vielfach an das venetianische
Aventurin-Glas, dessen Bereitung seit ältester Zeit immer noch als Geheimniß
von einigen Fabriken bewahrt wird. Proben desselben wurden in neuerer Zeit von SchnedermannAnnalen
der Chemie und Pharmacie, Bd. XLVI S. 134. und von C. KerstenJournal für
praktische Chemie, Bd. XLII S. 138. analysirt. Die Resultate
waren für 100 Theile:
Schnedermann.
Kersten.
Kieselerde
65,2
67,3
Phosphorsäure
1,5
–
Kupferoxyd
3,0
5,0
Eisenoxyd
6,5
3,7
Zinnoxyd
Spur
2,3
Bleioxyd
–
1,0
Kalkerde
8,0
9,0
Talkerde
4,5
–
Natron
8,2
7,0
Kali
2,1
5,3
Thonerde und
Schwefelsäure
Spur
–
Diese beiden Analysen sprechen unwiderleglich aus, daß das Eigenthümliche des
Aventurin-Glases nicht in einer bestimmten und unveränderlichen
Zusammensetzung liegen kann, sondern in anderen Umständen.
Wöhler hat die Ansicht aufgestellt, daß die
Krystallstimmer des Aventuringlases krystallinisches metallisches Kupfer seyen, und
diese Ansicht wurde auch bisher wohl ziemlich allgemein angenommen. Ich traf nun
aber, so oft ich im Hämatinon fein vertheiltes regulinisches Kupfer gewahrte,
dasselbe immer nur in runden Kügelchen an. Auf der polirten Fläche trat dieses
Kupfer stets mit dem kupferrothen Metallglanze hervor,
der ihm eigenthümlich ist, und zwar bei viel kleineren Pünktchen, als die Größe der
Krystalle des Aventuringlases beträgt. Aventuringlas mag man wie immer anschleifen,
man gewahrt auf den polirten Krystallflächen nirgends metallischen Kupferglanz, der doch absolut nothwendig erscheinen müßte,
wenn die Krystalle regulinisches Kupfer wären. Ich hegte die Ansicht, daß der für
krystallinische Metallflimmer im Aventuringlas gehaltene Körper nichts weiter seyn
könnte, als größere Krystalle der Kupferoxydulverbindung, welche dem Hämatinon die
rothe Farbe ertheilt. Dieser Ansicht steht die eigenthümliche braungelbe Farbe des
Aventuringlases anscheinend entgegen; dieser war ich aber bereits begegnet, nur in
einem concentrirteren Zustande, als ich rothes Hämatinon durch Erhitzen in braunes
verwandelte. Zur Erklärung läßt sich hier das Verhalten der complementären Farben
benutzen, welches Liebig gebraucht hat, um die Wirkung
des Braunsteins beim Entfärben des Glases völlig aufzuhellen. Denkt man sich rothe
Krystalle in einer grünen Glasmasse, so kann man sicher annehmen, daß das Glas weder
grün noch roth erscheinen kann, weil sich diese beiden Farben aufheben; es entsteht
in der Regel ein unbestimmter brauner Ton, der je nach Menge und Natur der farbigen
Beimischungen in verschiedenen Schattirungen auftritt. Nimmt man ein grünes Glas
(z.B. ein grünes Römerglas) und bedeckt mit einer solchen grünen Glasfläche einen
rothen Körper (z.B. eine Stange rothes Siegellack), so erblickt man eine Farbe,
welche bei gehöriger Verdünnung vollständig die Farbe des Aventuringlases geben
kann, und welche gänzlich die des leberbraunen Hämatinon ist.
Ich habe Aventuringlas direct aus Hämatinon dargestellt, dadurch, daß ich der
schmelzenden Hämatinonmasse so viel Eisenfeile zumischte, daß etwa die Hälfte des
darin enthaltenen Kupfers reducirt wurde, welches sich nach längerem Schmelzen am
Grunde des Tiegels zu einem Regulus sammelte. Im frisch geschmolzenen Zustande ist
solches Glas tief grünschwarz, kaum durchsichtig. Erhält man es länger im Zustande
der Weichheit, und läßt
es dann sehr langsam abkühlen, so erhält man wirkliches Aventuringlas. Das
Eisenoxydul ist deßhalb zur Darstellung des Aventuringlases eben so unentbehrlich
und wesentlich, wie das Kupferoxydul, denn die Erscheinung ist so zu sagen die
diagonale Wirkung der optischen Kräfte beider. Man wird deßhalb stets Aventurin
erhalten, wenn man in einer nicht zu strengflüssigen Glasmasse ein Gemenge von
gleichen Theilen Kupferoxydul und Eisenoxydul auflöst, und nach beendigter
vollständiger Auflösung die Glasmasse unter Umständen abkühlen läßt, welche der
Entstehung von Krystallen günstig sind. Diese Umstände sind die nämlichen und längst
bekannten, welche der sogenannten Entglasung günstig sind. Das Kupferoxydul wird
sich beim langsamen Abkühlen als eine krystallinische rothe Verbindung ausscheiden,
das Eisenoxydul wird im Glase mit grüner Farbe gelöst bleiben.
Einiger Worte der Erläuterung bedarf es noch, weßhalb Eisenfeile oder KohleDie Kohle würde unbedingt allein anzuwenden seyn,
wenn es gelange, die Uebelstände des Stärken Aufschäumens zu beseitigen. zugesetzt wird, ohne welche Zusätze mir das Hämatinon nie gelang. Vor diesen
Zusätzen ist die Glasmasse stets dunkelgrün; nachdem der eine oder andere dieser
Körper eingewirkt hat, erscheint sie leberbraun. Es ist offenbar, daß durch diese
Zusätze ein rother Körper in der grünen Glasmasse gebildet wird. Es entsteht nun die
Frage, was derselbe ist. Man könnte annehmen, es werde von der das Hämatinon
überhaupt roth färbenden Kupferoxydulverbindung etwas ausgeschieden. Zu einer
solchen Annahme dürfte aber jeder wissenschaftliche Grund fehlen. Die Masse in
diesem Zustande unter dem Mikroskope betrachtet, zeigt bereits ausgeschiedene
zahlreiche feine Punkte, welche undurchsichtig erscheinen. Eine regelmäßige oder
Krystallgestalt ist an ihnen nicht zu erkennen. Ich halte sie für feine Punkte
regulinischen Kupfers, die auch auf allen geschliffenen und polirten Flächen des
schönsten rothen Hämatinons zahlreich zerstreut gefunden werden, häufig von einer
Größe, daß sie selbst dem freien Auge leicht wahrnehmbar sind. Diese feinen
Kupferpünktchen bilden die Anhalts- oder Ansatzpunkte für die Krystallisation
der in dem weißen Glase mit dunkelgrüner Farbe aufgelösten rothen
Kupferoxydulverbindung. Hierauf allein scheint die Wirkung eines so geringen
Zusatzes von Eisenfeile oder Kohle zu beruhen. Die schmutzig rothen Streifen, welche
ein Eisenstab, mit dem die flüssige Hämatinonmasse gerührt wird, vorübergehend
hervorbringt, sind reducirtes Kupfer mit wenig von Eisenoxydul grünem Glase bedeckt.
Werden diese Streifen in der übrigen dunkelgrünen Glasmasse verrührt, so
verschwinden sie, dafür erscheint aber dann die ganze Masse als eine Mischung von
Grün und Roth leberbraun. In der That gewahrt man die gleiche Farbe, wenn man einen
blanken Kupferstreifen mit einem dunkelgrünen Glase bedeckt. Wenn man bereits rothes
Hämatinon durch Erhitzen wieder in braunes verwandelt, so erscheint die letztere
Farbe stets viel satter als bei der ersten Darstellung, was ohne Zweifel daher
rührt, daß in dem wieder leberbraun gemachten Hämatinon neben den Punkten von
regulinischem Kupfer auch noch nicht wieder gelöste rothe Krystalle der
Kupferoxydulverbindung vorhanden sind.
Es ist eine weitere Frage, woraus diese Krystalle im Hämatinon und im Aventuringlase
bestehen. Sie scheinen dem tesseralen Systeme anzugehören (Wöhler). Sie besitzen eine rothe Farbe. Jedenfalls enthalten sie
Kupferoxydul, und da wir wissen, daß das Kupferoxydul im tesseralen Systeme
krystallisirt, meist in Octaedern, so liegt der Gedanke nahe, daß sie lediglich
Kupferoxydul seyn könnten, welches aus der Auflösung im Glase auskrystallisirt. Das
rothe Ueberfangglas, welches nur Spuren von Kupferoxydul enthält, eignet sich nicht
zur Entscheidung der Frage, ob wir es mit Kupferoxydul allein oder etwa mit einer
kieselsauren Kupferoxydulverbindung zu thun haben. Das Hämatinon dürfte hiefür eine
sicherere Grundlage abgeben. Die Krystallgestalt des kieselsauren Kupferoxyduls
kennen wir nicht, aber sie kann möglicherweise tesseral seyn. Der Härtegrad des
Hämatinon spricht entschieden gegen die Annahme, daß wir es lediglich mit
Kupferoxydul zu thun haben. Denken wir uns das sehr bleihaltige farblose Gas des
Hämatinon auf einer Seite und das krystallinische Kupferoxydul auf der anderen, so
erhalten wir zwei Körper, welche, jeder für sich genommen, bei weitem nicht die
Härte des Apatit erreichen, welche das Hämatinon doch thatsächlich besitzt.
Hämatinon ritzt sogar sehr leicht bleifreies gewöhnliches Glas, und Kupferoxydul
(Rothkupfererz) ist nur wenig härter als Kalkspath. Wir müssen aus diesem Grunde
annehmen, daß wir eine kieselsaure Kupferoxydulverbindung in diesen Krystallen
haben. Das leberbraune (theilweise amorphe) Hämatinon zeigt nahezu den gleichen
Härtegrad, wie das rothe (krystallinische), obwohl das specifische Gewicht der
beiden Modificationen wesentlich differirt. Das specifische Gewicht des amorphen
Hämatinon (in Pulverform bestimmt) ist 3,2470, und das des krystallinischen
3,5527.Die Bestimmungen wurden mit Stücken gemacht, welche aus ein und derselben
Schmelzung stammten.
Wenn wir das rothe Hämatinon oder das Aventuringlas wieder in Fluß bringen, so
verschwinden die Krystalle dieser kieselsauren Kupferoxydulverbindung, sie lösen sich im Glase mit
dunkelgrüner Farbe auf, und die Massen verlieren dadurch ihre charakteristischen
optischen Eigenschaften, welche wieder zum Vorschein kommen, wenn wir durch
langsames Abkühlen die der Krystallisation günstigen Umstände schaffen. Wenn beim
Hämatinon auch nur ein Theil der Krystalle aufgelöst ist, so ist die rothe Farbe aus
optischen Gründen nicht mehr wahrnehmbar. – Man kann nach zahlreichen
analogen Fällen annehmen, daß die krystallinische Verbindung vor ihrer Auflösung in
den amorphen Zustand, in dem sie nicht mehr roth ist, übergeht, und daß sie sich
eben so aus der Auflösung anfänglich im amorphen Zustande ausscheidet, der erst
später unter günstigen Umständen in die krystallinische Form übergeht. C. Splitgerber hat in Poggendorff's Annalen, Bd. LXXVI S. 566 (polyt. Journal Bd. CXIII S. 28), eine lehrreiche Abhandlung
über amorphe und krystallinische Entglasung geliefert, deren Resultate beim
Hämatinon vielfache Anwendung finden. Auch die dort ausgesprochene Ansicht Splitgerber's, daß der Sauerstoffgehalt der Basen zum
Sauerstoffgehalt der Kieselerde bei jenen Gläsern, die leicht krystallisiren, in
einem einfachen stöchiometrischen Verhältnisse stehe, findet auf das Hämatinon
Anwendung, in welchem der Sauerstoffgehalt der Kieselerde zum Sauerstoffgehalt der
Basen nach dem Resultat der Analyse sich nahezu verhält wie 24 : 8 oder wie 3 :
1.
Ich glaube daß diese Anschauungsweise über die Natur des Hämatinon auch auf das rothe
Ueberfang- oder Rubinglas vollständig anwendbar ist, und daß wir auch bei
diesem das Auftreten der rothen Farbe mit einer Ausscheidung von krystallinischem
kieselsauren Kupferoxydul für gleichbedeutend halten können. Bei der
außerordentlichen Verdünnung der kupferoxydulhaltigen Glasmasse, welche diese durch
die Operation des Ueberfangens erhält, sind die Krystalle so klein, daß sie selbst
unter dem Mikroskope nicht als solche sichtbar werden. Da die rothe Farbe des
Ueberfangglases aber der nämlichen Substanz angehört, wie die des Hämatinon, da das
Erscheinen und Verschwinden der rothen Farbe des Ueberfangglases unter ganz gleichen
Umständen erfolgt, wie das Erscheinen und Verschwinden der rothen Krystalle im
Hämatinon, so glaube ich annehmen zu dürfen, daß der chemische Vorgang bei beiden
Glasarten der nämliche ist. Daß das Ueberfangglas schneller und leichter roth wird
als das Hämatinon, liegt lediglich in der Dicke der Massen. Bei der Darstellung des
Ueberfangglases wird eine dünne Schicht eines leichtflüssigeren kupferoxydulhaltigen
Glases auf eine verhältnißmäßig dicke Schicht eines schwerflüssigeren weißen Glases
gelegt. Beim Anwärmen, wo die rothe Farbe hervortritt, wird das kupferoxydulhaltige
Glas den zur Krystallisation nöthigen Grad der Weichheit erreichen, während das
farblose strengflüssigere Glas dazu dient, die Form des Gegenstandes zu erhalten. Deßhalb
gelingt die rothe Farbe auch nur beim sogenannten Ueberfangen. Daß die Schicht des
kupferoxydulhaltigen Glases dünn seyn muß, und daß dasselbe überdieß nicht viel über
3 Proc. Kupferoxydul enthalten darf, hat seinen Grund darin, daß die rothe
krystallinische Kupferoxydulverbindung sich nur in sehr geringer Menge ausscheiden
darf, wenn sie das Glas für das Licht noch durchgängig erhalten soll. Bei einer
Größe der Krystalle, wie wir sie im Hämatinon sehen, ist dieses bereits in den
dünnsten Splittern kaum mehr durchscheinend. Um wie viel leichter dünne Schichten
einer glasartig zähen amorphen Masse krystallisiren als dicke, davon gibt das
geschmolzene amorphe Santonin ein interessantes Beispiel, welches bei einer
Temperatur von 40–50° C. leicht in den krystallinischen Zustand
übergeht, wenn es in einer dünnen Schicht auf einem Uhrglas ausgebreitet wird,
hingegen nicht, wenn die Schicht eine gewisse Dicke übersteigt.
Auf der Industrieausstellung zu München hatte ich Proben von Hämatinon, Astralit und
Aventurin unter dem generellen Namen Glas-Phorphyre ausgestellt. Die
Beurtheilungscommission hat mir eine Preismedaille dafür zuerkannt, und der Referent
des neunten Ausschusses (Prof. Dr. Knapp) spricht sich in dem Berichte der genannten Commission S. 48
folgendermaßen darüber aus: „Es ist nunmehr Sache der Industriellen, sich
dieser Erfindung, die ihrem Principe nach – wie die ausgestellten Proben
durch ihre brillanten Farben und durch ihren Maßstab erweisen – sich
völlig und leicht beherrschen läßt, zu bemächtigen und sie zu ihren Zwecken zu
Schmuck- und Ziergegenständen, Mosaikarbeiten und was dergleichen mehr
auszubeuten. Es kann dieß keine Schwierigkeit bieten, da sich die Masse leicht
formen, schneiden, schleifen läßt, und beim Poliren einen hohen Glanz annimmt.
Diese Proben zeichnen sich übrigens nicht nur durch brillante rothe Farbentöne,
sondern auch durch Festigkeit und Härte aus. Gewöhnliches Glas wird mit
Leichtigkeit davon geritzt, während sie im Feuer sehr leichtflüssig sind. Die
dabei zur Erzeugung angewendeten unvollkommenen Schmelz- und
Kühlvorrichtungen, Windofen und Muffel eines Laboratoriums, haben bereits
gestattet, die vorliegenden Objecte mit Sicherheit darzustellen, und es
unterliegt wohl keinem Zweifel, daß man bei zweckmäßigeren und größeren
Vorrichtungen auch in viel größeren Dimensionen wird arbeiten können. Die neue
Erfindung gewinnt ferner dadurch an Interesse, daß nach denselben Principien
auch die Herstellung des berühmten Aventuringlases ermöglicht ist, wie die mit
dem Hämatinon ausgestellten Proben von Aventurin trotz der Kleinheit der
Krystalle, welche lediglich durch die Unvollkommenheit der Vorrichtungen bedingt ist, jedem
Sachverständigen beweisen. Das Wesen des Aventuringlases ausmachende Phänomen
findet zugleich in dem neuen Princip seine endliche wahre Erklärung. Bisher
kannte man nur eine einzige Nuance dieses Glases; daß es sich auch noch in
verschiedenen anderen herstellen läßt, dürfte besonders einer der ausgestellten
Glasflüsse zeigen, die mit Krystallen durchsetzt sind, welche Dichroismus
zeigen, indem diese auf gewissen Flächen dunkelrothes, auf anderen grünlich
blaues Licht reflectiren. Selbst angenommen, daß man bei besseren Vorrichtungen
nicht weiter gehen könnte, als die vorliegenden Stücke zeigen, so dürfte die
Nützlichkeit des Stoffes für Herstellung verschiedener Schmuck- und
Ziergegenstände und für Mosaikarbeiten bewiesen seyn.“