Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. , S. 233 |
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Miscellen.
Miscellen.
Zur Pyrotechnik; von August Commichau.
Wenn ich mich vor Kurzem einfach darauf beschränkte, im Allgemeinen Deutschen
Telegraphen und in der Deutschen Gewerbezeitung meine Dienste für das Feuerungswesen
anzubieten, so glaube ich doch um so eher Veranlassung nehmen zu sollen, meinen
Standpunkt in der Sache etwas näher anzudeuten, als man im Allgemeinen –
belehrt durch den mehr oder weniger geringen und bedingten Erfolg der seitherigen
Bestrebungen – schon gewohnt worden ist, die immer wieder aufs Neue
auftauchenden Erfindungen mit einem gewissen Mißtrauen und großer Zurückhaltung
anzunehmen.
Es ist denn in der That auch schon so Mancherlei, selbst Heterogenes über den
vorliegenden Gegenstand geschrieben; es ist schon so Vieles angekündigt und
angepriesen worden, was sich in der nüchternen Praxis doch nicht bewährte, daß der
Vorsicht des Publicums die Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.
Je höher daher der Ernst um die Sache, und je tiefer und praktischer das Eingehen in
dieselbe, je mehr muß die Forderung und Pflicht gefühlt werden, erst dann mit
„Fortschritten“ an die Oeffentlichkeit zu treten, wenn
dieselben sich in vielen, möglichst abweichenden Fällen, und – was eine
Hauptsache – nach längerem Zeitraume praktisch als solche bewährt haben, da
es eine unläugbare Eigenthümlichkeit der Feuerungsanlagen überhaupt ist, daß sich
erst nach längerem Betriebe ein maaßgebendes Urtheil über dieselben feststellt,
welches dem anfänglichen nicht selten diametral entgegensteht.
Von diesem Gesichtspunkte aus wird es denn auch nur gebilligt werden können, wenn
ich, obgleich meine Bemühungen im Feuerungswesen schon seit Jahren datiren, doch
Anstand nahm, mich darüber eher vor einem größeren Leserkreise auszusprechen, als
bis ich über die Sache mit mir selbst zum Abschlusse gekommen, und mir über deren
Wesen klar geworden war. Selbstverständlich habe ich Alles, was in älterer und
neuerer Zeit darüber erschienen ist, zum Gegenstande meines Studiums gemacht und mit
meinen Erfahrungen verglichen.
Den Fortschritt der Pyrotechnik hat man seither vorzugsweise in der nachträglichen
Verbrennung des durch das Rostfeuer gebildeten Rauches gesucht, und es sind fast
alle Bestrebungen auf diesen Punkt gerichtet und beschränkt geblieben. Wenn diese
Bemühungen nun an und für sich wohl einseitig zu nennen sind, da die Pyrotechnik
einen weiteren Horizont hat, so kann dieß in Beziehung auf die speciellen
Anforderungen der Praxis in sehr erhöhtem Maaße gesagt werden, als sich die
Rauchfrage fast einzig und allein um Dampfkessel gedreht und Constructionen
hervorgerufen hat, die weder einfach noch anwendbar in allen Fällen der Rostfeuerung
genannt werden können.
Auch ich bin von der Idee einer nachträglichen Rauchverbrennung ausgegangen, und habe
wie die Mehrzahl der Pyrotechniker, die Wirkung mit der Ursache verwechselnd, den status nascens des Rauches vorzugsweise in einem Mangel
an Luft gesucht, wenn gleich ich auch schon einsah, daß dabei die Temperatur des
Herdraumes nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Ich habe daraufhin mit den
verschiedenartigsten, theils sehr, theils wenig complicirten Apparaten und
Vorrichtungen behufs Zuführung erhitzter Luft in den Ofenraum über dem Roste, meinen
ersten dornenvollen Cursus durchgemacht.
Je sanguiner meine Hoffnungen von den Leistungen der von mir erfundenen Apparate
waren, je gespannter meine Aufmerksamkeit auf die erwarteten Erfolge, und je größer
das, auf vielfältige Veränderung des Luftzuführungsweges verwandte Studium und
Nachdenken war, je weniger konnte ich doch die sich mir nachgerade unzweideutig
aufdrängende Ueberzeugung abweisen, daß auf diesem Wege die Aufgabe wenigstens nicht
nutzbringend zu lösen sey, und daß die von mir und Andern anfänglich bemerkten
Vortheile lediglich auf Selbsttäuschung beruhten. Diese Täuschung wird allerdings
durch den Umstand sehr begünstigt, daß bei schwachem, nicht hinreichendem Zuge die
Thätigkeit des Rostes und die Intensität des eigentlichen Rostfeuers so gering ist,
daß in diesem Falle eine Luftzuführung oberhalb des Rostes, also zu den aus
unvollständiger Verbrennung resultirenden Destillationsproducten als ein
Palliativmittel erscheint, welches die Rauchverbrennung und Flammenbildung wohl,
aber nur auf Kosten des Nutzeffects ermöglichen kann, da dadurch die Menge der den
Herdraum ungenutzt durchstreichenden Luft maaßlos vergrößert wird. Der Ofenraum wird
durch die separate Luftzuführung mehr abgekühlt, und verliert mehr an intensiver,
den Effect bedingender concentrirter Wärme, als ihm durch Verbrennung des Rauches
wieder zugeführt wird. Es wird augenscheinlich die so wirksame und kostbare
strahlende Wärme in demselben Verhältnisse in geleitete umgesetzt, als das
Luftquantum das chemische Bedürfniß übersteigt. Da der pyrometrische Wärmeeffect
lediglich von den Temperaturdifferenzen abhängt, so wird die Wirkung des Feuers in
allen Fällen vermindert werden, doch wird dieser Nachtheil in den Fällen am
Fühlbarsten seyn, je mehr eine begränzte kleine Heizfläche erfordert, daß ein
gegebenes Wärmequantum möglichst intensiv und concentrirt darauf wirke.
Ich habe dieß bei den verschiedenartigsten Anordnungen der Luftzuführung stets und
immer in der unbestechlichen Praxis wahr und überdieß von anderen Seiten bestätigt
gefunden. Auch in England sind schon seit Watt die
mannichfaltigsten Rauchverbrennungsapparate versucht, und, wenigstens hinsichtlich
der separaten Luftzuführung, keineswegs ökonomisch vortheilhaft befunden worden. Man
hat nach Bourne nicht allein Nachtheile in Bezug auf den
Effect des Feuers, sondern auch auf die Dauer der Kessel gefunden, und würde daher
in der großen Allgemeinheit unbezweifelt wohl noch viel mehr zu den ersten
primitiven Einrichtungen zurückgekehrt seyn, wenn sich nicht mittlerweile Parlament
und Polizei der Treibhauspflanze angenommen hätten.
Vorausgesetzt auch, daß diese Luftzuführung oberhalb des Rostes nöthig sey, so würde
doch der inspirirteste Chemiker, geschweige denn ein Empiriker in optima forma – d.h. ein Heizer, dem von dem Wesen
der Sache wohl kaum eine Ahnung vindicirt werden kann – außer Stande seyn,
bei einem Verbrennungsproceß, wie er im praktischen Leben statt hat, den
jedesmaligen Bedarf an atmosphärischem Sauerstoff zu bestimmen. Wenn nun diese
Aufgabe vollständig über das Vermögen des denkenden nicht allein, sondern auch des
speciell einsichtsvollsten Menschen hinausgeht, so wird die absolute Unmöglichkeit,
den haarscharfen Anforderungen der Chemie in Fällen, wo es auf jeden Augenblick sich
ändernde, oft so höchst beträchtlich schwankende Mischungsverhältnisse ankommt, auf
rein mechanischem Wege gerecht werden zu wollen, nicht bestritten werden können Man
würde in der That keine Hoffnung haben, die brennende Frage zu bewältigen, wenn ihre
Lösung auf diesem Wege erfolgen müßte.
Die hinsichtlich der Luftzuführung oberhalb des Rostes bemerkten Ergebnisse der
praktischen Erfahrung finden auch vom Standpunkte der experimentalen Wissenschaft
aus ihre volle Bestätigung, und an diese Quelle zurückkehrend muß man sich wohl
nachträglich überzeugen, daß nur eine Unmöglichkeit angestrebt wurde, wenn man
dadurch der Wahrheit näher kommen wollte, indem man auf einem Abwege nur noch weiter
ging
Der vollständige Verbrennungsproceß ist bekanntlich von zwei Fundamentalbedingungen
abhängig.
1) Von hinreichender, doch aber mathematisch genau begränzter
Luft.
2) Von hoher, oder vielmehr höchstmöglicher Temperatur.
Alle Analysen der durch die Esse entweichenden Producte und Educte der Verbrennung
haben aber dargethan, daß um so mehr unbenutzte – dann also bloß abkühlende,
den Effect herabstimmende – Luft durch die Brennmaterialschicht und den Herd
geht, je unvollkommener und langsamer die Verbrennung war. Es wurde selbst bei
besserer Verbrennung und lebhafterem Luftzuge die Hälfte der durch die Rostspalten
eingeströmten Luft unzersetzt, bei langsamerem Feuern und schwachem Zuge, vollends
da, wo Luft über der Brennstoffschicht eintrat, aber ein noch weit ungünstigeres
Verhältniß gefunden. Mit der Heftigkeit der Luftströmung in die Brennstoffe, d.h.
zum glühenden Kohlenstoff vermehrt sich die Affinität des Sauerstoffs zu den
Brennstoffen überhaupt, und es vermindert sich das Quantum der ungenutzten Luft in
demselben Maaße, als sich der pyrometrische Effect, d.h. die Temperaturdifferenz der
Wärmequelle zu den zu erhitzenden Gegenständen steigert, und die Verbrennung
überhaupt normaler wird.
Dieß ist der Kern der Sache.
Als meine Autoritäten führe ich neben meiner praktischen Erfahrung an – Schubarth's technische Chemie,
Clément, Péclet, Karmarsch und Heeren's technisches Wörterbuch. Bernoulli's
Dampfmaschinenlehre und Vademecum des Mechanikers, Gottlieb's chemische Technologie.
Rauch ist stets eine Folge unvollkommener Verbrennung und entsteht in um so größerer
Menge, je langsamer und unvollständiger die Zersetzung der Brennstoffe, und bei je
niedrigerer Temperatur sie erfolgt. Wenn nun Rauch auch bei oder durch Mangel an
Luft sich bilden kann, so ist die Entstehungsursache desselben in den vorliegenden
Fällen, d.h. bei Rostfeuern aber ganz offenbar nicht in diesem Umstande zu suchen,
da im Gegentheil eher das, Rostfeuer und Herd höchst schädlich afficirende Uebermaaß
der Luft zu entfernen ist. Wenn also die bisherige Heilmethode, uneingedenk des
bekannten Ausspruches Newton's, daß die Natur keinen
Luxus mit den Ursachen treibe, davon ausging, den Rauch mit Hülfe der Luft erst
herbeiführen, um ihn abermals mit Luft wieder zu beseitigen, so erscheint es ohne
Frage einfacher, den ersten Proceß zu unterlassen, um des zweiten überhoben zu seyn.
Es kommt augenscheinlich nicht sowohl darauf an, den gebildeten Rauch zu zerstören,
als im Gegentheile eine solche Verbrennung zu erzielen, daß wenig oder kein Rauch
entstehe, und hierin liegt denn auch einzig und allein der Vortheil einer rauchlosen
Verbrennung.
Es ist allerdings eine Anomalie, daß bei einem schon bestehenden Ueberschusse an
atmosphärischer Luft eine noch weitere Vermehrung desselben die Rauchverbrennung
überhaupt ermöglichen kann. Die Dunkelheit dieses Punktes hat augenfällig die
Schwierigkeiten der pyrotechnischen Bestrebungen so erhöht, daß ihre Unfruchtbarkeit
darin nahezu ihre vollständige Erklärung finden dürfte.
Ich darf nach dem Gesagten wohl kaum noch hinzufügen, daß ich von allen, auf
„nachträgliche Rauchverbrennung“ abzielenden Apparaten und
Vorrichtungen gänzlich zurückgekommen bin, und die Lösung der Aufgabe an der Basis,
nämlich am Roste, d.h. in der Geschwindigkeit der durch ihn ein- und die
Brennstoffe durchströmenden Luft, und in dem dadurch erzielten normalen
Verbrennungsprocesse des Rostfeuers selbst suche, indem ich von jeder anderweitigen
Luftzuführung absehe.
Diese Einströmungsgeschwindigkeit der Luft zu erlangen, ist nun nichts weiter nöthig,
als mit Rücksicht auf das zur Verwendung kommende Brennmaterial Ofen und Esse
entsprechend zu construiren. Es kann dieß nach sehr einfachen Grundsätzen geschehen,
und es bedarf dazu keineswegs einer abnormen, kostspieligen Construction, die nur in
seltenern Fällen anwendbar wäre.
Die Luft muß um so schneller zum Brennstoffe strömen, je geringer dessen Affinität
zum Sauerstoffe ist, also einestheils bei den Materialien von großem und dichtem
Kohlenstoffgehalte, anderntheils bei allen schwer entzündlichen, also feuchten oder
nassen Brennstoffen überhaupt. Dabei sind natürlich die Weite der Rostspalten, Höhenschicht der
Brennmaterials auf dem Roste, der Grad ihre Zerkleinerung fernere bedingende
Factoren.
In allen Fällen ist es gut, ein Uebermaaß an Zug zu haben, da sich die Moderirung
desselben nach Bedarf immer leicht durch einen Schieber entweder in der Esse, oder,
was ich vorziehen würde, vor dem Aschenfalle erreichen läßt.
Die nöthige große Geschwindigkeit der Luft erlange ich nun nicht, indem ich mich den
noch ziemlich allgemein herrschenden Ansichten über die Bedingungen eines lebhaften
Zuges anschließe. Ich habe die vollgültigste Autorität, nämlich die Erfahrung für
mich, wenn ich sage, daß die bisherige Schornsteintheorie von irrigen Prämissen
ausgeht. Eine schnelle Bewegung der Verbrennungsproducte in und namentlich aus der
Esse ist nämlich vollständig unnöthig zur Erlangung einer heftigen Luftströmung
durch die Rostspalten. Ich erkaufe daher die Erreichung meines Zieles weder durch
das unfruchtbare Opfer einer hohen Schornsteintemperatur, noch durch eine
himmelstürmende Höhe der Esse selbst, befleißige mich vielmehr, der Anforderung der
Praxis: „Oekonomie“ auch in dieser Hinsicht gerecht zu werden.
Im Allgemeinen sind die Höhenverhältnisse der benachbarten Gebäulichkeiten Maaßstab
für diejenigen meiner Schornsteine. Je unwesentlicher ich indessen die Höhe
gefunden, je mehr Werth habe ich auf die übrigen Dimensionen der Esse zu legen.
Auch könnte geglaubt werden, daß ich dem Roste, insofern ich so große Dinge von ihm
erwarte, eine besondere Gestalt und Lage gäbe, die für den praktischen Gebrauch
unbequem, für den häuslichen Herd vielleicht sogar unmöglich seyn könnte, und ich
füge daher noch ausdrücklich hinzu, daß ich mich so ziemlich in allen Fällen auf die
gewöhnliche horizontale Lage eines Rostes beschränken, aber auch in den
schwierigsten Fällen, nämlich bei fetter, sehr bituminöser Steinkohle nie über zwei
getheilte Roste gehen würde. Ich weiß erfahrungsmäßig, was ein einzelner Rost zu
leisten vermag, sobald er nur in Stand gesetzt seine ganze Schuldigkeit zu thun, und
ich habe alsdann unter ungünstigen Umständen eine rauchlose Zersetzung der
Brennstoffe bei höchster Wärmeentwickelung möglich gefunden.
Es würde damit aber nur erst der eine Theil der Aufgabe gelöst seyn, da die
Pyrotechnik in zwei wesentlich verschiedene und getrennte, sich gegenseitig an
Wichtigkeit nichts nachgebende Hauptpunkte zerfällt, deren erster die möglichst
vollkommene Verbrennung der Brennstoffe und höchste Wärmeentwickelung ist, deren
zweiter aber die möglichst vollständige Benutzung der erzeugten Wärme und das
kleinste Opfer an die Esse in sich begreift. Man hat diesem wichtigen zweiten Punkte
bisher jedenfalls nur sehr secundäre Aufmerksamkeit gewidmet, und ich habe darüber
noch so wenig Anhaltspunkte vorgefunden, daß ich mich seither gänzlich auf meine
eigenen Beobachtungen angewiesen sah. Das Feld ist um so umfänglicher, als jedes
Brennmaterial sein gesondertes Studium erfordert, und daher nicht sofort in
bestimmte Gränzen abzustecken ist.
Die beiden Bedingungen, welche die Pyrotechnik stellt, scheinen auf den ersten Blick
schwer zu vereinigen, da eine große Einströmungsgeschwindigkeit der atmosphärischenatmospärischen Luft den Gedanken an ein eben so schnelles Entweichen der Rauchluft, resp.
der Wärme nahe legt. Doch ist diese Schwierigkeit glücklicherweise nur scheinbar,
und es läßt sich ihr in der Praxis sehr leicht begegnen.
Freilich bieten sich hier dem Pyrotechniker oft große, nicht immer zu bewältigende
Schwierigkeiten dar, in so fern er nicht stets die Form und Größe der Heizfläche zu
bestimmen, sondern sich oft Gegebenem anzupassen hat. Es ist dieß namentlich bei
Dampfkesseln der Fall, deren Construction zuweilen den Anforderungen der
Feuerungskunde so wenig entspricht, daß, abgesehen von guter Wärmebenutzung, selbst
eine gute Ofenanlage an und für sich sehr erschwert wird. Insbesondere kann dieß von
den Kesseln mit Rauchrohren gesagt werden, deren Dimensionen nicht selten mit der
Rostgröße im abenteuerlichsten Verhältnisse stehen.
Die vollkommenste Ofenanlage ist nicht gleichbedeutend mit vollkommenstem Effect, der
im Gegentheil durch Gestalt und Größe der Heizfläche bedingt wird. Die strahlende
Wärme erfordert zur Aufnahme eine passende, die geleitete aber außerdem eine
hinlänglich ausgedehnte Heizfläche, wenn das aufs Vollständigste verzehrte
Brennmaterial seine volle Arbeitskraft abgeben soll. Ist diesen Forderungen der
Pyrotechnik in gegebenen Fällen nicht Rechnung zu tragen, so darf nichts Unmögliches
von ihr erwartet werden. Es ist dann nicht ihr Verschulden, wenn der Esse ein oft
enormes Wärmequantum zum Raube fallen muß.
Dieser Verlust wird im Allgemeinen um so größer ausfallen, je weniger strahlende und
je mehr geleitete Wärme der Brennstoff entwickelt. Da nun diese Differenzen bei den
verschiedenen Brennmaterialien beträchtlich sind, so liegt die Forderung, sie bei
dem Kesselbau zu berücksichtigen, gewiß nahe genug. Es ist kaum zu bezweifeln, daß
sich bei tieferem Studium dieses hochwichtigen Punktes der Effect von Holz, Torf und
Braunkohle nicht allein, sondern auch der Steinkohle, namentlich der meist naß zur
Verwendung kommenden klaren Kohle – Kohlengrus – wesentlich steigern
ließe.
Die Superiorität von Kohks für die Locomotivheizung, als bei beschränkter oder
vielmehr kurzer Heizfläche ist dann nur ein Beleg für meine Ansicht. Nach den von
Hrn. Franz Nowotny mitgetheilten Ergebnissen stellt sich
bei Locomotiven aus drei Versuchsreihen der Verbrauch von Kohks im Verhältnisse zu
Steinkohle wie 100 : 136. Während nun Karmarsch und Heeren die mittlere Heizkraft von Kohks und Steinkohlen
gleichstellen, nimmt Bernoulli die der erstern nur zu
9/10 von der der Steinkohle an, und es müßten sonach, wenn die aus letzterer
erzeugte Wärme eben so weit als aus Kohks benutzt werden könnte, 90 Pfd. Steinkohlen
genügend gewesen seyn. Ergibt sich nun auf 90 Pfd. ein Verlust von 46 Pfd., so würde
dieß reichlich 50 Procent gleichkommen. Auf haarscharfe Genauigkeit machen diese
Angaben allerdings keinen Anspruch, da, um die Zahlen genau festzustellen, eine
Prüfung auf die, sich bei den speciell concurrirenden Brennstoffen ergebenden
Calorien vorher gehen müßte.Der Verfasser theilt schließlich zur Unterstützung obiger Darlegung eine
Reihe von Zeugnissen mit, welche ihm über seine in verschiedenen Fabriken
ausgeführten und bewährten Feuerungsanlagen für Dampfkessel und
Dampftrockenapparate, seine Heizöfen für Drucklocale, Druckmaschinen,
Trockenstuben etc. ausgestellt wurden. A. d. Red. – Zittau im April 1857. (Deutsche
Gewerbezeitung, 1857, Heft 3.)
Ueber eine neue Bildungsweise des Ammoniaks und der
Ammoniaksalze; von Prof. Dr. Rud. Wagner in Würzburg.
Die Wichtigkeit der Ammoniaksalze für die Landwirthschaft und Technik nimmt von Jahr
zu Jahr zu und zwar in vielen Fällen in dem Verhältniß, als der Preis der Kalisalze
sich steigert. Trotzdem sehen wir hinsichtlich des Ammoniaks das in der Industrie
seltene Beispiel, daß eine schon seit langer Zeit bekannte, reichliche Quelle des
Ammoniaks bisher noch keine Benutzung fand. Wir meinen das
Ammoniak, welches bei der Verbrennung der Steinkohlen sich bildet. Unseres
Wissens ist Prof. v. Liebig der Erste, der auf die
angedeutete Ammoniakquelle aufmerksam machte. In seiner Schrift: Ueber Theorie und
Praxis der Landwirthschaft S. 9 sagt er: „Ein jeder Feuerherd, alle die
zahlreichen Feuerstätten und Schornsteine in den Fabrikstädten und
Manufacturdistricten, die Hohöfen und EisenhüttenJ. A. Stöckhardt, Chem. Feldpredigten. Leipzig
1853; erste Abtheilung S. 154. In demselben Werke heißt es Seite 6:
„Verbrennen die Steinkohlen vollständig, d.h. bei
hinreichendem Luftzutritt, so wird aus ihrem Stickstoff kein
Ammoniak erzeugt, sondern derselbe nimmt Luftgestalt an und
entweicht als unverbundener Stickstoff mit dem Rauche in die
Atmosphäre“ Unseres Erachtens wird sich in allen
technischen Feuerungsanlagen bei möglichst vollständiger Verbrennung der
Steinkohlen aller Stickstoff in Form von
Ammoniak in den Verbrennungsproducten finden. sind eben so viele Destillationsapparate, welche die Atmosphäre mit der
stickstoffhaltigen Nahrung einer untergegangenen Pflanzenwelt bereichern. Von
der Quantität Ammoniak, welche auf diese Weise die Atmosphäre empfängt, kann man
sich einen Begriff machen, wenn man sich erinnert, daß manche Leuchtgasfabriken
aus dem
Gaswasser viele hundert Centner Ammoniak gewinnen.“ Anstatt das aus
seinen theuer erkauften Steinkohlen entwickelte Ammoniak dem allgemeinen Besten
preiszugeben, würde jeder Fabrikant es vorziehen, das Ammoniak zum eigenen Vortheil
zu verwerthen, wenn es bekannt wäre, wie wichtig die Ammoniakgewinnung für eine
Fabrik werden könnte, wenn man es wüßte, daß der Erlös aus den Ammoniaksalzen die
Kosten für die Steinkohlen vollständig zu decken im Stande sey.
Die Stadt Nürnberg consumirt jährlich eine Million Centner
Steinkohlen in ihren Fabriken, welche bei einem durchschnittlichen Gehalte von 0,75
Procent Stickstoff jährlich mehr als 9000 Ct. Ammoniak der Atmosphäre
mittheilen.
Bei den Bestrebungen der Technik, die Bildung des Rauches zu verhüten und das
Brennmaterial in die Endproducte der Verbrennung, in Kohlensäure, Wasserdampf und
Ammoniak zu verwandeln, wird es nicht in das Bereich des Unausführbaren gehören, den
in den Schornstein ziehenden Gasen, ehe sie in die Atmosphäre gelangen, durch
Schwefelsäure oder auch vielleicht durch billige schwefelsaure Salze (Gyps,
Eisenvitriol in Gestalt verwitterter schwefelkieshaltiger Braunkohlen) das Ammoniak
zu entziehen. Gelänge es, bei obigem Beispiel, nur 10 Proc. des gebildeten Ammoniaks
zu condensiren und in Salmiak zu verwandeln, so würde man 2832 Ctr. Salmiak
erhalten, welche, den Centner Salmiak zu 25 fl. gerechnet, ein Capital von 70,000
fl. repräsentiren. Könnte man alles Ammoniak verdichten, so ließe sich eine Summe
von 700,000 fl. erzielen, welche, die Ausgabe für Schwefelsäure mit berücksichtigt,
immer noch größer ist, als diejenige, die den Werth von einer Million Centner
Steinkohlen ausdrückt.
Wenn es ausführbar wäre, die Menge des Ammoniaks, das aus einer Steinkohlensorte von
genau bekanntem Stickstoffgehalte, beim Verbrennen zum Beispiel unter einer
Kesselfeuerung sich entwickelt, zu bestimmen, so würde man ohne Zweifel das
überraschende Resultat erhalten, daß die Quantität des Ammoniaks weit größer ist,
als sie der Theorie nach seyn sollte. Directe Versuche von Erdmann und Marchand haben es längst bewiesen,
daß sich Ammoniak bildet, wenn Stickstoff und Wasserdämpfe über glühende Kohlen
geleitet werden. Bei jeder technischen Feuerung sind alle Bedingungen gegeben,
Ammoniak aus dem Stickstoff der Luft, und zwar in großer Menge zu bilden. Hat sogar
in neuester Zeit Brunnquell
Brunnquell, polytechn. Journal Bd. CXLI S. 57. ein neues Verfahren der Darstellung von Forrocyankalium auf solche
Ammoniakbildung gründen wollen.
Stöckhardt sagt in seinen Feldpredigten bei Gelegenheit
des Guanos: „So lange die deutschen Felder noch durch Ammoniak zu einem
höheren Grade von Fruchtbarkeit gelangen, und so lange wir keine billigere
Ammoniakquelle besitzen, so lange wird auch der Guano als ein mächtiger Hebel
des deutschen Ackerbaues mit Vortheil zu benutzen seyn.“ Es wird
fürwahr in der Zukunft nicht mehr des Guanos bedürfen, um unsere Felder mit Ammoniak
zu versehen; die Verbrennung der Steinkohlen in geeignet construirten
Feuerungsanlagen und die Condensation des bei der Verbrennung sich bildenden
Ammoniaks wird uns reichlichere Mengen von Ammoniaksalzen liefern, als die
Guanolagen Peru's, und noch dazu fast umsonst. (Würzburger gemeinnützige
Wochenschrift, 1857, Nro. 17.)
Ueber das Glühwachs in der Feuervergoldung; von Demselben.
Das in der Feuervergoldung zur Ertheilung der röthlichen Färbung angewendete Glühwachs besteht bekanntlich aus einem innigen Gemenge
von gelbem Wachse mit feingepulvertem Grünspan, zu welchem man in der Regel etwas
Bolus, gebrannten Alaun oder gebrannten Borax setzt. Die Theorie der Anwendung des
Glühwachses ist folgende: Durch den Grünspan (essigsaures Kupferoxyd) wird auf der
Oberfläche des vergoldeten Gegenstandes eine wirkliche rothe Karatirung erzeugt;
dieß wird erreicht:
1) dadurch, daß sich aus dem schmelzenden Gemenge auf das Zink der Bronze Kupfer
metallisch niederschlägt;
2) daß unter Mitwirkung der Producte der trocknen Destillation des Wachses und der
Essigsäure (Kohlenwasserstoff, fein zertheilte Kohle u.s.w.) das erhitzte Kupferoxyd
des Grünspans zu Kupfer reducirt wird, welches sich eben so wie das auf dem Zink
niedergeschlagene Kupfer mit dem Gold zu der röthlichen Goldlegirung verbindet.
Die übrigen Stoffe dienen nur zur Verdünnung der wirksamen Bestandtheile, obgleich
einige Vergolder die Beobachtung gemacht haben wollen, daß ein alaunhaltiges
Glühwachs eine hellere Farbe gebe, als ein mit Borax dargestelltes. Möglich daher,
daß sich bei der Anwendung von alaunhaltigem Glühwachse eine
Aluminium-Goldlegirung erzeugt.
Das Glühwachs, zu dessen Bereitung eine große Anzahl sehr abweichender Vorschriften
existirt, möchte wohl vollständig durch ein Gemenge von indifferenten Pulvern
(Porzellanerde, Bolus, Specksteinpulver, Infusorienerde) mit Kupferseife (stearin-, palmitin- und ölsaurem Kupferoxyd) zu
ersetzen seyn, welche letztere entweder auf nassem Wege
durch Fällen einer Lösung von Kernseife mit einer Lösung von Kupfervitriol und
Auswaschen und vorsichtiges Schmelzen des Niederschlages, oder durch fortgesetztes Erhitzen der in den Stearinsäurefabriken
abfallenden rohen Oelsäure mit kohlensaurem Kupferoxyd (grüne Kupferfarbe), bis zum
Auflösen des letzteren, dargestellt wird. (Würzburger gemeinnützige Wochenschrift,
1857, Nr. 19.)
Ueber das Gießen einiger Metalle.
Bekanntlich werfen Techniker vor dem Ausgießen des Goldes, Silbers, Messings etc.
etwas Seife, Wachs oder andere Fette in den Tiegel, damit das Metall beim Ausgießen
nicht so schnell erkalte. So gut das Mittel an und für sich ist, so kommt es doch
häufig vor, daß das Fett mit in die Gießform läuft und dadurch den Guß verdirbt.
Dieses zu verhüten, nehme man ein Stück feuerfesten porösen Stein, etwa ein Stück
von einem Ziegelsteine, lege es in Oel, lasse es dasselbe einschlucken und gebrauche
es alsdann wie Seife etc., was erstens billiger ist, zweitens den Nachtheil nicht
hat, daß der Guß damit verdorben wird, da es vermöge seiner Größe leicht
zurückgehalten werden kann, drittens endlich brennt es länger und gleichmäßiger als
jedes der oben angegebenen Fette. J. W. (Württembergisches Gewerbeblatt, 1857, Nr.
18.)
Ueber das Spiegelmetall, von Prof. Fr. Jul. Otto.
Die Untersuchung eines zerbrochenen schönen Metallspiegels des physikalischen
Cabinets in Braunschweig ergab 65,15 Kupfer und 32,78 Zinn. Das Metall war also
wahrscheinlich aus 2 Theilen Kupfer und 1 Theil Zinn zusammengeschmolzen.
Für die Anfertigung eines neuen Spiegels habe ich einige Versuche über das beste
Verhältniß zwischen Kupfer und Zinn angestellt.
Die (polirt) weißeste Legirung ist die von 31,5 Proc. Gehalt an Zinn. Bei erhöhtem
Gehalte an Kupfer zeigt die Legirung einen Stich ins Gelbliche, so die Legirung mit
29,5 Proc. Zinn. Bei erhöhtem Gehalte an Zinn stellt sich ein Stich ins Bläuliche
ein, so bei der Legirung mit 33 Proc. Zinn.
Je größer der Gehalt an Kupfer, desto mehr sind die Legirungen zum bräunlichgelben
Anlaufen geneigt. Die weißeste Legirung (31,5 Proc. Zinn) steht in dieser Beziehung
der Legirung mit einem bläulichen Stich (33 Proc. Zinn) schon auffallend nach. d.h.
die letztere läuft weit weniger an. Bei noch größerem Gehalte an Zinn findet
Anlaufen so gut wie nicht mehr statt, aber die Legirungen werden bröcklich und ganz
ungeeignet für den Zweck.
Alle die angeführten Legirungen zeichnen sich übrigens durch außerordentliche
Sprödigkeit aus; ihr Bruch ist äußerst feinkörnig Sie nehmen sämmtlich eine
treffliche Politur an. Die Farbe beurtheilt man am besten, indem man völlig weißes
Papier sich darin spiegeln läßt.
Für das Zusammenschmelzen der Metalle von sehr verschiedenen Schmelzpunkten gibt man
gewöhnlich die Regel, das schwerer schmelzbare Metall zuerst zu schmelzen und dann
das leichter schmelzbare zuzusetzen. Es ist aber besser, umgekehrt zu verfahren. Man
schmelze zuerst das leichter schmelzbare Metall und setze nach und nach das schwerer
schmelzbare hinzu. Letzteres löst sich in dem ersteren, ungefähr wie sich Gold
u.s.w. in Quecksilber bei gewöhnlicher Temperatur lösen. Man hat so den geringsten
Abbrand. Bei dem Zusammenschmelzen von Kupfer und Zinn hat sich dieser Weg ohne
Frage als der beste erwiesen. (Annalen der Chemie und Pharmacie, 1857, Bd. CII S.
66.)
Ueber das Amylen als anästhesirendes Mittel.
In dem Artikel über das Amylen im vorletzten Heft dieses Journals S. 73 habe ich
gesagt: das Amylen kann ohne alle Gefahr eingeathmet werden; es sollte jedoch heißen
„das Amylen konnte bisher ohne alle Gefahr
eingeathmet werden“, wie es auch der Eingang jenes Artikels andeutet
Dr. Snow in London,
welcher das Amylen in die ärztliche Praxis einführte (die Chemiker Prof. Balard und Cahours sind die
Entdecker desselben), bemerkte in seiner ersten Veröffentlichung, daß er dasselbe
bisher ohne Gefahr angewendet habe und bei Anwendung der gehörigen Vorsicht sey es
höchst wahrscheinlich, daß dasselbe keinen üblen Ausgang verursache. Letztere
Meinung ist kürzlich scheinbar zu nichtnichte geworden, da in einem Falle, wo Dr. Snow selbst das Amylen administrirte, während Dr. Ferguson die Operation
vornahm, das Amylen einen traurigen Ausgang verursachte. Es zeigte sich jedoch bei
näherer Untersuchung, daß der Leidende einen Herzfehler hatte, Dr. Snow und andere englische
Aerzte wenden das Amylen fortwährend an
Heinrich v. Sicherer.
London, den 10. Mai 1857.
Ueber das sogenannte Klettenwurzelöl; von H. Creuzburg.
Der Glaube an die haarstärkende Wirkung der Klettenwurzel
führt zurück in die sogenanntesogenante Alongeperückenzeit, jene Zeit der ellenlangen Recepte und der monströsen
Kräuterbücher, wovon noch zuweilen Exemplare in alten Apotheken oder in der
Bibliothek eines alten Hirten oder Schäfers als Reliquien sich vorfinden. Allen in
diesen Folianten durch Holzschnitt ausgeführten Kräutern ist eine Beschreibung ihrer
angeblichen Wirkung beigefügt, denn es gab damals kein Kräutlein, welchem die alten
Aerzte nicht eine erkleckliche Anzahl von Heilkräften auf Menschen und Vieh
zutheilten. Es ist bekannt, daß die neuere Heilkunde den größten Theil dieser
Kräuter und Wurzeln aus dem Arzneischatz auszuscheiden für gut fand, –
wiewohl es fast eines Jahrhunderts bedurfte, um in diesem Betreff die Spreu von den
Körnern zu sondern, und die Grundlosigkeit der Angaben bezüglich der Heilkraft
vieler dieser Kräuter und Wurzeln ans Licht zu stellen.
Aus einem solchen alten Kräuterbuche datirt sich der irrige Glaube an die
haarstärkende Wirkung der Klettenwurzel, welcher sich bis auf heutigen Tag erhalten
hat. Die Klettenwurzel hat aber, chemischen Analysen und Zeugnissen Sachverständiger
zufolge, nicht die geringste derartige Wirkung. Die schleimige Klettenwurzel gibt an
fettes Oel von ihrer Substanz gar nichts ab; woher sollte die haarstärkende Wirkung
des Oeles kommen? – Es gibt daher gar kein haarkräftigendes Klettenwurzelöl,
und wenn ein Haarkräusler (angeblich durch vieljähriges Nachdenken) ein so
beeigenschaftetes Klettenwurzelöl erfunden haben will, so ist das einer von jenen
frechen
Betrugswegen, deren sich die Charlatanerie bedient, um das Publicum zu täuschen und
zu übervortheilen.
Allerdings gibt es Mittel, welche auf den sogenannten Haarboden stärkend und belebend
wirken, – warum sollte es deren nicht eben so gut wie für andere Krankheiten
geben? – aber gerade diese rechten Mittel scheinen noch wenig bekannt zu
seyn; zu diesen Mitteln kann aber am allerwenigsten die Klettenwurzel gehören, deren
schleimige Substanz hauptsächlich aus einem stärkmehlartigen Körper (Inulin)
besteht; – man könnte noch hinzusetzen, daß die Klettenwurzel keineswegs ein
blutreinigendes Mittel ist, wofür sie bis heute gehalten und gebraucht wird.
Huraut's Verfahren, Guajakholz auf eine Beimischung
fremder Hölzer zu prüfen.
Ungeachtet des niedrigen Preises des Guajakholzes und vielleicht gerade wegen dieses
geringen Preises ist es sehr schwierig, heut zu Tage dieses Holz im geraspelten
Zustande ohne Beimengung, und besonders ohne beigemengte Buchsbaumholzspäne, zu
bekommen. Obwohl dieses hinlänglich bekannt ist, hat man doch solche Verfälschung
wegen Mangels eines schnell und leicht ausführbaren Verfahrens nicht sicher erkennen
und verhindern können. Folgendes Verfahren von Apotheker Huraut in Paris, welches auf die Eigenschaft des Guajakharzes, unter
Einfluß gewisser Stoffe sich schön blau zu färben, gegründet ist. ist demselben bei
öfteren Versuchen jedesmal vollkommen gelungen. Derselbe wendet hierzu
unterchlorigsaure Verbindungen (Javellische Lauge oder Chlorkalklösung) an, die eine
augenblickliche Reaction zu Wege bringen.
Es wird dabei auf folgende Weise verfahren: Man nimmt 15 bis 20 Gramme (4 bis 5
Drachmen) Guajakholz, welches man prüfen will, und rührt es in so viel
Chlorkalklösung, daß es davon ganz benetzt werde. Nach einigen Secunden Berührung
hat alles Guajakholz eine grünliche Farbe angenommen, während fremde Hölzer, wie
Buchsbaumholz u s. w., die ihnen eigenthümliche Farbe behalten. Läßt man hierauf die
überschüssige Flüssigkeit ablaufen und breitet man das ganz feuchte Guajakholz auf
einem Bogen Papier aus, so ist es leicht, auf einen einzigen Blick die Menge des
beigemengten anderen Holzes annäherungsweise zu schätzen. Huraut hat auf solche Weise Guajakholz probirt, welches mehr als die
Hälfte seines Gewichts fremder Stoffe beigemengt enthielt.
Dieses Verfahren bewirkt also augenblicklich dasselbe, was das Licht (der Sauerstoff)
erst mit der Zeit am Guajakholz hervorbringtherorbringt. (Aus Journ. de Pharm. et de Chim., durch
neues Repert. f. Pharm. Bd. I S. 323.)