Titel: | Ueber Prüfung des Essigs auf den Säuregehalt; von Prof. Dr. Fr. Jul. Otto. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. CXIV., S. 450 |
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CXIV.
Ueber Prüfung des Essigs auf den Säuregehalt; von
Prof. Dr. Fr. Jul.
Otto.
Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, April 1857, S.
69.
Otto, über Prüfung des Essigs auf den Säuregehalt.
Die HHrn. Nicholson und Price
haben das Verfahren, den Säuregehalt des Essigs durch Neutralisiren mit kohlensauren
oder ätzenden Alkalien zu bestimmen, in Verruf gebracht. Sie geben an (polytechn.
Journal Bd. CXXXIX S. 441), daß sehr
ungenaue Resultate erhalten würden, weil das essigsaure Alkali alkalisch reagire.
Man müsse mit kohlensaurem Kalk oder Baryt prüfen, oder mittelst des
Kohlensäure-Apparates von Fresenius und Will. Sie basiren diese Angaben auf Versuche, deren
Resultate in dem Folgenden übersichtlich zusammengestellt sind. Die Zahlen zeigen
die Procente Essigsäurehydrat an, welche nach den verschiedenen Prüfungsmethoden in
der concentrirten oder verdünnten Essigsäure gefunden wurden.
Kohlens. Natron
Kohlens. Kalk
Kohlens. Baryt
Fresenius und Will
87,9
99,6
99,4
99,3
45,3
52,8
52,3
52,0
22,1
25,5
25,7
25,3.
Wie verschieden sind die Zahlen der ersten Reihe von den entsprechenden Zahlen der
anderen Reihen, bei denen sich die größte Uebereinstimmung zeigt!
Die Versuche von Nicholson und Price kamen mir, da ich eben mit der Bearbeitung einer neuen Ausgabe
meines Lehrbuchs der Essigfabrication beschäftigt war, höchst ungelegen. Ich mußte das früher
allgemein übliche Verfahren der Prüfung des Essigs auf den Säuregehalt, ich mußte
mein Acetometer verdammen, bei welchem eine verdünnte Ammoniakflüssigkeit als
acetometrische Flüssigkeit benutzt wird. Nicht sowohl um die Richtigkeit der
fraglichen Versuche zu controliren, welche mir unzweifelhaft schien, sondern
vielmehr um zu sehen, ob nicht der Fehler bei einer so verdünnten Essigsäure, wie
die Essige sind, so klein sey, daß er unberücksichtigt bleiben könne, oder ob er
nicht vielleicht eine constante Größe sey, stellte ich einige Versuche an. Die
Versuche führten zu Resultaten, welche von denen der HHrn. Nicholson und Price sehr abweichen. Ich will
sie in dem Folgenden mittheilen. Die Zahlen bedeuten Procente wasserfreier
Essigsäure in dem untersuchten Essig.
Acetometer
Kohlens. Natron
Kohlens. Baryt
6,3
6,5
6,2In zwei völlig übereinstimmenden Versuchen.
9,1
9,2
9,0.
Die acetometrische Ammoniakflüssigkeit war mit der größten Genauigkeit angefertigt
worden.
Zur Prüfung mit kohlensaurem Natron wurde eine titrirte Lösung des wasserfreien
Salzes, 104 Grm. im Liter, angewandt und eine Mohr'sche
Bürette benutzt. 5 Kubikcentimeter dieser Lösung zeigen in 50 Grm. Essig 1 Procent
wasserfreie Essigsäure an. Der Neutralisationspunkt wurde in dem heißen Essig durch
hellblaues Lackmuspapier ermittelt.
Für die Prüfung mit kohlensaurem Baryt wurde eine gewogene Menge desselben in eine
gewogene Menge Essig (10 oder 50 Grm.) gegeben und damit so lange, zuletzt bei
erhöhter Temperatur digerirt, bis die entstandene Lösung alkalisch reagirte. Es war
dazu lange Zeit erforderlich. Der ungelöste kohlensaure Baryt wurde auf einem Filter
gesammelt, sorgfältig ausgewaschen, getrocknet, geglüht und gewogen. 98,5
kohlensaurer Baryt (1 Aeq.) entsprachen 51 Essigsäure (1 Aeq.).
Es konnte gegen diese Versuche der Einwand gemacht werden, daß ich möglicherweise die
Digestion des Essigs mit dem kohlensauren Baryt nicht lange genug fortgesetzt habe,
denn es gibt keinen anderen Anhaltspunkt für die Beendigung der Digestion, als die
Reaction. Ich stellte deßhalb noch die folgenden Versuche an, welche jeden Zweifel
beseitigen dürften und welche leicht in einigen Minuten wiederholt werden
können.
Es wurden 27 Grm. krystallisirtes essigsaures Natron zu 100 Grm. Lösung gelöst. Diese
Lösung enthält 10 Grm., also 10 Proc. Essigsäure. Sie reagirt auf geröthetes
Lackmuspapier alkalisch. Sie wurde durch 2 Kubikcentimeter Essig von 4,5 Proc.
Säuregehalt völlig neutral, und 1 Kubikcentimeter mehr des Essigs machte, daß sie
auf blaues Lackmuspapier entschieden sauer reagirte. In 2 Kubikcentimeter Essig von
4,5 Proc. ist noch nicht völlig 0,1 Grm. Essigsäure enthalten; der Fehler, welcher
also bei Ermittelung des Säuregehalts eines 10procentigen Essigs durch kohlensaures
Natron oder Natron aus der alkalischen Reaction des essigsauren Natrons resultirt,
kann höchstens 1/10 Proc. betragen und ist sicher stets kleiner, da man ja meistens
ein wenig zu viel Natron zugibt.
Eine heiß bereitete und heiße Lösung, welche 50 Procent essigsaures Natron enthielt,
entsprechend 18,7 Proc. Essigsäure, wurde durch 2 Kubikcentimeter Essig von 9 Proc.
neutral, durch 1 Kubikcentimeter Essig mehr deutlich sauer.
Das bisher übliche Verfahren zur Bestimmung des Säuregehalts des Essigs mittelst
kohlensaurer oder ätzender Alkalien kann daher beibehalten werden; es gibt
hinlänglich genaue Resultate; die alkalische Reaction der essigsauren Alkalien
beeinträchtigt die Genauigkeit nicht in beachtenswerthem Grade.
Als ich vor einer langen Reihe von Jahren das Acetometer construirte, welchem man
meinen Namen gegeben hat, und durch welches der Säuregehalt eines Essigs sehr bequem
und schnell, auch völlig genau ermittelt wird, wenn die acetometrische Flüssigkeit
richtig bereitet ist, mußte ich Versuche über den Ammoniakgehalt der
Ammoniakflüssigkeit bei deren verschiedenen specifischen Gewichten anstellen und
eine Tabelle darüber entwerfen. Neuerlichst hat Carius
den Ammoniakgehalt der Ammoniakflüssigkeit auf ganz an derdere Weise ermittelt (Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. XCIX S. 129). Wie
die nachstehende Vergleichung zeigt, stimmt meine Tabelle so sehr mit der von Carius berechneten überein, daß sie völliges Zutrauen
verdient für die Benutzung zur Anfertigung der acetometrischen Flüssigkeit.
Ammoniakgehalt der
Specifisches Gewicht
Ammoniakflüssigkeit
Carius
Otto
12
Proc.
0,9520
0,9517
11 „
0,9556
0,9555
10 „
0,9593
0,9593
9 „
0,9631
0,9631
8 „
0,9670
0,9669
7 „
0,9709
0,9707
6 „
0,9749
0,9745
5 „
0,9790
0,9783.