Titel: | Kritische Notizen, das Wasserglas betreffend; von H. Creuzburg. |
Autor: | H. Ch. Creuzburg [GND] |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. LXIX., S. 290 |
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LXIX.
Kritische Notizen, das Wasserglas betreffend; von
H. Creuzburg.
Creuzburg, über das Wasserglas.
Es war zwar eine glückliche Fügung der Verhältnisse, daß dem Wasserglas ein so
einflußreicher Protector wie Hr. Prof. v. Liebig
zugeführt wurde, um einer unverdienten Vergessenheit entrissen zu werden und zu
einer Anerkennung zu gelangen, aber es scheint für dieses Product noch viel zu thun
übrig zu bleiben, um das Vertrauen für dasselbe zu sichern und zu befestigen, wenn
es damit nicht wieder gehen soll, wie vor 20 Jahren. – Das Wasserglas, als
Surrogat für Oelfirniß, hatte damals Aufsehen erregt, aber die Anstrichversuche
mißlangen vollständig, und man kehrte zu dem theuren Oelfirniß zurück. Wenn ich mich
nicht sehr irre, so befinden wir uns in dieser Hinsicht heute noch in dem nämlichen
Fall.
Ich muß vor Allem unser deutsches Vaterland gegen den Vorwurf, als habe dasselbe die
in Rede stehende Fuchs'sche Erfindung fast unbeachtet
vorübergehen lassen, einigermaßen in Schutz nehmen. Man hat es vor 20 Jahren an
Versuchen, das Wasserglas zu vielen technischen Zwecken zu benutzen, nicht fehlen
lassen; dasselbe war darum sogar kurze Zeit Handelsartikel geworden (und nicht
allein in Weisgrün in Böhmen, sondern auch an andern Orten in Deutschland, z.B. von
W. C. Fikentscher
in Redwitz etc. wurde
dasselbe im Großen fabricirt), allein die Theilnahme für dasselbe erkaltete in
wenigen Jahren in Folge vieler mißlungenen Versuche damit. Namentlich hatte man sich
in der Erwartung, in dem Wasserglas eine Flüssigkeit zu haben, welche beim
Anstreichen eine wirkliche Glasfläche hinterläßt, also Oelfirniß und Lackfirniß
ersetze, bitter getäuscht. Die Anstriche mit bloßem Wasserglas hielten sich im
Freien (auf Holz) nicht, sie weichten bei anhaltendem Regen auf. Versetzte man das
Wasserglas mit erdigen oder metallischen Körperfarben, so erhielt man bei Versuchen
im Kleinen ganz dauerhafte Anstriche; diese ließen sich aber im Großen nicht
ausführen, weil die Anstrichmasse nicht flüssig blieb, sondern nach und nach
erstarrte. Mit Blei- und Zinkweiß war das Wasserglas gar nicht anzureiben,
weil sich schon in wenigen Secunden eine feste Masse bildete, mit welcher bei
weiterem Zusatz von Wasserglas nichts anzufangen war. Mit Kreide kam man besser
zurecht, indem die Masse langsamer erstarrte; das Anstreichen damit that gut im
Kleinen, – in größerem Maaßstabe erstarrte die Anstrichmasse ebenfalls vor
Vollendung des Anstrichs. Zudem konnte die Kreide das Bleiweiß etc. nicht ersetzen,
da sie nur ein schmutziges Weiß gab; Permanentweiß (künstlich dargestellter
schwefelsaurer Baryt) war damals noch nicht bekannt.
Daß gerade die weißen Anstriche gänzlich mißlangen,
verdroß die Leute am meisten, und dieß schien überhaupt das Schicksal des
Wasserglases zu entscheiden; – man wollte nun gar nichts mehr davon wissen.
So goß man aber freilich das Kind mit dem Bade aus, und das
ist es, was jener früheren Zeit zum Vorwurf gereicht. Denn man wußte damals
so gut als jetzt, daß das Wasserglas zu gewissen anderen Zwecken, wie zum Schutz
leichtentzündlicher Gegenstände gegen Feuer, dann für weiche, leichtverwitterbare
Bausteine, schlechtgebrannte Backsteine und Dachziegeln, um denselben größere Dauer
zu geben etc., durch keinen anderen Körper zu ersetzen ist.Wie manche Feuersbrunst würde vielleicht im Entstehen bewältigt werden
können, wenn man zum Löschen anfangs statt des Wassers sich eines verdünnten
Wasserglases (auf 4 Eimer Wasser beiläufig 100 Pfund Wasserglas) bedienen
würde! Vielleicht ist die Zeit nicht mehr ferne, in welcher jede Stadt und
Dorfgemeinde ihren Wasserglasvorrath hat, um bei eintretender Feuersgefahr
davon Gebrauch zu machen.
Freilich ist es nicht gleichgültig, ob man die Oel- und Theer-Anstriche
durch das unverbrennliche, wohlfeile Wasserglas wird ersetzen können oder nicht,
denn so lange dieses nicht der Fall ist, wird sich das Wasserglas schwerlich einer
allgemeineren, populären Verwendung zu erfreuen haben; darum sollte es mich
freuen, wenn meine neuen Wasserglasanstriche die Prüfung im Großen bestehen und als
praktisch durchführbar gefunden werden.
Ich erlaube mir, diesen Notizen noch einige Berichtigungen anzufügen. Sie betreffen
eine Abhandlung: „zur technischen Anwendung des Wasserglases von Hrn.
Apotheker Leber in Schlitz in Böttger's polytechnischem Notizblatt 1856, Nro. 15. Es heißt daselbst,
daß das Wasserglas von dem gewöhnlichen Fensterglas blos dadurch unterschieden
sey, daß jenes einen größern Kaligehalt habe als dieses.“ Es ist
dieses eine ziemlich verbreitete, aber falsche Ansicht. Das Wasserglas unterscheidet
sich bekanntlich von dem gemeinen Glas bloß dadurch, daß in seiner Zusammensetzung
der Kalk weggelassen ist. Das gemeine Glas hat sogar durch seinen Kalkgehalt
(welcher, wie Fuchs nachgewiesen hat, dessen
Unlöslichkeit bedingt), ein Atom Basis mehr zur Kieselerde, und ist deßhalb
leichtflüssiger als Wasserglas. Das Letztere ist also keineswegs gemeines Glas plus Kali, sondern es ist gemeines Glas minus Kalk.
Ueber Entschwefelung des Wasserglases sagt ferner Hr. Leber daselbst: „er habe das hepatische
Wasserglas kochend und unter beständigem Umrühren mit Bleiweißpulver behandelt,
bis neuzugesetztes Bleiweiß nicht mehr geschwärzt wurde, wozu auf 1 Maaß
Wasserglasgallerte 4 1/2 Unzen Bleiweiß verbraucht worden seyen.“
– Daß auf solche Weise die Entschwefelung des Wasserglases bewirkt wurde, ist
unbezweifelbar; es ist aber auch eben so gewiß, daß neben dem Schwefel wohl ziemlich
der ganze Gehalt an Kieselsäure zugleich mitentfernt und ausgeschieden worden ist,
wenn Hr. Leber 1 Maaß Wasserglasgallerte mit 9 Loth
Bleiweiß kochend behandelt hat. Es wurde neben Schwefelblei auch Bleisilicat
gebildet, und die Flüssigkeit war kein Wasserglas mehr, sondern eine bloße
Kalilauge.