Titel: | Ueber eine neue, vollkommen gefahrlose Bereitungsweise von selbstentzündlichem Phosphorwasserstoffgas; von Professor Böttger. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. LIV., S. 203 |
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LIV.
Ueber eine neue, vollkommen gefahrlose
Bereitungsweise von selbstentzündlichem Phosphorwasserstoffgas; von Professor Böttger.
Aus dem polytechnischen Notizblatt, 1857, Nr.
8.
Böttger, über eine neue Bereitungsweise von selbstentzündl.
Phosphorwasserstoffgas.
Der Phosphor, obwohl der Classe der Metalloide angehörend und als vollkommener
Nichtleiter der Elektricität bekannt, zeigt dessenungeachtet in seinem Verhalten zu
gewissen Metallsalzlösungen ein so außerordentlich starkes Reductionsvermögen, daß
man beinahe versucht werden möchte, ihn zu Elektricitätsleitern zu rechnen, begabt
mit Eigenschaften, die wir, wie z.B. beim Zink und Eisen, bisher nur bei stark
elektropositiven Metallen zu finden gewohnt waren. Gedenken wir nur der Eigenschaft
sich inmitten einer Goldchloridlösung in verhältnißmäßig kurzer Zeit auf seiner
ganzen Oberfläche mit einer rein metallischen, spiegelglänzenden, nicht selten liniendicken Schicht Goldes zu bekleiden. Es ist in der
That etwas ganz Leichtes, durch Einlegen von aus Phosphor geformten Gegenständen, in
eine concentrirte Lösung von Goldchlorid, dieselben in wenig Tagen so stark und
dauerhaft zu vergolden, daß ein solches Verfahren in manchen Fällen vielleicht mit
Vortheil wird benutzt werden können, um Schmucksachen aller Art, gleich
galvanoplastisch erzeugten Relieffiguren, in der allerkürzesten Zeit und mit
verhältnißmäßig geringen Kosten zu gewinnen. Man hat dabei nur nöthig, den als Kern gedienten PhosphorPhoshor, nachdem der Goldüberzug eine hinreichende Dicke erlangt hat, durch
schwaches Erwärmen unter Wasser und durch nachheriges schließliches Behandeln mit
Schwefelkohlenstoff aus der Goldhülle zu entfernen.Levol's Verfahren um Röhren, Tiegel etc. von Gold
anzufertigen, im polytechn. Journal Bd.
CXXX S. 318. A. d. Red.
Nicht minder bekannt ist die Eigenschaft des Phosphors, aus Kupfersalzen
regulinisches, festzusammenhangendes Kupfer mit Leichtigkeit abzuscheiden. Meines
Wissens hat aber bis jetzt noch Niemand versucht das Verhalten des Phosphors zu
Salzsolutionen, insbesondere zu Kupfersalzen, in der
Siedehitze näher zu studiren. Eine solche Untersuchung gab mir bereits vor
Jahren schon Veranlassung zur Entdeckung einer neuen, besonders in theoretischer
Beziehung höchst interessanten, völlig gefahrlosen und überaus leichten
Bereitungsweise von selbstentzündlichem Phosphorwasserstoffgase. Ueberschüttet man
nämlich in einer gewöhnlichen Porzellanschale wohlgereinigten, d.h. durch Behandeln
einer mit Schwefelsäure angesäuerten Lösung von doppelt-chromsaurem Kali,
seines weißen Ueberzugs beraubten Phosphor mit einer concentrirten Lösung von
Kupfervitriol, und erhitzt dann über einer gewöhnlichen Spirituslampe den Inhalt der
Schale bis nahe zum Kochen, so gewahrt man Folgendes: Zuerst sieht man metallisches
Kupfer sich abscheiden, kurze Zeit darauf verändert sich die Farbe des
Kupfer-Phosphorgemisches, und die darüber stehende Flüssigkeit erscheint
wasserhell und ungefärbt. Wiederholt man nun das Kochen mit erneuerten
Kupfervitriollösungen, indem man von Zeit zu Zeit den immer dunkler gefärbt
werdenden Niederschlag mit einem Pistill tüchtig
zerrührt, um den Phosphor, besonders die noch von Kupfer eingehüllten
Partikelchen, auf die Kupfervitriollösung gehörig einwirken lassen zu können, so
tritt endlich ein Zeitpunkt ein, wo aller Phosphor in ein schmutzig grauschwarz
aussehendes Pulver verwandelt ist. Süßt man dieses Pulver auf einem Filter auch noch
so lange aus, so zeigt es dessenungeachtet bei näherer Prüfung eine saure Reaction; bringt man es schließlich, nach oft
wiederholtem Aussüßen, schnell zwischen mehrfach zusammengelegte Lagen von
Fließpapier, befreit es hierauf mittelst einer Presse von der noch anhängenden
Feuchtigkeit und setzt es in einem solchen halbtrockenen Zustande den directen
Sonnenstahlen während eines warmen Sommertages, oder überhaupt einer Temperatur von
circa 30 bis 36° R. einige Minuten lang aus,
so sieht man es, unter allmählicher Annahme einer olivengrünen Farbe, oft von selbst sich entzünden. Dieses ursprünglich schmutzig grauschwarz
aussehende, ungemein leicht sich höher oxydirende Pulver ist ein Gemisch von
Phosphorkupfer und basisch phosphorsaurem Kupferoxyd; es hat in schwach befeuchtetem
Zustande einen faden, erdigen Geruch. Behandelt man es in der Siedehitze anhaltend
mit einer durch etwas Schwefelsäure angesäuerten Lösung von
doppelt-chromsaurem Kali, so sieht man die darüber stehende Flüssigkeit sich
nach und nach intensiv dunkelgrün färben,Aus der dunkelgrünen Lösung schießt in der Kälte zuerst schwefelsaures
Kupferoxydkali an, das man aber kaum als solches erkennen würde, wenn man es
nicht durch ein- oder zweimaliges Umkrystallisiren von dem mechanisch
eingeschlossenen phosphorsauren Chromoxyd befreite. Aus der Mutterlauge
erhält man dann späterhin noch Chromalaun, und zuletzt resultirt nichts
weiter als unkrystallisirbares saures phosphorsaures Chromoxyd. während reines grauschwarz aussehendes Phosphorkupfer unangegriffen zurückbleibt.
Dieses reine Phosphorkupfer läßt sich sehr leicht, ohne sich zu säuern, aussüßen. Die
ungefärbte, sehr saure, wasserhelle Flüssigkeit, welche nach der Behandlung einer
Kupfervitriollösung mit Phosphor zurückbleibt, besteht lediglich aus Schwefelsäure,
phosphoriger Säure und etwas Phosphorsäure.
Ganz analog dem schwefelsauren Kupferoxyd verhält sich das neutrale essigsaure
Kupferoxyd bei der Behandlung mit Phosphor in der Siedehitze, nur daß bei letzterem
Salze allemal zu Anfang der Reaction sich etwas unlösliches phosphorsaures
Kupferoxyd abscheidet; da indeß gleichzeitig Essigsäure in Freiheit tritt, so
verschwindet der Niederschlag bald wieder und man erhält bei öfterer Erneuerung
jenes Kupfersalzes schließlich ebenfalls ein schmutzig grauschwarz aussehendes
Gemisch von Phosphorkupfer und basisch phosphorsaurem Kupferoxyd. Bei einer gleichen
Behandlung von Phosphor mit einer Auflösung von Kupferchlorid steht man kein Phosphorkupfer entstehen, sondern das Chlorid wird
gänzlich in Kupferchlorür übergeführt.
Kocht man das reine Phosphorkupfer anhaltend mit Salzsäure, so löst sich ein geringer
Theil davon auf, unter Entwickelung nicht entzündlichen Phosphorwasserstoffgases und
Bildung von Kupferchlorür, aus welchem ein Ueberschuß von Kali gelbes
Kupferoxydulhydrat abscheidet. Schüttelt man das Phosphormetall mit Wasser und Jod,
so erhitzt sich das Gemisch sehr stark, das Phosphorkupfer verwandelt sich in weißes
Kupferjodür und die abfiltrirte ungefärbte, wasserhelle Flüssigkeit erweist sich als
ein Gemisch von Jodwasserstoffsäure und Phosphorsäure. Reibt man gleiche
Gewichtstheile reines Phosphorkupfer mit chlorsaurem Kali zusammen, was ohne alle
Gefahr zu bewerkstelligen ist, wickelt das Gemisch in Papier und schlägt mit einem
Hammer stark darauf, so explodirt es nicht, sondern entzündet sich ganz ruhig und
ohne Knall.
Um die Zusammensetzung dieses Phosphorkupfers zu ermitteln, verwandelte ich dasselbe,
unter Behandlung mit Salzsäure und einigen Tropfen Salpetersäure in Kupferchlorid,
kochte dieß mit destillirtem Zink, bis die Flüssigkeit vollkommen wasserhell und
ungefärbt erschien, süßte das reducirte Kupfer gehörig aus, trocknete es, brachte es
alsdann in eine Kugelröhre und leitete, während der Erhitzung derselben, einen Strom
getrockneten Wasserstoffgases darüber; ich erhielt hierbei aus 4,62 Grm.
Phosphorkupfer 3,45 Grm. Kupfer.
Es besteht mithin aus:
berechnet,
gefunden,
3 Cu
= 96
75,35
74,67
P
= 31,4
24,65
25,33
––––––––––––––––––––––––––––––
127,4
100,00
100,00
Dieses reine, auf nassem Wege bereitete Drittel-Phosphorkupfer sowohl wie das
oben erwähnte Gemisch von Phosphorkupfer und basisch phosphorsaurem Kupferoxyd hat
nun, meinen Beobachtungen zufolge, die merkwürdige Eigenschaft, sich beim
Ueberschütten von ganz fein gepulvertem Cyankalium (Liebig's Salz) und schwachem Benetzen mit Wasser,
augenblicklich, unter Entwickelung leicht entzündlichen Phosphorwasserstoffgases,
bei gewöhnlicher Temperatur, zu zersetzen; dasselbe gibt mithin ein bequemes Mittel
an die Hand, sich dieses Gas in größerer Menge, auf eine völlig gefahrlose und
leichte Weise zu bereiten; man braucht zu diesem Zwecke nämlich nur eine
Kupfervitriollösung in der Siedehitze vollständig durch Phosphor zu zersetzen, und
das dabei resultirende feuchte grauschwarze Pulver (ein Gemisch von Phosphorkupfer
und basisch phosphorsaurem Kupferoxyd, welches unter Wasser aufbewahrt, zu
Phosphorwasserstoffgas-Entwickelungen stets vorräthig gehalten werden kann)
in irgend einem passenden Gefäße mit fein gepulvertem Cyankalium in Contact zu
bringen. Die Entwickelung des Gases beginnt augenblicklich, jedes Gasbläschen
entzündet sich, an die Luft tretend, unter Verbreitung des bekannten ringförmigen
Nebels, und in der resultirenden Flüssigkeit läßt sich, nach völliger Zersetzung des
Gemisches, Kaliumkupfercyanür und cyansaures Kali nachweisen. Sonderbar, daß bei
Aufeinanderwirkung von Phosphorkupfer und Aetzkali oder Aetznatron, keine
Phosphorwasserstoffgas-Entwickelung eintritt. Benetzt man ein
Gemisch von Phosphorkupfer und Cyankalium, statt mit Wasser, mit 80procentigem
Alkohol, so entwickelt sich ein nicht von selbst entzündendes Phosphorwasserstoffgas.
Ueberdeckt man ein Schälchen, worin diese Gasentwickelung eingeleitet und
unterhalten wird, mit einem Blatt Papier, welches mit einer Höllensteinlösung
beschrieben worden, so treten die Schriftzüge, selbst wenn sie bereits auf dem
Papier völlig eingetrocknet waren, blitzesschnell in schöner intensiv schwarzer
Farbe hervor. Diese schwarzen, aus Phosphorsilber bestehenden Schriftzüge können
gewissermaßen als unvertilgbar gelten, indem sie der Einwirkung von in Wasser
gelöstem Cyankalium, Aetzkali, von Chlorkalksolution, deßgleichen der Einwirkung
verdünnter Schwefelsäure, Salpetersäure, Salzsäure, Oxalsäure etc. vollkommen
widerstehen. In der Galvanoplastik wird man, da Phosphorsilber ein ausgezeichnet
guter Elektricitätsleiter ist, zur Leitendmachung zarter, nicht leitender
Gegenstände, wie Blätter, Blumen, Käfer u. dgl. dieses Verhalten einer
Höllensteinlösung zu nicht entzündlichem Phosphorwasserstoffgase vielfach benutzen
können.
Kocht man amorphen Phosphor, auch noch so anhaltend, mit
einer gesättigten Kupfervitriollösung, so verwandelt er sich doch nur scheinbar in Phosphorkupfer; jedes Partikelchen umkleidet
sich nämlich mit einer unendlich dünnen Hülle von
schwärzlichgrauem Phosphortupfer (wohl nur in Folge von Spuren beigemengten
krystallinischen Phosphors), während das Innere, selbst des kleinsten Partikelchens,
unveränderter amorpher Phosphor bleibt. Man findet dieß leicht, indem man das zarte
schwärzlich graue Pulver mit Salzsäure überschüttet, dann einige Tropfen
Salpetersäure zusetzt und erhitzt; sobald unter Entwickelung salpetrigsaurer Dämpfe
ein Angriff erfolgt, sieht man augenblicklich die schwärzliche Farbe des Pulvers in
eine granatrothe sich verwandeln. Wenn man nun, sobald dieser Zeitpunkt eingetreten,
das Ganze mit einer größeren Menge Wassers überschüttet, um einem ferneren Angriffe
des Pulvers vorzubeugen, es dann aussüßt und trocknet, so ergibt sich aus seinem
näheren Verhalten zu anderen Körpern, z.B. zu chlorsaurem Kali, womit es beim noch
so leisen Zusammenreiben auf heftigste detonirt etc., daß es unveränderter amorpher
Phosphor ist. Eine Behandlung des fabrikmäßig dargestellten
amorphen Phosphor mit einer Kupfervitriollösung in der Wärme dürfte daher
vielleicht geeignet seyn demselben jede Spur beigemischten krystallinischen
Phosphors zu entziehen, ihn auf diese Weise vor Säuerung zu schützen und
ihn somit in einen völlig gefahrlosen Handelsartikel zu
verwandeln.
Bei Behandlung des gewöhnlichen Phosphors mit anderen Salzsolutionen in der
Siedehitze habe ich folgende Beobachtungen gemacht. Kocht man anhaltend eine
gesättigte Lösung von schwefelsaurem Nickeloxydul mit Phosphor, so entsteht kein Phosphornickel, sondern der Phosphor erscheint nur
auf seiner Oberfläche schwärzlichgrau angelaufen, von einer Spur reducirten Nickels;
mit einer Auflösung von schwefelsaurem Kobaltoxydul gekocht, färbt sich der Phosphor
gar nicht, sondern bleibt völlig unverändert, deßgleichen bei der Behandlung mit
einer Auflösung von schwefelsaurem Manganoxydul, schwefelsaurem Eisenoxydul, und
schwefelsaurem Eisenoxyd. Unter einer Lösung von essigsaurem Bleioxyd färbt sich der
Phosphor in der Siedehitze schwach grau, jedoch ohne sich in Phosphorblei zu
verwandeln. Eine Auflösung von salpetersauremsalpersaurem Silberoxyd erzeugt beim Kochen und öfterem Erneuern der Silbersolution (um
das entstehende Product vor der stets freiwerdenden Salpetersäure zu schützen) mit
Phosphor, schwarzes Phosphorsilber, welches jedoch, ähnlich wie Phosphorkupfer, mit
Cyankalium behandelt, kein Phosphorwasserstoffgas in
Freiheit treten läßt. Auflösungen von ChromoxydsalzenChormoxydsalzen, Antimon-, Zink- und Cadmiumsalzen worden beim Kochen mit
Phosphor nicht zersetzt.