Titel: | Zur Dampfbierbrauerei; von G. E. Habich. |
Autor: | G. E. Habich |
Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XC., S. 373 |
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XC.
Zur Dampfbierbrauerei; von G. E. Habich.
Habich, über Dampfbierbrauerei.
Den im zweiten Januarheft dieses Journals (S. 133 dieses
Bandes) enthaltenen Bemerkungen über die directe
Anwendung des Dampfes zum Bierbrauen und insbesondere der Wiederbenutzung der
Würzedämpfe habe ich noch ein interessantes historisches
Factum beizufügen. Bei einem Besuche, den ich meinem hochverehrten Freunde Dr. Ludw. Gall hier in
Stuttgart machte, kam diese so sehr vernachlässigte Sache zur Sprache und ich
drückte meine Verwunderung darüber aus, daß man nicht längst auf die Wiederbenutzung
der mit den Würzedämpfen entweichenden Wärmemengen Bedacht genommen habe. Als Antwort darauf holte Gall ein vergilbtes Manuscript hervor und überlieferte
mir solches zur Durchsicht. Ich war freudig überrascht zu finden, daß dieser für die
Einführung des Dampfes in den Branntweinbrennereien so thätige Mann bereits im Jahre 1821 den Plan zu einer auf Benutzung der Würzedämpfe zum Einmaischen basirten
Brauerei ganz detaillirt ausgearbeitet hatte. Die Verwirklichung dieses Projectes
ist damals durch Gall's Reise
nach Nordamerika unterblieben.
Das erwähnte Manuscript bietet überhaupt manches Interessante und wäre – wenn
auch der proponirte Apparat selbst hinter dem von seinen Mängeln befreiten Gassauer'schen zurücksteht – dessen
Veröffentlichung im ganzen Umfange wünschenswerth, besonders wegen des durch einen
speciellen, vergleichsweisen Betriebsplan einer
Dampfbrauerei und einer Kesselbrauerei gelieferten Nachweises der Brennstoffersparniß. Es geht aus demselben zur Evidenz
hervor, daß, während einer Kesselbrauerei zur Erzeugung
von 18 Tonnen (= 1800 Quart) Bier einen Kessel von 2400 Quart Inhalt, 28 Stunden
Zeit und 13 Centner Steinkohlen bedarf, – dasselbe Quantum Bier in einer Dampfbrauerei in einem Kessel von 400 Quart Inhalt, mit
einem Aufwand von 24 Stunden Zeit und sieben Centner Steinkohlen hergestellt werden
kann.
Außerdem wendet Gall in der erwähnten Arbeit seine ganze
Aufmerksamkeit auch auf die Einführung zweckmäßiger Kühlapparate für die Würze, und will die Kühlschiffe vollständig aus den
Brauereien verbannt wissen. Diese Seite ist am Ende auch heute noch viel zu wenig
gewürdigt worden, zumal durch den von Gall gemachten
Vorschlag auch die beim Abkühlen der Würze auswandernden
Wärmemengen nicht verloren gehen, sondern dem
Betriebe wieder zugeführt werden.
Gall hat sein Project nie veröffentlicht, ein Anrecht auf die Priorität des Gedankens hat er also
vor der Wissenschaft nicht, und Balling wird nach wie vor das Verdienst bleiben, auf die Wiederbenutzung
der Würzedämpfe zuerst aufmerksam gemacht und dadurch seinem Schüler Gassauer die Basis zur Construction des bekannten
Apparates gegeben zu haben.
Diese Gelegenheit will ich übrigens benutzen, um an einem Beispiel zu zeigen, wie
wenig sich Leute, denen es doch am Ende eine Angelegenheit seyn mußte, bemüht haben,
über die Anwendung des Dampfes zum Bierbrauen klare Begriffe zu bekommen. Es ist mir
eben ein Werk „die Bierbrauerei mit besonderer Berücksichtigung der
Dickmaischbierbrauerei, dargestellt von Ph. Heiß;
München, Selbstverlag.“ in die Hände gekommen. Diese Schrift enthält
wirklich viel Vortreffliches und verdient allgemeine Empfehlung. Nur beim Capitel
von der „sogenannten
Dampfbierbrauerei“ stellt sich die Ignoranz des Verfassers etwas
stark heraus. Nicht allein, daß die ersten Sätze dieses Capitels (S. 283) fast
wörtlich aus Balling's
Bierbrauerei (Bd. II S. 402) abgeschrieben sind, – das wäre noch zu
entschuldigen; – aber Hr. Heiß hat den Balling'schen Abschnitt gar
nicht einmal durchgelesen oder nicht verstanden, sonst
hätte er unmöglich schreiben können, „daß die Anwendung des Dampfes in der
Wanka'schen Bierbrauerei in Prag wieder
aufgegeben sey.“ Ich las unlängst, daß Hr. Heiß zum Dirigenten einer Actienbrauerei nach
Dresden berufen sey. Es liegt im Interesse der Betheiligten, wenn sie Hrn. Heiß veranlassen, sich Studien
halber sowohl in die Wanka'sche Bierbrauerei nach Prag,
als auch nach dem Gassauer'schen Apparat in
Oberleutensdorf zu begeben, – er wird dort Vieles lernen können!
Stuttgart, 28. Febr. 1857.