Titel: | Neues Verfahren der Zuckerfabrication, welches sich auf die Conservirung des Rübensaftes mittelst Kalk gründet; von E. J. Maumené. |
Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. LXXII., S. 286 |
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LXXII.
Neues Verfahren der Zuckerfabrication, welches
sich auf die Conservirung des Rübensaftes mittelst Kalk gründet; von E. J. Maumené.Notizen über dieses Verfahren wurden bereits im polytechn. Journal Bd. CXXXVIII S. 320 und Bd. CXL S. 237 mitgetheilt. A. d.
Red.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, Septbr. 1856, S.
23, durch polytechnisches Centralblatt 1857, S. 51.
Maumené's neues Verfahren der Zuckerfabrication.
Das gegenwärtig angewendete Verfahren der Zuckerfabrication ist noch sehr
unvollkommen, da man trotz aller Verbesserungen im Durchschnitt bei der Runkelrübe
kaum mehr als die Hälfte und beim Zuckerröhr nicht einmal ganz den dritten Theil des darin enthaltenen
Zuckers wirklich gewinnt. 1000 Kilogr. Runkelrüben enthalten nämlich circa 100 Kilogr. Zucker, man gewinnt daraus aber in den
am besten eingerichteten Fabriken nur 50–55 Kilogr.; und 1000 Kilogr.
Zuckerrohr, welche 200–210 Kilogr. Zucker enthalten, liefern von demselben
unter den günstigsten Umständen nur etwa 60–65 Kilogr. Unter den Ursachen,
welche diesen Verlust an Zucker veranlassen, gibt es eine, welche bisher nicht
genügend gewürdigt ist, nämlich die langsame Umwandlung des Zuckers durch Wasser in
der Kälte, wobei der Rohrzucker allmählich in eine andere Zuckerart übergeht. In
Frankreich nennt man diese Zuckerart sucre interverti
(umgesetzten oder umgewandelten Zucker), sie dürfte aber gleich seyn mit dem, was
man in Deutschland Fruchtzucker nennt, weßhalb wir im Folgenden die Benennung
„sucre interverti“ mit
Fruchtzucker übersetzen. Bei den Runkelrüben ist die Umwandlung des Rohrzuckers in
Fruchtzucker doppelt nachtheilig, einmal, weil sie einen unvermeidlichen und gegen
das Ende der Campagne sehr groß werdenden Verlust an krystallisirbarem Zucker
veranlaßt, und andererseits, weil sie die hauptsächlichste und fast einzige Ursache
der Schwierigkeiten ist, mit denen man bei der Verarbeitung des Saftes zu kämpfen
hat.
Daß der Rohrzucker schon durch kaltes Wasser allmählich in Fruchtzucker umgewandelt
wird, wobei der Zucker die Eigenschaft, die Ebene des polarisirten Lichtes nach
rechts zu drehen, verliert und dagegen ein Drehungsvermögen nach links annimmt, hat
bereits Biot gefunden. Nachher hat Bouchardat Versuche angestellt, bei denen sich unzweifelhaft zeigte, daß
eine wässerige Rohrzuckerlösung bei längerer Aufbewahrung nicht nur das
Drehungsvermögen nach rechts gänzlich verliert, sondern auch ein starkes
Drehungsvermögen nach links annimmt; Versuche, die zu demselben Ergebniß führten,
hat Maumené angestellt.Polytechn. Journal, 1855, Bd. CXXXV S. 59. Man kann a priori vermuthen, daß die Umwandlung
des Rohrzuckers in den Rüben bei der Aufbewahrung derselben unter dem Einflusse des
in dem Rübensafte enthaltenen Wassers ebenso stattfindet, wie in einer reinen
Zuckerlösung. Der Verfasser hat dieß aber auch durch besondere Versuche bewiesen. Er
nahm im Monat April, etwa 6 Monate nach dem Herausnehmen der Rüben aus der Erde, aus
der Mitte eines in einem Keller aufbewahrten Rübenhaufens eine Rübe heraus, die ganz
unversehrt und gut erhalten erschien. Diese Rübe wurde im Vacuum über Schwefelsäure
ganz ausgetrocknet, worauf sie 59 Grm. wog. Darauf wiederholt mit Alkohol von 85
Proc. behandelt, lieferte sie durch Concentration der Lösung mittelst Kalk im Vacuum
13,78 Grm. krystallisirten Zucker. Die Lösung gab durch ferneres Abdampfen 27,36
Grm. eines klebrigen, in Wasser löslichen melasseartigen Rückstandes, in welchem das
Saccharimeter 25,70 Grm. Fruchtzucker (berechnet nach dem Drehungsvermögen = 38/100
links) nachwies. Diese Rübe hatte kaum gekeimt, und man verarbeitet in den
Zuckerfabriken ganz gewöhnlich Rüben, die sich weit mehr verändert haben. Es ergibt
sich aus diesem Versuche, daß selbst in der gesundesten Rübe der Zucker nicht vor
der Umwandlung geschützt ist, sondern daß er darin in sechs Monaten zu zwei
Dritttheilen in Fruchtzucker übergehen kann. Andere Versuche, die der Verfasser
anstellte, ergaben ein ähnliches Resultat.
Aus dem Vorhandenseyn des Fruchtzuckers erklären sich die Schwierigkeiten, denen man
bei der Verarbeitung des Rübensaftes begegnet. Bekanntlich färbt derselbe sich, wenn
er auch vollkommen geläutert ist, beim Abdampfen mehr oder weniger dunkel, und es
ist im Allgemeinen unmöglich, ihn vollständig zu concentriren, ohne ihn ein oder
mehreremale durch Knochenkohle zu filtriren. Diese beim fortgesetzten Abdampfen
immer wiederkehrende Färbung des Saftes rührt von der Wirkung des Kalkes, nicht, wie
man behauptet hat, auf den Rohrzucker – denn auf diesen wirkt der Kalk
durchaus nicht verändernd, – sondern auf den Fruchtzucker (den man, wie der
Verfasser bemerkt, nicht mit unkrystallisirbarem Zucker verwechseln darf) her. Man
weiß, daß der Fruchtzucker sich leicht mit Kalk und anderen starken Basen verbindet
und diese Verbindungen unter dem Einfluß der Wärme, der Luft und des Wassers sich
leicht verändern. Löst man Fruchtzucker in Wasser und fügt Kalkmilch hinzu, so löst
der Kalk sich zuerst auf, aber nach einigen Minuten wird die Flüssigkeit dick und
verwandelt sich unter Wärme-Entwickelung in eine breiartige Masse. Diese
Masse besteht aus seinen Krystallen und kann durch Auspressen von der Flüssigkeit
getrennt werden. Wenn man sie dann bei Abschluß der Luft trocknet, so bildet sie
eine vollkommen weiße Verbindung von Fruchtzucker mit Kalk.Der Verfasser stellte den Fruchtzucker zu seinen Versuchen auf folgende Weise
dar: 500 Grm. Kandiszucker, der vorher mit Alkohol gewaschen war (um ihn von
fettigen Substanzen (?) zu befreien), wurden in zwei Litern Wasser
aufgelöst. Der Lösung fügte man 1 Kubikcentimeter Salzsäure (bestehend aus
HCl, 7HO) hinzu und erwärmte sie dann im Wasserbade, wobei in vier Stunden
die Umwandlung vollständig stattfand. Man entfernte darauf die Salzsäure
durch die äquivalente Menge Silberoxyd, filtrirte, fügte noch einige Tropfen
Schwefelwasserstoffwasser hinzu, filtrirte abermals und verdampfte im
Wasserbade. Diese Verbindung verändert sich in der Wärme sehr leicht; schon bei
40–50° C. kann sie sich vollständig zersetzen und ganz schwarz werden,
und sie nimmt schon eine braunschwarze Farbe an, wenn man sie in einer Glasröhre dem
Sonnenlichte aussetzt. Noch schneller zersetzt sie sich beim Kochen mit Wasser, es
bedarf aber immer einer gewissen Zeit, um sie vollständig zu zersetzen, und wenn man
nach theilweiser Zersetzung den entstandenen schwarzbraun färbenden Körper mittelst
Knochenkohle entfernt hat, kann man durch ferneres Kochen der Flüssigkeit aufs Neue
die Farbe hervorrufen, genau so, wie es beim Abdampfen eines Syrups der Fall
ist.
Diese Veränderung findet beim Fruchtzucker schon unter dem Einfluß von Kalksalzen
organischer Säuren (Aepfelsäure etc.) statt, wenn die Temperatur 100° C.
übersteigt. Sie kann sogar auch durch kohlensauren Kalk hervorgebracht werden, aus
welchem dabei etwas unter 100° die Kohlensäure sich entwickelt. Eine ganz
geringe Menge des aus dem Fruchtzucker entstandenen Zersetzungsproductes kann einem
großen Flüssigkeitsvolum eine ganz dunkelbraune Farbe geben, und es ist deßhalb
unmöglich, einen selbst in vollkommenster Weise geläuterten Rübensaft ohne Färbung
zu verkochen, wenn derselbe Fruchtzucker, und sey es auch nur in ganz geringer
Menge, enthält.
Das Mittel, die Färbung des Saftes beim Verdampfen zu verhüten, besteht hiernach
darin, daß man die Bildung von Fruchtzucker in demselben verhindert. Dieß kann
dadurch geschehen, daß man den Zucker mit Kalk verbindet, indem er dadurch die
Fähigkeit, durch Einwirkung des Wassers in Fruchtzucker übergeführt zu werden,
verliert. Der Verfasser hat dieß namentlich durch einen Versuch bewiesen, bei
welchem 16,35 Grm. reinen Zuckers und 12 Grm. reinen Kalks zusammengebracht und in
so viel Wasser gelöst wurden, daß die Flüssigkeit das Volum von 100 Kubikcentimetern
erhielt; diese Mischung wurde im Januar und im October desselben Jahres mittelst des
Polarisationsapparates untersucht und zeigte dabei beide Male dasselbe
Drehungsvermögen von 53° rechts. Wenn nach diesem und nach anderen Versuchen,
die zu demselben Ergebniß führten, die Stabilität des Zuckers in Gegenwart von Kalk
und Wasser für den Fall, daß die Lösung keine anderen Substanzen enthält, als
vollständig bewiesen angesehen werden konnte, so blieb doch noch zu ermitteln, ob
diese Stabilität auch vorhanden ist, wenn die Lösung noch andere Stoffe enthält, wie
es beim Rübensaft der Fall ist. Der Verf. hat in dieser Beziehung folgende Versuche
angestellt: Er nahm theils weiße, theils rothe Runkelrüben, preßte sie aus und
vermischte verschiedene Portionen des Saftes mit Kalk, dessen Menge von 1/2 bis 5
Procent variirte. Die Mischungen wurden dann in mit Korkstöpseln verschlossenen Gläsern aufbewahrt, und
zwar zum Theil fast 1 1/2 Jahre lang. Sie waren während eines Sommers allen
Veränderungen der Temperatur ausgesetzt, einige wurden im Lichte, andere im Dunkeln
aufbewahrt. In den Portionen, welchen man 2 1/2 bis 5 Proc. Kalk zugesetzt hatte,
wurde der Zucker nicht im Mindesten verändert. Bei allen trat eine sonderbare und
unerwartete Modification der stickstoffhaltigen Stoffe, eine Läuterung in der Kälte, ein, es bildete sich nach und nach ein weißer
Absatz, bestehend aus Kalk und den noch nicht untersuchten Ueberresten dieser
Stoffe. Aus allen Portionen entwich Ammoniak, wenn auch aus manchen wegen der
geringen Mengen wenig merklich. Ihr Geruch blieb derselbe, wie der von frischem
Rübensaft, und sie zeigten sich nach der langen Aufbewahrung nicht nur als
vollständig conservirt, sondern sogar als verbessert, indem sie eine theilweise
Läuterung erlitten hatten. Nach der Sättigung des in ihnen enthaltenen Kalkes und
der vollständigen Läuterung, von welcher weiter unten die Rede ist, fand der
Verfasser das Drehungsvermögen nach rechts noch eben so stark wie in den ersten
Tagen der Aufbewahrung, oder im Allgemeinen noch etwas (aber höchstens um
1/2°) größer als früher, was durch die Entfernung der eiweißartigen Stoffe
sich erklärt. Beim Abdampfen, selbst über freiem und starkem Feuer, färben sie sich
nicht; es bildet sich selbst kein merklicher Schaum auf dem ohne Behandlung mit
Knochenkohle dargestellten Syrup. Die Krystallisation beginnt mit dem Erkalten und
es bleibt dabei eine geringe Menge Melasse, die leicht abzusondern ist, keine braune
Farbe besitzt und fast bloß aus Kali- und Natronsalzen besteht.
Auf Veranlassung des Verfassers sind in mehreren Fabriken auch Versuche, den
Rübensaft mittelst Kalk zu conserviren, im Großen angestellt worden, u.a. bei A. Perier in Flavy-le-Martel, Thery in Seraucourt, Gebr. Bonzel in Haubourdin, Crespel-Lecreux
und Corenwinder in Quesnoy-sur-Deule (Nord)
etc.; in der Fabrik von Thery operirte man mit mehr als
48 Hektolitern Saft. Diese Versuche führten zu demselben Resultat, wie die
vorerwähnten, von dem Verfasser im Kleinen angestellten Versuche, und es erfolgte
auch hier die Läuterung in der Kälte. In einer Fabrik wurde der Saft mit 3, in einer
andern mit nur 2 Procent Kalk conservirt. Bei größern Saftportionen entwickelt sich
immer merklich Ammoniak, was der Verfasser für günstig hält, indem das Ammoniak den
Zutritt der Luft und der Kohlensäure abhalte und die Aufbewahrungsgefäße deßhalb
nicht hermetisch verschlossen zu werden brauchen. Der Saft zeigt deßhalb auch an der
Oberfläche keinen kohlensauren Kalk.
Der Verfasser schlägt hiernach nun folgendes Verfahren der Behandlung des Saftes vor:
Die Rüben werden sobald als möglich nach dem Herausnehmen aus der Erde, welches bei
vollkommener Reife derselben geschehen muß, zerrieben und ausgepreßt. Dem Saft fügt
man sofort die nöthige Menge Kalk zu, um Zuckerkalk mit dem größten Kalkgehalt
(3CaO, C₁₂H₁₁O₁₁ nach Peligot) zu bilden, und selbst noch etwas mehr, damit der
Kalk auch genügend auf fremdartige Stoffe wirken kann. (Der Saft enthält nach den
bisherigen Bestimmungen 10 bis 10 1/2 Procent krystallisirbaren Zucker, der
Verfasser fand den Gehalt daran als Mittel von vielen Bestimmungen = 10,64 Procent.
Da nun der Kalk etwa die Hälfte vom Gewicht des Zuckers betragen muß, so kann man 5
Proc. vom Gewicht der Rüben oder des Saftes Kalk anwenden.) Den mit Kalk vermischten
Saft läßt man in Cisternen fließen und bewahrt ihn darin auf, bis man den Zucker
daraus gewinnen will. Wenn dieß geschehen soll, beendet man die Läuterung (wenn sie
noch nicht vollständig ist) in ganz einfacher Weise. Man schafft nämlich z.B. 10
Hektoliter des mit 5 Proc. Kalk versetzten Saftes in einen Kessel und sättigt 9/10
des Kalkes mit einer Säure, welche mit ihm eine unlösliche Verbindung bildet. Es
bleibt also nur 1/10 des ursprünglich vorhandenen Kalkes oder 1/2 Proc. übrig, wie
bei einer gewöhnlichen Läuterung. Man erhitzt nun den Saft langsam zum Kochen, wobei
der Absatz und der Schaum wie gewöhnlich sich bilden und eine klare Flüssigkeit
entsteht. Zur Niederschlagung des Kalkes kann man Kohlensäure, Phosphorsäure und
sogar Schwefelsäure anwenden, die beiden letzteren müßte man aber langsam und unter
beständigem Umrühren in die Flüssigkeit gießen, damit nicht stellenweise freie Säure
bleibe, welche den Zucker verändern würde. Am vortheilhaftesten ist es, Kohlensäure
anzuwenden, welche einen pulverigen, dichten, fast ganz unlöslichen Niederschlag
gibt und keine Wirkung auf den Zucker hat. Bei Anwendung von Kohlensäure verfährt
man so, daß man bloß 9 Hektoliter Saft in den Sättigungsapparat steigen läßt, und
den Kalk daraus vollständig niederschlägt, worauf man ein zehntes Hektoliter Saft
hinzufügt und zum Kochen erhitzt. Wenn die Conservation einige Monate lang gedauert
hat, kann man den ganzen Saft mit Kohlensäure behandeln, so daß aller Kalk gefällt
wird, und dann zum Kochen erhitzen. Der so geläuterte Saft
kann ohne Unterbrechung, und ohne daß man ihn durch Knochenkohle filtrirt,
abgedampft und zur Krystallisation gebracht werden.
Das hier vorgeschlagene Verfahren gewährt den Vortheil, daß man vom Beginn bis zum
Ende der Campagne immer dieselbe Ausbeute an Zucker erhält (was auch sogar der Fall
seyn würde, wenn man die Verarbeitung des Saftes auf das ganze Jahr ausdehnen wollte), und daß
die Ausbeute an Zucker auf das Maximum gebracht, d.h. nahezu der gesammte in dem
Safte enthaltene Zucker gewonnen wird. Bei dem bisherigen Verfahren wird der Verlust
an krystallisirbarem Zucker nicht nur durch dessen Umwandlung in Fruchtzucker und
anderweite Zersetzung desselben, sondern namentlich auch dadurch veranlaßt, daß man
eine große Menge Knochenkohle anwenden muß, um den braunfärbenden Stoff zu
beseitigen. Die Anwendung der Knochenkohle veranlaßt einen erheblichen Verlust an
krystalisirbarem Zucker, denn durch das Auswaschen derselben gewinnt man den darin
enthaltenen Zucker nicht wieder als unveränderten Rohrzucker, sondern mehr oder
weniger in Fruchtzucker umgewandelt. Der Verfasser schlägt den daraus entspringenden
Verlust auf 1–2 Procent vom Gewicht des Saftes, also auf 0,1 bis 0,2 des
Zuckers, an. Bei seiner Methode könne man die Knochenkohle wenigstens größtentheils
entbehren, selbst nach Ansicht der Fabrikanten, bei denen die ersten Versuche
ausgeführt wurden, woraus selbst im Vergleich mit den ersten Tagen der Campagne beim
bisherigen Verfahren eine ganz bedeutende Vermehrung der Ausbeute an Zucker
entspringen werde. Außerdem werde, da durch die in den Cisternen beginnende
Läuterung die fremdartigen Stoffe, namentlich die stickstoffhaltigen und schleimigen
Stoffe, welche sonst mehr oder weniger mit in die Melasse übergehen und den Syrupen
eine der Krystallisation sehr hinderliche Klebrigkeit ertheilen, abgeschieden
werden, der conservirte Saft auch in dieser Beziehung einen erheblichen Vortheil
darbieten; seine Melasse werde sich auf die Kali- und Natronsalze und die
geringe Menge Zucker, welche man nicht davon trennen kann, beschränken. Der
Verfasser glaubt, daß man nach seinem Verfahren von den 10 Proc. in den Rüben
enthaltenen Zuckers, indem etwa 1 Proc. in dem ausgepreßten Mark zurückbleibt und 9
Proc. in den Saft übergehen, wenigstens 8 1/2 Proc. gewinnen könne, also höchstens
1/2 Proc. verloren gehe, während nach dem gegenwärtigen Verfahren nur 5–5 1/2
Proc. Zucker gewonnen werden. Die dem Safte hinzuzufügende Menge Kalt braucht nicht
immer 5 Proc. zu betragen, denn den angestellten Versuchen zufolge conservirt der
Saft sich fast ebenso vollkommen mit 3 und selbst mit 2 Procent. Letztere Mengen
würden für einen Saft, dessen Verarbeitung nicht über 3 bis 6 Monate ausgesetzt
wird, genügen. 5 Procent sind dagegen für eine unbeschränkte Conservation
unerläßlich. Der Kalkabsatz besitzt zuweilen scheinbar ein beträchtliches Volumen
(1/6 des gekalkten Saftes), so daß man Schwierigkeiten bei seiner Verarbeitung
befürchten könnte, diese sind aber in Wirklichkeit nicht vorhanden, denn der Absatz
tropft auf einem Filter ohne Pressung sehr leicht ab. Im Großen wird die Trennung des Absatzes von
dem Safte durch eine in den Cisternen angebrachte Filtrirvorrichtung, durch den
Centrifugalapparat oder durch einen Nutschapparat erreicht werden können.
Was die Uebelstände des neuen Verfahrens anbetrifft, so besteht einer derselben
darin, daß man die Rüben unmittelbar nach der Ernte zerreiben und auspressen muß.
Dieser Uebelstand ist aber nicht groß, denn das Ausnehmen der Rüben beginnt im
October und dauert oft bis über die Mitte des Monats December hinaus, so daß ein
Zeitraum von 2 bis 2 1/2 oder selbst 3 Monaten gegeben ist. Es macht übrigens wenig
aus, wenn die Rüben auch einige Tage und selbst 14 Tage lang liegen, bevor sie
zerrieben und ausgepreßt werden. Eine Aenderung des Zuckers in den Rüben, während
diese sich noch in der Erde befinden, hat man nach dem Verf. nicht zu befürchten.
Der Uebelstand kommt also darauf zurück, daß man das Zerreiben und Auspressen in
etwa 2 1/2 Monaten ausführen muß, während man gegenwärtig 5 Monate dazu verwenden
kann, daß man also für dasselbe Rübenquantum doppelt so viel Reib- und
Preßapparate nöthig hat als jetzt. Eine andere Schwierigkeit bieten die zur
Aufbewahrung des Saftes nöthigen Cisternen dar, insofern deren Anlage Geld kostet
und dieselben ganz dicht seyn müssen. Das Verfahren erfordert ferner mehr Kalk als
bisher, wodurch eine Mehrausgabe erwächst, die indessen unerheblich ist. Die
Absonderung des in den Cisternen oder den Läuterungskesseln entstehenden Absatzes
veranlaßt etwas mehr Arbeit als bisher, und die Läuterung einen größern Aufwand
wegen der zur Fällung des Kalkes nöthigen Kohlensäure oder sonstigen Säure. Der
Verfasser schlägt in dieser Beziehung vor, den Kalk in den Fabriken selbst zu
brennen und die Kohlensäure in Gasometern von gasdichtem Zeug zu sammeln, um sie
wieder zur Abscheidung des Kalkes aus dem Safte zu benutzen. Den aus demselben
ausgeschiedenen kohlensauren Kalk könnte man wieder brennen und so wieder Kalk und
Kohlensäure daraus gewinnen. Wie schon erwähnt, glaubt der Verfasser, daß man die
Knochenkohle bei seinem Verfahren entbehren könne, und die Fabrikanten selbst,
welche seinen Versuchen beigewohnt haben, sind der Ansicht, daß man sie zum sehr
großen Theile nicht mehr nöthig habe. Wenn sie es für sehr schwierig halten die
Knochenkohle ganz zu entbehren, so meinen sie damit nicht, daß dieselbe nöthig sey,
um einer Färbung abzuhelfen, denn es tritt keine Färbung ein; sie wollen vielmehr
durch die Knochenkohle eine schleimige Substanz, die spurenweise vorhanden ist, und
ein wenig in dem Safte vorhandene Kalksalze daraus entfernen. Zu diesem Zweck kann
man aber, wie der Verfasser meint, die Knochenkohle durch Holzkohle, gebrannten Thon
etc. ersetzen, und sollte man auch noch ein wenig, vielleicht sogar noch 1/10 der bisher
angewendeten Menge an Knochenkohle nöthig haben, so daß 9/10 derselben entbehrlich
würden, so würde dieß schon ein bedeutender Vortheil seyn. Andere Vortheile bestehen
darin, daß die gegenwärtig durch die Aufbewahrung der Rüben veranlaßten Kosten in
Wegfall kommen, daß man nicht mehr so viel Filter gebraucht, daß die Zahl der Oefen
zum Brennen der Knochenkohle sehr verringert werden kann und daß man weit weniger
Behälter für die geringen Producte nöthig hat.
Der Verfasser gibt zuletzt folgende Aufstellung hinsichtlich der pecuniären
Ergebnisse des neuen Verfahrens, wie sie seiner Ansicht nach ungefähr sich gestalten
würden, wobei vorausgesetzt ist, daß jährlich 10,000000 Kilogr. Rübensaft
verarbeitet werden.
Die neuen Unkosten würden veranlaßt: 1) Durch die Verdoppelung der Apparate zum
Zerreiben und Auspressen, wozu eine Reibmaschine und acht Pressen mit Zubehör
anzuschaffen und die zu diesen Arbeiten bestimmten Räumlichkeiten und Gefäße zu
vergrößern und zu vermehren wären. Die hierdurch bewirkte Ausgabe beträgt höchstens
25000 Fr., wobei die Reibmaschine zu 2000 Fr. und die Pressen zu 12000 Fr. gerechnet
sind. 2) Durch den Mehrverbrauch an Kalk. Dieser beträgt (die jetzt angewendete
Menge Kalk im Durchschnitt zu 1 Proc. vom Gewicht des Saftes gerechnet) im
Mittel (2 + 5)/2 – 1 Procent des Saftes oder (2
+ 5 – 2)/(2 . 100) . 10,000000 = 250000 Kilogr., welche, 1000 Kilogr. zu 20
Fr. gerechnet, auf 5000 Fr. zu stehen kommen. 3) Durch die Anlage der Cisternen,
welche am besten so zu machen wäre, daß dieselben auf Gewölben ruhten und auch
ringsum frei wären, damit man etwaiges Durchlassen von Saft in Folge von Undichtheit
leicht wahrnehmen könne. Diese Anlage kann man zu 100000 Fr. veranschlagen. 4) Durch
die Anschaffung zweier Gasometer von je 500 Kubikmetern Inhalt für die Kohlensäure
nebst hölzernen Gerüsten und Leitungsröhren, wofür 10000 Fr. anzunehmen sind. 5)
Endlich würde die gegenwärtige Einnahme für verkaufte Melasse größtentheils
wegfallen. Diese macht jetzt wenigstens 1/4 des gesammten Zuckers oder 250000
Kilogr. aus, würde aber bei dem neuen Verfahren kaum 50000 Kilogr. betragen. Es ist
daher ein Ausfall von 200000 Kilogr., oder 100 Kilogr. zu 20 Fr. gerechnet, eine
Mindereinnahme für Melasse von 40000 Fr. anzunehmen.
Dagegen würde das neue Verfahren folgende Vortheile gewähren: 1) Einen Mehrgewinn von
300000 bis 350000 Kilogr. Zucker, und dadurch, 100 Kilogr. zu 70 Fr. gerechnet, eine
jährliche Mehreinnahme von 210000 bis 245000 Fr. 2) Man würde jährlich circa
40000 Fr., die man jetzt für Knochenkohle ausgibt, sparen. Die Oefen zum Ausglühen
der Knochenkohle könnten wenigstens von 6 auf 2 verringert werden, was etwa 10000
Fr. ausmacht. Der größte Theil der jetzt auf das Waschen und Wiederbeleben der
Knochenkohle verwendeten Arbeit würde entbehrlich, was eine Ersparniß von circa 3000 Fr. ergibt. Endlich würde die Ersparniß an
Brennmaterial wenigstens 15000 Fr. betragen. 3) Die Arbeit, welche jetzt das
Einbringen der Rüben in die Silos und das Wiederherausnehmen aus denselben
veranlaßt, käme in Wegfall. Diese muß man auf wenigstens 2 Fr. pro 1000 Kilogr. anschlagen, die Ersparniß würde also
bei 10,000000 Kilogr. Rüben 20000 Fr. betragen. 4) Man würde nur 1/4 oder vielleicht
nur 1/5 so viel Filter als jetzt, und ebenso weniger Vorrichtungen zum Transport des
Materials, Leitungsröhren etc. nöthig haben. Ferner könnte die Zahl der Pfannen zum
Verkochen und der Behälter für die geringen Producte geringer seyn; die hierdurch
bei der Einrichtung bewirkte Ersparniß kann man auf 50000 Fr. anschlagen. Man hat
hiernach
durch das neue Verfahren veranlaßten Gewinn pro Jahr:
Textabbildung Bd. 143, S. 294
1) 350000 Kilogr. Mehrausbeute an
Zucker; 2) Ersparniß an Knochenkohle; Deßgl. an Brennmaterial zum Wiederbeleben
der Knochenkohle; Deßgl. an Arbeit dabei und beim Waschen der Knochenkohle; 3)
Wegfall der Arbeiten in den Silos; 4) Wegfall von Oefen; Deßgl. von Filtern,
Pfannen etc.; zusammen; deren Tilgungssumme zu 10 Proc. beträgt.
Dagegen Unkosten oder in Wegfall kommenden Gewinn pro Jahr:
Textabbildung Bd. 143, S. 294
1) Cisternen; 2) Reibmaschine,
Pressen etc.; 3) Gasometer; zusammen; deren Tilgungssumme beträgt; 4) Wegfall an
Einnahme für Melasse; 5) Kalk; folglich reiner jährlicher Gewinn
Das Verfahren der Conservation mittelst Kalk kann natürlich, ebenso wie auf
Rübensaft, auch auf andere zuckerhaltige Pflanzensäfte angewendet werden. Beim Zuckerrohr scheint
dieß kaum Vortheil zu versprechen, da man dasselbe gewöhnlich sogleich nach der
Ernte verarbeitet. Vielleicht aber wäre es vortheilhafter, den Zuckerrohrsaft mit
Kalk zu vermischen und aufzubewahren, um die Läuterung in der Kälte zu erlangen, die
bald vollständig seyn und eine vermehrte Ausbeute liefern würde.
Man hat öfter versucht, die Unlöslichkeit des Zuckerkalks in kochendem Wasser zur
Abscheidung des Zuckers aus dem Saft zu benutzen. Diese Versuche scheiterten nach
dem Verf. deßhalb, weil der angewendete Rübensaft gewöhnlich Fruchtzucker enthielt,
also außer der Verbindung von Rohrzucker auch die von Fruchtzucker mit Kalk entstand
und die Scheidung eines solchen Gemenges kein gutes Resultat geben konnte. Der durch
Kalk conservirte Saft, der also keinen Fruchtzucker enthält, ist auch zu dieser Art
der Verarbeitung geeignet.
Die Conservation des Rübensaftes mittelst Kalk dürfte auch für die Rübenbrennerei
vortheilhaft seyn, denn in den Rüben erfolgt bei ihrer Aufbewahrung nicht nur die
Umwandlung von Rohrzucker in Fruchtzucker, sondern es tritt in ihnen auch,
namentlich nach dem Frieren, Milchsäure- und Buttersäuregährung ein, wodurch
die Quantität und Qualität des Alkohols verringert wird.