Titel: | Die absolute Festigkeit verschiedener Eisen- und Stahlsorten des königl. württemb. Hüttenwerks Friedrichsthal. |
Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XXI., S. 94 |
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XXI.
Die absolute Festigkeit verschiedener
Eisen- und Stahlsorten des königl. württemb. Hüttenwerks
Friedrichsthal.
Aus dem württembergischen Gewerbeblatt. 1856, Nr.
47.
Ueber die absolute Festigkeit verschiedener Eisen- und
Stahlsorten des k. Hüttenwerks Friedrichsthal.
Auf Anordnung der k. württembergischen Hüttenverwaltung Friedrichsthal, welche die
Qualität verschiedener hier producirter Stabeisen- und Stahlsorten genauer zu
bestimmen wünschte, wurden vom Unterzeichneten mit solchen Versuche über deren
Widerstandsfähigkeit gegen das Zerreißen, also über deren absolute Festigkeit
vorgenommen. Die Resultate dieser Versuche dürften von allgemeinem
wissenschaftlichem Interesse seyn. Zu denselben bediente man sich einer Vorrichtung,
welche zum Probiren der Festigkeit und Elasticität von – hier ausgefertigten
– einzelnen Tragfedern und Federnpacketen für Waggons und Locomotiven aus
raffinirtem und Gußstahl benützt wird.
Diese Vorrichtung besteht im WesentlichenWesentlicheu in einem starken eisernen – zehn Fuß langen – einarmigen
Hebel, an dessen Ende die Gewichte angehängt werden, während derselbe in einer
Entfernung von einem Fuß vom Aufhängungspunkt auf die zu probirenden Stahl-
und Eisenstäbe wirkt, so daß die Belastung der Stäbe das Zehnfache von dem
angehängten Gewicht ausmacht. Diese Stäbe waren 7 Zoll lang, von quadratischem 4
Linien starkem Querschnitte. In der Mitte wurden sie in der Art eingefeilt, daß hier
ein quadratischer genau 2 Linien starker Querschnitt blieb. Es wurden folgende
Sorten probirt:
1) Schwahleisen, aus Abfällen bei der Stahlraffinerie oder Schwählen erzeugtes Eisen,
meistens von sehniger Textur; wird zu Zwecken verwendet, wozu sehr reines Eisen
nothwendig ist.
2) Renneisen, aus Alteisen und Drehspähnen mit Zusatz von Schwätzten erzeugt, von
sehniger Textur, sehr weich; wird besonders zu Dampfkesselnieten verwendet.
3) Ordinäres Frischeisen, aus Roheisen, zu dessen Erzeugung zwei Drittheile Bohnerze
und ein Drittheil Brauneisensteine angewendet werden, dargestellt, von körnig
sehniger Textur; wird hauptsächlich zu Nageleisen verwendet.
4) Frischeisen besserer Qualität, aus Roheisen, wozu zwei Drittheile Brauneisensteine
und ein Drittheil Bohnerze verwendet werden, erzeugt, von feinkörniger Textur; wird
zu Drahtrundeisen und zur Fabrication von Pfannen verwendet.
5) Roher Schmelzstahl, abgeschweißt und ausgestreckt; wird zum Anstählen gröberer
Werkzeuge verwendet.
6) Cementstahl abgeschweißt und ausgestreckt, aus Eisen der Nr. 1) und 2) mit
Anwendung von Hohofengasen erzeugt; wird zu groben Feilen und zum Anstählen vonvou gröbern Werkzeugen verwendet.
7) Raffinirter Schmelzstahl Qualität Kº,
abgeschient, abgeschweißt, überlegt und noch einmal abgeschweißt, also zweimal
raffinirt, weiche Qualität; wird zu Federn verwendet.
8) Raffinirter Schmelzstahl, Qualität uu
(Hirschhornstahl) eben so oft raffinirt; etwas härter, wird zu Messern und weiche
Gegenstände schneidenden Werkzeugen verwendet.
9) Raffinirter Schmelzstahl Qualität F⁰, eben so
oft raffinirt. Harte Qualität, zu Feilen.
Ferner drei Sorten Gußstahl und zwar:
10) Weichste Sorte zu Federn mit der Bezeichnung F.
11) Etwas härtere Sorte zu Maschinentheilen mit der Bezeichnung K.
12) Die härteste Sorte für Prägstempel mit der Bezeichnung P.
13) F Stahl in der Kirschrothhitze gehärtet und blau
angelaufen.
14) K Stahl in der dunkelrothen Hitze gehärtet und blau
angelaufen.
15) P Stahl schwarzrothglühend abgehärtet, grau
angelaufen.
Von jeder Sorte wurden 6 Proben gemacht, von denen in unten folgender Tabelle das
ungünstigste und das günstigste Resultat, sowie das arithmetische Mittel aus allen
Ergebnissen bemerkt sind.
Die Tabelle gibt nämlich die Belastung, welche die Stäbe bis zum Zerreißen zu tragen
vermögen, in württembergischen Pfunden für den oben angegebenen Querschnitt von 4
Quadratlinien, sowie für einen Querschnitt von 1 Quadratzoll württembergisch Maaß
an; ferner in Berliner Pfunden für einen Querschnitt von 1 Quadratzoll rheinländisch
und in Kilogrammen für einen Quadratcentimeter Querschnitt.
Textabbildung Bd. 143, S. 96
Nro.; Material; Belastung bis zum
Zerreißen; auf einen Querschnitt von 4 Quadratlinien württ.; auf einen
Querschnitt von 1 Quadratzoll württ.; auf einen Querschnitt von 1 Quadratzoll
rheinl.; auf einen Querschnitt von 1 Quadratcentimeter; Schwahleisen; Württ.
Pfd.; Berl. Pfd.; Kilogr.; Renneisen; Frischeisen, ordinäres; Frischeisen,
bessere Qualität; Roher Schmelzstahl; Cementstahl; Raffinirter Schmelzstahl;
Gußstahl; gehärtet
Zu bemerken ist noch die Veränderung des Querschnitts der Stäbe an der zerrissenen
Stelle nach dem Bruch, deren Größe im Verhältniß zur abnehmenden Festigkeit des
Materials stand. Sie war bei den weichen Stabeisensorten so bedeutend, daß der
zuerst 2 Linien starke Querschnitt nach dem Zerreißen nur noch 1 bis 1 1/4 Linie
Stärke besaß. Auch war bei diesen weichen Sorten deutlich zu bemerken, wie das
Zerreißen nur allmählich erfolgte und sich das Eisen um die schwächste Stelle herum
in die Länge zog. Ganz unverändert blieb nur der Querschnitt der gehärteten
Gußstahlstäbe, während bei den ungehärteten Gußstahlstäben schon eine kleine, bei
den andern Stahlsorten eine mit deren abnehmender Festigkeit im Verhältniß stehende
größere Abnahme der Querschnittsfläche zu beobachten war.
Die Versuche sind mit möglichster Genauigkeit vorgenommen worden, insbesondere hat
keine besondere Auswahl der Probestäbe stattgefunden. Es kann also für die Resultate
garantirt werden.
Eine Vergleichung dieser Versuche mit denen von Muschenbrock,
Rennie, Brown und Andern wird zeigen, daß das hiesige Fabricat,
insbesondere der Gußstahl, was die absolute Festigkeit betrifft, jedem andern an die
Seite gestellt werden darf. Das gleiche Ergebniß haben auch Versuche gezeigt, welche
in der Gewehrfabrik zu Oberndorf mit Zersprengen von Läufen aus hiesigem und
englischem Gußstahl angestellt wurden, und wobei die hiesigen Läufe bedeutend
stärkere Ladungen aushielten, als die letzteren.
Friedrichsthal, im November 1856.
Bergcadet Dahlmann.