Titel: | Ueber die Bereitung der Arsensäure im Großen, und über die Eigenschaften dieser Säure; von Hrn. E. Kopp. |
Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. XI., S. 60 |
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XI.
Ueber die Bereitung der Arsensäure im Großen, und
über die Eigenschaften dieser Säure; von Hrn. E. Kopp.
Aus den Comptes rendus, Juni 1856, Nr.
22.
Kopp, über die Bereitung der Arsensäure im Großen.
Folgendes Verfahren wurde als das vortheilhafteste befunden, um große Quantitäten von
Arsensäure zu bereiten.
In eine Cisterne von beiläufig 1500 Liter Inhalt gab man 400 Kilogr. gepulverte
arsenige Säure, auf welche man sehr langsam 300 Kilogr. Salpetersäure von 1,35 spec.
Gew. laufen ließ. Die Reaction beginnt fast unmittelbar, die Temperatur erhöht sich
immer mehr und es stellt sich ein sehr lebhaftes Sieden ein, mit reichlicher
Entbindung salpetriger Dämpfe. Damit letztere nicht in die Atmosphäre abzogen,
wodurch sie der Vegetation in der Nachbarschaft hätten sehr schädlich werden können,
benutzte man den starken Zug eines sehr hohen Fabrikschornsteins, um die röthlichen
Dämpfe, gemeinschaftlich mit atmosphärischer Luft und Wasserdampf, durch einen
Condensationsapparat zu treiben. Letzterer bestand aus einem sehr weiten Rohr von
Steinzeug, welches mehrmals schlangenförmig gewunden und mit gut gereinigten Kohks
gefüllt war, auf die beständig ein Strahl Wasser oder schwacher Salpetersäure (von
einer frühern Kondensation) lief. Auf diese Weise gelang es das Salpetergas in
Salpetersäure von 1,15 bis 1,18 spec. Gew. umzuwandeln, welche zwei Drittel bis drei
Viertel der anfänglich angewandten Säure ersetzte Nach Verlauf von 24 bis 36 Stunden
wurde die flüssige Arsensäure, welche vollkommen klar war und die Consistenz der
concentrirten Schwefelsäure hatte, aus der Cisterne durch einen bleiernen Heber
abgezogen. Da man besorgt war einen schwachen Ueberschuß von arseniger Säure
anzuwenden, so enthielt die gebildete Arsensäure von dieser eine kleine Menge
aufgelöst; man brauchte aber nur der noch lauwarmen Flüssigkeit 1/1000 bis 1/1500
concentrirte Salpetersäure zuzusetzen, um eine vollständige Oxydation zu
erzielen.
Wenn man die so erhaltene flüssige Arsensäure einige Zeit ruhig stehen läßt, während
die äußere Temperatur nicht über 15° C. beträgt, so gesteht sie oft,
besonders beim Schütteln, zu einer halbflüssigen Masse, weil sich eine Quantität
klarer und durchsichtiger Krystalle bildete. Diese Krystalle (entweder längliche
Prismen oder rhomboidale Blätter) sind außerordentlich zerfließlich; sie lösen sich
fast augenblicklich in Wasser auf, wobei sie eine beträchtliche Kälte hervorbringen (die
Erniedrigung der Temperatur beträgt ungefähr 15° C.). Sie enthalten 24
Procent Wasser, sind also A²O⁵ + 4 Aq. Dieß ist die drei basische
Arsensäure mit 1 Atom Krystallwasser. Erhitzt man die Krystalle auf 100° C.,
so werden sie flüssig; es entbindet sich Wasser und bald entsteht ein weißlicher
Niederschlag, welcher zunimmt wenn man die Flüssigkeit erkalten läßt. Dieser
Niederschlag sieht wie ein dicker Rahm aus und besteht aus einer Menge kleiner
Nadeln, welche, zwischen Fließpapier stark ausgedrückt, beiläufig 19 Procent Wasser
enthalten und As²O⁵ + 3 Aq. sind.
Dieses Hydrat erhält man sehr leicht, wenn man irgend eine Auflösung von Arsensäure
lange Zeit im Wasserbad abdampft. Dasselbe löst sich leicht im Wasser auf, aber ohne
eine merkliche Veränderung der Temperatur hervorzubringen.
Diese Säure kann man benutzen um A²O⁵ + 4 Aq. zu erhalten, deren
Darstellung im Kleinen etwas schwierig ist. Hierzu verdampft man eine Auflösung von
Arsensäure im Wasserbad, bis ihre Dichtigkeit beiläufig 2, 2 ist. Beim Erkalten
setzt sich As²O⁵ – 3 Aq. reichlich als ein weißer Rahm ab, über
dem sich eine klare Mutterlauge von fast öliger Consistenz befindet. Man nimmt
alsdann gleiche Theile von Mutterlauge und weißem Niederschlag; man löst letztern in
etwas weniger als der Hälfte seines Volums Wasser auf, und gießt die Lösung in die
Mutterlauge. Nach einiger Zeit entsteht eine reichliche Krystallisation von
As²O⁵ + 4 Aq.
Wenn man, anstatt eine Arsensäure-Auflösung bei 100° C. abzudampfen,
die Temperatur auf 140 oder 180° C. erhöht, so bildet sich nach und nach eine
neue Art von Krystallen, welche hart und glänzend sind, einander stark anhängen, nur
noch 13,5 Procent Wasser enthalten und die Säure A²O⁵ + 2 Aq.
sind.
Die Mutterlauge dieser Krystalle hat bei 16° C. 2,365 spec. Gewicht. Bei
100° C. ist ihre Dichtigkeit nur noch 2,277. Sie bildet daher eine der
dichtesten wässerigen Lösungen.
Die doppelt-gewässerte Arsensäure löst sich noch ziemlich leicht im Wasser
auf, und erzeugt bei Anwendung einer etwas beträchtlichen Quantität eine starke
Temperatur-Erhöhung. Wenn man eine sehr concentrirte Auflösung dieser Säure
einige Zeit auf 200° C. erhält und hernach langsam bis auf 206° C.
erhitzt, so geht in einem gewissen Zeitpunkt die doppelt-gewässerte Säure in
einfach-gewässerte über; die Flüssigkeit, welche nur sehr schwach Wasserdampf
entwickelte, trübt sich nämlich plötzlich, wird teigig und verwandelt sich in eine
perlenmutterartige Masse, welche glänzend weiß ist; in derselben befinden sich
Höhlungen, aus welchen bald Wasserdampf zischend hervorbricht.
Entzieht man die perlenmutterartige Masse, sobald sie trocken erscheint, der Wirkung
der Wärme, so enthält sie beiläufig 7,3 Procent Wasser und ist nun die
einfach-gewässerte Arsensäure, As² O⁵ + Aq. Diese Säure, welche
etwas schwierig ganz frei von wasserfreier Säure zu erhalten ist, löst sich nur
langsam im kalten Wasser auf; mit lauwarmem Wasser in Berührung gebracht, löst sie
sich ziemlich leicht und mit großer Wärme-Entwickelung.
In allen diesen Auflösungen geht die Arsensäure in den Zustand gewöhnlicher
dreifach-gewässerter Arsensäure über.
Erhitzt man diese verschiedenen Hydrate nahe zur Dunkelrothgluht, so liefern sie die
wasserfreie Arsensäure. Letztere ist aber keine Säure mehr, sondern ein träger
Körper, ohne Wirkung auf das Lackmus, unauflöslich in Wasser, Ammoniak etc. Sie kann
ganze Tage mit feuchter Luft in Berührung bleiben, ohne Wasser anzuziehen; nach
langer Zeit wird sie jedoch flüssig und verwandelt sich in die gewöhnliche
dreifach-gewässerte Säure. Zum Rothglühen erhitzt, zersetzt sie sich, ohne zu
schmelzen, in arsenige Säure und Sauerstoffgas. Um sie zu schmelzen, muß man eine
Quantität sehr rasch zum Kirschrothglühen erhitzen; der größere Theil zersetzt und
verflüchtigt sich, aber der Rest bildet einen gelblichweißen Kuchen; die Gegenwart
einer kleinen Menge von Alkali begünstigt die Schmelzbarkeit außerordentlich.
Bevor ich die Bereitung und Anwendung der ArsensäureHr. Kopp hat seiner Abhandlung eine Probe von
türkischroth gefärbtem Baumwollenzeug beigelegt, auf welchem das weiße
Muster durch Bedrucken mit Arsensäure (anstatt Weinsteinsäure) und
nachherige Behandlung in der Chlorkalk-Küpe erzeugt war. Die
Anwendung der Arsensäure bloß zu diesem Zweck (man s. darüber polytechn.
Journal Bd. CXXXVII S. 147)
veranlaßte seit 1852 in England einen jährlichen Verbrauch von mehreren
tausend Kilogrammen dieser Säure. den Arbeitern überließ, ermittelte ich an mir selbst ihre Wirkung auf den
Organismus, wobei ich Folgendes beobachtete:
Das Arsensäurehydrat, auf die Haut applicirt, erzeugt auf derselben bald
Wasserblätterchen, den Brandmalen ganz ähnlich; die durch dieselben entstandenen
Schwären heilten ohne die geringste Schwierigkeit.
Wenn man die Hände häufig mit einer Arsensäure-Lösung in Berührung läßt,
welche hinreichend verdünnt ist um nicht ätzend zu wirken, so spürt man lange Zeit
nichts, aber nach und nach stellt sich ein peinliches Gefühl ein, welches zuletzt
sehr schmerzhaft wird; endlich erfolgt ein beträchtliches Aufschwellen, das sich von
den Fingern, die das doppelte Volum bekommen, stufenweise auf die ganze Hand und
selbst zum Vorderarm fortpflanzt; gleichzeitig stellen sich fieberhafte Bewegungen
ein. Wenn man aber die
Vorsicht gebraucht, die Hände häufig in Kalkwasser zu waschen, so verschwinden diese
Symptome rasch.
Ich habe den Arsenik in meinen flüssigen und festen Excrementen aufgefunden. Im
Allgemeinen hat meine Gesundheit gar nicht gelitten; nur beobachtete ich in den
ersten zwei Monaten, wo ich fast täglich mit Arsensäure umging, eine Gewichtszunahme
des Körpers um fast 10 Kilogr. Als ich aufhörte mich mit dieser Säure zu
beschäftigen, erhielt der Körper nach Verlauf von neun bis zehn Wochen sein
gewöhnliches Gewicht von 75 Kilogr. wieder.