Titel: | Ueber die Fettstoffe und den Ernährungswerth des Fleisches verschiedener Fische; von Professor A. Payen. |
Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. XVI., S. 53 |
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XVI.
Ueber die Fettstoffe und den Ernährungswerth des
Fleisches verschiedener Fische; von Professor A. Payen.
Aus den Comptes rendus, Juli 1855, Nr.
1.
Payen, über den Ernährungswerth des Fleisches verschiedener
Fische.
Mit der quantitativen Bestimmung des Fettes im Fleische der als Nahrungsmittel
dienenden Fische beschäftigt, suchte ich einige Aufschlüsse über das Verhältniß der
stickstoffhaltigen organischen Substanz zum Fett, und über den Ernährungswerth der
verschiedenen Fische zu erhalten.
Hierbei wollte ich auch die Eigenschaften der Fettsubstanzen verschiedener Fische mit
einander vergleichen, und notirte zunächst ihren Flüssigkeitsgrad einige Tage nach
ihrer Ausziehung mittelst Aethers und für die Temperatur von 15° R. Hierauf
stellte ich diese öligen Flüssigkeiten in verschlossenen Gefäßen in einen Keller,
dessen Temperatur während vier Monaten nur zwischen + 9 3/5 und 11° R.
variirte.
Nach Verlauf dieser Zeit hatten die Fette welche flüssig waren, ein körniges Fett,
aber in sehr verschiedenem Verhältnis abgesetzt.
Das Oel des Aals, anfänglich das flüssigste, war zu einer schmierigen Masse
gestanden. Auf ein Filter gebracht, ließ dieselbe einen flüssigen Theil ablaufen,
welcher über die Hälfte des ganzen Volums betrug und flüssiger und minder gefärbt
war als die auf gleiche Weise abfiltrirten Antheile aller anderen Fettstoffe.
Das Oel des Meeraals lieferte ein erstarrtes Fett, welches jenem hinsichtlich der
Färbung und des Ansehens ziemlich glich.
Die öl- (oder thran-) artige Substanz des Härings, von brauner, etwas
orangerother Farbe, bildete einen reichlichen Niederschlag von körnigem Fett,
welches auf dem Filter zurückblieb, durch das der flüssige Theil ging; letzterer war
klebriger als die vorhergehenden.
Das Oel des Lachses hatte ein wenig von körnigem Fett abgesetzt, welches auf dem
Filter blieb, durch das der ölige Theil abfloß, welcher minder flüssig als alle
anderen und von röthlich-orangebrauner Farbe war.
Das Fett des Bartfischchens ist halbflüssig, lieferte wenig Körner und ist braun,
etwas orangeroth gefärbt.
Die aus dem Karpfen, dem Hechte und dem Uklei (einem kleinen Weißfisch) erhaltenen
fetten Substanzen waren noch dicker, und körnten sich wenig; wegen mangelnden
Materials konnte ich sie nicht näher untersuchen.
Die aus der Makrele erhaltene ölige Substanz körnte sich nur sehr wenig und war von
eigenthümlicher Beschaffenheit; ihre Oberfläche überzog sich mit einem festen
Häutchen; der flüssig gebliebene Theil lief durch das Filter und war von fahlbrauner
Farbe.
Die aus dem Stockfisch, der Klarke (Kliesche) und dem Merlan (Wittling) in kleiner
Menge erhaltenen Fettsubstanzen waren fest und braun.
Das Adhäsions- und Austrocknungs-Vermögen an der Luft, auf
Porzellanplatten oder reinem Bleiblech ermittelt, ergab folgende Reihe: Lachs,
Makrele, Häring, Meeraal, Aal. Die Verschiedenheiten waren sehr groß; so war das
Lachsöl nach Verlauf von acht Tagen auf dem Blei ziemlich aufgetrocknet, während das in viel dünnerer Schicht zurückgebliebene Aalöl
nach 14 Tagen noch seine ölige Beschaffenheit behielt und durch bloße Berührung auf
Papier Oelflecken machte.
Die filtrirten Oele bestanden alle einerseits aus einer leichter verseifbaren fetten
Substanz, welche sich zuerst mit Alkalien verbindet und dabei fast allen Farbstoff
zurückhält; andererseits aus einem öligen Theil in weit größerer Menge, welcher nach
der Absonderung schwach strohgelb gefärbt blieb.
Dieses Verhalten läßt sich mit dem Aalöl sehr leicht nachweisen: man gießt in 100
Thle. desselben 2,47 gesättigter Aetzkalilösung; nach dem Schütteln und
1–2stündiger Ruhe sieht man eine dünne Schicht entfärbten Oels auf einem
voluminösen braunen Bodensatz schwimmen.
Bringt man das Gemenge im Wasserbad auf die Temperatur von 64–72° R.,
so zieht sich der Bodensatz auf ein Zehntheil seines Volums zusammen; die ganze
darüber befindliche Oelmasse entfärbt sich alsdann und bildet eine strohgelbe
Schicht von 5 Linien Dicke. Wurde nicht genug Kali angewandt, so schlägt sich nur
ein Theil der braunen Substanz nieder; setzt man dann noch Kali zu, so wird die
Absonderung sogleich bewerkstelligt. Jedenfalls kann man durch Filtriren und
schwaches Pressen zwischen Löschpapier die festgewordene braune Verbindung
isoliren.
Die Absonderung geht bei anderen Oelen nicht so leicht vor sich; doch gelingt sie
durch Schütteln mit Wasser, welches sich der gebildeten seifenartigen Verbindung
bemächtigt, worauf das entfärbte Oel sich nach und nach absondert und obenauf
schwimmt.
Um den in die Seife eingegangenen gefärbten Antheil des Oels abzusondern, löst man
die Seife in Wasser auf und sättigt dann ihre Base mittelst einer Säure
(Essig-, Salzsäure etc.), wo dann das den Farbstoff enthaltende Oel bald
obenauf schwimmt. Ausgewaschen und dann getrocknet, erscheint es in consistentem
Zustande stark röthlichbraun gefärbt und beträgt 0,053 vom Gesammtgewicht des Oels. Daß die
braun gefärbte Substanz in den Geweben vollkommen entwickelt und mit der normalen
Fettsubstanz der Fische verbunden präexistirt, glaube ich nicht; denn wenn man das
Fleisch mit siedendem Wasser behandelt und dann auspreßt, so kann man die
obenaufschwimmende Fettsubstanz von der wässerigen Flüssigkeit absondern, wo sie
dann beinahe farblos oder nur schwach gelblich gefärbt ist.
Wahrscheinlich besitzen die Fettsubstanzen der verschiedenen Fische noch mehrere
unterscheidende Eigenthümlichkeiten; bei dem Zweck meiner Untersuchung war es mir
jedoch mehr darum zu thun, zu ermitteln ob diese öligen Substanzen zur Ernährung der
Thiere beitragen, oder ob sie mit den Excrementen ausgeschieden werden.
Schon sehr viele Thatsachen, und besonders die von Hrn. Coste
Dessen: Voyages d'exploration sur le littoral de la
France et de l'Italie, in 4°. gesammelten, beweisen den sehr günstigen Einfluß des Fischfleisches als
Bestandtheil unserer Kost.
Ich stellte hierüber auch physiologische Versuche an. Ich ließ zuvörderst einer,
gewöhnlich mit Brod gefütterten Ente Stücke Meeraalfleisches reichen; dieses Futter
für sich allein verschmähte sie und ließ es liegen, wahrscheinlich wäre dasselbe
auch zur gehörigen Ernährung unzureichend gewesen. Ich setzte nun eine Ration aus
Brod und Meeraal zusammen, worin die nach und nach gesteigerte Quantität des
letztern endlich per Tag 80 Gramme, mit 50 Grammen
Weißbrod gemengt, betrug. Als man nach der Beschaffenheit des Thieres, dessen
Gewicht anfänglich abgenommen hatte, und nach seiner Begierde nach dieser Kost, die
Wirkungen der Verdauung bestimmen zu können glaubte, schritt man zur vergleichenden
Analyse des Futterquantums und der Excremente.
Dieser erste Versuch gab folgende Resultate:
Die in 24 Stunden verzehrte Nahrung enthielt an trockenen Substanzen, mineralischen
Stoffen, Fettsubstanzen und Stickstoff:
Trockene Subst.
Gr.
Min. Stoffe.
Gr.
Fettsubst. Gr.
Stickstoff.
Gr.
1)
in 50 Grammen Brod
32,00
0,672
0,60
1,08
2)
in 80 Gram. Meeralfleisch
15,07
0,88
4,00
3,95
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
47,07
1,552
4,60
5,03
Die in 48 Stunden gesammelten Excremente wogen getrocknet 18,50 Gram.; bei der
Analyse gaben sie folgende Resultate:
Asche. Gr.
Trockene Subst.
Gr.
Fettsubst.
Gr.
Stickstoff.
Gr.
Trockene Substanz, Asche,
Fettsubstanz und Stickstoff
2,86
18,50
0,19
1,38
Die 48 Stunden eingenommene
Nahrung enthielt
3,10
94,16
9,20
10,06
Demnach repräsentirte die in 48 Stunden verzehrte Nahrung:
Asche.
Trockene Substanz.
Fettsubstanz.
Stickstoff.
0,24 Gr.
75,66
Gr.
9,01 Gr.
8,68 Gr.
Nimmt man nun an, daß sämmtliche im Brod enthaltene Fettsubstanz consumirt wurde,
ohne etwas in den Excrementen zurückzulassen, so wären 85 Procent der Fettsubstanz
und 92 Proc. des Stickstoffs vom Meeraal in derselben Zeit verzehrt worden.
Uebrigens hatte die in die Excremente übergegangene Fettsubstanz, welche man durch
Aether und Auswaschen mit Wasser ausziehen konnte, eine bedeutende Veränderung
erlitten – ein Beweis, daß selbst dieser sehr geringe Antheil von
Fettsubstanz beim Verdauungsacte nicht unthätig geblieben war. Sie war nämlich bei +
12° R. consistent; der größte Theil löste sich in Alkohol von 45 Proc. auf
und dieser war sehr fest und braun; der in Alkohol von 45 Proc. unlösliche Theil gab
an Alkohol von 90 Proc. eine kleine Menge sehr wenig gefärbter, flüssiger
Fettsubstanz ab; der Rückstand gab, mit Aether behandelt und aufgelöst, beim
Abdampfen eine wenig gefärbte, feste Fettsubstanz, aus welcher Alkohol in der Wärme
eine geringe Menge krystallisirbarer Materie auszog.
Sonach enthielten die in 48 Stunden abgegangenen trockenen Excremente an Fettstoff,
mit Wasser gewaschen und bloß ausgetrocknet, 0,38 Gramme. Dieses feste Fett bestund
aus viererlei fetten Substanzen.
Um damit die Resultate einer andern Nahrung vergleichen zu können, wurde dasselbe
Thier ausschließlich mit Brod gefüttert; es verzehrte davon 80 Gramme in 24
Stunden.
Trockn. Subst.
Min. Stoffe.
Fettsubst.
Asche.
Diese Ration, welche das Gewicht der
Ente 8 Tage lang auf 1500 bis 1490
Gram. erhielt, reprästntirte in 48 Stunden
102,4
2,15
1,920
3,486
Die in derselben Zeit abgegebenen
Excremente enthielten
10
1,85
0,014
0,728
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Die consumirten Quantitäten waren
sonach
92,4
0,30
1,906
2,728
Man sieht, daß bei dieser Fütterung die Excremente, welche weniger betrugen, noch
weniger von fetten und stickstoffhaltigen Substanzen enthielten, indem 99 Proc. der
erstern und 79 Proc. der letztern consumirt worden oder durch die Verdauung anderswohin als in die
Excremente gegangen waren.
Die aus den Excrementen abgesonderte Fettsubstanz war noch consistenter als im
vorigen Versuche und auch von der im Brod enthaltenen öligen Substanz sehr
verschieden.
Eine andere Reihe von Versuchen wurde in der Absicht angestellt, das
Ernährungsvermögen des Aalfleisches zu ermitteln, vorzüglich aber um die
Verdaulichkeit der in dessen Geweben so reichlich vorhandenen öligen Substanz zu
beobachten.
Um die theilweise Assimilirung zu begünstigen, vergrößerte ich das Quantum des
Futters ein wenig und setzte demselben überdieß eine sehr kleine Menge frischer
Blätter des römischen Lattichs zu, welche bei den analytischen Resultaten leicht in
Rechnung gezogen werden konnten. In 48 Stunden bestund das Futterquantum aus: Aal
160 Gr., Brod 100 Gr., Lattich 40 Gr. Die Ernährung war wirklich eine
vollständigere, das Gewicht des Thiers nahm um 185 Gr. zu und wurde in vier Tagen
von 1490 Gr. auf 1675 Gr. gebracht. Die Details der vergleichenden Analysen zeigten,
daß die Nahrung, die Fettsubstanzen inbegriffen, ihren Zweck vollkommen erreichte
und nicht nur für den Unterhalt, sondern auch für die Mästung ausreichte.
In einer fünften Reihe von Versuchen wurde das Fleisch der Makrele, welches mehr
Fettsubstanz als dasjenige des Meeraals enthält, aber bei weitem nicht so viel als
dasjenige des Aals, an der Stelle des letzteren angewandt und gab eben so günstige,
obgleich minder entschiedene Resultate.
Ich suchte auch den Sitz der Fettsubstanz in den Geweben zu ermitteln, besonders beim
Aal, dessen Fleisch im trocknen Zustand von derselben 63 Proc. enthält.
Eine aufmerksame Untersuchung unter dem Mikroskop, mit Beihülfe von Essigsäure,
welche die Fleischfasern auftreibt, die Objecte deutlicher macht und das
Vorhandenseyn von Oel kundgibt, indem es dasselbe aus den Membranen hervortreten
macht, ließ mich erkennen, daß die Fettgewebe in den verschiedenen Fischen zwischen
den Muskelfasern befindlich und gegen die Enden dieser Fasern angehäuft sind. Eine
Eigenthümlichkeit charakterisirt die Vertheilung der Fettsubstanz im Aalfleisch und
macht den großen Gehalt desselben an solcher begreiflich; hier umhüllt nämlich ein
dickes Fettgewebe die Bündel von Muskelfasern, einerseits gegen das Centrum als eine
um die Wirbelsäule herum anliegende Schicht fortgesetzt, und andererseits gegen die
Peripherie des Thierkörpers, als eine noch dickere, die Haut auf ihrer ganzen innern
Seite berührende Schicht. Wenn man einem Aal die Haut abzieht, so bleibt das Fettgewebe fast gänzlich am
Körper des Fisches haftend, vermittelst aller zwischen den Muskeln liegender
Schichten, welche der Hülle des ähnlichen, um die Wirbelsäule herum befestigten
Fettgewebes adhäriren.
Das eigenthümliche Fettgewebe des Aals erscheint unter dem Mikroskop aus gerundeten
Zellen gebildet, welche mit einer ölartigen Substanz gefüllt sind. Wenn man das Oel
auf dem Objectträger mittelst Aethers auflöst, so beobachtet man in jeder Zelle
einen runden Kern, von welchem als gemeinschaftliches Centrum die gefalteten
Membranen als Radien ausgehen. Ein Tropfen Essigsäure verändert das Ansehen, indem
er einen Theil der Substanz des Kerns auflöst; dieser Kern zeigt nun die Gestalt
eines Bündels in einem gemeinschaftlichen Mittelpunkt sich kreuzender Fäserchen.