Titel: | Ueber die Darstellung von entfuseltem absolutem Alkohol; von Professor W. Stein in Dresden. |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. CXIII., S. 430 |
Download: | XML |
CXIII.
Ueber die Darstellung von entfuseltem absolutem
Alkohol; von Professor W.
Stein in Dresden.
Aus dem polytechn. Centralblatt, 1855, S.
69.
Stein, über die Darstellung von entfuseltem absolutem
Alkohol.
Die bekannten Entwässerungsmethoden erfordern lange Zeit und Arbeit, insofern oft
wiederholtes Bewegen des Weingeists erforderlich ist, um ihn mit dem gebrannten Kalk
oder mit Chlorcalcium in Berührung zu bringen und zu erhalten, und die Entziehung
der letzten Antheile Wasser nur äußerst langsam von statten geht. Der Verlust,
welchen man dabei erleidet, ist gleichfalls nicht unbedeutend. Ich habe daher seit
einiger Zeit fuselfreien Alkohol von im Mittel 98 bis 99 Procent Tralles aus
80procentigem auf folgende Weise darstellen lassen, welche, obwohl im Princip nicht
neu, doch wegen der Schnelligkeit und Leichtigkeit der Ausführung Erwähnung
verdienen dürfte. Der 80procentige Weingeist, gewöhnlicher Brennspiritus, wurde in
einen Destillirkolben, welcher auf eine Capelle gesetzt wurde, gebracht. Mit dem
Destillirkolben wurden, nach Art Woulff'scher Flaschen,
zwei langhalsige Kolben verbunden, welche mit einem Gemisch von 2 Theilen
entwässertem Chlorcalcium und 1 Theil frisch ausgeglühter Holzkohle in bohnengroßen
Stücken gefüllt waren, und in einem Wasserbade standen, welches man kochend erhielt.
An den letzten Kolben wurde ein Röhrenkühler angelegt, und das in den
Entwässerungskolben entstandene flüssige Chlorcalcium, welches, trotz der Erhitzung
derselben, noch reich an Alkohol ist, schließlich in den Destillirkolben gebracht
und zur Trockene destillirt. Die Wirkung des Apparats ist selbstverständlich, ebenso
wie es klar ist, daß man die Entwässerungskolben mit großem Vortheil durch hohe rein
cylindrische Gefäße ersetzen und ihre Zahl vermehren kann, wenn man vollkommen
wasserfreien Alkohol, oder wenn man ihn aus einem wasserreicheren Weingeist
darstellen will. Am zweckmäßigsten ist es offenbar, wenn man die Dämpfe sowohl beim
Niedersteigen als beim Aufsteigen mit dem Chlorcalcium und der Kohle in Berührung
kommen läßt, und dieß ist sehr leicht möglich, wenn man cylindrische Gefäße mit
verticalen Scheidewänden, welche unten geöffnet sind, in Anwendung bringt. Die
Oeffnungen müssen so hoch über dem Boden angebracht werden, daß die von einer
Abtheilung in die andere übertretenden Dämpfe nicht über das nach und nach am Boden
angesammelte flüssige Chlorcalcium zu streichen genöthigt sind. Solche Gefäße lassen
sich von Zink oder verzinntem Eisenblech herstellen, müssen übergreifende und gut
schließende Deckel haben und durch Bleiröhren mit einander verbunden seyn. Für
gewöhnlich genügen deren zwei, weil die Dämpfe dann schon viermal die entwässernde
Säule zu durchstreichen haben; ihre Höhe kann 12 bis 18 Zoll bei einem Durchmesser
von 4 Zoll betragen. Das einmal gebrauchte Gemisch von Chlorcalcium und Kohle wird
scharf getrocknet und erfordert bei der nächsten Verwendung höchstens einen Zusatz
von Kohle. Im Laboratorium der polytechnischen Schule sind jetzt zwei Cylinder aus
Weißblech von 12 Zoll Höhe und 4 Zoll Durchmesser im Gebrauche. Die in der Mitte
durchgehende Scheidewand ist an ihrem unteren Ende mit halbkreisförmigen Ausschnitten und 2 Zoll darüber
mit einer Reihe von Löchern versehen, um den Dämpfen den Durchgang und den etwa
abzulassenden Flüssigkeiten den Abfluß zu gestatten. Der Deckel wird von unten
aufgeschoben und ist seitlich mit einer durch eine Schraubenkapsel verschließbaren
kurzen Abflußröhre versehen. Diese Anordnung wurde deßhalb gewählt, um das
Uebertreten der Dämpfe im oberen Theile des Cylinders zwischen Scheidewand und
Deckel unmöglich zu machen, was schwieriger gewesen seyn würde, wenn der Deckel oben
aufgesetzt worden wäre. Bei der Arbeit werden die Deckel mit Glaserkitt verstrichen
und die Cylinder in einem kleinen Kessel mit Wasser, in welchen ein falscher Boden
von Holz eingelegt wird, gesetzt, und die Einrichtung getroffen, daß in den
Destillirkolben, wie bei der Aetherbereitung, immer so viel Weingeist nachfließt,
als absoluter Alkohol abdestillirt. Wenn überdieß in den Destillirkolben gebrannter
Kalk oder Chlorcalcium gegeben wird, so erhält man leicht in einigen Stunden mehrere
Kannen Alkohol, von welchem die zuerst übergehenden Portionen in der That wasserfrei
sind. Bei einer zur Ermittelung der Verhältnisse angestellten Probedestillation
wurden von 112 Unzen (3 1/2 Dresdner Kannen) erhalten:
21
Unzen
Alkohol
von
100 Procent,
18
„
„
„
99,75 „
22
„
„
„
99 „
4
„
„
„
97,5
„
15 1/2
„
„
„
96,5
„
6
„
„
„
94,5
„
3
„
„
„
85 „
––––––––––––––––––––––––––––––––––––
89,5
im
Mittel
von
98,22 Procent.
Der Rechnung nach hätten aus 112 Unzen 80procentigem Weingeist 91,4 Unzen Alkohol von
der eben angeführten Stärke erhalten werden müssen. Es hat also ein Verlust von nur
1,9 Unze stattgefunden. Die Construction der Cylinder hat übrigens beim Gebrauche
einige Mängel erkennen lassen, die indessen leicht abgeändert werden können. Das
Chlorcalcium zerfließt nämlich weit schneller, als ich es vorausgesetzt hatte; die
Oeffnungen in den Scheidewänden werden daher bald geschlossen und der weitere
Durchgang der Dämpfe dadurch unmöglich. Um diesem gänzlich abzuhelfen, brauchen die
Cylinder nur um etwa 3 Zoll länger gemacht und um so viel vom unteren Ende entfernt
mit einem Siebboden versehen zu werden. Die Deckel sitzen ferner nach Beendigung des
Processes sehr fest, so daß sie nur schwer abgenommen werden können. Dieß läßt sich
allerdings nicht wohl ändern, wenn sie von unten aufgeschoben werden; setzt man sie dagegen oben auf,
so wäre es möglich, sie mit einem hydraulischen Verschlusse aus einer concentrirten
Chlorcalciumlösung zu dichten, oder mit Gyps zu umgießen. In diesem Falle müßte nur
für das feste Aufliegen des Deckelbodens auf der Scheidewand Sorge getragen
werden.
Es könnte vielleicht überflüssig erscheinen, einen Apparat, wie den oben
beschriebenen, jetzt in Vorschlag zu bringen, wo absoluter Alkohol überall leicht
käuflich zu haben ist. Ich bin aber überzeugt, daß nichtsdestoweniger derartige
Apparate schnell Eingang finden werden, weil sie wenigstens für den praktischen
Unterricht Vielen willkommen seyn werden. Uebrigens lassen sich dieselben, wenn sie
mit einer verschließbaren Ausflußöffnung versehen werden, zu den verschiedensten
Extractionen mittelst Dämpfen bequem benutzen.