Titel: | Verbesserungen an den Spinnmaschinen, von Hrn. Leopold Müller, Maschinenbauer zu Thann im Departem. des Oberrheins. |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. C., S. 401 |
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C.
Verbesserungen an den Spinnmaschinen, von Hrn.
Leopold Müller,
Maschinenbauer zu Thann im Departem. des Oberrheins.
Bericht des Hrn. Alcan an die Société d'Encouragement. – Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, August 1855, S. 452.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Müller's Verbesserungen an den Spinnmaschinen.
Die von Hrn. Müller an den Spinnmaschinen angebrachten
Verbesserungen bestehen in der Anwendung von Zahnrädern statt Schnüren zur Bewegung
der Spulen. Die vortheilhaften Resultate, welche in andern Fällen durch diesen
Ersatz erlangt worden sind, setzten es außer Zweifel, daß sie bei den Spinnmaschinen
auch sehr wichtig seyn würden; die Lösung dieser Aufgabe war jedoch bezüglich der
praktischen Ausführung nicht so leicht, als es die Theorie erwarten ließ. Es handelt
sich nämlich darum, den Spulen eine regelmäßige Geschwindigkeit von 5 bis 6 Tausend
Umläufen in der Minute zu geben und dabei soviel als möglich die Erschütterungen und
Brüche zu vermeiden, welche die nothwendige Folge davon sind. Diese Bedingungen, so
wie diejenige eines augenblicklichen Aufhaltens der Spulen, behufs der
Wiederanknüpfung der abgerissenen Fäden, waren die hauptsächlichsten Hindernisse,
woran die vor Hrn. Müller angestellten Versuche
scheiterten. Dieser Mechaniker hat sie vollständig überwunden; die von ihm
vorgerichteten Spindeln bewegen sich mit solcher Leichtigkeit und Regelmäßigkeit,
daß sie kein bemerkbares Geräusch machen und daß Fadenbrüche weit seltener sind, als
bei den gewöhnlichen Spindelbänken. Sobald sich ein solcher zeigt, kann der Spinner
die Spule mittelst eines Druckes der Hand oder des Kniees sogleich aufhalten. Der
Mechanismus durch den die Bewegung in einem Augenblick unterbrochen werden kann, ist
eben so einfach als sicher; an jeder Spindel ist ein Winkelgetriebe angebracht, in welches ein
Winkelrad eingreift. Das Getriebe kann nach Belieben auf der Spindel leer laufen
oder dieselbe mit in seine Drehung ziehen. Um letzteres Resultat zu erlangen, wird
das System sich selbst überlassen; eine Springfeder, welche die Spindel unter dem
Getriebe umfaßt und auf deren untere Fläche wirkt, stellt alsdann die Adhärenz
zwischen dem Getriebe und einer kegelförmigen Verstärkung der Spindel her. Wirkt
dagegen auf letztern Ansatz der erwähnte Druck ein, so wird die Wirkung der Feder
aufgehoben und die Spindel bleibt stehen.
Man könnte a priori Elasticitätsveränderungen bei den
Federn und folglich Unregelmäßigkeiten bei den Bewegungen befürchten. Längere
Erfahrung hat aber gezeigt, daß derartige Veränderungen, wenn sie wirklich
stattfinden, in der Praxis nicht wahrzunehmen sind.
Unter mehreren Spinnereien, wo die neue Einrichtung eingeführt wurde, hatte der
Berichterstatter Gelegenheit in der Spinnerei des Hrn. Dupont zu Troyes die Vortheile derselben kennen zu lernen. Eine alte
Spindelbank in dieser Fabrik, die schwerste und die am schwierigsten zu betreibende,
ist durch Einführung von Rädern statt der Schnüre, um ein Drittel leichter geworden,
als die besten Maschinen desselben Etablissements. Fadenbrüche sind so selten
geworden, daß das Zusammenknüpfen eine Person, die sich sonst bei jeder Spindelbank
befindet, kaum mehr beschäftigt. Es ließe sich durch zahlreiche Beispiele beweisen,
daß die Verbesserungen des Hrn. Müller durch die Praxis
vollkommen bestätigt sind; mehr als 200,000 Spindeln sind in verschiedenen
Spinnereien nach seinem System zur Zufriedenheit der Eigenthümer im Betriebe. Nach
den Angaben dieser Spinnereibesitzer erspart man 30 Procent an Triebkraft und
wenigstens ebensoviel an Unterhaltungskosten. Die Spindelbänke sind dadurch
vereinfacht und enthalten eine größere Anzahl von Spindeln in einem gegebenen Raum.
Endlich ist die regelmäßigere Bewegung ein wesentlicher Theil der Müller'schen Verbesserungen.
Beschreibung der Abbildungen.
Hr. Müller wendet mehrere Einrichtungen an, um die Schnüre
durch Räder zu ersetzen; einige derselben sind in den Figuren 1, 2, 3, 4 und 5 dargestellt.
Fig. 1,
Ansicht einer Spindelbank von der Seite.
B Spindel.
p Winkelgetriebe mit schiefer Verzahnung, welches auf
der Spindel leer laufen kann und von dem Winkelrade R in
Bewegung gesetzt wird; letzteres folgt den Bewegungen des Räderwerks E, E, M, M.
r Springfeder, welche mit ihrem untern Theil an dem Reif
b befestigt ist. Dieser Ring oder Reif läßt sich auf
der Spindel verschieben und mittelst einer Druckschraube in derjenigen Höhe
feststellen, welche zur Spannung der Feder erforderlich ist.
Die Spindel B ist mit einer conischen Verstärkung oder
einem Vorsprunge C versehen, gegen den die Springfeder
das Getriebe p stützt, so daß die Spindel mit demselben
umläuft.
Will man die Spindel aufhalten, so braucht man sie nur zwischen den Fingern zu
halten, wodurch ein Widerstand hervorgebracht wird, der die Spannung der Feder zu
überwinden vermag, worauf sich das Getriebe leer um die Spindel dreht; überläßt man
aber die Spindel sich selbst, so dreht sie sich wieder mit dem Getriebe.
Fig. 2 zeigt
fast dieselbe Einrichtung wie Fig. 1; sie ist ein Aufriß
in einer senkrechten Ebene, die senkrecht auf der Ebene des Winkelrades A steht.
Das Winkelgetriebe p erhält seine Bewegung von dem
Winkelrade A, welches mittelst einer Druckschraube i auf der Welle H befestigt
ist.
Die Spindel B hat eine Scheibe P,
P, welche zum Schutz des Getriebes und des Winkelrades dient; gegen diese
Scheibe drückt das Getriebe, aus welches die Springfeder r einwirkt.
Man kann die Spindel leicht mit dem Knie oder mit der Hand aufhalten, und das
Getriebe fährt dann fort sich zu drehen, indem es gegen die Scheibe drückt.
Wenn man die Scheibe mit dem Knie aufhält, so hat man den Vortheil, die Hände zum
Wiederanknüpfen des Fadens benutzen zu können.
Fig. 3 zeigt
eine andere Einrichtung; die die Spindel umgebende Feder ist, wie man steht, über
dem Getriebe angebracht; ihr unterer Theil ist, wie vorher, an einem aufhaltenden
Ringe befestigt, während sie oben an einem beweglichen Vorsprunge C angebracht ist; letzterer ist mit zwei Bügeln b, b versehen, die sich in Seitenfalzen verschieben
können.
Will man die Spindel aufhalten, so drückt man mittelst des Ansatzes C auf die Feder, die Bügel gehen dann in den Falzen
nieder und das System ist ausgerückt. Nimmt man die Hand weg, so dehnt sich die
Feder, die Bügel gehen wieder aufwärts, werden sofort mit dem Getriebe eingerückt
und die Spindel fängt wieder an sich zu drehen.
Die Fig. 4 und
5
unterscheiden sich von den vorhergehenden nur durch die Art der Ausrückung; sie wird
mit Hülfe eines Muffs M bewirkt, der die Feder umgibt
und auf den man nur zu drücken braucht, wenn die Spindel aufgehalten werden
soll.