Titel: | Ueber die Wirkung organischer Säuren auf die Baumwoll- und Leinenfaser; von F. Crace Calvert, Professor der Chemie an der Royal Institution zu Manchester. |
Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. XLII., S. 148 |
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XLII.
Ueber die Wirkung organischer Säuren auf die
Baumwoll- und Leinenfaser; von F. Crace Calvert,
Professor der Chemie an der Royal Institution zu Manchester.
Aus dem Edinburgh new
philosophical Journal, Jan. 1855, S. 108.
Calvert, über die Wirkung organischer Säuren auf die
Baumwoll- und Leinenfaser.
Die im Folgenden mitgetheilten Thatsachen gewähren an und für sich Interesse und
können auch für einige Industriezweige, namentlich für die Kattundruckerei, von
Wichtigkeit werden; denn es geht daraus hervor, daß die organischen Säuren, der
allgemein herrschenden Ansicht entgegen, auf die Baumwoll – und Leinenfaser
ätzend (zerstörend) einwirken, in einigen Fällen fast so augenfällig, wie die
schwächeren Mineralsäuren.
Meine Aufmerksamkeit wurde auf diesen Gegenstand durch ein Battist-Halstuch
gelenkt, welches ich zu untersuchen bekam, und dessen Gewebe an allen jenen Theilen
gelitten hatte, die (behufs des Steffens) mit thierischer Gallerte in Berührung
gewesen waren, welche von einem Conditor als aus Kalbfüßen bereitet verkauft wurde.
Ich überzeugte mich bald, daß die Gallerte mittelst Weinsteinsäure, mit gar keiner
Mineralsäure clarificirt worden war; ich stellte daher eine Reihe von Versuchen mit
Gallerte an, die ich selbst bereitet hatte, verglich dieselbe mit solcher die von
einigen der angesehensten hiesigen Conditoren gekauft war und fand, daß in der Regel
der Battist, in eine solche Lösung getaucht, an der Luft getrocknet und dann auf
126° C. erwärmt, bedeutend geschwächt wird.
Da diese interessante Thatsache mit einer Frage von großem praktischen Werth für den
Kattundrucker zusammenhängt, so entschloß ich mich, die Wirkung verschiedener
organischen Säuren auf die Fasern genau zu untersuchen und theile die Resultate im
Folgenden mit.
Die erste Frage mußte seyn, ob die Beschädigung der Fasern durch die in den Gallerten
enthaltene Weinsteinsäure veranlaßt wurde, oder der mechanischen Wirkung einer
zwischen den Zeugfasern abgelagerten festen Substanz, welche deren gewöhnliche
Elasticität beeinträchtigte und sie folglich spröde machte, zuzuschreiben sey.
Um den Einfluß der Weinsteinsäure, (Citronensäure und Oxalsäure kennen zu lernen,
tauchte ich Stückchen (vorher in destillirtem Wasser wohl ausgewaschen) Battists und
Musselins in eine Auflösung welche 2 Procent sorgfältig gereinigter und von
Mineralsäuren ganz freier Weinsteinsäure oder Oxalsäure enthielt. Diese Stückchen
wurden dann an der Luft getrocknet und eine Stunde lang verschiedenen Temperaturen
ausgesetzt. Die erhaltenen Resultate sind in der Tabelle I verzeichnet.
Es geht aus dieser Tabelle I eine interessante Thatsache hervor, daß nämlich, während
2 Procent Weinsteinsäure und Citronensäure bei 80°, 100° und
126° C. (64°, 80° und 120° R.) nur eine geringe
Einwirkung auf die Baumwoll- und Leinenfaser haben, die Oxalsäure eine
entschiedene nachtheilige Wirkung äußert, indem die geringste Anstrengung hinreicht,
um den Zeug zu zerreißen. In der That waren die Fasern fast in demselben Grade
geschwächt, als wenn eine schwache Mineralsame auf sie eingewirkt hätte.
Um zu ermitteln, welche Quantitäten von Weinstein- und Citronensäure
erforderlich sind, um Baumwoll- und Leinenfaser bedeutend zu schwächen,
wandte ich Auflösungen dieser Säuren an, welche 4 Procent von jeder enthielten,
tauchte Zeugstückchen in dieselben, trocknete sie dann an der Luft und setzte sie
hierauf der Wärme aus. Die Resultate enthält Tab. II.
Diese Resultate lassen keinen Zweifel übrig, daß 2 Procent Oxalsäure intensiver auf
die Zeuge wirkten, als 4 Procent Citronen- und Weinsteinsäure; bei der
Temperatur von 126° C. besaßen alle Zeuge ein verbranntes Ansehen, und die
mit Weinsteinsäure und Citronensäure behandelten hatten eine viel braunere Farbe
angenommen.
Um zu erfahren, ob die Färbung des Leinenzeugs von der Einwirkung der Säure auf die
Faser oder von der theilweisen Zersetzung der Säure selbst herrührt, kochte ich
einige dieser morschen Zeugstückchen mit destillirtem Wasser. Da die Färbung nicht
verschwand, setzte ich ein wenig Aetzkali zu, aber ohne bessern Erfolg. Ich schließe
daraus, daß die Färbung des Zeugs der Wirkung der Citronensäure und Weinsteinsäure,
oder einer aus diesen entstandenen Verbindung zuzuschreiben ist.
Bei der nächsten Reihe von Versuchen tauchte ich Zeugstückchen einige Minuten lang in
Auflösungen von Hausenblase, Leim, Gummi und Stärke (beste Sorten) von 1,020 spec.
Gewicht bei 37° C. (30° R.). Diese Stückchen, gut ausgepreßt und an
der Luft getrocknet, wurden dann den Temperaturen von 80°, 100° und
126° C. ausgesetzt, wodurch sie etwas geschwächt wurden, die Wirkung war
jedoch eine so geringe, daß sie ihre anfängliche Stärke wieder erlangten, nachdem
man sie einige Stunden der Luft ausgesetzt oder die verdickende Substanz
herausgewaschen hatte.
Da in den Kattundruckereien die Oralsäure, Citronensäure und Weinsteinsäure, mit
einem Verdickungsmittel gemengt, auf die Zeuge aufgetragen werden, so stellte ich
eine Reihe von Versuchen mit Auflösungen von Weinsteinsäure, Citronensäure und
Oxalsäure mit Gummi und Stärke verdickt an, wobei ich fand, daß die Gegenwart der
letztern Substanzen die Wirkung obiger Säuren auf baumwollene und leinene Zeuge sehr
erhöhte, wenn die Auflösungen 2 bis 4 Procent von einer dieser Säuren enthielten.
Die beobachteten Resultate enthält Tabelle III.
Tabelle I.
80°
C. (64° R.)
100°
C. (80° R.)
126°
C. (101° R.)
Leinen.
Baumw.
Leinen.
Baumw.
Leinen.
Baumw.
In bloßes Wasser eingetaucht.
Ungeschwächt.
Ungeschwächt.
Ungeschwächt.
Ungeschwächt.
Ungeschwächt. Ungeschwächt.
2 Proc. Weinsteinsäure enthaltendes
Wasser.
deßgl.
Sehr
wenig geschwächt.
deßgl.
Sehr
wenig
geschwächt.
deßgl.
deßgl.
2 „ Citronensäure „ „
deßgl.
deßgl.
Sehr wenig
geschwächt.
Geringe
Schwächung.
2 „ Oxalsäure „ „
Ziemlich
geschwächt.
Mehr geschwächt.
Sehr stark
geschwächt.
Tabelle II.
80°
C.
100°
C.
126°
C.
Leinen.
Baumw.
Leinen. Baumw.
Leinen.
Baumw.
4 Proc. Weinsteinsäure enthaltendes
Wasser.
Geringe
Schwächung.
Sehr starke
Schwächung.
Starke
Schwächung.
4 „ Citronensäure „ „
Sehr geringe
Schwächung.
Starke
Schwächung.
Starke Schwäch. Sehr
geringe
Schwächung.
4 „ Oxalsäure „ „
Starke
Schwächung.
Sehr starke
Schwächung.
Ganz
mürbe geworden.
Tabelle III.
80° C.
100° C.
126°
C.
Leim,
enthaltend:
Leinen.
Baumw.
Leinen. Baumw.
Leinen.
Baumw.
2 Proc.
Weinsteinsäure.
Wenig Scheinbargeschwächt. ungeschwächt.
Sehr
geschwächt.
Sehr stark geschwächt. Schwach verkohlt.
2 „ Citronensäure.
Sehr
wenig geschwächt.
Nicht sehr
geschwächt.
Noch
sehr stark.
2 „ Oxalsäure.
Geschwächt.
Gummi,
enthaltend:
2 Proc.
Weinsteinsäure.
Etwas geschwächt.
Mehr geschwächt als
beimentsprechenden Versuch mit Leim.
Bedeutend geschwächt und
stellenweise
braun gefärbt
2 „ Citronensäure.
Sehr
wenig geschwächt.
Nicht sehr
geschwächt.
Stellenweise bräunlich gefärbt.
2 „ Oxalsäure.
Stark geschwächt.
Sehr stark
geschwächt.
Zähigkeit ganz zerstört.
Hausenblase,
enthaltend:
2 Proc.
Weinsteinsäure.
Sehr
wenig geschwächt.
Stark geschwächt
aber Sehr
wenig nicht
gebräunt. gebräunt.
2 „ Citronensäure.
Nicht
merklich Sehr
wenig geschwächt. geschwächt.
Geschwächt aber
nicht deßgl.
gebräunt.
2 „ Oxalsäure.
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Obige Versuche wurden in der Absicht angestellt, Aufklärung über einige Erscheinungen
zu erhalten, welche man manchmal beobachtet, wenn mit obigen Säuren bedruckte Zeuge
über erhißte Cylinder oder Platten gezogen werden; ich hielt es für wünschenswerth
auch die Wirkung dieser Säuren zu erforschen, wenn die damit imprägnirten Waaren
bloß an der Luft getrocknet und dann gedämpft werden, wie dieß beim Zeugdruck oft
vorkommt. Zu diesem Behufe stellte ich zwei Reihen von Versuchen ähnlich den obigen
an, wobei ich jedoch die Proben von einander trennte, indem ich zuerst jede in
Papier einschlug und sie dann zwischen Lagen weißen Kattuns steckte. Die so
vorgerichteten Proben wurden dann eine halbe Stunde lang dem Dampf von 3,12 und 45
Pfd. Druck ausgesetzt. Die dabei erhaltenen Resultate (siehe die folgende Tabelle)
waren sehr überraschend, indem die Fasern vielmehr geschwächt befunden wurden, als
wenn sie trockner Wärme ausgesetzt worden wären.
Textabbildung Bd. 137, S. 152
Dampf mit einem Druck von 3 Pfund;
45 Pfund; Wasser allein; Ungeschwächt; Wasser mit 2 Prc. Weinsteinsäure; Etwas
geschwächt; Viel mehr geschwächt; mit 4 Proc. dto; deßgl; mit 2 Proc. Oxalsäure;
Sehr stark geschwächt; Mürbe geworden; mit 4 Proc. dto; Sehr mürbe geworden;
Gummi allein; mit 2 Proc. Weinsteins; Nicht mehr geschw. als Wasser + 2 Proc.
Weinsteinsäure; Etwas geschwächt; Ebenso wie 4 Proc. Weinsteinsäure und Wasser;
Geschwächt, aber doch noch ziemlich stark; Bedeutend mehr geschw. als Wasser + 2
Proc. Oxals; Mürbe geworden; Sehr mürbe geworden; Stärke allein; mit 2 Proc.
Weinsteinsäure; Kaum etwas geschwächt; Etwas geschwächt; Sehr wenig geschwächt;
Mehr geschwächt; Nicht mehr geschw. als Wasser + 2 Proc. Oxalsäure; Wasser + 1/5
Proc. Schwefelsäure; Kann kaum behandelt werden; Nicht versucht; + 1/2 Proc.
dto; Fällt beim Berühr, in Stücke auseinander; deßgl.
Bisher hat man angenommen, daß die organischen Säuren auf die Pflanzenfaser
(Baumwolle) gar keine Wirkung haben, und die Kattundrucker benutzen diese Säuren
beständig bei der Darstellung ihrer Farben. Meine Beobachtungen zeigen aber
hinreichend, daß sie zu diesem Zweck nicht ohne Nacktheil für das Gewebe angewendet
werden können; man sollte daher ihre Benutzung vermeiden und sie so weit als möglich
durch neutrale Salze zu ersetzen suchen.
Schließlich will ich nicht unerwähnt lassen, daß es mir gelungen ist die
Verschiedenheit der Einwirkung schwacher organischer Säuren auf vegetabilische und
thierische Fasern als ein Mittel zur Entdeckung von Baumwolle und Leinen in Wolle zu
benutzen. letztere widersteht einer Säure, welche die erstem Faserstoffe ganz
zerstört.