Titel: | Verfahren zur Fabrication der Orseille und des Persio; von Hrn. Thillaye zu Paris. |
Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. XXXIX., S. 139 |
Download: | XML |
XXXIX.
Verfahren zur Fabrication der Orseille und des
Persio; von Hrn. Thillaye zu Paris.
Aus
Armengaud'sGénie industriel, 1854, Bd. VII, S. 21.
Thillaye's Verfahren zur Fabrication der Orseille und des
Persio.
Bisheriges Verfahren. – Das älteste Verfahren, welches jetzt allgemein aufgegeben ist, bestand darin,
daß man in einen hölzernen Trog von 2 Fuß Höhe, 8 1/2 Fuß Länge, 2 1/2 Fuß Breite am
obern und 2 Fuß Breite am untern Theil, 100 Kilogr. unter Mühlsteinen zerriebener
Flechten brachte, dann beiläufig 200 Kilogr. bereits gefaulten Harn zusetzte. Man
rührte das Gemenge täglich vier- bis fünfmal um, und setzte ihm am zweiten
Tage 5 Kilogr. gebrannten Kalk zu; man fuhr fort, täglich mehrmals umzurühren,
beiläufig einen Monat lang; hernach ließ man die Masse ungefähr drei Monate lang in
den Trögen. – Später ersetzte man bei diesem Verfahren den Harn durch die
ammoniakalische Flüssigkeit welche der gefaulte Harn, mit gebranntem Kalk zersetzt,
bei der Destillation liefert und legte auf die Tröge hölzerne Deckel.
Bei dem zweiten Verfahren, welches jetzt allgemein befolgt
wird, benutzt man Ammoniak. Man verwendet dabei die oben erwähnten Tröge und gibt in
einen solchen 150 Kilogr. zerriebener Flechten; einige Fabrikanten lassen die
Flechten vorher in kochendem Wasser aufquellen, damit sich deren Poren öffnen;
andere wenden sie trocken an. In beiden Fällen versetzt man sie mit ihrem doppelten.
Gewicht Wasser und dann im Ganzen zu verschiedenen Zeiten mit 20 bis 25 Procent
Aetzammoniak von 22° Baumé. In den ersten acht Tagen rührt man die
Masse täglich dreimal um; in der darauf folgenden Woche muß man den Rest des
Ammoniaks zusetzen, beiläufig die Hälfte auf zweimal. Man rührt dann im Verlauf von
3–3 1/2 Monaten noch einmal täglich um.
Wenn die Orseille für die Färber bestimmt ist, so setzt man ihr, während der
Bearbeitung, ungefähr 3 Proc. gebrannten Kalk in Pulverform zu. Soll die Orseille
hingegen zum Zeugdruck dienen, d.h. in Extract verwandelt werden, so läßt man den
Kalk weg und ersetzt ihn durch calcinirte Soda, im Verhältniß von 1/2 bis 1
Procent.
Die Tröge bleiben stets mit einem hölzernen Deckel bedeckt, der jedoch nicht dicht
schließt, daher die Luft zutreten kann und die ammoniakalischen Dämpfe gar nicht
zurückgehalten werden; während der Bearbeitung der Masse, welche mittelst einer
Schaufel ausgeführt wird, ist die Kufe unbedeckt, daher sich die Dämpfe um so mehr
im Local verbreiten und die Arbeiter belästigen. Bei kalter Witterung wird das
Local, worin sich die Tröge befinden, durch einen Röhrenofen geheizt.
Diese Behandlung muß 3–3 1/2 Monate dauern, um ein verkäufliches Product zu
geben.
Bei dem dritten Verfahren, welches von England ausging,
ist das Fabricat in 25 bis 30 Tagen fertig; man operirt dabei in folgender
Weise:
Ein heizbares Local ist mit Gestellen versehen für Töpfe aus Steinzeug von 10 Liter
Inhalt; man bringt in diese Töpfe 4 bis 5 Kilogr. vorher zerriebener Flechten; dann
setzt man 30 bis 50 Proc. Ammoniak zu, welches mit seinem 1 1/2 fachen Gewicht
Wasser verdünnt ist Man bedeckt die Töpfe und heizt das Local in den ersten acht bis
zehn Tagen auf 20 bis 24° R., wobei man das Gemenge täglich zweimal umrührt.
Am neunten oder zehnten Tage steigert man die Temperatur auf beiläufig 32° R.
und rührt die Masse täglich einmal um; auf dieser Höhe unterhält man die Temperatur
zwanzig bis dreißig Tage lang, die zur Fabrication erforderliche Zeit.
Nach beendigter Operation gibt man die Orseille, welche einen großen Ueberschuß von
Ammoniak zurückhält, in Kessel mit doppeltem Boden, um ihr durch Erhitzen das
überschüssige Ammoniak zu entziehen.
Dieses Verfahren ist sehr mangelhaft, denn man erhält dabei eine klebrige Orseille,
welche im Handel zurückgewiesen wird; das entweichende Ammoniak und die Wärme des
Locals belästigen überdieß die Arbeiter.
Neues Verfahren des Hrn. Thillaye. – Man
construirt einen genau schließenden Apparat, worin man mittelst eines Rechens die
Masse umrühren und in welchen man während der Operation Luft (Sauerstoff) eintreiben
kann; man muß ferner das Gemenge während der Operation mehr oder weniger erwärmen
und das gewöhnlich verloren gehende Ammoniakgas sammeln können.
In diesen Apparat bringt man durch eine Thür 150 Kilogr. Flechten, welche vorher
unter Mühlsteinen zerrieben wurden, und läßt dieselben mit 150 Kilogr. Wasser
kochen, damit die Flechten aufquellen (außerdem müßte man sie wenigstens zwei Tage
lang weichen lassen). Man gießt durch einen Trichter 10 Kilogr. Ammoniakflüssigkeit
von 22° Baumé hinein, und setzt dann den Rechen beiläufig sechs
Stunden lang in Bewegung. Am dritten und vierten Tage rührt man ebenfalls von vier
zu vier Stunden um, indem man die Masse zwei Stunden lang in Ruhe läßt. Zu dieser
Zeit beginnt die Masse sich roth zu färben; man setzt ihr neuerdings 10 Kilogr.
Ammoniak zu. Man läßt den Rührapparat dreimal täglich gehen, jedesmal zwei Stunden
lang. Man muß alsdann mittelst eines Gebläses oder einer Druckpumpe Luft eintreiben.
Man erwärmt die Masse mäßig, indem man Dampf in den doppelten Boden des Kastens
leitet.
Während des Heizens mit Dampf muß man den Rührer in Gang setzen; in dieser Weise
fährt man drei Tage lang fort, nämlich am fünften, sechsten und siebenten Tage; am
achten Tage setzt man die letzten 10 Kilogr. Ammoniak zu, und verfährt in
angegebener Weise am achten, neunten und zehnten Tage.
In diesen letzten Tagen muß man aber die Temperatur des Gemenges auf ungefähr
24° R. steigern und ihm in zwei Tagen 3 Proc. gebrannten Kalk in Pulverform
zusetzen, wenn die Orseille für die Färber bestimmt ist; statt dessen 1/2 bis 1
Proc. calcinirte Soda, wenn sie zum Zeugdruck dienen soll. Das Bewegen des Rechens
und das Heizen werden vom eilften bis zum fünfzehnten Tage fortgesetzt. Wenn die
Operation gut geleitet wurde, ist die Orseille dann fertig. Man bringt sie nun in
gewöhnliche Tröge, um sie zum Verkauf aufzubewahren; oder man läßt sie trocknen und
verwandelt sie dann in Pulver, welches unter dem Namen „Persio“
in den Handel kommt.
Uebrigens muß das beschriebene Verfahren nach der mehr oder weniger raschen Gährung,
welche sich einstellt, abgeändert werden, indem man dieselbe, je nach ihrem Verlauf,
beschleunigt oder verzögert.