Titel: | Ueber die Mittel, welche zur vollständigen Absorption der sauren Dämpfe in der Fabrik chemischer Producte zu Saint-Roch-les-Amiens angewendet werden; vom k. Bergwerks-Ingenieur Hrn. v. Marsilly. |
Fundstelle: | Band 136, Jahrgang 1855, Nr. XXXVI., S. 129 |
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XXXVI.
Ueber die Mittel, welche zur vollständigen
Absorption der sauren Dämpfe in der Fabrik chemischer Producte zu
Saint-Roch-les-Amiens angewendet werden; vom k.
Bergwerks-Ingenieur Hrn. v. Marsilly.
Aus den Annales des mines, fünfte Reihe, Bd. VI S.
100.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Mittel zur Absorption der sauren Dämpfe welche sich in Fabriken
chemischer Producte entwickeln.
Wenn die Sodafabrication in gewerblicher Beziehung eine Wohlthat ist, so ist sie
dagegen für die Orte, wo sie ausgeübt wird, eine Quelle von Unbequemlichkeiten und
nachtheiligen Einflüssen auf die Gesundheit. Die bei derselben sich entwickelnden
sauren Dämpfe verbreiten sich weit in der Atmosphäre, schlagen sich auf den
benachbarten Häusern und Bäumen nieder und haben auf diese Weise nachtheilige
Einwirkungen auf Menschen, Thiere und Pflanzen. Die Stadt Amiens hat diese traurige
Erfahrung gemacht; die Sodafabrik zu Saint-Roch-les-Amiens
verbreitete, ohnerachtet aller, von dem Besitzer ergriffenen Vorsichtsmaßregeln,
saure Dämpfe, welche sich über ein ganzes Stadtviertel ausdehnten. Dem Verfasser
dieser Abhandlung wurde von dem Departements-Präfecten der Auftrag ertheilt,
Maßregeln gegen diese Nachtheile vorzuschlagen, nach deren Genehmigung ihre
Ausführung zu überwachen und ihre Resultate zu prüfen. Er hat die Gewißheit erlangt,
daß jetzt jede Verbreitung saurer Dämpft fast gänzlich aufgehört hat.
Ehe wir aber die Verfahrungsarten beschreiben, welche der Besitzer der Fabrik, Hr.
Kuhlmann, angewendet hat, um die in die Atmosphäre
entweichenden Dämpfe gänzlich zu absorbiren, wollen wir über den Umfang der Fabrik und deren Producte
das Wesentliche mittheilen. – Der Hauptgegenstand der Fabrication ist jetzt
die Soda; daneben werden aber auch noch andere chemische Producte dargestellt,
welche mit jener zusammenhängen. Die rohe Soda gewinnt man bekanntlich dadurch, daß
man Kohle und kohlensauren Kalk in der Hitze auf Glaubersalz wirken läßt. Letzteres
ist das Hauptelement der Fabrication und die Basis des Processes; man bereitet es in
der Fabrik selbst, indem man Kochsalz durch Schwefelsäure zersetzt, wobei
schwefelsaures Natron entsteht und salzsaures Gas entbunden wird, welches man durch
Wasser absorbirt, indem man es durch eine Reihe von irdenen Flaschen (bonbonnes) leitet. Da es schwer hält viel Salzsäure zu
verkaufen, so benutzt man sie theilweise zur Chlorkalk-Fabrication. Das
Interesse der Fabrik erheischt, daß sie die zur Zersetzung des Kochsalzes
erforderliche Schwefelsäure selbst erzeugt; hierzu ist aber Salpetersäure
nothwendig, welche man ebenfalls in der Fabrik bereitet, statt sie anzukaufen. Die
Fabrik zu Saint-Roch-les-Amiens umfaßt daher:
1) die Fabrication von Soda (kohlensaurem Natron);
2) die Fabrication von Glaubersalz (schwefelsaurem Natron) und Salzsäure; beide
Fabricationszweige können nicht getrennt werden;
3) die Chlorkalkbereitung;
4) die Schwefelsäure-Fabrication;
5) die Darstellung von Salpetersäure.
Alles Glaubersalz wird in Soda verwandelt; ein Theil der Schwefelsäure wird in der
Fabrik selbst verbraucht, ein anderer aber verkauft; dasselbe Verhältniß findet bei
der Salpeter- und der Salzsäure statt.
Die Soda wird dadurch gewonnen, daß man ein Gemenge von
Kohle, Kalkstein und Glaubersalz in einem Flammofen der Einwirkung der Hitze
aussetzt. Weder diese Operation noch die sie vollendenden Processe, wie das Auflösen
des Salzes, das Abdampfen bis zur Trockne und das Krystallisiren, haben irgend etwas
der Gesundheit Nachtheiliges. Die Gesetzgebung hat die Sodafabrication in die dritte
Classe der ungesunden Etablissements gestellt, und zwar wegen des sich aus den
Flammöfen entwickelnden Rauchs. Zu St. Roch hat die Esse, welche diesen Rauch
abführt, 34 Met. (108 rhein. Fuß) Höhe, was zur Verhinderung des Nachtheils
hinreichend ist.
Das Glaubersalz wird in einem Flammofen bereitet; hinter
der Herdsohle befindet sich eine Abtheilung, welche durch eine kleine
Ziegelsteinmauer davon getrennt ist und deren Sohle aus einer gußeisernen Platte
besteht; die Flamme strömt von der Herdsohle unter diese Platte und erhitzt sie; auf
dieser Platte läßt man das Kochsalz und die Schwefelsäure auf einander wirken. Das
Kochsalz wird durch eine, zur Seite angebrachte Thür auf die gußeiserne Platte
geworfen und dann diese Thür verschlossen, worauf man durch eine Oeffnung in
derselben und mittelst eines bleiernen Hebers Schwefelsäure auf das Salz gelangen
läßt. Das sich entwickelnde Gas wird mittelst einer Leitung in eine Reihe von
irdenen Flaschen geführt, die zur Hälfte mit Wasser gefüllt sind, von welchem es
absorbirt wird; diese Flaschen stehen mit der erwähnten hohen Esse in Verbindung, in
welche auch der Rauch aus den verschiedenen Oefen gelangt und den Zug befördert. Am
1. Oct. 1853 belief sich die Anzahl der Flaschen auf 56; die Absorption der Säure
war nicht vollständig, ein bedeutender Antheil derselben entwich durch die Esse.
Man bringt auf einmal 266 Kilogr. Kochsalz und 279 Kilogr. Schwefelsäure von 58 bis
60° Baumé in den Ofen.
Die Zersetzung in der erwähnten Ofenabtheilung ist nach acht Stunden beendigt;
alsdann öffnet der Arbeiter eine Thür, die von dieser Abtheilung auf den Herd geht,
und wirft mit einer Kratze den Rückstand darauf. Dieser Rückstand besteht aus
unzersetztem Kochsalz und aus doppelt-schwefelsaurem Natron. Auf dem Herde
reagirt das Bisulfat unter dem Einfluß eines starken Hitzgrades auf das unzersetzte
Kochsalz, es entsteht einfachschwefelsaures Natron und eine neue Quantität
Salzsäure; dieses Gas entweicht durch zwei im Gewölbe befindliche Oeffnungen und
strömt mit den Verbrennungsgasen in zwei Reihen von irdenen Flaschen, welche mit der
großen Esse in Verbindung stehen.
Bei nur 28 Absorptionsflaschen war die Wirkung nicht vollständig; die Vermischung der
Säure mit den Verbrennungsgasen erschwerte die Absorption.
Nach beendigtem Calciniren läßt man die Ofenbeschickung auf die Steinplatte der
Fabriksohle, vor der Calcinirofen-Thür fallen, wobei stets eine
Gasentwickelung statt findet. Damit diese den Arbeitern keine Beschwerden macht, ist
über der Ofenthür ein Mantel angebracht, welcher mit einer, die sauren Gase
ansaugenden Esse verbunden ist.
Wir haben gesehen, daß das in den irdenen Flaschen enthaltene Wasser die sauren
Dämpfe nur unvollständig absorbirt, daß von denselben stets ein bedeutender Theil in
die Esse zieht und aus dieser in die Atmosphäre gelangt, und zwar sowohl bei der
Zersetzung des Salzes in der erwähnten Ofenabtheilung, als auch beim Calciniren des
Rückstandes.
Die Fabrik hat drei Flammöfen, welche sämmtlich fast ununterbrochen im Betriebe
sind.
Die Menge des in 24 Stunden zersetzten Kochsalzes beträgt per Ofen 678 Kilogr., also für alle drei Oefen 2034 Kilogr.
Nehmen wir an, daß das benutzte Steinsalz 95 Proc. Chlornatrium enthalte, so muß sich
die entstehende Säuremenge, wenn die Zersetzung vollständig ist, auf 1205 Kilogr.
belaufen; beträgt nun der Verlust an Säure, welche in die Atmosphäre entweicht und
so verloren geht, 10 Proc., so ist er 120 Kil. in 24 Stunden, 5 Kil. in der Stunde,
0,083 Kil. in der Minute, endlich 0,027 Kil. per Minute
und per Ofen; 1 Kil. Säure entspricht in runder Summe
800 Litern trockenen salzsauren Gases bei einem Druck von 0,76 Meter und bei einer
Temperatur von 0°. Auf diese Weise vertheilt, erscheint der Säureverlust sehr
gering; es gibt aber Zeitpunkte, wo er fast Null, und andere dagegen, wo er sehr
bedeutend ist. Temperatur und Druck der Atmosphäre, so wie verschiedene andere
Umstände, erhöhen überdieß zeitweise den Säureverlust; 10 Proc. Verlust scheinen
noch unter der wirklichen Zahl zu seyn.
Am Anfang einer jeden Operation, während der beiden ersten Stunden, entwickelt sich
die Säure am stärksten und der Verlust ist daher am bedeutendsten; zu dieser Ursache
kommt noch eine andere, indem Morgens die Flaschen an der Spitze der Reihe entleert
werden, welche gesättigt sind, wobei man das schwach gesättigte Wasser aus den
letzten Flaschen hineinringt und in diese frisches. Die Absorptionsmittel werden
daher in dem Augenblick vermindert, in welchem sie am wirksamsten seyn sollten; auch
habe ich dann stets bedeutende Emanationen wahrgenommen.
Die Verluste sind auch Nachts stärker als am Tage, denn das Wasser in den Flaschen
wird nur einmal alle 24 Stunden erneuert, wie bemerkt Morgens; sie sind daher Nachts
säurehaltiger und haben dann ein geringeres Absorptionsvermögen.
Der ungesunde Zustand der Fabrik von St. Roch rührt hauptsächlich von den salzsauren
Dämpfen her.
Die Chlorkalk-Fabrication ist ein Nebenzweig von
geringer Wichtigkeit; die Emanationen, zu denen sie bisher Veranlassung gaben, gehen
nicht über die Fabrik hinaus; ich habe jedoch Mittel angegeben, um sie ganz
unschädlich zu machen.
Der Chlorkalk wird dadurch gewonnen, daß man Chlorgas auf Kalkhydrat einwirken läßt;
das Chlorgas wird in großen Gefäßen von Steingut bereitet, die in einem Bade von
aufgelöstem salzsaurem Kalk erwärmt werden und in welche man Salzsäure mit
Braunstein gibt. Das Chlorgas wird mittelst bleierner Röhren in eine Reihe von
kleinen Kammern geleitet, auf deren Boden sich eine etwa 0,10 Met. (4 Zoll) dicke
Kalkschicht befindet.
Nachdem der Kalk gesättigt ist, öffnet man die Thüren und schafft das Chlorür
hinaus.
In diesem Moment verbreitet sich stets Chlor, und auch dann, wenn man die Rückstände
aus den Gefäßen nimmt, worin die Chlorbereitung stattfindet. Im Verlauf des
Processes findet kein wesentlicher Verlust statt.
Man hat zu St. Roch 8 Gefäße zur Chlorbereitung und 6 Reihen von Kammern. Eine
Operation dauert 48 Stunden, wobei man etwa 330 Kilogr. Chlorkalk erzeugt.
Die Schwefelsäure-Fabrication ist nach der
Bereitung der Salzsäure diejenige, welche die stärksten Emanationen liefert; die
dabei entweichenden Gase haben einen schädlicheren Charakter. Die salpetrigen Gase
zerstören alle organischen Gewebe sehr schnell und schaden daher der Vegetation eben
so sehr als der Gesundheit.
Bekanntlich zersetzen sich die schweflige Säure und die Salpetersäure gegenseitig, um
Schwefelsäure zu bilden; letztere erzeugt durch Berührung mit dem Wasser wieder
Salpetersäure und gibt Stickstoffoxydgas; dieses bemächtigt sich des Sauerstoffs der
Luft und bildet Untersalpetersäure. Man sieht daher, daß wenn man in eine Bleikammer
schweflige Säure, Luft und Wasser gelangen läßt, man mit demselben Quantum
Salpetersäure immerwährend Schwefelsäure darstellen könnte. Die Luft nützt dabei
aber nur durch ihren Sauerstoff; man muß daher den zurückbleibenden Stickstoff
entfernen und dieser reißt mehr oder weniger Salpetersäure-Dämpfe mit sich,
aus welchem Grunde man die Salpetersäure auch erneuern muß.
Die schweflige Säure wird durch die Verbrennung des Schwefels in einem besondern Ofen
erzeugt; sie strömt in eine Reihe von fünf Bleikammern, gemischt mit Luft. Die
beiden ersten Kammern werden Kopftrommeln (tambours de
tête), die beiden letzten Schwanztrommeln (t.
de queue) genannt; die in der Mitte befindliche Kammer, die größte, heißt
die große Kammer; in derselben erfolgen die Reactionen und beendigen sich in den
Schwanztrommeln. Durch Anwendung mehrerer Kammern vermehrt man die Berührung der
reagirenden Gase und gestattet ihnen lange bei einander zu verweilen.
Die Salpetersäure gelangt ununterbrochen in einen thönernen Apparat, der im Innern
der zweiten Kammer befindlich ist und die Säure in Cascaden ausgießt, um die
Oberflächen zu vermehren.
Der Wasserdampf für die Reaction kommt aus einem Generator herbei und dient auch zum
Ansaugen der Gase.
Die Fabrik zu St. Roch hat zwei Reihen von Kammern; die eine derselben ist von Hrn.
Kuhlmann gänzlich umgeändert worden, sie enthält sieben Kammern, drei
kleine Kopftrommeln, die große Kammer und drei Schwanztrommeln.
Aus den Kammern tretend, begaben sich die Gase früher in eine 25 Meter (80 Fuß) hohe
Esse, in deren Innerem eine Säule von Thonröhren angebracht war, die von den sauren
Dämpfen nicht angegriffen werden konnte. (Diese Esse ersetzte zwei ältere von Blei,
welche zu den alten Kammern gehörten.)
Aus diesen Essen sah man fortwährend röthliche Dämpfe von Untersalpetersäure treten,
welche von dem atmosphärischen Stickstoff mitgerissen wurden und mit Wasserdampf
vermengt waren; sie konnten auch ein wenig schweflige Säure und eine Spur
Schwefelsäure enthalten.
Bei der Einrichtung der neuen Kammern hat Hr. Kuhlmann
alle bisherigen Erfahrungen benutzt, um die Reactionen so vollständig als möglich zu
machen und um den Verlust von Salpetergas zu vermeiden.
Der Betrieb der neuen Reihe von Kammern war daher weit vortheilhafter als derjenige
der älteren, dessenungeachtet gingen immer noch bedeutende Mengen von Dämpfen
verloren, welcher Umstand der Abhülfe bedurfte.
Wir haben noch die Fabrication der Salpetersäure zu
berücksichtigen; man erhält sie durch Zersetzung des Salpeters mittelst
Schwefelsäure, welche in Retorten von Gußeisen bewirkt wird, die über einem kleinen
Feuerraum erhitzt werden; in einem Ofen befinden sich zwei Retorten. Es ist stets
ein Ofen im Betriebe, während der andere reparirt wird.
Zu Anfang des Processes erleidet die Salpetersäure eine Zersetzung und entwickelt
salpetrige Dämpfe; diese hören jedoch bald auf und die Säure destillirt über, ohne
daß Emanationen nach außen stattfinden.
Die Beeinträchtigung der Gesundheitsverhältnisse durch die Fabrik von St. Roch wird
nach dem Vorstehenden hauptsächlich veranlaßt:
1) durch die Emanationen des nicht absorbirten Salzsäure-Gases;
2) durch die dichten Dämpfe, welche von dem Stickstoff der Luft aus den zur
Schwefelsäure-Fabrication dienenden Bleikammern mitgerissen werden.
Die Fabrication des kohlensauren Natrons hat nichts für die Gesundheit Nachtheiliges;
die Chlorkalkbereitung und auch die Salpetersäure-Fabrication ist nur mit
geringen Nachtheilen verbunden.
Mittel, welche zur Verhinderung der nachtheiligen Einflüsse
der Gasemanationen in der Fabrik zu St. Roch angewendet worden sind.
1. Salzsäure. – Ein Mittel, welches vorgeschlagen
worden war, um die Stadt gegen die Emanationen von Salzsäuredämpfen zu schützen,
bestand darin, eine Esse von 70 Meter (223 Fuß) Höhe aufzuführen; die Dämpfe würden
erst dann auf die Stadt niedergeschlagen werden, nachdem sie mit einem bedeutenden
Luftvolum verdünnt wurden, so daß sie keine schädliche Wirkung mehr haben könnten.
Hr. Kuhlmann ist mit Recht gegen dieses Mittel
aufgetreten; er hat den Einwand erhoben, daß eine solche Esse einen starken Zug
veranlassen, und daß daher die Emanationen bedeutender seyn würden; zwar würden die
Dämpfe durch eine viel größere Luftmenge verdünnt, ehe sie niedergeschlagen werden,
aber man könne die Wahrnehmung machen, daß sie bei feuchter Witterung sehr bald
niederfallen und eine sehr bemerkbare Wirkung haben. Wenn man eine 70 MeterIn der Fabrik chemischer Producte zu Chauny hat die Esse, welche die der
Absorption entgehenden sauren Dämpfe aufnimmt, eine Höhe von 50 Met. (160
Fuß), und diese scheint in der Regel genügend zu seyn. hohe Esse aufführe, so würde man folglich Gefahr laufen, die Nachtheile auf
einen weit größern Umkreis auszudehnen; es sey weit besser, Mittel zu wählen, durch
welche die Gase vollständig absorbirt würden. Die jetzige Esse sey hoch genug, damit
die nach Anwendung der neuen Absorptionsmittel etwa noch entweichende kleine
Gasmenge ohne merkliche Wirkung bleibe.
Der Zweck, welchen man zu erreichen beabsichtigte, war also die vollständige
Absorption der Säuren. Man hat daher die Anzahl der irdenen Flaschen bedeutend
vermehrt; sie wurde für die aus dem Ofen sich entwickelnden Gase auf 66, und für
jede der beiden Reihen, welche dem Calcinirofen entsprechen, auf 18 gebracht.
Auf die Reihe von 66 Absorptionsflaschen folgen vier andere von bedeutender Größe,
mit Cascade, welche den Zweck haben, die Absorption zu vervollständigen. Diese in
Fig. 21
abgebildeten Gefäße oder Flaschen bestehen aus Steingut und haben, wie gewöhnlich,
zwei Tubulaturen an den Seiten, welche die Verbindungsröhren aufnehmen; unten
befindet sich eine Oeffnung zum Abfluß der Säure und oben eine weite Oeffnung, durch
welche man einen conischen Korb, von Weideruthen geflochten, einführen kann, oder
auch ein conisches Gefäß von Steingut, welches an den Seiten siebartig
durchlöchert ist. In diesen Korb legt man große Kohksstücke.
Der halbkugelförmige Deckel besteht auch aus Steingut; der Rand desselben ruht auf
dem Boden einer kleinen kreisrunden Rinne, welche auf dem obern Rand des Gefäßes
angebracht ist; man gießt in diese Rinne Wasser, oder besser noch Schwefelsäure,
welche sich nicht verflüchtigt, und erlangt auf diese Weise einen sogenannten
hydraulischen Verschluß.
Oben hat der Deckel eine becherförmige Oeffnung, welche eine bleierne Röhre aufnimmt,
die unten an der Seite mit zwei oder drei kleinen Löchern versehen ist; eines
befindet sich auch ganz am Ende.
Das Spiel der Cascade ist leicht zu begreifen; es gelangt Wasser in den Becher des
Deckels, fällt in die bleierne Röhre und aus dieser in drei oder vier kleinen
auseinanderlaufenden Strahlen auf die Kohks der Flasche; es fällt dann von Stück zu
Stück bis zum Boden der Flasche und entweicht durch die untere Oeffnung. Die in dem
Gefäß anlangenden Gase müssen um den Weidenkorb circuliren und kommen daher
nothwendig in Berührung mit dem nicht gesättigten Wasser, welches die Kohksstücke
entlang tröpfelt; die Säure wird absorbirt und das gesäuerte Wasser fließt
unmittelbar ab. Das Einlaufen von Wasser in diese Gefäße (Flaschen) wird durch Hähne
regulirt, die man mehr oder weniger öffnet; über den sämmtlichen Gefäßen ist ein mit
Wasser gefüllter Kasten angebracht, von dem Röhren nach den verschiedenen Gefäßen
ausgehen; jede zuführende Röhre ist in der Nähe ihrer Oeffnung mit einem Hahn
versehen.
Dieß ist das sinnreiche, von Hrn. Kuhlmann angewendete
System; er bringt vier Gefäße mit Cascade nach einer Reihe von 66 Flaschen an, die
dem Zersetzungsraum des Flammofens entspricht, und zwei nach jeder von den beiden
Reihen von 18 Flaschen, welche dem Calcinirofen entsprechen.
Um den Werth dieser Einrichtung zu erproben, ließ ich nach den vier Flaschen mit
Cascade noch zwei andere Cascade-Flaschen anbringen; die Flaschen nehmen zwei
Reihen ein, zwischen denen sich das Gas theilt und jeder Reihe entsprach folglich
eine Cascade-Flasche. In beide kamen Kohks, die noch nicht benutzt waren, und
statt Wasser nahm ich eine verdünnte Lösung von kohlensaurem Natron, deren Gehalt
durch einen vorhergehenden Versuch bestimmt war; diese Lösung befand sich (zur
Beschickung) in einem besondern Behälter.Man hatte einen Versuch mit dem ammoniakalischen Wasser aus den Gasanstalten
gemacht, dieses enthält aber zu viel schwefelwasserstoffsaures Ammoniak. Die
neutralisirte Salzsäure entwickelte eine äquivalente Menge
Schwefelwasserstoff; das Mittel war also nachtheiliger als das Uebel.
Der Versuch begann um 8 1/2 Uhr Morgens und endete um 4 Uhr Abends; das Kochsalz war
um 6 Uhr Morgens in den Ofen gebracht worden und um 2 Uhr begann ein neuer Proceß,
wie es in der Fabrik üblich ist.
Das Wasser, welches in die vier Cascaden-Gefäße derjenigen Reihe gelangte,
welche dem Zersetzungsraum des Ofens entsprach, betrug 648 Liter.
Die während derselben Zeit abgelaufene Natronlösung betrug 600 Liter; sie wurde in
Steingutkrügen gesammelt, von denen jeder 60 Liter hält. Von jedem
Cascade-Gefäß sammelte man 5 Krüge Natronlösung; die beiden ersten Krüge
wurden von 8 1/2 bis 10 Uhr, die beiden zweiten von 10 bis 11 1/2 Uhr gefüllt, und
so fort. Indem man nun die Lösung in den Krügen alkalimetrisch auf ihren Gehalt an
kohlensaurem Natron prüfte, ließ sich die Menge der während der Zeitdauer ihrer
Füllung absorbirten Säure bestimmen.
Die mit normaler Schwefelsäure titrirte Lösung von kohlensaurem Natron zeigte
33°.
Nachdem sie benutzt worden war, gab sie die nachstehenden Resultate:
1te oder innereFlaschen-Reihe.
2te oder äußereFlaschen-Reihe.
8 1/2 bis
10 Uhr,
1ter Krug
17°
28°
10 „
11 1/2 „
2ter „
30°
32°
11 1/2 „
1 „
3ter „
32°
32
1/2°
1 „
2
1/2 „
4ter „
31°
32°
2
1/2 „
4 „
5ter „
28°
33°
Von 8 bis 10 Uhr Morgens werden die Flaschen entleert; zuerst geschieht dieß mit
denen am oberen Ende der Reihe, und man bringt dann in dieselben die schwache Säure,
welche in den Flaschen am untern oder Schwanzende befindlich war. Wie man sieht,
entgeht eine beträchtliche Säuremenge der Absorption; die Wirkung ist in der innern
Reihe bemerkbarer als in der äußern, weil man mit den Flaschen jener Reihe mehr
arbeitete. Morgens um 8 Uhr ist die Gasentwickelung überdieß am stärksten; diese
Verlustquelle kommt noch zu ersterer.
Der Verlust von 8 1/2 bis 10 Uhr beläuft sich auf 944 Gramme, also per Stunde auf 630 Gramme und per Minute auf 10 Gramme.
Von 10 bis 11 1/2 Uhr ist die Menge der von dem Natronsalz absorbirten Säure gering,
das Wasser zeigt nur 2° weniger; von 11 1/2 bis 1 Uhr ist sie noch geringer,
sie wird kaum durch 1° bezeichnet. Von 1 bis 2 1/2 Uhr ist die Differenz
größer; eine neue Operation hat begonnen; von 2 1/2 bis 4 Uhr endlich hat die
gesammelte Auflösung 4 bis 5 Grade verloren, weit weniger als am Morgen. Jedoch
sieht man, daß sie jedesmal ein nicht unbedeutendes Quantum entwichener Säure
anzeigt.
Berechnet man die von der Natronlösung absorbirte Quantität Salzsäure, so erhält man
nachstehende Zahlen:
die erste Flasche der ersten Reihe hat an
reiner Salzsäure
absorbirt
0,8460 Kilogr.
die erste Flasche der zweiten Reihe
0,2644 „
––––––––––––
Summe
1,1104 Kilogr.
Dieß macht per Stunde 0,740 Kil. und per Minute 0,0123 Kil.
Während der folgenden Stunden sank die Absorption auf 1 Gramm per Minute herab.
Zu gleicher Zeit habe ich einen analogen Versuch mit einer von den zwei Reihen von 18
mit dem Calcinirofen verbundenen Flaschen angestellt; da aber keine
Cascaden-Flaschen mehr zur Hand waren, welche nach den schon am Apparat
befindlichen angebracht werden konnten, so ließ ich die Natronlösung in diese
letztere gelangen. Die erhaltenen Resultate ergeben bloß die Menge des sauren Gases,
welches der Absorption der achtzehn gewöhnlichen Flaschen entgeht. Sie sind in der
nachstehenden Uebersicht zusammengestellt:
Volum der von 8 1/2 bis 4 1/2 Uhr ausgeflossenen Natronlösung: 300 Liter, gesammelt
in fünf Steingutkrügen.
Die Lösung hatte ursprünglich 33°.
1ter
Krug
16°
2ter
„
25°
3ter
„
23°
4ter
„
25°
5ter
„
20°
Man sieht, daß die Menge der Gase, welche der absorbirenden Wirkung der gewöhnlichen
Flaschen entgeht, sehr bedeutend ist, und daß man nothwendig nach letztern noch
einen Absorptionsapparat anbringen muß. Das von der Calcinirung herrührende
salzsaure Gas ist mit dem der Verbrennungsgase vermischt, wodurch seine Absorption
sehr erschwert wird; deßwegen ist auch kurze Zeit nach dem Chargiren der Verlust bei
der Absorption am größten. Der Rückstand von der Zersetzung des Kochsalzes wird auf
den Ofenherd zurückgezogen und dort einem starken Hitzgrad ausgesetzt; die
Gasentwickelung ist stets bedeutender, wenn das Calciniren beginnt, als wenn es sich
seinem Ende nähert.
Nach den vorhergehenden Zahlen kann man annehmen, daß der Verlust an Gasen vom
Calciniren, gleich demjenigen bei den Gasen vom Zersetzungsraum des Ofens ist;
wahrscheinlich ist er aber höher. Nach dieser Hypothese wäre der höchste Gasverlust
per Stunde und per Ofen
1,260 Kilogr. und daher fast gleich dem mittlern Verlust, wie er ehemals stattfand
und welchen wir auf 1,666 Kilogr. geschätzt haben. Von 10 bis 4 Uhr sind die Zahlen weit
kleiner; man kann den Säureverlust zu dieser Zeit als unbedeutend betrachten.
Wir dürfen daher folgern, daß die der Prüfung unterzogene Absorptionsmethode im
Verlauf der Operation genügt, daß sie aber nicht wirksam genug ist, wenn die Säure
sich reichlich entwickelt, oder wenn die gewöhnlichen Absorptionsmittel momentan
vermindert sind.
Diese Folgerung scheint um so begründeter, da das kohlensaure Natron selbst saures
Gas unabsorbirt entweichen lassen könnte; der wirkliche Verlust ist ohne Zweifel
größer als er sich nach der Verminderung des Gehalts der Flüssigkeit
herausstellt.
Es lassen sich aber noch andere Einwürfe gegen dieses Verfahren machen.
Die Weidenruthenkörbe welche man anwendet, werden sehr schnell von der Säure
zerfressen, weßhalb man sie oft erneuern muß. Benutzt man statt derselben siebartig
durchlöcherte Steingutgefäße, so berühren sich Wasser und Gase nicht innig genug und
es kann das Wasser nicht alle Säure absorbiren. Der Haupteinwurf ist aber der, daß
die Menge des angewendeten Wassers zu gering ist.
Man kann das saure Wasser nicht aus der Fabrik ablaufen lassen, da der Fluß zu
entfernt ist. In den Erdboden kann man es auch nicht abziehen lassen, weil dieß
einen sehr nachtheiligen Einfluß auf die benachbarten Brunnen haben würde. Man muß
daher das saure Wasser, welches zur Absorption gedient hat, in der Fabrik selbst
benutzen; man sammelt es in einem mit Blei gefütterten Kasten und gibt es in die
Flaschen.
Neues Verfahren. – Ich will nun die geringen
Abänderungen, welche ich bei dem Verfahren machte, und dasjenige bei welchem ich
stehen blieb, beschreiben; letzteres liefert vollkommen genügende Resultate.
1) Salzsäure. – Ich ließ große Flaschen von
Steingut etwa zur Hälfte mit gelöschtem Kalk und einer gewissen Menge Wasser füllen,
den übrigen Theil aber mit möglichst großen Kohksstücken (letztere sind 20 bis 30
Centimet. breit und 40 bis 50 Centim. dick); man füllt mit solchen Stücken die
Flaschen bis oben hin voll, ohne sie jedoch festzustoßen.
Der Abfluß der Flüssigkeit wird durch eine gekrümmte Röhre bewirkt, welche am Boden
der Flasche hervortritt und bis zu deren Mitte reicht; sie regulirt den
Wasserstand.
Das Wasser wird, wie oben angegeben, aus einem Behälter herbeigeführt. In demselben
befindet sich aber gelöschter Kalk und das einfließende Wasser ist daher Kalkwasser;
es enthält also eine Basis, welche die Säure binden kann.
Man begreift, daß die großen Kohksstücke mit den weiten Zwischenräumen und mit ihren
rauhen Oberflächen den Gasstrom viel besser zertheilen als die Körbe und weit mehr
Berührungspunkte darbieten; die Kohks können 30 bis 40 Proc. Wasser absorbiren; das
in die Flaschen fallende Wasser ist Kalkwasser und das in denselben vorhandene ist
ebenfalls mit Kalk gesättigt. Sein Absorptionsvermögen ist daher sehr bedeutend und
die Salzsäure welche sich mit dem Kalk zu Chlorcalcium verbindet, bleibt fixirt.
Da die Chlorcalciumlösung dichter ist als das Kalkwasser, so sucht letzteres den
oberen Theil der Flasche einzunehmen, welcher Umstand die Absorption begünstigt.
Das Wasser welches aus den Flaschen abfließt, ist nicht mehr sauer (wenn man es in
hinreichender Menge einströmen ließ); man kann es daher auf die Straße und in die
Reinigungscanäle abfließen, oder es auch von Senkbrunnen aufnehmen lassen.
Endlich ziehen die Gase, bevor sie in die Esse gelangen, durch einen mehrere Meter
langen Canal, in welchem sich Kalk befindet, der die letzten Spuren von Säure
aufnimmt.
Dieses Verfahren entspricht allen Anforderungen; ist nämlich die Gasentwickelung sehr
stark, oder öffnet man die Flaschen, oder zeigen sich andere Umstände, welche
Gasverlust veranlassen könnten, so braucht man nur die Hähne zu drehen, um mehr
Kalkwasser einfließen zu lassen; man kann auch den Deckel der Flaschen abnehmen und
Pulver von gelöschtem Kalk auf die Kohks streuen.
Ich halte es für zweckmäßig, eine kleine Veränderung für den Abfluß des Wassers aus
den Steingutflaschen vorzunehmen. Bei der jetzigen Einrichtung bildet das
Chlorcalcium eine Schicht über dem Kalk, und über dem Chlorcalcium steht das
Kalkwasser, welches abläuft. Die Flasche sollte eine Tubulatur auf der Seite haben,
für eine Entleerungsröhre welche 10 Centim. (4 Zoll) über dem Kalk ihre Mündung hat;
dieselbe würde das Chlorcalcium aufnehmen, während das Kalkwasser zurückbliebe.
Diese Einrichtung ist dieselbe, wie sie bei den Flaschen zur Absorption der dichten
Dämpfe angenommen wurde, welche ich unten beschreiben werde, nur mit dem
Unterschiede, daß die Röhre nicht bis zum Boden herabgeht.
Um den Säureverlust zu bestimmen, habe ich dasselbe Verfahren angewendet, welches
oben beschrieben wurde; der Versuch dauerte 24 Stunden, von 3 Uhr Nachmittags bis 4
Uhr am folgenden Tag; der Gehalt der Natronlösung war 33 1/2 bis 34°.
Um die Unterschiede genauer ermitteln zu können, habe ich die alkalimetrische
Flüssigkeit um die Hälfte schwächer gemacht, daher man die Differenzen halbiren
muß.
Außere Reihe.
Innere Reihe.
Differ.
Differ.
Mittags um 2 Uhr (Ende der
Operation)
33 1/2°
1/2°
33 1/2°
1/2°
2 bis 3 Uhr (Beginn einer Operation)
31 1/2°
2 1/2°
31°
2°
4 bis 7 Uhr
32°
2°
32 1/2°
1 1/2°
7 bis 10 Uhr (Ende der Operation)
33°
1°
33°
1°
10 Uhr Abends bis 1 Uhr Morgens
31 1/2°
2 1/2°
32°
2°
3 bis 6 Uhr
33°
1°
33 1/2°
1/2°
6 bis 8 Uhr Morgens (Beginn einer
Operat.)
31°
3°
31°
3°
9 bis 10 Uhr
31°
3°
31°
3°
10 Uhr bis Mittag
32°
2°
32°
2°
–––––
––––––
Mittelzahl
2°
2°
Es finden also nicht mehr solche Unterschiede statt, wie bei den früheren Versuchen;
der Ofen hat 3 Chargen in 24 Stunden gemacht: die erste um 2 Uhr Nachmittags, die
zweite um 10 Uhr Abends, die dritte um 6 Uhr Morgens.
Die angewendete Natronlösung betrug 1080 Liter; man ließ in derselben Zeit 1200 Liter
Kalkwasser einlaufen.
Der mittlere Gehalt der Lösung beträgt nach den Versuchen 32°, man hat also
2° Differenz; da aber die alkalimetrische Flüssigkeit um die Hälfte schwächer
gemacht worden war, so beträgt die Differenz nur 1°.
Sie zeigt für 24 Stunden einen Verlust von 972 Grammen an. Ich habe den früheren
Verlust per Ofen in 24 Stunden auf 40 Kilogr. geschätzt;
nimmt man nun 972 Gramme doppelt, um den Gasverlust bei dem Calcinirofen zu
erhalten, so ergibt sich eine Zahl, welche noch nicht der zwanzigste Theil von der
früheren ist.
Bemerkenswerth ist der Umstand, daß in keinem Moment die Absorption einer
Verminderung des Gehalts der salzigen Lösung um 2° entspricht; es haben daher
keine beachtenswerthen Emanationen stattgefunden.
Dessenungeachtet habe ich mich überzeugt, daß bei feuchtem Wetter, wo die Esse
schlecht zieht, die salzsauren Emanationen in den Umgebungen der Fabrik noch fühlbar
sind.
Um die Absorption so vollständig als möglich zu machen, muß man zwei neue
Cascaden-Flaschen nach jeder Reihe anbringen; es sind dann deren sechs bei
der dem Zersetzungsofen und vier bei der dem Calcinirofen entsprechenden Reihe
vorhanden. Da der Zug der großen Esse für diese Zugabe aber nicht ausreichend
gewesen wäre, so hat man eine neue Esse erbaut, welche den Rauch der Sodaöfen
aufnimmt; dadurch wird der großen Esse, welche oben nur eine Weite von 0,50 Meter
(20 Zoll) hat, Erleichterung verschafft; der Zug ist besser, weil sie nur soviel
Rauch empfängt, als erforderlich ist um einen lebhaften Zug zu bewirken.
Der in dem Canal, welcher die Gase zur Esse führt, befindliche Kalk nimmt die letzten
Spuren von Säure auf, welche in den Cascaden-Flaschen nicht absorbirt
wurden.
Ich bin überzeugt, daß die ununterbrochene Anwendung dieses Verfahrens jede merkliche
Emanation von Salzsäure verhindern wird; die Hauptursache der nachtheiligen
Einwirkungen der Fabrik auf Menschen, Thiere und Pflanzen fällt daher fast gänzlich
weg.
2) Schwefelsäure. – Die aus den Bleikammern
entweichenden Gase durchströmen, ehe sie in die Esse gelangen, eine Reihe von mit
Wasser gefüllten Flaschen und einen gemauerten Canal, in welchem eine Kalkschicht
befindlich ist, welche die letzten Säurespuren absorbirt.
Die Flaschen bestehen aus Steingut und sind mit zwei Tubulaturen für die
Verbindungsröhren versehen. Zwischen diesen Tubulaturen befindet sich eine Oeffnung,
durch welche man Wasser eingießt, und die mit einem Stöpsel, ebenfalls von Steingut,
verschlossen werden kann; das Wasser in den ersten Flaschen absorbirt die Säure,
sein Volum nimmt zu; wenn die Flüssigkeit in der ersten Flasche einen gewissen Stand
erreicht hat, so fließt sie mittelst einer auf der Seite angebrachten Röhre in die
benachbarte tiefer stehende Flasche u.s.f. Wären diese Gefäße mit einfachen
Tubulaturen für die erwähnte Röhre versehen, so käme die Säure mit dem Kitt in
Berührung und würde denselben schnell zerstören. Um diese Berührung zu vermeiden,
benutzt man eine sehr sinnreiche Anordnung (Fig. 22): an jedes Gefäß
ist eine gekrümmte Röhre befestigt, welche bis zum Boden hinabreicht und an der
Seite austritt; sie wird in die seitliche Tubulatur des folgenden Gefäßes gesteckt,
wo der Kitt angebracht wird; da aber in dieser der Stand der Flüssigkeit niedriger
ist, so berührt diese den Kitt nicht. Offenbar muß bei dieser Einrichtung immer die
sauerste Flüssigkeit ablaufen, denn da sie dichter ist, so befindet sie sich am
Boden der Flaschen. Das mit Säure gesättigte Wasser läuft von der letzten Flasche
ab; in die ersten Flaschen muß von Zeit zu Zeit Wasser gegossen werden.
Der Apparat ist ununterbrochen im Betriebe; er umfaßt zwei Reihen von 20 Flaschen für
die großen Kammern und eine Reihe von 10 Flaschen für die kleinen Kammern.
Die gesammelte Säure wird in die Bleikammern gebracht und dient dort zur
Schwefelsäure-Gewinnung.
Beim Austritt aus den Absorptions-Gefäßen vereinigen sich die Gase der zwei
Reihen von Kammern in einem Bleikasten; von diesem laufen zwei bleierne Röhren ab,
welche sie in den gemauerten Canal führen, der mit der Esse in Verbindung steht. Ich
ließ diesen Canal in zwei Abtheilungen theilen, von denen jede einer Bleiröhre
entspricht. Die Eintrittsöffnung dieser letztern läßt sich mit einem Register
verschließen; dadurch ist man im Stande, alle Gase in eine einzige Abtheilung des
Canals gelangen zu lassen, so daß der Kalk ohne Unterbrechung der Operation
ausgewechselt werden kann.
In der Nähe der Esse befinden sich zwei Gefäße von Steingut, welche den beiden
Abtheilungen des Canals entsprechen und in welche alle Gase strömen; man braucht nur
deren Deckel zu lüften, um zu erkennen ob die Absorption gehörig erfolgt.
Das hier beschriebene System liefert ganz genügende Resultate; man gewahrt kaum einen
schwachen Säuregeruch, wenn man den Deckel der Gefäße abhebt, die zur Prüfung
dienen.
Da endlich die Esse, in welche die Gase einströmen, von gewöhnlichem Mauerwerk
aufgeführt worden ist, so liegt es im Interesse des Fabrikanten stets die
salpetrigen Dämpfe zu absorbiren, denn wenn solche zeitweise entweichen, so
zerstören sie das Mauerwerk sehr bald.
3) Chlorkalk. – In der Nähe der Kammern worin der
Chlorkalk fabricirt wird, hat man einen Canal angebracht, der in eine Esse ausläuft;
er enthält gelöschten Kalk. Nach beendigter Chlorkalk-Bereitung setzt man die
Kammern mittelst einer hölzernen Röhre in Verbindung mit jenem Canal. Das in den
Kammern befindliche Chlorgas wird von der Esse angesaugt und von dem Kalk in dem
Canal absorbirt. Wenn man dann die Thüren zum Herausnehmen des Chlorkalks öffnet, so
werden fast gar keine Chlordämpfe entweichen.
Ebenso stellt man eine Verbindung mit dem Chlorerzeugungs-Apparat her, damit
das in demselben zurückgebliebene Gas angesaugt wird. Wenn man daher die Apparate
entleert und wieder mit Säure und Braunstein beschickt, so zeigen sich fast keine
bemerkbaren Emanationen mehr.
Der Kalk in den Canälen wird wieder in die Kammern gegeben, um ihn vollständig mit
Chlor zu sättigen. Die durch diese Arbeiten veranlaßten Kosten werden durch das
absorbirte Chlor wieder ausgeglichen.
4) Salpetersäure. – Bei der Fabrication derselben
hat man die Anzahl der Absorptionsflaschen so vermehrt, daß selbst zu Anfang des
Processes keine merkliche Entweichung von Dämpfen stattfindet.
Durch die beschriebenen Methoden gelang es alle Klagen zu beseitigen, welche die
nachtheiligen Einwirkungen der Fabrik von St. Roch auf ihre Umgebungen früher mit
Recht veranlaßt haben.
Beschreibung der Abbildungen.
Fig. 21
Cascade-Absorptionsgefäß für die Salzsäure;
B Tubulatur für den Eintritt der Gase, die bereits eine
Reihe von Flaschen mit Wasser durchströmt haben;
B' Tubulatur für das Ausströmen der Gase;
C große Kohksstücke im Innern des Gefäßes;
D Röhre, welche kaltes Wasser aus einem Kasten
herbeiführt; sie ist am untern Ende mit einem Hahn zur Regulirung seiner Menge
versehen;
G Becher auf dem Deckel des Cascade-Gefäßes, in
welchen das Wasser fällt; er ist am Boden mit einer bleiernen Röhre versehen, die
unten kleine Löcher hat, so daß das Wasser wie aus einer Gießkannenbrause
ausströmt;
H Röhre zum Abfluß des gesäuerten Wassers;
K Deckel des Gefäßes mit Wasserverschluß.
Fig. 22
Flaschen für die Absorption der aus den Bleikammern
kommenden Gase;
M Tubulatur zum Einströmen der Gase, die aus den
Bleikammeen herkommen;
M' Tubulatur für deren Austritt;
N Wasser für die Absorption;
S gebogene Röhre, welche die überschüssige Flüssigkeit
aus der ersten Flasche in die zweite übergießt.
Fig. 23
Grundriß welcher die Anordnung der Absorptionsflaschen
zeigt.
A, A' kleine Ziegelsteinmauern, auf denen die
Absorptionsflaschen stehen, welche die Gase aus dem Calcinirraum des ersten Ofens
aufnehmen, worin die vollständige Zersetzung des Kochsalzes erfolgt;
C, C Cascaden-Gefäße, welche auf die
absorbirenden Flaschen folgen; das daraus ablaufende Wasser gelangt in die Becken
D;
B, B', B'' kleine
Ziegelsteinmauer, auf welcher die Absorptionsflaschen stehen, die mit dem
Zersetzungsraum des ersten Ofens verbunden sind;
c, c, c, c vier Cascaden-Gefäße zur Absorption
der Salzsäure; das daraus abfließende Wasser gelangt in das Becken D;
D, D, D Becken oder Behälter zur Aufnahme des Wassers
aus den verschiedenen Flaschen;
A, A' Gestelle oder Bühnen für die absorbirenden
Flaschen welche mit dem Calcinirraum des zweiten Ofens in Verbindung stehen;
B, B', B'' Bühnen für die
Absorptionsflaschen welche mit dem Zersetzungsraum des zweiten Ofens in Verbindung
stehen;
c, c Cascaden-Gefäße.
Aus den Behältern D, D, D fließt das Wasser mittelst des
unterirdischen Canals R in den Senkbrunnen P.