Titel: | Verfahren zur Bereitung von Leuchtgas aus Torf und aus Steinkohlentheer, von den HHrn. Köchlin, Duchatet und Perpigna. |
Fundstelle: | Band 136, Jahrgang 1855, Nr. XIII., S. 50 |
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XIII.
Verfahren zur Bereitung von Leuchtgas aus Torf
und aus Steinkohlentheer, von den HHrn. Köchlin, Duchatet und Perpigna.Dieselben sind Eigenthümer der Erfindung des Hrn. Professor M. Pettenkoser. A. d. Red.
Patentirt in England am 30. Januar 1854.
Aus dem Practical Mechanic's Journal, Februar 1855, S.
253.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Verfahren zur Bereitung von Leuchtgas aus Torf und aus
Steinkohlentheer.
Um Gas aus Torf zu gewinnen, braucht man nur trocknen Torf
in eine Gasretorte zu bringen und dieselbe zum Rothglühen zu erhitzen; dieses Gas
brennt aber mit fast ganz blauer Flamme und ist zum Beleuchten durchaus nicht
anwendbar. Man hat schon verschiedene Methoden versucht, um solchem Gas Leuchtkraft
zu ertheilen, dieselben erwiesen sich jedoch bisher nicht als praktisch; gerade die
Lösung dieses Problems bildet den wesentlichen Theil der patentirten Erfindung. Die
zu diesem Zweck erforderlichen Operationen, welche nicht genügend auf einmal
bewerkstelligt werden können, werden nämlich in zwei besondere Processe abgetheilt;
der erste ist die Verkohlung des Torfes, welche in der Art ausgeführt wird, daß sie
nicht nur möglichst viel und möglichst gute Kohle liefert, sondern dabei auch die
Erzeugung von Kohlenoxyd vermieden wird, welches sich also den gewonnenen Gasen (die
später zur Beleuchtung tauglich gemacht werden) nicht beimischt. Die Zersetzung der
bei der Destillation des Torfs erzeugten wesentlichen Oele wird nicht sowohl durch
Ueberhitzen der Oele selbst (wofür sie sich ihrer Natur nach nicht eignen), sondern
dadurch bewerkstelligt, daß man die Dämpfe dieser Oele einen langen Weg durch Röhren
oder Canäle machen läßt, welche so stark erhitzt sind, daß sie deren Zersetzung und
Umwandlung in Gas bewirken. Man kann nun entweder die in beiden Operationen
erzeugten Gase mit einander vermischen, wodurch man ein Gas von genügender Leuchtkraft erhält, oder
sie gesondert verwenden; in letzterm Falle benutzt man die bei der ersten Operation
gewonnenen Gase zu Heizzwecken, hingegen diejenigen von der zweiten Operation zur
Beleuchtung.
Dieselben Verfahrungsarten eignen sich auch zur Verwandlung des Steinkohlentheers in Gas. Um den Theer zu zersetzen und in Gas zu
verwandeln, läßt man denselben in dampfförmigem Zustande durch die erwähnten
erhitzten Canäle ziehen. In diesem Falle muß jedoch das Verfahren der besondern
chemischen Natur des anzuwendenden Materials angepaßt werden. Der Theer von den
Gasanstalten besteht aus feiner oder sehr zertheilter Kohle, deren Theilchen durch
wesentliche Oele von verschiedener Dichtigkeit und Flüchtigkeit zusammengehalten
werden. Ließe man diesen Theer direct über erhitzte Flächen ziehen, so würden die
wesentlichen Oele zersetzt und die nun von dem sie zusammenhaltenden Kitt befreite
Kohle wäre in ein unfühlbares Pulver verwandelt, welches der Gasstrom in die Röhren
mitreißen würde, so daß dieselben sich verstopfen; die Operation müßte daher in
Folge der großen Menge von Kohlenstaub, welche sich in den Röhren absetzte,
unterbrochen werden. Diese Schwierigkeit läßt sich leicht vermeiden, indem man den
Theer (so frei von Wasser als möglich) in eine Blase oder Retorte von Eisenblech
bringt, wie man sie bei der Bereitung der Steinkohlentheer-Oele anwendet; bei
der Destillation entweichen die Oele in Dampfform, während die Kohle in der Retorte
zurückbleibt; die aus der Retorte abziehenden Oeldämpfe leitet man aber nicht durch
ein Schlangenrohr (wie bei der Bereitung von Theeröl, um sie zu verdichten), sondern
wie oben erwähnt, über erhitzte Flächen; in Berührung mit denselben verwandeln sie
sich in Gas, und da die Kohlentheilchen schon vorher abgesondert wurden, so können
sich die Röhren oder Canäle nicht verstopfen.
Fig. 15 ist
der verticale Längendurchschnitt einer Retorte, worin die Verkohlung des Torfes bewerkstelligt wird, und Fig. 16 ein
Querdurchschnitt derselben. Das Dach der Retorte besteht aus Gußeisen und ist
entweder elliptisch oder kreisförmig; an das Dach sind (an seiner Basis) innere
Flanschen gegossen, die den Boden der Retorte tragen, der aus feuerfesten Ziegeln
besteht, welche an einander und an die Retorte mittelst Thon gekittet sind. Das bei
der Operation sich bildende Pech vervollständigt die Verkittung. Das Dach hat (vom
Gusse her) auch Oeffnungen über dem Ziegelboden, welche man durch transversale Stäbe
oder Bolzen verbindet, um sowohl die gehörige Weite der Retorte zu unterhalten, als
auch ihren Ziegelboden fest zusammenzuhalten. Der aus feuerbeständigen Ziegeln
bestehende Boden der Retorte widersteht besser als Gußeisen der hohen Temperatur
welche am Ende der Operation stattfindet, und da er sich auszudehnen vermag, so
werden die Brüche vermieden, welche bei den ganz aus Thon bestehenden Retorten in
Folge des Temperaturwechsels unvermeidlich sind. Dieß gilt auch für den gußeisernen
Theil der Retorte, welcher sich ebenfalls ausdehnen und zusammenziehen kann. Diese
Retorte wird in einem Ofen angebracht, welcher so construirt ist, daß er mittelst
Zügen die ganze Oberfläche derselben gleichmäßig erhitzt. An die Retorte wird vorn
ein gewöhnliches eisernes Mundstück angeschraubt, worauf sich die Röhre für den
Abzug der Dämpfe befindet. Die Dämpfe treten in einen Kühlapparat, nämlich in ein
Schlangenrohr, oder besser in das vielfach gebräuchliche durch Luft abgekühlte
verticale Röhrensystem. In demselben verdichtet sich sowohl das ammoniakalische
Wasser als die Oele, welche besonders gesammelt werden. Die nicht verdichtbaren Gase
gehen in den Gasometer, nachdem man sie vorher durch Kalkreiniger (zur Abscheidung
der Kohlensäure) passiren ließ.
Fig. 17 ist
der verticale Längendurchschnitt eines Apparats zur Umwandlung
der flüchtigen Oele in Gas; Fig. 18 ist ein
Querdurchschnitt desselben. Ein guß- oder schmiedeiserner Cylinder A, welcher zum Theil mit Stücken von verkohltem Torfe
gefüllt ist, empfängt die flüchtigen Oele durch das Heberrohr B, welches selbst von einem obern Behälter aus durch eine Röhre gespeist
wird und mit einem Hahn zum Reguliren des Oelzuflusses versehen ist. Der ganze
Apparat wird in einem Ofen angebracht und auf seiner ganzen Oberfläche gleichmäßig
erhitzt. Sobald das Oel in den Cylinder A gelangt,
verdampft es und zieht in Dampfform in das Rohr C,
welches mit der Retorte D communicirt. Diese Retorte ist
von Gußeisen, ebenso lang wie der Cylinder A, und in der
Längenrichtung durch eine Scheidewand in zwei Kammern abgetheilt; die Scheidewand
ist mit dem Körper der Retorte in einem Stück gegossen und erstreckt sich vom
vorderen Ende der Retorte bis nahezu an deren anderes Ende, so daß zwischen dem Ende
der Retorte und dem Ende der Scheidewand ein Canal oder eine Verbindung beider
Kammern verbleibt. Bei dieser Anordnung treten die Dämpfe des Oels nahe am Ende der
Retorte auf einer Seite ein, durchziehen dieselbe in ihrer ganzen Länge, begeben
sich durch die erwähnte Oeffnung in die zweite Kammer und durchziehen ein zweites
Mal die Retorte in ihrer ganzen Länge, bevor sie am Austrittsrohr anlangen. Die
Dämpfe müssen daher fast dreimal die Länge des Apparats durchziehen und sind auf
diesem Wege einer Hitze ausgesetzt, welche stark genug ist um die erforderliche
Zersetzung zu bewirken. Ein kleines Rohr an der untern Seite des
Retorten-Mundstücks gestattet das Abziehen des nicht verdampften Oels oder
der im Austrittsrohr
verdichteten Dämpfe. Das hier abgezogene Oel gibt man in den obern Behälter, welcher
den Cylinder A speist, damit es noch einmal den Apparat
passirt. Das Rohr E communicirt wie bei den gewöhnlichen
Gasapparaten, mit einer cylindrischen Vorlage, welche theilweise mit Wasser gefüllt
ist, mittelst einer in dieses Wasser mündenden Röhre. Aus dieser Vorlage zieht das
Gas in einen Condensator, worin sich die zurückgebliebenen, nicht zersetzten
Oeltheilchen absondern. Dieses Oel gibt man ebenfalls in den Behälter welcher den
Cylinder A speist, damit es noch einmal durch den
Apparat passirt. Aus den Condensatoren gelangt das Gas in die Kalkreiniger (um ihm
die Kohlensäure zu entziehen), und von diesen in die Gasometer, wo es mit dem bei
der Verkohlung des Torfes gewonnenen Gas vermischt wird. Um letzterem eine
hinreichende Leuchtkraft zu ertheilen, sind von den 25 bis 30 Procent Oel, welche
der Torf liefert, nur 10 bis 15 Procent (im vergasten Zustande) erforderlich.
Das Oel, welches man zur Gasbereitung nicht verwenden kann, gestattet verschiedene
Benutzungen; die Patentträger gewinnen aus demselben durch fractionirte
Destillation: 1) eine fast geruchlose Flüssigkeit, zum Brennen in Lampen oder
Bereitung harten Firnisses geeignet; 2) ein zum Schmieren der Eisenbahnwagen
geeignetes Oel; 3) ein dünnes Oel von vorzüglicher Qualität, zum Schmieren der
zartesten Mechanismen verwendbar.