Titel: | Verbesserungen an den Kolben der Dampfmaschinen und Locomotiven, von Hrn. Ramsbottom zu Manchester. |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. XXXVII., S. 167 |
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XXXVII.
Verbesserungen an den Kolben der Dampfmaschinen
und Locomotiven, von Hrn. Ramsbottom zu
Manchester.
Nach dem Mechanics'
Magazine aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, October 1854, S. 620.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Ramsbottom's Verbesserungen an den Kolben der Dampfmaschinen und
Locomotiven.
Die folgenden Bemerkungen sind einer Abhandlung entnommen, welche der Erfinder im Mai
1854 in der Versammlung der mechanischen Ingenieure zu Birmingham vortrug.
Daß es wünschenswerth ist, sagt Hr. Ramsbottom, für die
Dampfmaschinen einen möglichst leichten, einfachen, dabei aber dichten und nur sehr
wenig Reibung veranlassenden Kolben zu construiren, erleidet keinen Zweifel und wäre
besonders bei den Locomotiven ein großer Vortheil.
Der hier zu beschreibende Kolben nähert sich sehr diesen Anforderungen.
Der Hauptzweck, den man zu erreichen suchte, war, die Gleichförmigkeit des Druckes
auf die Flächen-Einheit zu unterhalten und Dampfverlust zu vermeiden, indem
man soviel als möglich die Größe der der Reibung ausgesetzten Flächen zu vermindern
trachtete. Dieß gelang in dem Verhältniß von 141 zu 42 bei einem Kolben von 0,457 Meter (18 Zoll)
Durchmesser, und Hr. Ramsbottom glaubt, daß die Reibung
in demselben Verhältniß vermindert wurde, weil er sie in dem vorliegenden Fall als
der reibenden Fläche annähernd proportional betrachtet.
Fig. 37
stellt diesen Kolben im senkrechten Durchschnitt dar; er besteht aus einem Stück
Gußeisen A, ohne Deckel, ohne Bolzen und ohne
Muttern.
Man befestigt ihn auf dem conischen Theil seiner Stange mittelst einer Mutter. Auf
der Peripherie des Kolbens sind drei Ruthen oder Vertiefungen B, B eingedreht, von denen jede 6 Millimet. (3 Linien) breit ist, welche
eben so weit von einander entfernt und 8 Millimet. (4 Linien) tief sind; dieselben
nehmen elastische Garnituren oder Liederungen auf. Diese Liederungsringe können aus
Messing, Stahl oder Eisen bestehen, werden durch ein Zieheisen gezogen und haben
solche Dimensionen, daß sie die Falzen ausfüllen; man gibt ihnen dann die
erforderliche Krümmung über einer kreisförmigen Schablone, deren Durchmesser etwa um
ein Zehntel größer als derjenige des Cylinders ist, und bringt sie so an, daß sie in
den Oeffnungen nicht hervorstehen.
Diese ringförmigen Liederungen werden gegen die innern Wände des Cylinders durch ihre
eigene Elasticität gedrückt, welche hinreichend ist, um jeden Dampfverlust zu
vermeiden.
Die Fugen der Ringe liegen nicht übereinander und sind in der unteren Hälfte des
Cylinders – es handelt sich hier um geneigt oder horizontal liegende
Locomotivcylinder – vertheilt. Der Kolbenkörper ruht auf der Wand dieser
Hälfte, und verhindert so den Dampf zwischen die beiden Oberflächen zu dringen.
Könnte der Dampf aber, durch irgend einen Zufall, über die erste Fuge hinauskommen,
so würde er doch sicher nicht durch die zweite, und noch viel weniger durch die
dritte Liederung dringen können.
Um diesen Kolben in den gewöhnlichen Dampfmaschinen mit flachen Deckeln benutzen und
den schädlichen Raum ausfüllen zu können, welcher einen Dampfverlust veranlassen
würde, befestigt man die hohlgegossene Füllung C, C an
dem innern Theil des Deckels durch Niete. Da der andere Deckel keine solche Füllung
hat, so wird sein Gewicht auch nicht vermehrt und er läßt sich daher auch leichter
handhaben.
Nach Angabe des Erfinders sind die Vortheile dieses Kolbens nachstehende:
1) Eine große Gewichtsverminderung; denn ein gußeiserner Kolben dieses Systems von
0,381 Meter (16 Zoll) Durchmesser wiegt nur 39,90 Mogr. (84 Pfd.), während der
leichteste nach der bisherigen Construction 53,96 Kil. (113 Pfd.) wiegt. Wird der neue Kolben aus
Schmiedeeisen oder Messing verfertigt, so kann er noch leichter gemacht werden.
2) Einfache Construction und wohlfeile Herstellung, indem der Kolben, abgesehen von
seinen drei Liederungsringen, nur aus einem Stück besteht, und, nachdem er gegossen
worden ist, keine andere Arbeit erfordert, als das Abdrehen des cylindrischen Theils
und das Eindrehen der drei Falzen, so wie das Ausbohren des Lochs in der Mitte,
welches die Kolbenstange aufnimmt. Die Liederungsringe, welche durchgezogen und nur
gebogen sind, können daher mit geringen Kosten hergestellt werden.
3) Die Unmöglichkeit in Unordnung zu gerathen, da der Kolben weder Schrauben noch
Muttern und eben so wenig Splinte noch Stifte hat, welche ausfallen und Unfälle
veranlassen können. Da die Liederungsringe in ihre Falzen eingelassen sind, so
können sie auch nicht schlaff werden.
4) Eine Verminderung der Reibung, welche sowohl durch die Gewichtsverminderung des
Kolbens, als auch durch die Verkleinerung der elastischen, gegen den Cylinder
drückenden Oberfläche veranlaßt wird. Das Verhältniß dieser Oberfläche bei dem neuen
Kolben von 0,457 Meter Durchmesser ist 42/141 derjenigen der gewöhnlichen
Liederungen von 0,063 Meter Stärke; Hr. Ramsbottom
schreibt diesem Unterschiede hauptsächlich die beobachtete Ersparung an
Brennmaterial zu, wovon unten die Rede ist.
Das erste Paar solcher Cylinder wurde im Januar 1853 in Gebrauch genommen und seitdem
hat man noch andere Paare angewendet, welche alle den davon gehegten Erwartungen
entsprachen. Eine neue Garnitur von drei Liederungsringen kostet 3,25 Fr. (26 Sgr.)
und kann Fahrten von 4800 bis 6400 Kilometer (690 bis 1200 deutsche Meilen) Länge
aushalten. Die Unterhaltungskosten dieser Liederung sind etwas geringer, als bei
einer einfachen Hanfliederung.
Eine genaue Aufstellung der Brennmaterialkosten bei den ersten 15 Locomotiven, welche
solche Kolben erhalten haben (diese Locomotiven, welche zwischen 4 und 16 Monaten im
Betriebe waren, durchliefen eine Gesammtlänge von 434,378 Kilometern oder 62,054
deutschen Meilen), hat nachgewiesen, daß auf 1 Kilometer Fahrlänge 1,60 Kilogr.
weniger Brennmaterial verbraucht wurden, als bei denselben Maschinen während einer
vierjährigen Betriebszeit mit den früheren Kolben.
Der neue Kolben ist daher entweder wegen der Genauigkeit womit er ausgeführt wurde
und der dadurch veranlaßten geringern Dampfverluste, oder wegen der Verminderung der
Reibung, weit besser, als diejenigen welche er ersetzt.
––––––––––
Nachdem Hr. Ramsbottom seinen Vortrag beendigt hatte,
legte er der Versammlung ein Modell seines Apparats und einen Kolben vor, welcher 15
Monate im Betriebe gewesen war und 31,636 Kilomet. (4520 deutsche Meilen)
durchlaufen hatte; auch producirte er alte und neue Liederungen.
Der Vorsitzende fragte den Erfinder, ob er genaue Nachweise über die Leistung der
Locomotiven vor und nach Einführung seiner Kolben vorlegen könne. Hr. Ramsbottom theilte dann eine Uebersicht des
Brennmaterialverbrauchs bei den mit dem neuen Kolben versehenen Locomotiven und den
nämlichen Maschinen während der vorhergehenden vier Jahre mit; daraus ergibt sich
eine Ersparung von 12 Procent an Brennmaterial.
Hr. Jobson äußerte sich dahin, daß die Verbesserung des
Kolbens allein eine so bedeutende Ersparung nicht habe veranlassen können, und daß
die Locomotiven ohne Zweifel vorher in schlechtem Zustande gewesen seyen. Hr. Ramsbottom entgegnete, daß die Bedienung dieser Maschinen
vor und nach seinen Versuchen im Wesentlichen dieselbe gewesen sey, und daß man
daher keine andere Ursache der beobachteten Brennmaterial-Ersparung finden
könne. Er fügte bei, daß auf verschiedenen Eisenbahnen etwa 120 von seinen Kolben im
Gebrauch seyen und sämmtlich auf eine genügende Weise wirken.
Die Frage des Hrn. Everitt, ob schon einige Versuche mit
dem Kolben bei stehenden Dampfmaschinen gemacht worden seyen, beantwortete Hr. Ramsbottom dahin, daß er nur ein Paar solcher Versuche
angestellt habe, daß aber der größte bisher von ihm benutzte Kolben nur einen
Durchmesser von 0,457 Meter (18 Zoll) hatte.
Hr. Mathews wünscht zu wissen, ob der neue Apparat für die
Locomotiven geeigneter sey, als für die feststehenden Maschinen. Darauf erwiderte
Hr. Ramsbottom, daß die horizontale Stellung, wie bei den
Locomotive-Cylindern, die günstigere für diesen Kolben sey, dessen Körper auf
die Fugen der Liederungsringe drückt und sie dampfdicht zu verschließen strebt, weil
alle diese Fugen auf der untern Hälfte der cylindrischen Fläche vorhanden sind. Bis
jetzt seyen nur zwei von seinen Kolben bei feststehenden Maschinen angewendet
worden, nämlich an einer verticalen Dampfmaschine und an einem Dampfhammer, und bei
beiden habe man eine vollkommene Dampfdichtheit erreicht. Er bemerkte noch, daß ein
großer Vortheil dieser
Kolben in ihrer Leichtigkeit bestehe, und daß dieß besonders bei den Locomotiven von
Wichtigkeit sey; denn ein Kolben von 18 Zoll Durchmesser wiege nur etwa 115 Pfd.,
während die gewöhnlichen ein Gewicht von etwa 250 Pfd. haben, daher über doppelt so
schwer sind.
Der Vorsitzende fragte nach dem Preise der neuen Kolben im Vergleich mit dem
bisherigen. Hr. Ramsbottom erwiderte, daß der
Preis-Unterschied von der Einrichtung der früheren Kolben abhänge, daß aber
von allen bisherigen die er gebraucht habe, keiner weniger als das Dreifache des
seinigen koste. Eine so bedeutende Ersparung rührt daher, daß das neue Organ aus
keinem kostbaren Theile besteht und daß die einzige Bearbeitung desselben sich auf
das Bohren des Loches in der Mitte und das Abdrehen der Peripherie beschränkt. Die
Liederung besteht bloß aus Eisendraht, welchem mittelst eines Zieheisens noch die
gehörige Form ertheilt und der dann mittelst eines Durchganges zwischen Walzen
gekrümmt wurde.
Auf die Frage des Hrn. Payne, ob die Liederung mit dem
Durchmesser des Cylinders an Dicke zunehmen müsse, erwiderte Hr. Ramsbottom, daß seine Erfahrung sich auf Liederungen von
den erwähnten Dimensionen beschränke und dieselben als vollkommen ausreichend
befunden wurden; die Cylinderdurchmesser hätten 12 bis 18 Zoll betragen, bei
weiteren müsse aber nothwendig eine stärkere Liederung angewendet werden.
Hr. Chellingworth bemerkte, daß man keine Mittel erwähnt
habe, um ein Drehen der Ringe zu verhindern, wodurch die Fugen einander gegenüber zu
stehen kommen könnten. Hr. Ramsbottom erwiderte, daß bei
seinem ersten Versuche mehrere Kolben nur zwei statt drei Liederungen hatten, und
daß er anfänglich jeden Ring in seinem Falz mittelst eines Nietes zu befestigen
beabsichtigte, um eine kreisförmige Bewegung zu verhindern; daß er jedoch diese Idee
bald wieder aufgegeben habe, weil die Erfahrung gezeigt habe, daß sie unnütz sey;
daß jedoch eine geringe Verschiebung der Liederungsringe vortheilhaft sey, weil
dadurch die reibenden Oberflächen verbessert würden; und daß selbst in dem sehr
unwahrscheinlichen Fall, wo alle drei Fugen über einander zu liegen kommen, der
Dampfverlust bei dieser Kolben-Einrichtung fast Null seyn würde.
Hr. Mathews bemerkte, daß eine kreisförmige Impulsion,
welche die Liederungsringe zu verschieben sucht, so daß sich die Fugen treffen
können, auch die Wirkung haben müsse, deren Lage sofort wieder zu verändern und
folglich dem Uebel abzuhelfen.