Titel: | Ueber Dr. Rosenthal's Verfahren, die Verfälschung der Milch zu erkennen und dessen Bürette; Bericht der HHrn. Quevenne und Gaultier de Claubry. |
Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. CXXVI., S. 424 |
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CXXVI.
Ueber Dr. Rosenthal's Verfahren, die Verfälschung der
Milch zu erkennen und dessen Bürette; Bericht der HHrn. Quevenne und Gaultier de Claubry.
Aus dem Journal de Pharmacie, Septbr. 1854, S.
214.
Mit einer Abbildung auf Tab. VI.
Rosenthal's Verfahren die Verfälschung der Milch zu
erkennen.
Die gewöhnlichste Verfälschung der Milch besteht darin, daß man ihr eine mehr oder
weniger beträchtliche Menge Rahm entzieht und sie dann mit einer gewissen Menge
Wassers verdünnt.
Die bisherigen Methoden, wornach die Beschaffenheit der Milch genau bestimmt werden
kann, erfordern aber viele Zeit, und sind daher zur Ermittelung einer Verfälschung
der käuflichen Milch nicht brauchbar, weil deren Prüfung in wenigen Minuten
ausgeführt werden sollte.
Hr. Poggiale veröffentlichte im
Jahr 1849 ein Verfahren, welches diesen Zweck der schnellen Prüfung durch
maaßanalytische Bestimmung des in ihr enthaltenen Zuckers erfüllt. Er geht dabei von
dem Ergebniß seiner Versuche aus, daß 1000 Gramme reiner Milch 52,7 Milchzucker
enthalten; nach Boussingault enthalten sie 50 und
zwischen diesen Gränzen schwanken auch die erhaltenen Zahlen. (Sein Verfahren, wobei
er die Trommer'sche Probeflüssigkeit anwendet, ist im
polytechn. Journal Bd. CXII S. 367
beschrieben.) Ein Versuch nach seiner Methode erfordert jedoch noch ziemlich lange
Zeit und kann nur in einem Laboratorium ausgeführt werden.
Nun hat Dr. Rosenthal, ein
ungarischer Arzt, welcher sich mit diesem Gegenstand lange beschäftigte, das
Verfahren so vereinfacht, daß einige Minuten, und ein tragbarer Apparat, der in
einem 2 Zoll hohen und breiten, und 10 1/2 Zoll langen Kästchen verwahrt ist,
vollkommen hinreichen.
Dieser Apparat besteht in einer Weingeistlampe, drei verkorkten Glasröhren, von denen
zwei, zum Messen dienende, mit zwei Strichen versehen sind und die dritte zum Kochen
benützt wird, einer Bürette, einer Röhre mit Probeflüssigkeit, und einem Bürstchen
um die Apparate zu reinigen.
Die Probeflüssigkeit bereitet er, indem er 40 Gramme krystallisirten Kupfervitriol in
160 Grammen Wasser auflöst, andererseits 160 Gramme neutrales weinsteinsames Kali in
einer kleinen Menge Wasser löst und letzterer Lösung 600 bis 700 Kubikcentimeter
Natronlauge von 1,12 Dichtigkeit zusetzt, dann beide Lösungen zusammen mischt und
das Ganze mit so viel destillirtem Wasser verdünnt, daß man 1154,4 Kubikcentimeter
Flüssigkeit erhält.Diese Flüssigkeit hat vor der von Poggiale
angewandten den Vorzug, daß sie wegen ihrer geringeren Concentration ein
genaueres Resultat liefert und lange aufbewahrt werden kann, ohne sich zu
verändern.
1 Centigramm Milchzucker reicht hin, um das in 2 Kubikcentimetern dieser
Probeflüssigkeit enthaltene Kupfer als Oxydul auszuscheiden.
Ohne daß es nöthig ist, die Milch zum Gerinnen zu bringen oder zu filtriren, kann man
mit aller Leichtigkeit die Menge des Milchzuckers bestimmen. Zu diesem Behufe nimmt
man eine der mit zwei Strichen versehenen Röhren, mißt darin (bis zum unteren
Strich) 5 Kubikcentimeter der zu prüfenden Milch ab, fügt 20 Kubikcentimeter Wasser
zu (indem man dieses bis an den oberen Strich einfüllt), schüttelt gut um und gießt
die Mischung in die Bürette.
In der andern, mit zwei Strichen versehenen Röhre bereitet man in gleicher Weise eine
Mischung von 2 Kubikcentimeter Probeflüssigkeit mit 10 Kubikcentimeter Wasser. Diese
Mischung gießt man in die nicht graduirte Röhre und bringt sie darin zum Kochen.
Wenn sie kocht, fügt man ihr tropfenweise die mit Wasser vermischte Milch aus der
Bürette hinzu, schüttelt dabei um und stößt, um die Einwirkung zu befördern, das
untere Ende der Röhre auf ein Stück Papier auf, welches man auf der andern Hand
liegen hat; sobald der letzte hinzugefügte Tropfen die Probeflüssigkeit gänzlich
entfärbt hat, hört man mit dem Zutropfen auf.
Bei der natürlichen Milch, in ihrem Normalzustand, setzt sich der rothe Niederschlag
von Kupferoxydul fast augenblicklich ab; oder man braucht höchstens 4–5
Minuten lang kochen zu lassen.
Manchmal bleibt aber der Niederschlag voluminös, lange suspendirt, und unter gewissen
Umständen scheidet er sich erst nach 24 Stunden gänzlich ab; dieses Verhalten deutet
eine Veränderung der Milch an.
Bei reiner Milch sind in der Regel von der Mischung aus 1 Vol. Milch und 4 Vol.
Wasser nur 1,2 Kubikcentimeter erforderlich, um alles Kupfer aus der
Probeflüssigkeit als Oxydul niederzuschlagen; höchstens 1,4 Kubikcentimeter. Bei der
in den Handel gebrachten Milch sind aber nie weniger als 1,4 Kubikcentimeter
erforderlich, oft bis 2 Kubikcentimeter.
Merkwürdig ist die fast absolute Unwandelbarkeit des Zuckergehaltes der Milch, nicht
nur an einem und demselben Ort, wie Paris und seine Umgebung, sondern auch an weit
von einander entfernten Orten, wie Pesth und Wien. Dieß spricht für die Güte dieses
Verfahrens.
Der Traubenzucker zersetzt das Trommer'sche Reagens ebenso
wie der Milchzucker; man könnte daher befürchten, daß die auf der Wirkung des
letztern beruhende Probe dadurch trügerisch gemacht werden dürfte, daß man der Milch
Traubenzucker zusetzt. Da aber der Milchzuckergehalt 5,27 Procent nie übersteigt, so
müßte der Milch, nach ihrer Verdünnung mit Wasser, genau so viel Traubenzucker
zugesetzt werden, als dem fehlenden Milchzucker entspricht, was nicht wohl
anzunehmen ist.
Uebrigens muß man, um sich über die Beschaffenheit einer Milch mit Bestimmtheit
aussprechen zu können, außer ihrem Milchzuckergehalt, auch den Buttergehalt, und die
Dichtigkeit oder Undurchsichtigkeit derselben berücksichtigen; damit hat man alle
nöthigen Anhaltspunkte.
Wie man sich erinnern wird, schlug Hr. Poggiale vor, den Buttergehalt durch Behandlung der geronnenen Milch
mit Aether zu ermitteln; dieses Verfahren erfordert aber zu viel Zeit. Wie uns
bekannt, beschäftigen sich gegenwärtig mehrere Chemiker mit diesem Gegenstand, und
ihre Resultate dürften die obigen ergänzen.
Gay-Lussac's Bürette, welche schon so gute Dienste
leistete und fortwährend leistet, ist zerbrechlich, theuer und schwer zu reinigen.
Gewöhnlich zerbrechen die Büretten an der Vereinigungsstelle der weiten Röhre mit
der engen und werden dadurch ganz unbrauchbar.
Hr. Rosenthal construirt die
Bürette aus einem an beiden Enden offenen Rohr B, Fig. 21, auf
welches er für obigen Zweck eine papierne Scala klebt, welche man bei einem
genaueren Instrument durch eine Theilung auf dem Glas ersetzt; an das Ende A befestigt er mittelst eines Stöpsels C ein dünneres Rohr D. Das
so gebildete Instrument kostet sehr wenig, ist leicht zu reinigen, und läßt sich,
wenn es zerbricht, leicht repariren oder durch ein anderes ersetzen.