Titel: | Ueber Ersetzung des bei den Bauten verwendeten Holzes durch gewalztes Eisen. |
Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. XCIV., S. 341 |
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XCIV.
Ueber Ersetzung des bei den Bauten verwendeten
Holzes durch gewalztes Eisen.
Aus Förster's Bauzeitung.
Ueber Ersetzung des bei den Bauten verwendeten Holzes durch
gewalztes Eisen.
Die seit längerer Zeit gemachten Versuche, das bei den Bauten verwendete Holz durch
Gußeisen und besonders durch gewalztes Eisen zu ersetzen, hatte das Bestreben nach
Fortschritten in der Vervollkommnung der Fabrication des Eisens bei allen
Hüttenmännern angeeifert, und es haben sich die günstigsten Erfolge davon kund
gegeben. Dennoch hatte die Darstellung des Eisens auf englische Art noch nicht jenen
Grad der Vollendung erreicht, welcher die Substitution desselben statt des Holzes
bei den Dachstühlen der Gebäude mit Rücksicht auf die dabei wünschenswerthe
Sparsamkeit gestattet. Die hauptsächlichsten Schwierigkeiten, welche sich der
Erreichung dieses Zieles entgegenstellten, bestanden hauptsächlich in den
verschiedenen Graden der Widerstandsfähigkeit des Eisens und des Holzes. Es ist
bekannt, daß die vorübergehend von einem Würfel von Eichenholz oder einem Prisma
desselben Materials getragene Last, wenn er senkrecht auf seine Fibern belastet ist
und sich vor seinem Bruche nicht biegen konnte, 3,85 Kilogr. bis 4,63 Kilogr. pro Quadrat-Millimeter beträgt, während diese
Last bei einem schmiedeisernen Würfel auf 49 Kilogr. pro Quadrat-Millimeter
berechnet wird, wenn er demselben Drucke ausgesetzt ist; mit andern Worten, daß bei
diesen beiden Substanzen, wenn sie unter den genannten Bedingungen geprobt werden,
die Widerstandsfähigkeit des Holzes in Vergleich zu der des Eisens in dem Verhältniß
wie ungefähr 1 : 11 steht.
Auf der andern Seite geht aus den von Rondelet, Tredgold,
Dupin, Napier u.a. mit prismatischen Körpern von Holz oder Eisen, die mit
ihren Enden auf Stützen gelegt und in der Mitte ihrer Länge belastet wurden,
gemachten Proben hervor, daß die Elasticität dieser Körper bei dem Holz und bei dem
Schmiedeisen in dem Verhältniß wie 1 zu 20 steht, woraus folgt, daß die absolute
Festigkeit für einen eisernen Würfel 11mal und bei einem prismatischen horizontal
gelegten Körper von derselben Beschaffenheit ungefähr 20mal diejenige eines Würfels
oder eines Eichenholzstückes beträgt.
Nun ist es begreiflich, daß es, wenn das in prismatische Stangen gewalzte Eisen ohne
Vermehrung der Kosten bei den Dachstühlen unserer Bauten das Holz ersetzen soll,
erforderlich wäre, daß die Preise bei den Materialien unter sich in denselben
Verhältnissen stehen müßten als die resp. Widerstände derselben. Dieser Fall findet
aber nicht statt; da der durchschnittliche Preis des Zimmerwerks von neuem
Eichenholz, bearbeitet und gerichtet, gegenwärtig pro
Stere (32 3/10 preuß. Kubikfuß) 110 Fr., der von geschmiedetem Eisen aber für Dächer
und Fußböden durchschnittlich 80 Fr. pro 100 Kilogramme
oder 6230 Fr. 40 Cent. pro Kubikmeter beträgt, so sieht
man, daß die Preise dieser beiden Arten von Arbeiten nicht mehr in dem Verhältniß
wie 1 : 11 oder wie 1 : 20, sondern wie 1 : 56 und 64 stehen, und daß es unter
diesen Bedingungen nicht ökonomisch seyn kann, das Holz durch Eisen zu ersehen, das
in prismatischen Stäben verwendet wird.
Bei diesem Stand der Sachen waren es materielle Hindernisse, welche unüberwindlich
erscheinen mußten und es auch wirklich lange waren. Diese Hindernisse bestehen heute
nicht mehr. Da sich die Anordnung der prismatischen Form der Wahl zwischen dem Holze
und Eisen widersetzte, so hat man darauf verzichtet. Die Hüttenmeister, welche sich
anfänglich mit der Fabrication röhrenförmigen Eisens abgaben, erfanden neue
Combinationen, die man als die Vollkommenheit selbst betrachten würde, wenn der
Fortschritt Gränzen hätte. So liefert jetzt die
Hüttengesellschaft de la Providence dem Handel Winkeleisen,
Fenstersprosseneisen, Eisen mit kreuzförmigem Querschnitt, halb ┬ förmiges, ┬
förmiges, doppelt ┬ förmiges, dreifach ┬ förmiges Eisen u.s.w. bis zu 130 Sorten, welche
alle in Form und Dimension verschieden, alle mit so großer Sorgfalt gewalzt sind,
daß ihr Querschnitt überall scharf und ihre Kanten so rein sind wie auf dem Papier,
welches dem Arbeiter als Modell diente. Es ist dieß ein großer Fortschritt, dessen
Resultate für die Oekonomie der Bauten von unschätzbarem Werthe sind.
Von allen diesen Eisen sind unserer Meinung nach die vortheilhaftesten die doppelten
und dreifachen ┬ Eisen, die man für Balken,
Unterzüge, Riegel, Dachstuhlsäulen, Pfetten u.s.w., woraus man Fußböden und Dächer
zusammensetzt, welche die Gebäude beinahe unbrennbar machen, benützt. Diese Eisen,
welche wir „combinirte“ nennen, gewähren bei ihren
Querdurchschnitten mehr Stabilität und Widerstand für ein und dasselbe Volumen, und
sind ökonomischer zu verwenden als die einfachen Stäbe mit rechtwinkeligem
Querschnitt, auch sind sie billiger herzustellen als aus Holz, was durch ein
einziges Beispiel bewiesen werden kann.
Nach Reynaud's vortrefflichem
Werke „Traité
d'architecture“ Theil 1, Seite 123 findet man, daß ein Stück
Eichenholz von 6 Meter Länge auf zwei Stützpunkten horizontal gelegt, bei einem Durchschnitt von 0,33
Quadratmeter in der Mitte seiner Länge eine Last von 2439,50 Kilogr. zu tragen im
Stande ist; dagegen ersieht man aus den folgenden Tabellen, daß eine doppelt ┬ förmige Stange Eisen von 6 Meter bei 0,16
Centim. Höhe ebenso gelegt als das Holz eine Last von 3000 Kil. tragen könnte, ohne
daß der Krümmungspfeil der Biegung 0,036 Meter überstiege. Das Holzstück würde, das
Stere zu 95 Fr. berechnet, 62 Fr. 7 Cent. kosten, während die 150 Kilogr. wiegende
Eisenstange, das Kil. zu 0,30 Cent. gerechnet, den Preis von 45 Fr. nicht
übersteigen würde. Es werden also außer dem geringen Preis noch die Vortheile
erreicht daß das Eisen bei bedeutend größerem Widerstande anstatt 0,33 Meter eine
Höhe von 0,16 Meter hat.
In nachfolgender Tabelle sind die Resultate der zahlreichen Versuche enthalten, die
über die Widerstandsfähigkeit der in Rede stehenden Eisen gemacht wurden.
I. Tabelle.
Resultate der Versuche über die Widerstandsfähigkeit des Eisens
von verschiedenen Tragweiten und bei einer gegebenen Belastung.
Höheder
doppelten Stäbe.
Gewichtder Stäbe pro Meter.
Belastungin der
Mitte derLänge der Stäbe.
Tragweiteoder
Entfernungder Stützpunkte.
Pfeil
derBiegungskrümmungunter der Belastung.
Pfeil
derBiegungskrümmung nach der Probe.
Meter.
Kilogr.
Kilogr.
Meter.
Millim.
Millim.
0,22
25,33
1000
1
2
–
0,22
25,33
1000
2
3
–
0,22
25,33
1000
3
4
–
0,22
25,33
1000
4
6
–
0,22
25,33
1000
5
8
–
0,22
25,33
1000
6
11
1
0,22
25,33
1000
7
17
1
0,22
25,33
1000
8
23
2
0,22
25,33
1000
9
34
2
0,22
25,33
1000
10
46
2
II. Tabelle.
Erhaltene Resultate als Widerstände von Eisen verschiedener
Tragweite und bei gegebener Belastung.
Gewicht und
Dimensionen
der
erprobten Stäbe.
Versuche mit der
Belastung in der Mitte
der Stäbe.
Versuche mit
gleichmäßig vertheilter
Belastung.
Höhe der Stäbe.
Gewicht der Stäbe pro lauf. Meter.
Tragweiteder Stäbe.
Gewicht der Belastung.
Krümmungspfeil der Biegung.
Gewicht der Belastung.
Krümmungspfeil der Biegung.
Meter.
Kil.
Meter.
Kil.
Millim.
Kil.
Millim.
0,12
15
4
3000
21
3000
17
0,12
15
6
2000
52
3000
48
0,12
15
8
2000
132
3000
134
0,12
15
10
1000
150
2000
202
0,14
20
4
3000
20
3000
12
0,14
20
6
3000
52
1/2
3000
31
0,14
20
8
2000
92
3000
74
0,14
20
10
2000
182
3000
184
0,16
25
4
3000
8
7000
20
0,16
25
6
3000
36
7000
62
0,16
25
8
3000
83
6000
114
0,16
25
10
3000
198
4000
150
0,22
40
4
5000
12
7000
12
1/2
0,22
40
6
5000
26
7000
28
0,22
40
8
4000
42
4000
32
0,22
58
7,50
–
–
10000
–
Bei diesen Versuchen waren die auf die Stützpunkte gelegten und nicht befestigten
Balken gekuppelt und verbolzt, um der auf sie zu legenden Belastung mehr Lager zu
verschaffen.
Die Gesellschaft der Hütten de la Providence hat auf dem Quai Jemappes in Paris eine
große Niederlage angelegt, in welcher fortwährend mehr als zwei Millionen Kilogr.
ihrer Erzeugnisse vorräthig sind.