Titel: | Ueber Ersatzmittel des Flachses und Hanfes für die Manufacturen, und über Materialien für Papier; von Samuel Gregson, Parlamentsmitglied. |
Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. LXIII., S. 224 |
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LXIII.
Ueber Ersatzmittel des Flachses und Hanfes für
die Manufacturen, und über Materialien für Papier; von Samuel Gregson, Parlamentsmitglied.
Aus dem Mechanics' Magazine, 1854, Nr.
1614.
Gregson, über Ersatzmittel des Flachses und Hanfes für die
Manufacturen etc.
Unter andern wichtigen Fragen beanspruchen die öffentliche Aufmerksamkeit in
Großbritannien jetzt die Ersatzmittel des Hanfes und Flachses für die Manufacturen
und die Herbeischaffung der nothwendigen Menge von Materialien für den Bedarf der
Papierfabriken. Der Krieg mit Rußland vermindert nämlich die Einfuhr von Flachs und
Hanf, während der immer steigende Papierverbrauch in einem sehr ungleichen
Verhältniß mit den zu dessen Fabrication verfügbaren Hadern oder Lumpen steht.
Ich will im Folgenden die auf beide Gegenstände bezüglichen Thatsachen
zusammenstellen.
Die Flachscultur hat in den letzten Jahren in dem vereinigten Königreich bedeutend
zugenommen, besonders in Irland. Im Jahre 1849 waren in Irland 60,314 Acres mit
Flachs bestellt, und wenn man annimmt, daß von jedem Acre 6 Centner geerntet werden,
so macht dieß 18,094 Tonnen. Im Jahre 1853 wurden von 174,423 Acres 52,327 Tonnen
Flachs gewonnen.
Die Einfuhr von fremdem Flachs war in den letzten drei
Jahren folgende:
Aus Rußland.
Aus andern Ländern.
In Summa.
Tonnen.
Tonnen.
Tonnen.
Im Jahr 1851
40,934
18,775
59,709
„ „ 1852
47,426
22,703
70,129
„ „ 1853
64,399
29,770
94,169
––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summa in 3 Jahren
152,759
71,248
224,007
––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Im Durchschnitt jährl.
50,920
23,749
74,669
Wie man sieht, betrug die Einfuhr aus Rußland im letzten Jahre 16,973 Tonnen mehr als
im Jahre 1852 (13,479 Tonnen mehr als die durchschnittliche Einfuhr in den drei
Jahren).
Lassen wir die Flachsproduction in Großbritannien außer Beachtung, weil wir darüber
keine sicheren Angaben haben, so betrug die Einfuhr zusammen mit der irischen
Produktion, im Jahre 1853 = 146,496 Tonnen Flachs, von welcher ganzen Quantität fast
die Hälfte und von der Gesammteinfuhr mehr als Zweidrittel aus Rußland kamen; der
Marktwerth dieses Quantums zum durchschnittlichen Preis der Friedensjahre von 30 Pfd. St. per Tonne
gerechnet, beträgt 2,000,000 Pfd. St.
Wenden wir uns nun zu dem Hanf. Die Einfuhr aus Rußland
ist in diesem Artikel nicht so bedeutend; eingeführt werden überdieß der sogenannte
Sunn und Jute aus Indien, und der sogenannte Manillahanf. Die Einfuhr von Hanf war
nachstehende:
Aus Rußland.
Aus andern Ländern.
In Summa.
Tonnen.
Tonnen.
Tonnen.
Im Jahre 1851
33,229
31,442
64,671
„ „ 1852
27,198
26,516
53,714
„ „ 1853
41,819
21,323
63,142
––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summa in 3 Jahren
102,246
79,281
181,527
––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Jährlicher Durchschnitt
34,082
26,427
60,509
Hier sehen wir wiederum, daß Rußland bedeutend mehr als die Hälfte der ganzen Einfuhr
lieferte, welche im letzten Jahre in runder Summe 42,000 Tonnen betrug, die nach dem
durchschnittlichen Friedenspreis (35 Pfd. St. per Tonne) einen Werth von 1,500,000 Pfd. St.
hatten.
Wir empfingen daher im Jahre 1853 von beiden Artikeln aus Rußland:
Flachs
64,399
Tonnen
im
Werthe
von
1,931,970
Pfd.
St.
Hanf
41,819
„
„
„
„
1,463,665
„
„
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summa
106,218
Tonnen
im
Werthe
von
3,395,635
Pfd.
St.
und der gegenwärtige Krieg hat diesen Werth bis auf 6,500,000
Pfd. St. erhöht.
Ich will nun auf die Papier-Materialien übergehen.
Wir beziehen nur in geringem Maaße von andern Ländern direct die Materialien zur
Papierfabrication. Die hauptsächlich aus Deutschland und aus Italien eingeführten
Lumpen betragen weniger als den zwölften Theil des ganzen Gewichts von Material
aller Art welches bei uns zur Papierfabrication verwendet wird. So gering aber auch
diese Einfuhr im Verhältniß zu unserm Bedarf ist, so behalten wir sie nicht einmal.
Die Amerikaner kaufen in England Massen von Lumpen auf; die Vereinigten Staaten
verbrauchen nämlich eine ungeheure Menge von Papier zum Druck ihrer vielen
Zeitungen, wofür das inländische Material bei weitem nicht ausreichen.
In unserm Lande steigt der Papierverbrauch fortwährend; in den fünf Jahren von 1839
bis 1834 (von der Verminderung der Verbrauchsteuer von 3 Pence per Pfund der Luxuspapiere auf die jetzige Steuer von 1
1/2 Pence per Pfd.) belief sich das jährliche
Fabricationsquantum im Durchschnitt auf 70,988,131 Pfd.; und in den letzten fünf
Jahren, von 1849 bis 1853, betrug es 151,234,175 Pfd. Die Production im Jahre 1853
belief sich auf 177,623,009 Pfd., also um 23,000,000 Pfd. (oder, beiläufig 10,000
Tonnen) mehr als im J. 1852, und um 36,000 Tonnen mehr als die Production von 1834;
es waren daher im erstem Falle 13,000 Tonnen und im letztern fast 47,000 Tonnen mehr
Rohmaterial erforderlich. Das ganze Gewicht des Materials welches zur
Papierfabrication jährlich verwendet wird, kann zu 110,000 bis 120,000 Tonnen
angenommen werden.
Es folgt aus obigen Daten, daß für die brittischen Flachsspinnereien, die Seiler
etc., sowie für die Papierfabriken, im Vergleich mit der Lage am Anfang des Jahres
1853, etwa 120,000 Tonnen Rohmaterial fehlen, nämlich:
die Einfuhr des letzten Jahres an Flachs
und Hanf aus
Rußland
106,218
Tonnen.
der oben angeführte Defect an
Papiermaterialien
13,000
„
––––––––––––––
in Summa
119,218
Tonnen.
Hiervon geht bloß dasjenige ab, was durch Zwischenhandel aus Rußland eingeführt
werden kann, und es dürfte daher im günstigsten Fall immer noch ein Quantum von
80,000 bis 100,000 Tonnen fehlen.
Bei dieser Lage fragt es sich, auf welche Weise wir diesen Ausfall zu ersetzen im
Stande sind.
Nach den Thatsachen, zu deren Kenntniß ich' gelangt bin, unterliegt es keinem
Zweifel, daß wir aus Indien Ersatz für den russischen Flachs und Hanf erhalten
können, und offenbar hätten wir diese Quelle nicht so lange vernachlässigen
sollen.
Dr. Forbes Royle, bekanntlich
einer der besten Kenner der indischen. Flora, hat (in der vorhergehenden Abhandlung)
gezeigt, daß in verschiedenen Gegenden des indischen Reichs nicht allein die den
Flachs und Hanf liefernden Pflanzen, sondern auch zahlreiche andere Pflanzen
vorkommen, welche als Material zum Verspinnen, zur Seilerei etc. von großer
Wichtigkeit sind, und von den einige auch eine große Festigkeit haben, wie directe Versuche
bewiesen; man hat nämlich diese Faserstoffe mit Gewichten bis zum Zerreißen
beschwert und nachstehende Zerreißungsgewichte gefunden:
Fasern von gleichem Gewicht und von gleichen Längen, welche in
den Militär-Magazinen der ostindischen Compagnie auf ihre Festigkeit
probirt wurden.
Petersburger Hanf zerriß mit
160
Pfd.
Jubhulpore Hanf, von Hrn. Williams, mit
190
„
Wuckoo nar Faser, von Travancore,
mit
175
„
Mudar- oder Yerkum-Faser,
welche in ganz Indien vorkommt,
mit
190
„
Chinesisches Gras, Boehmeria nivea, mit
250
„
Rheea-Faser, dieselbe Faser aus
Assam, mit
320
„
Wilde Rhea, Boehmeriae species aus Assam, mit
343
„
Kote Kangra-Hanf, zerriß nicht mit
400
„
Nun wachsen zwar einige von diesen indischen Pflanzen an Orten, welche fern vom
Meeresufer liegen und zu denen schlechte oder vielmehr gar keine Straßen führen, so
daß der Transport schwierig ist; mehrere von ihnen und besonders die
vortheilhaftesten von allen, wachsen aber auch in der Nähe der Küste, und können
daher mit Vortheil und wohlfeil ausgeführt werden.
Die vorzüglichste von allen ist der Pisang (die
Paradiesfeige), der eine sehr schätzbare Faser gibt und überall in den indischen
Ebenen wegen seiner Früchte cultivirt wird, welche von den Eingebornen allgemein als
Nahrungsstoff benutzt wurden. Er ist ein Baum, der nur einmal Früchte trägt, und
sobald diese geerntet sind, wird derselbe seit undenklichen Jahren umgehauen und
bleibt, um zu verfaulen, auf dem Boden liegen. Genaue Kenner des Gegenstandes
behaupten, daß es gar keine Schwierigkeiten haben würde, mittelst dieser Pflanze
allein schon jede erforderliche Quantität von Fasern zu erlangen. Die mit dem
erwähnten Faserstoff angestellten Versuche erweisen denselben als sehr anwendbar zu
allen Arten von Zeugen, wozu jetzt das Gespinnst der Flachs oder Hanf liefert, und
eben so läßt er sich zur Papierfabrication benutzen.