Titel: | Ueber die Kieselerde und einige technische Anwendungen derselben; von Hrn. J. Barlow. |
Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. LXVII., S. 290 |
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LXVII.
Ueber die Kieselerde und einige technische
Anwendungen derselben; von Hrn. J.
Barlow.
Vortrag desselben in der Royal Institution zu London. – Aus der Chemical Gazette, 1854,
Nr. 279.
Barlow, über die Kieselerde und einige technische Anwendungen
derselben.
Die Kieselerde ist bekanntlich einer der verbreitetsten Körper des Mineralreichs.
Quarz, gewöhnlicher Sand (Quarzsand) etc., Feuerstein, Chalcedon, Opal etc., und
eine von Hrn. J. T. Way
62) beschriebene Sandvarietät sind respective Beispiele von krystallisirter und
nichtkrystallisirter Kieselerde. Unter allen diesen Formen ist die Kieselerde fähig
sich mit Basen als eine Säure zu verbinden. Hitze ist jedoch durchaus nothwendig, um
diese Verbindung zu bewirken, eine Verbindung, durch welche die sämmtlichen
Silicate, seyen es natürliche (wie Feldspath, Glimmer, Thon etc.), oder künstliche
(wie Glas, Schlacken etc.) entstehen. Das gewöhnliche unauflösliche Glas entsteht
durch die Vereinigung von Kieselerde mit mehr als einer Basis. Bloß mit einer
alkalischen Basis verbunden, bildet hingegen die Kieselerde ein auflösliches Glas,
dessen Löslichkeitsgrad von dem Verhältniß zwischen der Kieselerde und der
alkalischen Basis abhängt.
Dieses auflösliche Alkalisilicat oder Wasserglas
63) läßt sich auf verschiedene Weise bereiten. Wenn man Quarzsand anwendet, so
macht man ein inniges Gemenge von 15 Theilen feinem Sand mit 8 Theilen kohlensaurem Natron, oder mit 10
Theilen kohlensaurem Kali, und 1 Thl. Holzkohlenpulver; dieses Gemenge, in einem
Ofen geschmolzen, liefert ein in kochendem Wasser lösliches Alkalisilicat.
Die HHrn. Ransome
64) erhielten dieses Alkalisilicat, indem sie zerstoßene Feuersteine in einer
Lösung von ätzendem Alkali bei der Temperatur von 300° Fahr. (149°
Cels.) auflösten. Und unlängst machte Hr. Way
65) die Beobachtung, daß der von ihm aufgefundene Sand, welcher aus 75 Theilen
Thon und 25 Theilen auflöslicher (amorpher) Kieselerde besteht, sich mit caustischem
Alkali bei der Siedhitze verbindet und damit ein Wasserglas bildet.66)
Das Wasserglas wurde bereits zu mehreren wichtigen Zwecken angewandt, wovon wir drei
besonders besprechen wollen.
I. Um Bausteine gegen das Verderben zu schützen. –
Da die Mauern der Gebäude auf ihrer Oberfläche der Einwirkung der Atmosphäre
ausgesetzt sind, so können sie aus verschiedenen Ursachen den Zusammenhang
verlieren. Feuchtigkeit wird in ihren Poren absorbirt. Die Neigung ihrer Theilchen,
sich in Folge der durch Temperaturänderung veranlaßten Ausdehnung und
Zusammenziehung zu trennen, wird dadurch vergrößert. Schweflige Säure befindet sich
stets in der Atmosphäre von Städten wo Steinkohlen gebrannt werden, und sie muß
nothwendig die Oolite (Kalksteine) und Dolomite durch ihre Wirkung auf den Kalk und
die Bittererde derselben zerfressen. Allerdings widerstehen gute Steine den
erwähnten Einflüssen sehr lange Zeit, aber ein solches Material ist nur selten zu
bekommen. Als ein Schutzmittel gegen die Zerstörung, sie mag von physischen oder chemischen
Ursachen herrühren, hat man vorgeschlagen die Oberfläche der Steine mit einer
Auflösung von Wasserglas zu sättigen.
Bekanntlich ist die Verwandtschaft der Kieselerde zum Alkali so schwach, daß sie von
dieser Basis durch die schwächsten Säuren, selbst die Kohlensäure abgeschieden wird.
Nach der Erwartung Derjenigen, welche die Verkieselung der Steine empfehlen, muß die Kohlensäure der Atmosphäre die Kieselerde aus dem
Wasserglas frei machen, und die so abgeschiedene Kieselerde sich in den
Poren des Steins und um dessen Theilchen herum ablagern; dadurch werden die
Berührungspunkte dieser Theilchen vergrößert, und es entsteht gewissermaßen eine
Glasur von unauflöslicher Kieselerde, welche genügt um den Stein gegen die Wirkungen
der Feuchtigkeit etc. zu schützen.67) Ein derartiger Schutz ist besonders für Sandsteine anwendbar. So oft aber
der Baustein eine etwas beträchtliche Menge von kohlensaurem Kalk oder kohlensaurer
Bittererde enthält, soll auch noch eine chemische
Wirkung, welche den Stein ebenfalls schützt, zwischen diesen Carbonaten und dem
Wasserglas stattfinden. Kuhlmann
68) bemerkt: „Jedesmal, wenn man ein unauflösliches Salz mit der
Auflösung eines Salzes in Berührung bringt, dessen Säure mit der Basis des
unauflöslichen Salzes ein noch unauflöslicheres Salz bilden kann, findet ein
Austausch statt; aber meistens ist dieser Austausch nur ein theilweiser. In
Folge dieses „theilweisen Austausches“ läßt sich erwarten,
daß ein unauflösliches Kalksalz gebildet wird, wenn man eine Auslösung von
Wasserglas auf den kohlensauren Kalk oder die kohlensaure Bittererde der
politischen oder dolomitischen Bausteine einwirken läßt.“
Diese Erwartung hat sich jedoch durch das Experiment nicht vollkommen bestätigt. Hr.
Ch. Smith (Mitverfasser des Berichts über die Wahl des
Steins zum Bau der neuen Parlamentshäuser) tauchte ein Stück Caen-Stein
(Kalkstein) in eine Auflösung von Kalisilicat im Monat Januar 1849; dieses Stück,
nebst einem Theil des Blocks von welchem es abgeschlagen worden war, legte er auf
das Dach eines Gebäudes, um es der Einwirkung der Atmosphäre und der Witterung
gehörig auszusetzen; nach fünf Jahren waren das verkieselte und das nicht
verkieselte Stück in demselben Zustand, beide nämlich gleichmäßig zerfressen.
Welches Endresultat dieses Verfahren aber auch liefern mag, so sind die
unmittelbaren Wirkungen auf den Stein immerhin merkwürdig; ich tränkte vor zwei Monaten ein Stück
Caen-Stein mit einer Auflösung von Wasserglas; während der Stein vorher weich
war und beim Abbürsten mit Wasser leicht abgerieben wurde, auch eine schwache
Auflösung von schwefliger Säure seinen Kalkgehalt auflöste, war hingegen die
Oberfläche des verkieselten Steins ziemlich hart und widerstand der erwähnten
Behandlung mit Wasser und verdünnter Säure.
II. Eine andere Anwendung des Wasserglases ist die zum Erhärten
von Cementen, Mörtel etc., so daß sie von Wasser nicht mehr durchdrungen
werden können.
Vor vierzehn Jahren schlug Anthon in Prag mehrere
Anwendungen des Wasserglases vor. Unter andern empfahl er Mörtel damit wasserdicht
zu machen.69) Er glaubt, daß es auch anstatt der Kalkmilch zum Weißen der Zimmerwände mit
Vortheil angewandt werden könnte.70) Durch mehrere Versuche zeigte er, daß kohlensaurer Kalk, mit einer schwachen
Auflösung von Wasserglas angerührt, und als Weiße auf Wände aufgetragen, sich mit
einem in Wasser getränkten Schwamm nicht abwaschen läßt, und daß die gewöhnliche
Weiße der Maurer eben so haftend wird, wenn man sie mit Wasserglas überwäscht.71)
III. Die Stereochromie von
Fuchs.
Die Bildung eines unauflöslichen Cements mittelst des Wasserglases, welche jedesmal
stattfindet, wenn die Kohlensäure der Atmosphäre auf letztere Substanz wirkt oder
wenn man sie mit einem Kalksalz in Berührung bringt, wurde von Fuchs zu einem höchst wichtigen Zweck angewandt. Die Stereochromie ist im
Wesentlichen das Verfahren beim Fresco secco; wozu aber
kommt, daß sie Werke von der höchsten artistischen Vollendung auszuführen
gestattet72) , überdieß von unbegränzter Dauer und in sehr großem Maaßstabe. Die Methode
von Fuchs (wie sie von Hrn. Echter zu München dem Hrn. Professor Dr. Hofmann zu London mitgetheilt wurde) ist folgende:
„Reiner und gewaschener Quarzsand73) wird mit der geringsten Quantität von gebranntem Kalk gemischt, wobei er
auf die Wand aufgetragen werden kann.74) Dann wird die Oberfläche mit einem eisernen Schaber abgenommen, um die
in Berührung mit der Atmosphäre gebildete Schicht zu entfernen; die Wand wird
während dieser Operation immer naß erhalten. Dann läßt man die Wand trocknen;
nach dem Trocknen ist sie gerade in demjenigen Zustande, wo sie mit dem Finger
abgerieben werden könnte. Nun muß die Wand fixirt,
d.h. mit Wasserglas75) befeuchtet werden. [Ein wichtiger Punkt ist, daß man nicht zu viel
Wasserglas beim Netzen der Wand anwendet, damit sich deren Poren nicht
verstopfen.] Diese Operation wird gewöhnlich mit einem Pinsel ausgeführt. Die
Wand muß in einem solchen Zustand bleiben, daß sie beim nachherigen Bemalen die
Farben annehmen kann. Wurde, wie es nicht selten vorkommt, die Wand zu stark
fixirt, so muß ihre Oberfläche mit Bimsstein abgerieben und wieder fixirt
werden. Die in solcher Art fixirte Wand läßt man trocknen. Bevor der Maler
anfängt, befeuchtet er denjenigen Theil, auf welchem er zu arbeiten
beabsichtigt, mit destillirtem Wasser, was mittelst einer Spritze geschieht.
Dann malt er; wünscht er einen Theil zu übermalen, so befeuchtet er wieder.
Sobald das Bild fertig gewacht ist, wird es mit Wasserglas überspritzt. Nachdem
die Wand trocken ist, setzt man das Bespritzen derselben so lange fort, als ein
nasser Schwamm noch
Farbe wegnehmen kann. Bisweilen zeigt sich eine Efflorescenz von kohlensaurem
Natron auf dem Bild, bald nach seiner Vollendung. Diese kann man entweder durch
Bespritzen mit Wasser entfernen, oder der Wirkung der Atmosphäre
überlassen.“
76)
Abgesehen von den offenbaren Vortheilen, welche die Stereochromie im Vergleich mit
der eigentlichen Frescomalerei besitzt (dahin gehört, daß sie das Retouchiren der
Bilder gestattet und keine Ansätze beim neuen Bemalen sich zeigen), werden die
stereochromisch ausgeführten Bilder von der Feuchtigkeit und den atmosphärischen
Einflüssen gar nicht beschädigt, welche notorisch die eigentliche Frescomalerei
zerstören. Man hat mit einem solchen Bild folgenden entscheidenden Versuch gemacht:
es wurde zwölf Monate lang in freier Luft aufgehängt, neben dem Hauptkamin des neuen
Museums zu Berlin; während dieser Zeit war es dem Sonnenschein, Nebel, Schnee und
Regen ausgesetzt, und doch behielt es seine volle Farbenfrische.77)
Die Stereochromie wurde in großem Maaßstab von Kaulbach
zum Verzieren der inneren Räume des schon erwähnten großen Museums zu Berlin
angewandt.78) Diese Verzierungen schreiten nun vor und bestehen in historischen Gemälden
(von 21 Fuß Höhe und 24 3/4 Fuß Breite), einzelnen colossalen Figuren, Friesen,
Arabesken etc. Ueber den Effect der drei fertigen Bilder hat sich ein anerkannter
Kunstkenner dahin ausgesprochen, daß sie vollkommen die Lebhaftigkeit und die Kraft
der Oelgemälde haben, während die blendende Verwirrung wegfällt, welche bei neuen
Oelgemälden dem Beschauer begegnet, wenn er sie nicht in einer gewissen Richtung
betrachtet, die er erst suchen muß.
Hr. A. Church kam auf die Idee, die Oberfläche der
Kalksteine, da sie durch den schon beschriebenen Proceß geschützt wird, als
natürliches intonaco zur Aufnahme von Malereien für
äußere Verzierungen zu benutzen; die Malerei würde dann mittelst Wasserglas auf den
Stein gekittet.
Hr. Church führte auch Zeichnungen von Blättern auf einer
Art terra cotta aus, die er mit einer Varietät von Way's Kieselgestein bereitet. Die Oberfläche derselben
ist nach dem Erhärten mittelst des Brennens, sehr geeignet um die Farben anfangs
anzunehmen und sie nach der Verkieselung zurückzuhalten.79)