Titel: | Ueber eine einfache, als Rettungsapparat zu gebrauchende Vorrichtung, isolirte Schächte und Oerter auf schnelle Weise mit frischen Wettern zu versorgen; von A. Gurlt. |
Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. LXIII., S. 276 |
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LXIII.
Ueber eine einfache, als Rettungsapparat zu
gebrauchende Vorrichtung, isolirte Schächte und Oerter auf schnelle Weise mit frischen
Wettern zu versorgen; von A.
Gurlt.
Aus der berg- und hüttenmännischen Zeitung, 1854,
Nr. 24.
Gurlt, über eine Vorrichtung, isolirte Schächte auf schnelle Weise
mit frischen Wettern zu versorgen.
Es kommt leider noch so sehr häufig vor, daß sich beim Befahren von Schächten und
Brunnen, welche lange Zeit außer Wetterwechsel gestanden haben, Unglücksfälle
ereignen, indem hierbei sehr oft gegen die, durch die Gefahr gebotene, Vorsicht
gefehlt wird. Gewöhnlich fordert eine solche Unvorsichtigkeit mehrere Opfer, indem
der zuerst durch die bösen Wetter verunglückten Person, noch mehrere Andere, um sie
zu retten, nachfahren, und ihnen dann ebenfalls unterliegen.
Es ist daher zur sicheren Befahrung eines solchen Ortes, in welchem sich der
Verunglückte befindet, durchaus nothwendig, daß es zuerst mit athembaren Wettern
versorgt werde, ehe weitere Rettungsanstalten getroffen werden können. Diejenigen
Mittel nun, welche wir zur Erlangung dieses Zweckes besitzen, sind leider in den
meisten Fällen unzureichend, indem sie so langsam wirken, daß die Wiederbelebung der
Erstickten, vorzüglich wenn die tödtende Gasart Kohlensäure war, was wohl meistens
der Fall ist, mehr als zweifelhaft bleibt.
Die gewöhnlichsten Mittel zur Erzeugung eines Wetterwechsels in solchen isolirten
Räumen sind: das Büscheln mit Baumästen, das Eingießen von Wasser, und wo diese vorhanden, auch wohl
das Eingießen von Kalkmilch in den wetterbenöthigten
Raum. Außer diesen fast nur durch ihre Bewegung mechanisch wirkenden Mitteln, wendet
man wohl auch noch zuweilen eine partielle Erwärmung des Schachtes oder Brunnens an,
indem man einen Feuerkorb einhängt, um durch die von ihm ausgehende Hitze eine
Verdünnung der von ihr zunächst berührten Luftschichten, und somit das Aufsteigen
derselben zu bewirken.
Ohne Zweifel würde eine Luftverdünnung durch Erwärmung das
wirksamste Mittel seyn, wenn es nur in der angedeuteten Weise überall anwendbar
wäre. Da jedoch das in dem Feuerkorbe befindliche, und über Tage in Brand gesetzte
Brennmaterial zu seinem weiteren Fortbrennen des freien Sauerstoffs bedarf, welcher
gerade in dem wetterbenöthigten Orte fehlt, so ist es klar, daß auch der Feuerkorb
unzulänglich ist einen
schnellen Wetterwechsel zu erzeugen, es sey denn, daß man im Stande wäre, ihn
anderweitig mit frischer Luft zu versorgen.
Es wird daher zur schnellen Erzeugung von Wärme in verdorbenen Wettern vorzüglich ein
solcher Körper brauchbar seyn, welcher zu seiner Verbrennung keines atmosphärischen Sauerstoffes bedarf, welcher vielmehr denselben in
hinreichender Menge in sich selbst besitzt. Einen solchen Körper besitzen wir in den
Feuerwerkssätzen, welche in der
Kriegs-Feuerwerkerei so vielfache Anwendung finden.
Zu dem in Rede stehenden Zweck würde man nun einen solchen Satz zu wählen haben,
welcher, indem er langsam verbrennt, eine sehr hohe Temperatur zu erzeugen fähig
ist, wie der Zündlichtersatz oder der Brandbombensatz der preußischen Artillerie.
Der Zündlichtersatz besteht aus:
100 Theilen
Salpeterschwefel,Salpeterschwefel ist ein Gemenge von 75 Thln. Salpeter und 25 Thln.
Schwefel; Mehlpulver ist zerriebenes Schießpulver.
85 „
Mehlpulver,
7 „
Kolophonium,
welche in fein pulverisirtem Zustande innig mit einander
gemengt werden. Der Satz wird in die, aus Papier gefertigten, Hülsen der Zündlichte
fest eingeschlagen, und zwar brennen 4,2 Kubikzoll oder ungefähr 12–14 Loth
desselben bei 0,28 Quadratzollen Brennfläche 12–15 Minuten mit 4–5 Zoll langer Flamme.
Der Brandbombensatz hingegen besteht aus:
100 Theilen
Salpeterschwefel,
7
„
Mehlpulver,
33,5 „
Kolophonium,
und wird bereitet, indem man in das geschmolzene Kolophonium
die beiden übrigen Bestandtheile sorgfältig einrührt. Er dient zum Anfüllen der
eisernen Brandbomben, welche mittelst der aus ihren Brandlöchern ausströmenden
Flamme, brennbare Gegenstände zu entzünden bestimmt sind.
Beide Sätze nun sind so zusammengesetzt, daß sie zu ihrer Verbrennung keines
atmosphärischen Sauerstoffes bedürfen, und eine sehr hohe Temperatur erzeugen, also
für den in Rede stehenden Zweck vorzüglich geeignet wären. Außerdem haben sie die
gute Eigenschaft, daß sie lange aufbewahrt werden können, ohne zu verderben, oder
gar sich selbst zu entzünden, und daß sie auch nicht theuer sind, wenn man überhaupt
die Kostenfrage zu berücksichtigen hat, wo es die Rettung von Menschenleben
gilt.
Was nun die Art der Anwendung dieser Sätze betrifft, so wäre es gewiß am einfachsten,
denselben statt in den Feuerkorb, auf eine eiserne Schale zu schütten, zu entzünden,
und dann wie jenen in den Schacht an einem Seile niederzulassen.
Da jedoch die größere oder geringere Geschwindigkeit der Verbrennung wesentlich von
dem Grade der Lockerheit des Feuerwerkssatzes und der Größe seiner Brennfläche
bedingt wird, man aber eine verhältnißmäßig langsame Verbrennung wünscht, um der
möglich besten Erwärmung der Luft im Schachte Zeit zu lassen, so dürfte es
zweckmäßig seyn, den Satz in eine Hülse fest einzuschlagen, welche Oeffnungen
besitzt, aus denen die Flamme entweichen könnte. Hierzu würde vielleicht eine hohle
gußeiserne Kugel, welche ähnlich wie eine Brandbombe construirt und mit Brandlöchern
versehen ist, jedoch auch einen Henkel besitzt, um sie an
ein Kettenstück und ein Seil anhängen zu können, die geeignetste Hülse seyn.
Demnach müßte eine solche gußeiserne Feuerkugel, welche
die Größe einer gewöhnlichen 25pfündigen Brandbombe hat, einen lichten Durchmesser
von 12'' bei 3/4'' Eisenstärke und an den Seiten vier runde Brandlöcher von 1,4''
Durchmesser haben. Außer den Brandlöchern besitzen die Brandbomben noch ein fünftes,
zwischen ihnen liegendes Loch, das Stopfloch, durch welches der Satz eingefüllt und
festgestopft wird; es könnte jedoch für diesen Zweck füglich fortfallen, da das
Füllen der Feuerkugeln auch durch die Brandlöcher geschehen kann.
Demnach würde eine Feuerkugel von 25pfündigem Kaliber circa 900 Kubikzoll Rauminhalt haben und etwa 84 Pfd. Satz fassen, welcher
zu seiner Verbrennung bei 6 Quadratzoll Brennfläche circa 30 Minuten bedürfte, wobei sich eine sehr bedeutende Menge stark
erhitzter Gase entbindet, welche im Schachte aufsteigen und eine Luftcirculation
bewirken.
Diese Gase anlangend, so würden sie kaum aus anderen Substanzen zusammengesetzt seyn,
als die verbrannten Gase der Steinkohlen, sie werden demnach vorzugsweise aus
Stickstoff, Kohlensäure, Kohlenoxydgas, Wasserdampf und vielleicht noch aus
schwefliger Säure bestehen, also auch nicht weniger athembar seyn, als wenn sie
durch Verbrennung von Steinkohlen entstanden wären. Außerdem werden sie vermöge
ihrer sehr beträchtlichen Ausdehnung und Erhitzung sehr schnell den Ort ihrer
Entstehung verlassen und sich keineswegs in tieferen Theilen des Schachtes
ansammeln, wie es wohl zuweilen bei Feuerkörben geschieht, in denen die brennenden
Materialien wegen des geringen Sauerstoffgehaltes der Umgebung nur noch schwach
glühen, also auch weder eine bedeutende Wärme, noch einen einigermaßen lebhaften
Luftzug erzeugen können.
Für die meisten Fälle würde das 25pfündige Kaliber einer Feuerkugel zu groß seyn, und
könnte man sich ja alsdann noch sehr viel kleinerer bedienen, und wenn es nöthig
werden sollte, statt einer großen mehrere kleinere anwenden.
Da die Kugeln bei der Anwendung nicht beschädigt werden, so kann man sie natürlich
öfter gebrauchen, sobald man sie wieder mit Satz füllt.
Die Entzündung des Satzes in den Kugeln würde von allen vier Brandlöchern aus zu
gleicher Zeit geschehen müssen, indem man ein Stück Zündschnur, welches in den Satz
mit eingeschlagen ist, und mehrere Zoll lang aus dem Brandloche hervorragt,
anzündet.
Was nun schließlich die Anfertigung der Feuerkugeln anlangt, so würde die innere Wand
derselben vor dem Füllen mit einem dünnen Ueberzuge von Harzpech zu versehen seyn,
welcher die directe Berührung der eisernen Wände mit dem Brandsatze verhindert; ohne
denselben würde nämlich der Salpeter oxydirend auf das Eisen einwirken und hierdurch
der Satz selbst verdorben werden. Nachdem mm der Pechüberzug erhärtet ist, wird die
Kugel mit dem Brandsatze, entweder in Pulverform (Zündlichtersatz) oder als Teig
(Brandbombensatz) gefüllt und festgestopft, was am besten mit einem Stopfholze
geschieht. Wenn die Kugel fast gefüllt ist, so bringt man durch jedes Brandloch ein
6 Zoll langes Stück Zündschnur, welches etwa 2 Zoll lang aus demselben hervorragt,
und stopft es fest in den Satz ein. Ist nun die Kugel vollständig gefüllt, so
streicht man auf den Satz in den Brandlöchern und um die Zündschnur Talg herum,
welcher die Feuchtigkeit von dem Brandsatze abhält. Alsdann klebt man mit Kleister
über jedes Brandloch eine Papierplatte und über diese eine in Pech getränkte
Leinwandplatte, welche beide vorsichtig abgenommen werden, wenn die Feuerkugel
gebraucht werden soll.
Die so gefertigte Kugel ist dann an einem kühlen, trockenen und luftigen Orte
aufzubewahren, damit sie jederzeit in einem brauchbaren Zustande sey.
Im Uebrigen würde man bei der Bereitung des Brandsatzes sowohl, wie bei der
Anfertigung der Feuerkugeln selbst, alle diejenigen Vorsichtsmaßregeln und
Vorschriften zu beobachten haben, welche in der Kriegsfeuerwerkerei in Anwendung
kommen.
Sollte man sich nun in der Nothwendigkeit befinden, von einer Feuerkugel Gebrauch
machen zu müssen, so wird sie an Ort und Stelle gebracht, die Beplattung abgenommen,
der Henkel an einer Kette und diese an einem Seile befestigt, und dann die
entzündete Kugel in den Schacht hineingehängt, wobei man sie vielleicht auf und
nieder zu bewegen hat, um die etwaige Entzündung der Schachtzimmerung zu verhüten.
Da übrigens die oben
angeführten Brandsätze auch unter dem Wasser brennen, so schadet es den Feuerkugeln
gar nichts, wenn auch der Schacht sehr naß ist, während ein Feuerkorb in ihm
verlöschen würde.