Titel: | Ueber die geruchbenehmende und desinficirende Eigenschaft der Holzkohle, nebst Beschreibung eines Kohle-Respirators zum Reinigen der Luft von Miasmen durch Filtration; von Dr. John Stenhouse. |
Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. IX., S. 28 |
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IX.
Ueber die geruchbenehmende und desinficirende
Eigenschaft der Holzkohle, nebst Beschreibung eines Kohle-Respirators zum
Reinigen der Luft von Miasmen durch Filtration; von Dr. John Stenhouse.
Aus der Chemical Gazette, 1854, Nr.
275.
Stenhouse, über die geruchbenehmende und desinficirende Eigenschaft
der Holzkohle.
Daß frisch gebrannte Holzkohle, besonders gepulverte, Gase und Dämpfe sehr leicht
absorbirt, ist längst bekannt; gelegentlich hat man sie auch benutzt, um
übelriechendes Wasser und thierische, in anfangender Fäulniß begriffene Substanzen
genießbar zu machen. Bis jetzt wurde aber eine andere, noch wichtigere Eigenschaft
der Holzkohle nach meiner Ansicht nicht genügend beachtet, nämlich ihre Wirkung auf
die so complicirten Fäulnißproducte, welche sie oxydirt und in die einfachsten
Verbindungen, die solche bilden können, überführt.
Wenn Kohlen oder Holz bei unzureichendem Luftzutritt verbrannt werden, so entstehen
wandelbare Mengen secundärer Producte, welche den sogenannten Ruß oder Rauch
ausmachen; geht hingegen die Verbrennung bei hinreichendem Luftzutritt und genügend
hoher Temperatur vor sich, so sind Kohlensäure, Wasser, Ammoniak und vielleicht
etwas Salpetersäure fast die einzigen Producte.
Die Fäulniß animalischer und vegetabilischer Substanzen ist gleichfalls im
Allgemeinen als ein Proceß unvollkommener Oxydation zu betrachten. Deßhalb werden
unter gewöhnlichen Umständen hierbei mannichfaltige mehr oder weniger complexe
secundäre Producte gebildet, welche meistens sehr unangenehm riechen und auf den
thierischen Organismus äußerst schädlich einwirken. Diesen Producten hat man den
allgemeinen Namen Miasmen gegeben. Ueber ihre Natur ist
nur wenig bekannt, aber man hält sie für schwere, complexe, stickstoffhaltige
Dämpfe, die durch Sauerstoff, Chlor, schweflige Säure, Salpetersäure und andere
desinficirende Agentien zersetzt werden.
Meine Aufmerksamkeit wurde insbesondere auf die Wichtigkeit der Holzkohle als
desinficirendes Agens durch meinen Freund John Turnbull,
den bekannten Fabrikanten chemischer Producte zu Glasgow, gelenkt. Derselbe brachte
vor etwa neun Monaten die Cadaver von zwei Hunden in einen hölzernen Kasten, auf
eine nur wenige Zoll dicke Schicht von Holzkohlenpulver, und überdeckte sie mit
einer Quantität desselben Kohlenpulvers. Obgleich der Kasten ganz offen in seinem
Laboratorium stehen blieb, waren doch nie an Fäulniß erinnernde Ausdünstungen zu
bemerken, und als man die Cadaver nach Verlauf von sechs Monaten untersuchte, fand
sich, daß von denselben fast nur die Knochen zurückgeblieben waren. Hr. Turnbull übersandte mir eine Portion des
Holzkohlenpulvers, welches mit den Cadavern der Hunde in der nächsten Berührung
gewesen war. Ich übergab dieselbe einem meiner Schüler, Hrn. Turner, zur Untersuchung, welcher darin verhältniß wenig Ammoniak und
nicht eine Spur von Schwefelwasserstoff fand, aber sehr wahrnehmbare Mengen von
Salpetersäure und Schwefelsäure, nebst saurem phosphorsaurem Kalk. – Hr. Turner vergrub dann, vor drei Monaten, die Cadaver von
zwei Ratten etwa zwei Zoll tief in Holzkohlenpulver, und einige Tage hernach wurde
der Cadaver einer ausgewachsenen Katze ebenso behandelt. Obgleich die Körper dieser
Thiere sich jetzt in einem weit vorgeschrittenen Zustand der Verwesung befinden, ist
doch im Laboratorium nicht der geringste Geruch wahrzunehmen.
Aus diesen Thatsachen geht hervor, daß das Holzkohlenpulver ein wirksames Mittel
darbietet, um die Verbreitung schädlicher Effluvien von Kirchhöfen und von todten
Körpern an andern Plätzen, z.B. an Bord der Schiffe, zu verhindern. Würde man einen
Kirchhof mit einer 2 bis 3 Zoll dicken Schicht gröblich gepulverter Holzkohle
überdecken, so könnten sich niemals flüchtige Fäulnißproducte in die Atmosphäre
verbreiten. – Holzkohlenpulver befördert auch sehr die schnelle Verwesung der
damit in Berührung befindlichen todten Körper, so daß nach sechs bis acht Monaten
fast nur noch die Knochen derselben übrig sind.
In vielen Lehrbüchern der Chemie werden der Holzkohle antiseptische
(fäulnißverhindernde) Eigenschaften zugeschrieben, während gerade das Gegentheil
stattfindet. Kochsalz, Salpeter, Quecksilbersublimat, arsenige Säure, Alkohol,
Kampher, Kreosot, und die meisten ätherischen Oele sind gewiß antiseptische
Substanzen, und verzögern daher die Verwesung thierischer und vegetabilischer
Substanzen. Die Holzkohle befördert dagegen, wie wir gesehen haben, sehr die
Oxydation, und folglich die Zersetzung aller organischen Substanzen, womit sie in
Berührung ist.
Der Zweck meiner Abhandlung ist jedoch hauptsächlich, eine Anwendung der
absorbirenden und oxydirenden Eigenschaften der Holzkohle, welche meines Wissens
noch nicht vorgeschlagen wurde; ich meine nämlich eine neue Art von Respirator, der
mit gepulverter Thierkohle gefüllt ist, um alle Miasmen und ansteckenden Theilchen,
welche bei gelbem Fieber, Cholera und ähnlichen Krankheiten in der Luft enthalten
seyn können, zu absorbiren und zu zerstören. Ich habe einen solchen Respirator
anfertigen lassen; er legt sich genau an die unteren Theile des Gesichts an, von dem
Kinn bis so hoch über den Mund, daß er noch die Nasenlöcher mit einschließt; er
reicht auf jeder Seite beiläufig einen Zoll über den Mund hinaus. Das Gehäuse dieses
Respirators besteht aus dünnem Kupferblech, aber die Ränder sind aus Blei gefertigt,
gepolstert und mit Sammt überzogen, so daß sie sich dicht an das Gesicht anlegen.
Das Kohlenpulver wird mittelst zweier Blätter feinen Drahtgewebes an seiner Stelle
gehalten, welche 1/8 bis 1/4 Zoll von einander abstehen. Da das Gehäuse dieses
Respirators von Metall ist, wurde es auf galvanischem Wege versilbert; es würde
gewiß noch besser seyn, es auf diese Weise mit Platin oder Gold zu Plattiren. Der
Respirator hat eine kleine Oeffnung, in die ein mit einem Drahtgewebe überzogener
Ring sich einschrauben läßt, und durch welche das Kohlenpulver eingefüllt oder
ausgeleert werden kann. Der Respirator wird durch ein elastisches Band, welches um
den Hinterkopf herumgeht, festgehalten.
Ich habe Thierkohle, als die porösere Kohlenart, angewendet, glaube aber, daß
Holzkohle einen vollkommen guten Erfolg hätte.Der Verfasser bemerkt in einer Note, er habe sich später überzeugt, daß
gewöhnliche Holzkohle sogar noch wirksamer als Thierkohle ist.
Wahrscheinlich ist Torfkohle noch wirksamer als Holzkohle.A. d. Red. Der beabsichtigte Zweck ist, mittelst Filtrirens der Luft durch die poröse
Kohle, die ihr etwa beigemischten Miasmen abzuscheiden; ich zweifle nicht, daß
dieselben in den Poren der Kohlen zurückgehalten und darin durch den verdichteten
Sauerstoff, mit welchem sie in die unmittelbarste Berührung kommen, rasch oxydirt
und zerstört werden. In meiner Ueberzeugung, daß dieses der Fall seyn wird,
bestärken mich die Resultate wiederholter Versuche, die ich mit schädlichen Gasen,
wie Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Schwefelammonium etc. anstellte. Ich fand, daß
Luft, welche mit diesen Gasen beladen war und unter gewöhnlichen Umständen schon
nach kurzer Zeit nicht länger eingeathmet werden konnte, durch den
Kohle-Respirator hindurch ohne alle Unannehmlichkeiten sich einathmen ließ, indem der Geruch der
beigemischten Gase dadurch fast ganz, wenn nicht vollständig beseitigt wurde.
Jede andere sehr poröse Substanz, z.B. Platinschwamm oder zerstoßener Bimsstein,
dürfte sich gleichfalls vollkommen gut zur Füllung des Respirators eignen; ich habe
indeß Holzkohle als das wohlfeilste und am leichtesten zu bekommende Material
gewählt.
Die Filtration des Wassers durch Holzkohlenpulver und andere poröse Substanzen wird
seit Jahrhunderten mit Vortheil angewendet, um das Wasser von zahlreichen darin
vertheilten Unreinigkeiten zu befreien, welche auf den thierischen Organismus
schädlich einwirken; nun ist es gewiß auffallend, daß die so nahe liegende Anwendung
eines ähnlichen Verfahrens für die leichtere Flüssigkeit worin wir leben, nämlich
die Luft – welche nicht selten noch schädlichere Unreinigkeiten enthält, als
gewöhnlich im Wasser vorkommen – bis jetzt so unverantwortlich übersehen
wurde.
Außer der Vorsicht, einen Respirator von der beschriebenen Art zu tragen, sollten
Personen, die in besonders mit Miasmen inficirten Districten wohnen müssen, auch
dafür Sorge tragen, daß ihre Wohnungen möglichst luftdicht seyen und nur die zur
gehörigen Ventilation nöthigen Oeffnungen haben. Mittelst dieser Oeffnungen könnte
man die Luft zutreten lassen, so daß sie durch Gaze hindurchstriche, zwischen
welchen die nöthige Menge Kohle sich befände. Auch die Thüren solcher Häuser könnten
als doppelte von grobem Tuch hergestellt werden, dessen Zwischenraum mit
Kohlenpulver angefüllt wird. Eine weitere Vorsichtsmaßregel bestünde nöthigenfalls
darin, in sehr ungesunden Districten die Wände und Fußböden der Häuser mit Matratzen
zu belegen, welche einige Zoll dick mit Kohlenpulver ausgestopft sind. Würden diese
und ähnliche Vorsichtsmaßregeln beachtet, so könnten gewiß Europäer mit bei weitem
größerer Sicherheit in Gegenden leben, welche jetzt als die der Gesundheit
verderblichsten betrachtet werden.