Titel: | Ueberziehen oder Verstählen des Stabeisens, Gußeisens etc. mit Gußstahl; von Hrn. F. F. Verdié, Stahlfabrikant zu Lorette im Loire-Departement. |
Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. CXXII., S. 444 |
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CXXII.
Ueberziehen oder Verstählen des Stabeisens,
Gußeisens etc. mit Gußstahl; von Hrn. F. F. Verdié, Stahlfabrikant zu Lorette im
Loire-Departement.
Aus Armengaud's Génie industriel, Decbr. 1853, S.
337.
Verdié's Ueberziehen oder Verstählen des Stabeisens,
Gußeisens etc. mit Gußstahl.
Das Verfahren des Hrn. Verdié besteht darin,
mittelst Borax den Gußstahl auf Stabeisen, Gußeisen und Stahl dadurch zu schweißen,
daß man den geschmolzenen Gußstahl auf das eiserne Stück gießt.
1. Will man z.B. den Spurkranz eines Locomotiv- oder Waggon-Rades mit
Gußstahl überziehen, so verfertigt man einen schwächern Kranz von Stabeisen, dessen
Durchmesser nur um einige Linien kleiner zu seyn braucht als der fertige mit
Gußstahl überzogene Reif. Der eiserne Reif wird wie gewöhnlich angefertigt und dann
in einen in der Nähe des Stahlschmelzofens befindlichen Flammofen gebracht und in
demselben schwach weißglühend gemacht, und zwar in demselben Zeitpunkt, wo der Stahl
zum Guß bereit ist.
Man nimmt alsdann den eisernen Reif mit Zangen aus dem Ofen und legt ihn in einen
eisenblechernen Kasten welcher Boraxpulver enthält. Der Borax bleibt an dem Eisen
hängen und macht es zur Aufnahme des flüssigen Stahls geneigter.
Man trägt nun den glühenden Reif mit dem anhängenden Borax in eine Form, wobei
hauptsächlich beachtet werden muß, daß er eine genau concentrische Lage erhält,
damit an der Peripherie ein überall gleich weiter leerer Raum bleibt, welcher mit
dem flüssigen Stahl ausgefüllt wird, um auf dem ganzen Umkreise des eisernen Reifes
eine Schicht von gleicher Dicke zu bilden.
Man bedeckt dann die gußeiserne Form mit einem starken gußeisernen Deckel, welcher
genau darauf paßt, und an zwei, einander diametral entgegenstehenden Punkten über
dem leeren Raum an der Peripherie mit zwei Oeffnungen versehen ist.
Nun werden die mit flüssigem Stahl gefüllten Tiegel aus dem Ofen genommen und ihr
Inhalt wird sogleich durch die erwähnten zwei Eingußöffnungen in die Form gegossen.
Steigt der Gußstahl in den Eingußöffnungen in die Höhe, so ist dieß ein Beweis der
vollständigen Ausfüllung der Form, und man hört alsdann zu gießen auf, bedeckt die
Eingüsse und läßt das Ganze in der Form erkalten.
Nach der vollständigen Erkaltung hebt man den Deckel von der Form und findet alsdann
den eisernen Reif an seinem ganzen Umfange mit einer Gußstahlschicht bekleidet,
welche gleich dem leeren Raum zwischen ihm und der Form ist. Der Stahl hat sich mit
dem Eisen genau verbunden.
In diesem Zustande wird der Reif durchgewalzt. Die untere Walze hat ein cylindrisches
Caliber, da die innere Oberfläche des Reifs vollkommen eben ist; die obere Walze
dagegen hat ein der äußeren Form des Reifs entsprechendes Caliber. Nicht alle diese
Reife erhalten jedoch Spurkränze, und es müssen daher auch die Formen und die
Caliber der Walzen verschiedenartig gestaltet seyn.
Ein auf diese Weise verstahlter Radkranz hat eine bedeutende Dauer und Festigkeit,
denn das Eisen widersteht besser als der Stahl den Arbeiten des Umlegens um den
Radkranz. Das Auflegen des zusammengeschweißten Reifs geschieht bekanntlich warm,
und durch das Erkalten zieht sich der Reif so auf dem Randkranz zusammen, daß er fest auf demselben hält.
Da der reibende Theil des Reifs aus reinem Gußstahl
besteht, so muß er nothwendig eine weit längere Dauer haben als ein eiserner, selbst
wenn hartes Eisen zu letzterm verwendet wurde.
2. Sollen andere Eisenstücke verstählt werden, so ist das Verfahren dasselbe.
Will man z.B. einer Kolbenstange einen Stahlüberzug geben, während der innere Theil
aus Eisen besteht (um auf diese Weise eine größere Festigkeit zu erlangen, weil eine
ganz stählerne Kolbenstange zu viel kostet), so gibt man der eisernen Stange einen
um so viel geringeren Durchmesser, als der Stahlüberzug Dicke erhalten soll. Die
eiserne Stange wird in einem Flammofen schwach weißglühend gemacht, dann in
Boraxpulver gerollt und in das Centrum einer Form gebracht, deren innerer
Durchmesser gleich demjenigen der verstählten Kolbenstange ist. Den leeren Raum
zwischen der Form und dem eisernen Kern gießt man voll Gußstahl, läßt das Ganze
erkalten, nimmt alsdann die verstählte Stange aus der Form und vollendet sie mit
Hülfe des Hammers oder des Walzwerks.
3. Sollen Eisenbahnschienen verstählt werden, so walzt man die Schiene auf
gewöhnliche Weise von Eisen aus, jedoch mit etwas geringeren
Querschnittsdimensionen. Darauf macht man die Schiene ebenfalls glühend, bringt sie
in eine Form, die eine solche Einrichtung hat, daß die obere Fläche oder die
eigentliche Bahn für die Räder mit Stahl überzogen werden kann, und gießt den leeren
Raum der Form, welcher etwa 12 bis 15 Millimeter (5 bis 7 Linien) weit ist, voll
Gußstahl. Durch den Borax, welcher vor dem Eingießen des Stahls in den leeren Raum
der Form auf das Eisen geschüttet wurde, wird eine genaue Verbindung zwischen dem
Eisen und dem flüssigen Stahl bewirkt.
Die verstählte Schiene wird alsdann noch durch ein Caliber von der definitiven Form
gewalzt.
4. Für Locomotiv- und Eisenbahnwagen-Achsen, ja selbst für gewöhnliche
Wagenachsen, wendet man ein ähnliches Verfahren an, indem die ganze Achse aus Eisen
besteht und nur die Schenkel eine Verstählung erhalten. Diese werden daher etwas
schwächer gemacht und es erfolgt ein Glühen, ein Umdrehen im Borax, ein Einführen
der Achse in eine gußeiserne Form, die genau über den Achsschenkel paßt, aber einen
so weiten Zwischenraum läßt, als die Verstählung stark werden soll, worauf man den
flüssigen Stahl durch die oben offene Form eingießt. Die verstählten Achsschenkel
werden dann auf gewöhnliche Weise durch Abdrehen etc. vollendet.
5. Um Gußeisen mit einem Ueberzug von Gußstahl zu versehen, wendet man ein etwas
anderes Verfahren an; soll z.B. ein gußeiserner Amboß mit einer gußstählernen Bahn
versehen werden, so bringt man das Gußeisen zur Kirschrothgluth, streut Borax auf
die Bahn, legt den Amboß so in eine Form von Formsand oder auch von Gußeisen, und
gießt den Zwischenraum zwischen dem gußeisernen Amboß und der Form voll Gußstahl. Um
nun der stählernen Bahn eine größere Festigkeit zu geben, glüht man sie noch einmal,
hämmert sie mit Handhämmern, richtet sie ab und härtet sie auf die gewöhnliche
Weise.
6. Soll gewöhnlicher Stahl mit Gußstahl verstählt werden, so verfährt man ganz so,
wie beim Verstählen des Eisens.
Dieses Verstählen von Eisen, Gußeisen und gewöhnlichem Stahl, kann ebenso gut im
Innern der Stücke (z.B. der Wagenradbüchsen) bewirkt werden, wie äußerlich; das
beschriebene Verfahren ist daher bei der Fabrication von Werkzeugen aller Art
anwendbar.