Titel: Französische Taschen-Setzwaage; beschrieben von Karl Karmarsch.
Fundstelle: Band 131, Jahrgang 1854, Nr. XCII., S. 341
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XCII. Französische Taschen-Setzwaage; beschrieben von Karl Karmarsch. Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1853, Heft 5. Mit Abbildungen auf Tab. V. Karmarsch, über eine französische Taschen-Setzwaage. Als Gegenstück zu der früher (polytechn. Journal Bd. CXXIX S. 336) beschriebenen Wasserwaage theile ich die Beschreibung eines aus Frankreich stammenden kleinen Instrumentes mit, welches eine Verbesserung der bei den Handwerkern üblichen Setzwaage mit Bleiloth, aber durch ihre geringe Größe sehr bequem und außerdem eines weit ausgedehnten Gebrauchs fähig ist. Fig. 20 ist die Ansicht der vordern Fläche; Fig. 21 zeigt das Innere nach Hinwegnahme der Deckplatte F, F; Fig. 22 den Durchschnitt nach A, B der Fig. 21. (Diese Figuren sind nach einem auf die Hälfte verjüngten Maaßstabe gezeichnet.) Das Behältniß, welches alle Bestandtheile einschließt, ist ein äußerlich überall genau rechtwinkelig bearbeitetes Kästchen, von Messing im Ganzen gegossen, aus der Hinterwand a und einer auf allen vier Seiten gleich hoch hervorragenden Zarge b, c, d, e bestehend. Vorn wird dieses Kästchen durch eine dünne, auswendig versilberte Messingblechplatte f verschlossen, in welcher ein halbkreisförmiger Schlitz g, h sich befindet. Der innere Rand dieses letztern ist von 5 zu 5 Grad, der äußere in einzelne Grade getheilt; beziffert sind hiervon nur fünf durch lange Striche ausgezeichnete Stellen, nämlich der Nullpunkt in der Mitte des Halbkreises, dann 45° und 90° zu jeder Seite. Zur Befestigung der Platte f dienen die Schräubchen 1, 2, 3, 4, 5, für welche die (in Fig. 21 eben so bezeichneten) Gewindelöcher in den durch den Guß gekommenen Verstärkungen i, k, l, m, n des Kästchens gebohrt sind. Es gewähren aber nicht nur diese eben genannten Verstärkungen der Platte f eine Auflage, sondern dazu werden überdieß drei messingene Stifte o und u, u benutzt, ersterer in die untere Zargenwand c, letztere beiden in die Rückenplatte a eingeschraubt oder eingenietet. Der letzte Bestandtheil des Instruments ist ein kleines Pendel, zusammengesetzt aus der Stange p, der Aufhängungsachse r und der Linse s. Die Stange besteht aus einem Stückchen Eisendraht, dessen oberes Ende in der kleinen Messingwalze r festsitzt; durch letztere geht die eigentliche (stählerne) Achse, deren Zapfen bei t und v in Löchern der Deckplatte f und der Rückwand a sich drehen. Die Linse des Pendels endlich ist eine aus Messing gegossene kleine Scheibe s mit zwei kurzen aber dicken Zapfen, von welchen der eine zur Befestigung der Stange p dient, der andere, q, sich in dem halbkreisförmigen Schlitze g, h der Platte f bewegt und auf seiner (mit der Außenseite dieser Platte in gleicher Ebene liegenden) Endfläche einen Strich enthält, um als Zeiger für die Gradeintheilung zu dienen. Der Gebrauch des Instruments wird keiner ausführlichen Erklärung bedürfen. Wenn man berücksichtigt, daß die Zarge b, c, d, e genau im rechten Winkel bearbeitet ist; daß der in Grade getheilte Halbkreis g, h seinen Mittelpunkt in der Aufhängungsachse des Pendels hat; und daß der Strich des Pendelzapfens q auf den Nullpunkt der Theilung weiset, sobald die Seite c des Kästchens sich in horizontaler Lage befindet: so ergibt sich unmittelbar Folgendes: 1) Hält man das Kästchen mit b oder c an eine Fläche, so gibt die Einstellung des Pendels auf den Nullpunkt zu erkennen, daß die gedachte Fläche horizontal ist; im Falle aber, daß eine Abweichung statt findet, kann man ohne Weiteres die Größe des mit der Horizontalen gebildeten Winkels in Graden ablesen und zwar bis zu 90°, d.h. bis zur verticalen Stellung der untersuchten Fläche. 2) Hält man dagegen die Seite d oder e des Kästchens an eine Fläche, so zeigt die Stellung des Pendels auf Null an, daß diese Fläche vertical ist; jeder andere Stand gibt in Graden die Größe des Winkels an, um welchen die Fläche von der Verticalen abweicht, und zwar bis zu 90°, d.h. bis zur Horizontalen. Daß man bei Prüfung größerer nicht völlig ebener Flächen dem Instrumente ein genau bearbeitetes Richtscheit unterlegen müsse, bedarf kaum der Erwähnung, da dieses Verfahren ja auch beim Gebrauch der gewöhnlichen Setzwaage so wie der Wasserwaage nöthig und üblich ist. In den meisten Fällen kommt das leichtbewegliche Pendel, sich selbst überlassen, erst nach einiger Zeit zur Ruhe; alsdann reicht eine kleine augenblickliche Berührung des Zapfens q mit dem Finger hin, um seinen Schwingungen ein Ende zu machen und ohne Zeitverlust den Stand beobachten zu können. Es scheint mir einleuchtend, daß die gegenwärtige Setzwaage wegen Bequemlichkeit der Anwendung und Genauigkeit ihrer Anzeigen den Vorzug vor der früher beschriebenen Wasserwaage verdient. Sie ist nicht nur gleich dieser zur Prüfung horizontaler und verticaler Flächen geeignet, sondern zeigt auch die Größe der etwa vorgefundenen Abweichung an, und taugt vortrefflich zur Messung des Neigungswinkels aller schrägen Flächen. An den mir zu Gesicht gekommenen Exemplaren sind in den Seiten d und e der Zarge zwei ganz kleine Löcher einander gegenüber angebracht, durch welche man in einer zu b und c parallelen Linie – über oder unter den Stiften u, u und zwischen l und r – hindurchsehen kann, wenn man das Auge vor eins der gedachten Löcher legt: es soll dieß dazu dienen, den Höhenwinkel beim Visiren nach einem Gegenstande zu messen. Ich lege jedoch hierauf gar keinen Werth; denn das Visiren durch so feine Löcher ist ziemlich mühselig, und zum Ablesen des Pendelstandes muß eine zweite Person da seyn, während die erste das Instrument an ihrem Auge hält. Den technischen Zwecken ist überdieß diese Anwendung fremd, und der Geometer hat zu solchem Behuf genauere Hülfsmittel. Hr. Uhrmacher Möbius jun. in Hannover hat Setzwaagen der beschriebenen Art vorräthig und verkauft das Stück zu dem sehr billigen Preise von 1 Rthlr. 12 gGr.

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