Titel: | Ueber Anwendung des Salmiaks gegen den Kesselstein in Dampferzeugern. |
Fundstelle: | Band 130, Jahrgang 1853, Nr. XLVII., S. 203 |
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XLVII.
Ueber Anwendung des Salmiaks gegen den
Kesselstein in Dampferzeugern.
Aus den Verhandlungen des k. holländischen
Ingenieur-Vereins, durch die Zeitschrift des österreichischen
Ingenieur-Vereins, 1853, Nr. 13.
Ueber Anwendung des Salmiaks gegen den Kesselstein in
Dampferzeugern.
Erster Bericht von A. A. C. de Vries Robbé.
Die Anwendung des Salmiaks zur Vermeidung oder Beseitigung des sogenannten
Kesselsteines aus den Dampferzeugern, wofür dem Erfinder H. Ritterbrandt von der Londoner Institution of Civil
Engrs. eine Telford-Medaille, und von der Society of Arts die goldene Isis-Medaille ertheilt wurde, hat seit
Langem die Aufmerksamkeit des Hr. Ingenieur-Directors F. W. Conrad erweckt. (Man sehe hierüber das „Jaarboekje van Kunsten en wetonschappen, van
Bleekrode, 1848,“
S. 14 und 15.) Dieß gab
die Veranlassung zu den Versuchen, deren Erfolge hier mitgetheilt werden.
Nach verschiedenen mit Salmiak vorgenommenen Versuchen bei den Locomotiven der
holländischen Eisenbahn hat es sich bewährt, daß er ein vortreffliches Mittel sey,
den in dem Kessel befindlichen Kalk- oder Kesselstein loszumachen und
aufzulösen, und ihn nachträglich im abgelösten Zustande zu entfernen, bis der Kessel
davon rein gemacht ist.
Zu diesem Ende thut man zwei niederländische Unzen fein gestoßenen Salmiak nach dem
Anfüllen des Kesses in denselben, und läßt den Salmiak bis zum folgenden Tage darin,
worauf mit dem Locomotive gefahren wird, und man des Abends abbläst. Wenn der Kessel
nicht allzuschmundig ist, kann man noch einen zweiten Tag damit fahren; wird dann
das Wasser abgelassen, so ist der Kessel ganz gereinigt.
Das so erhaltene Wasser, im Allgemeinen, je nachdem viel Kalk im Kessel war, eine
mehr und weniger gesättigte Auflösung von Salmiak und Kalk, mochte nach der ersten
Probe 1/800 des Gewichtes betragen.
Späterhin löset sich der Kalk in Schuppen ab und kann leicht durch die Spundlöcher
unter dem Kessel mit dem Wasser herausgebracht werden.
Wenn der Kessel auf diese Weise in vierzehn Tagen oder in einem Monate vom
Kesselsteine gesäubert ist, wird, wie man glaubt, es noch nöthig und genügend seyn,
ein- oder zweimal jede Woche, zwei niederländische Unzen Salmiak in den
Kessel zu bringen, um ihn in der Folge vor dem Steine zu bewahren.
Nach genauer Untersuchung zeigte sich, daß das Wasser nach ein oder zwei Tagen Dienst
aus dem Locomotive abgelassen, gar keine aufgelösten Kupfer- noch Eisentheile
enthielt.
Man kann daher versichert seyn, daß die genannte Quantität Salmiak auf die
Dauerhaftigkeit des Kessels nicht den mindesten nachtheiligen Einfluß übt, sondern
im Gegentheile die Dauerhaftigkeit des Feuerkastens und der Röhren beträchtlich
vermehren muß; weil er den Kesselstein entfernt, der ein schlechter Wärmeleiter ist
und einen größeren Verbrauch an Brennmaterial nöthig macht, also hierdurch andauernd
den Verbrauch des Brennstoffes vermindert, und so nothwendig das Kesselmaterial
geschont wird.
Der Salmiak bildet wahrscheinlich in Verbindung mit dem Kalke, salzsauren Kalk, bei
welcher chemischen Verbindung das Ammoniak frei wird, was der unangenehme Geruch des
Dampfes leicht vermuthen läßt.
Der feingestoßene Salmiak kostet sammt Packung 1 fl. das niederländische Pfund.
Zweiter Bericht von C. Scheffer.
Im Anfange des Jahres 1847 wurde mit dem Dampfkessel der
Reichs-Holzschneideanstalt zu Rotterdam ein Versuch mit Salmiak unternommen,
um zu sehen, inwieferne man befriedigende Abhülfe gegen die nachtheiligen
Incrustationen an den Kessel-Wänden erhalten würde.
Dieser Kessel mit Niederdruck ist von wagenförmiger Gestalt; der darin entwickelte
Dampf hat meistens eine Spannung von 1,6 niederl. Pfund auf den niederl.
Quadratzoll, und setzt eine gewöhnliche Maudslay-Maschine von 16 Pferdekräften in Thätigkeit. Das Wasser im
Kessel ist gewöhnlich Maas-Wasser, welches nach einer chemischen Untersuchung
von Müller viele kalkartige Bestandtheile enthält.
Vom 26. März 1847 an wurden wöchentlich zweimal 0,2 niederl. Pfund Salmiak in den
Kessel geworfen, nachdem derselbe ganz gereinigt und von dem angehäuften
Kesselsteine befreit war.
Vier Monate später (am 19. Juli) habe ich die Wände des Kessels untersucht, und fand
eine ziemlich gleichmäßige Anhaftung von Wasserstein, besonders an den Seiten; über
dem Feuerherde war die kalkartige Lage viel geringer. Der Ansatz war augenscheinlich
nicht so häufig als gewöhnlich. Während jener Zeit hatte man im Mittel 14 Stunden
des Tages geheizt.
Der Kessel wurde wieder gereinigt und etwa 40 niederl. Pfund Stein herausgebracht.
Sogleich wiederholte ich den Versuch, und da ich die richtige Quantität Salmiak
nicht wußte, welche dem Uebel ganz abzuhelfen vermag, beschloß ich dieselbe zu
verdoppeln, und ließ also 0,4 niederl. Pfund wöchentlich zweimal in das Wasser thun.
Nach mehr als fünf Monaten, den 29 December 1847, zeigte sich der Wasserstein
dennoch wieder gebildet, und zwar wie früher am meisten an den Seitenwänden. Der
eiserne Wasseraichzapfen, im Durchmesser 0,02 Ellen haltend, war beinahe dicht
verwachsen, und die Menge Kesselstein, die aus dem Kessel gebracht wurde, betrug
über 60 niederl. Pfunde. Auch dießmal betrug die Dicke der Lage 2 bis 3 Strich. An
der Wasseroberfläche aber erreichte sie sogar die Dicke von 6 Strichen. Der Kessel
war diese ganze Zeit hindurch wie gewöhnlich 14 Stunden täglich geheizt.
Besonderer Ursachen wegen mußte die Maschine stille stehen, weßhalb auch die Versuche
nicht mehr weiter fortgesetzt werden konnten. Ich sehe mich veranlaßt, diese nicht
ungünstigen Resultate der Anwendung des Salmiaks hier mitzutheilen, da sie das
Entstehen des Kesselsteins bei Anwendung des Salmiaks unläugbar bedeutend vermindert
erweisen, und es wahrlich von großer Wichtigkeit ist, sein Augenmerk mehr und mehr
auf diesen Gegenstand zu richten.
Anmerkung. Wir hatten eben Gelegenheit, alte zerlegte Locomotiv-Kessel zu
sehen, an welchen sich starke Incrustationen vorfanden, selbst so stark, daß der
etwa dreizöllige Wasser- und Dampfraum zwischen den Wänden des Feuerkastens
gänzlich mit festem Steine
verlegt war, wozu die Verankerungen gewiß viel Veranlassung geben mochten.
Im Vereinslocale des österreichischen Ingenieur-Vereins erliegt ein von Hrn.
Kohn hinterlegte Stück Kupferrohr einer stationären
Dampfmaschine, von etwa zwei Zoll Durchmesser, welches bis auf einen sehr kleinen
höchst unregelmäßig gebildeten offenen Gang eben auch ganz und dicht mit Wasserstein
verlegt ist.
Diese Beispiele geben ein hinreichendes Maaß zur Beurtheilung der aus dem Kesselstein
erfolgenden Nachtheile des fortdauernden größeren Brennstoffverbrauches, der
übermäßigen Kesselabnützung und sehr kostspieligen und Versäumnisse erzeugenden
Reparatur oder Erneuerung derselben, der Gefahr zur Veranlassung bedauerlicher und
verheerender Explosionen und der Kostspieligkeit und oftmaligen Unmöglichkeit der
Entfernung des Kesselsteins auf mechanischem Wege. Sie bezeugen aber zugleich auch
deutlich, wie nützlich, nothwendig und verdienstlich das Bemühen der Auffindung von
Mitteln zur möglichsten Verhütung der Bildung des Kesselsteines in Dampferzeugern
ist; und fordern zur unausgesetzten Nachforschung einer befriedigenden Abhülfe
auf.
Ed. Schm.