Titel: | Praktische Bemerkungen über die Dimensionen der an den Dampfkesseln angebrachten Sicherheitsventile; von den HHrn. Armengaud. |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XCI., S. 401 |
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XCI.
Praktische Bemerkungen über die Dimensionen der
an den Dampfkesseln angebrachten Sicherheitsventile; von den HHrn. Armengaud.
Aus deren Génie industriel, August 1853, S.
77.
Armengaud's Bemerkungen über die Dimensionen der
Sicherheitsventile.
Nach den in Frankreich gültigen polizeilichen Vorschriften über die Dampfmaschinen im
Allgemeinen, müssen die Dimensionen der Sicherheitsventile nach der Formel
Textabbildung Bd. 129, S. 401
berechnet werden. In dieser Formel bezeichnet:
d
den Durchmesser in Centimetern,
s
die Heizoberfläche des Kessels in Quadratmetern,
und
n
die Anzahl der Atmosphären, womit der Dampfdruck
wirkt.
Ein Röhrenkessel mit 120 Quadratmeter Heizoberfläche, welcher bei dem gewöhnlichen
Druck von 1 1/2 Atmosphären wirkt, müßte daher, wenn man nur Ein Sicherheitsventil
annimmt, haben
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was einem Querschnitt entspricht von
πd²/4 = (3,1416
× 27,3² Centimet.)/4 = 585,35 Quadratcentimeter.
Wenn man demzufolge, was zweckmäßiger ist, zwei Ventile statt eines anbringt, so hat
man für jedes:
585,35/2 = 292,67 Quadratcentimeter.
Dieses gibt alsdann für ihren Durchmesser
(292,67 Quadratcentim. = 3,1416 × x²)/4 oder x = 19,3 Centimet.
also ungefähr 19 Centimeter.
Diese Dimension wird ohne Beziehung auf die Gestalt und die Construction des Kessels
bestimmt. Dieß sollte aber nach unserer Meinung nicht so seyn. Nicht alle Kessel
bieten für dieselbe Gesammt-Heizoberfläche denselben räumlichen Inhalt dar,
enthalten also nicht gleiches Wasser- oder Dampfvolum. Oft hat ein
Kessel-System, z.B. das der Röhrenkessel, welches häufig bei Dampfschiffen
und stets bei Locomotiven angewendet wird, eine weit größere Heizoberfläche bei
einem weit geringeren Volum, als ein anderes, z.B. wie das mit gewöhnlichen
Siederöhren, welches hauptsächlich in den Fabriken in Anwendung ist.
Wir sind der Meinung, daß man in der Praxis auf die Einrichtung und Beschaffenheit
des Dampferzeugers, seine Räumlichkeit, Rücksicht nehmen sollte, um darnach den
Sicherheitsventilen die entsprechenden Durchmesser zu geben.
Wenn die Dimensionen der Ventile solche sind, daß sie in sehr kurzer Zeit den Dampf
viel rascher ausströmen lassen als er sich erzeugt, so werden solche hauptsächlich
wegen des großen Wasser- und Dampfvolums gewählt, das der Kessel enthalten
kann.
Wenn man demnach z.B. annimmt, daß ein cylindrischer Generator mit Siederöhren einen
Raum umschließt, welcher zwanzigmal die Dampfmenge faßt, die er in der Secunde
erzeugen kann, und daß der Durchmesser des Sicherheitsventiles nach dieser Zahl
berechnet ist, so muß man auch annehmen, daß der röhrenförmige Generator, welcher,
bei derselben Heizoberfläche, eine Räumlichkeit darbietet, die nur zehn- bis
zwölfmal die Menge des in demselben Zeitraum von einer Secunde erzeugten Dampfes zu
fassen vermag, kein eben so großes Sicherheitsventil zu haben braucht, als der
erstere.
Dieser Fall kommt sehr häufig bei den Kesseln von großer Kraft vor. So könnten wir
eine große Anzahl von Dampfschiffen anführenZ.B. den Bastia, Schiff von 120 Pferdekräften, mit
zwei Kesseln, deren jeder von 60 Pferdekräften mit zwei Ventilen von 0,165
Meter Durchmesser versehen ist. Dieses dem Staat gehörige Dampfschiff fährt
schon seit längerer Zeit unter gewiß sehr zweckmäßigen und sicheren
Verhältnissen., deren Röhrenkessel von den kaiserl. Bergingenieuren geprüft und gestempelt
sind, und deren
Sicherheitsventile dennoch weit kleinere Dimensionen als die Kessel stationärer
Maschinen mit cylindrischen Siederöhren haben, obgleich letztere keine größere
Heizfläche darbieten. Dieß begreift sich vollkommen, da, wie schon bemerkt, diese
letzteren einen verhältnißmäßig größeren räumlichen Inhalt haben und eben deßhalb
mehr Dampf enthalten. Gerade weil die Röhrenkessel weit weniger Volum einnehmen als
die übrigen Systeme, werden sie für die Schiffe und Locomotiven angewandt, indem
deren Dampferzeuger den möglich geringsten Raum einnehmen müssen, was bei denjenigen
der Fabriken und Hütten nicht erforderlich ist.
Auch sind wir der Meinung, daß man die Berechnung nach dem äußern Durchmesser des
Ventiles und nicht nach dem inneren Durchmesser der Oeffnung machen sollte.
Wenn z.B. der innere Durchmesser jedes Ventilsitzes 0,18 Met. und der äußere
Durchmesser 0,19 Met. beträgt, d.h. wenn die Ventile 5 Millimeter Sitz auf der
ganzen Peripherie haben, so ist es offenbar die dem äußeren Durchmesser (0,19 Met.)
correspondirende Oberfläche, multiplicirt mit dem Belastungsgewicht des Ventils, was
dem Dampfdruck entgegenwirkt, und nicht der innere Querschnitt der Oeffnung. Wenn
folglich ein überschüssiger Druck das Gleichgewicht stört, so ist die Dampfmenge,
welche unmittelbar zu entweichen strebt, im Verhältniß dieser äußeren Oberfläche und
nicht im Verhältniß des inneren Querschnitts.
Es ist in der That nicht nothwendig, daß sich das Ventil vollkommen, d.h. in einer
dem ganzen Querschnitt der Röhre oder des Cylinders entsprechenden Weite öffnet,
damit der Dampf ausströmen kann; dieses Ausströmen geschieht vielmehr schon bei dem
geringsten Ueberdruck. Wenn daher z.B. der normale Druck von 1,5 Atmosphären nur um
1/100 Atmospären zunimmt, so hebt sich das Ventil im Verhältniß dieses Ueberdrucks,
multiplicirt mit seiner äußeren Oberfläche, und läßt sofort Dampf entweichen.
Streng genommen, muß die Erhebung des Ventils schon bei dem geringsten Ueberdruck
stattfinden, so daß unmittelbar Dampf ausströmt, und sobald der Dampf nur
durchsickert, ist die Kraft, welche dieses Ventil noch mehr zu heben strebt, wenn
man sie in Kilogrammen ausdrücken will, gleich der gesammten äußeren Oberfläche des
Ventils in Quadratcentimetern, multiplicirt mit der Differenz zwischen dem inneren
und dem atmosphärischen Druck, diese in Kilogrammen per
Quadratcentimeter ausgedrückt.
Deßhalb hat man auch verlangt, daß die Ventile am Sitze nur eine geringe Breite
haben, damit sie nur sehr wenig Adhärenz darbieten.
Wir behaupten demnach, daß zwei an einem Röhrenkessel von 120 Pferdekräften
angebrachte Sicherheitsventile, von denen jedes einen inneren Durchmesser von 0,18
Met. hat, anstatt von 0,19 Met. nach der gesetzlichen Berechnung, vollkommen
ausreichend sind, und daß sie selbst diejenigen Dimensionen noch übersteigen,
welche, streng genommen, für einen solchen Kessel angenommen werden sollten, wenn
man ihn hinsichtlich seines Hohlraums oder des Dampfvolums, welches er enthalten
kann, mit einem Kessel mit Siederöhren vergleicht, welcher dieselbe Heizoberfläche
hat.
Um übrigens selbst solche Personen, welche mit den Dampfmaschinen gar nicht vertraut
sind, in Betreff dieses Gegenstandes zufrieden zu stellen, brauchen wir ihnen nur zu
zeigen, welche ungeheure Menge Dampf durch die Oeffnung solcher Ventile ausströmt,
sobald sie aufgehoben sind, und ihnen nachzuweisen, um wie viel größer das
Dampfvolum ist, welches durch dieselben entweichen kann, als dasjenige welches
erzeugt wird.
Es dürfte nicht ohne Interesse seyn, in Bezug hierauf die folgende Tabelle über die
Geschwindigkeit und das Gewicht des bei verschiedenem Druck in die Luft
ausströmenden Dampfes einzusehen.
Gewicht und Geschwindigkeit des bei verschiedenem Druck in die
Luft entweichenden Dampfes.
Textabbildung Bd. 129, S. 404
Absoluter Druck des ausströmenden
Dampfes; Gewicht des Kubikmeters; Ausströmungs- geschwindigkeit per
Secunde
Aus dieser Tabelle ersieht man, daß bei dem Druck von 1,5 Atmosphäre die
Ausströmungsgeschwindigkeit 343 Meter per Secunde
ist.
Mithin beläuft sich für eine Oeffnung von nur 0,18 Meter Durchmesser, welche einem
Querschnitt von 254,47 Quadratcentimet. entspricht, das Dampfvolum, welches in dem
Zeitraum von einer Secunde auszuströmen vermag, auf
343 × 0,025447 Meter = 8,728 Kubikmet.Hierbei ist nicht Rücksicht genommen auf die Wirkungen der Contraction,
welche übrigens bei der cylindrischen Form der Tubulaturen keinen
bedeutenden Einfluß haben.,
und für zwei solche Oeffnungen wird es
8,728 × 2 = 17,456 Met.,
also fast 17 1/2 Kubikmeter per
Secunde.
Bei diesem Druck beträgt das Gewicht des Kubikmeters Dampf 0,854 Kilogramme, der
Verbrauch ist also dem Gewicht nach
17,456 × 0,854 = 14,899 Kilogr.
oder nahe 15 Kilogr. per
Secunde.
Nun nimmt man im Allgemeinen an, daß bei den besten Dampfkesseln ein Quadratmeter
Heizoberfläche mit guter Steinkohle zu verdampfen vermag
0,038 Kubikmeter Wasser in der Stunde,
0,635 Kilogr. in der Minute.
Folglich würde ein Kessel von 120 Quadratmeter Oberfläche höchstens erzeugen
0,635 × 120 = 76,20 Kilogr. in 1 Minute,
76,20/60 = 1,27 Kilogr. in der Secunde.
Dieß entspricht für den normalen Druck von 1,5 Atmosphäre
1,27 Kilogr. ÷ 0,854 = 1,5 Kubikmeter.
Und da die beiden Oeffnungen von 0,18 Met. in demselben kurzen Zeitraume 17,456
Kubikmeter ausströmen lassen, so sieht man, daß sie bei ihrem Querschnitt fast
zwölfmal so viel Dampf ausströmen lassen können, als der Kessel zu erzeugen im
Stande ist; denn man erhält
17,456 Kubikmeter/1,50 Kubikmet. = 11,63.
Die Sicherheitsventile haben aber nur den Zweck, den überschüssigen Dampf ausströmen
zu lassen, sobald die Spannung des Dampfs den normalen Druck übersteigt, und nicht
ihn ganz und gar abzuführen. Sehen wir nun, welche Zeit erforderlich ist, damit so viel Dampf
ausströmt als nöthig ist, um ihn von 1,5 Atmosphäre auf einen geringern Druck, z.B.
auf den Druck der Atmosphäre herabzubringen, wo er dann dem Druck von Außen das
Gleichgewicht hielte.
Nach einer in dem Guide du Mécanicien
conducteureonducteur
de locomotives
Deutsche Uebersetzung von C. Hartmann. 2te
Auflage, Weimar 1847, IIter Band 1852. von den sehr verdienstvollen Ingenieuren Flachat
und Petiet mitgetheilten Tabelle müssen, damit ein
Kubikmeter Dampf von 1,5 Atmosphäre Druck sich auf den atmosphärischen Druck
expandiren kann, 0,372 Kubikmeter ausströmen (m. s. diese Tabelle unten).
Sonach muß der Kessel von 120 Pferdekräften, welcher 1,5 Kubikmeter in 1 Secunde
erzeugt, fassen
1,5 × 0,372 = 0,558 Kubikmet. in 1 Sec. oder 558
Liter,
um den Dampf von 1,5 Atmosph. auf 1 Atmosphäre (den von Außen
auf den Kessel ausgeübten Druck) sinken zu machen.
Da aber in diesem Zeitraum die zwei Oeffnungen der Ventile 17,456 Kubikmeter
ausströmen lassen können, so ergibt sich, daß die obigen 558 Liter in 32/1000
Secunde verbraucht seyn würden, d.h. in weniger als 1/30 Secunde.
Da also mit solchen Ventilen ein so kleiner Bruchtheil einer Secunde erforderlich
ist, um die Spannung des ganzen erzeugten Dampfes von 1,5 Atmosph. auf 1 Atmosphäre
zu bringen, so wäre, wenn die Dampfspannung über 1,5 Atmosph., oder den normalen
Druck, stiege, die erforderliche Zeit, um sie zu vermindern und auf diesen Druck
zurückzuführen, ohne Vergleich kürzer und unmerklicher; denn einerseits öffnen sich
die Ventile sobald ein Ueberdruck entsteht, und andererseits entweicht der Dampf um
so rascher, je größer der Druck ist.
Wir behaupten auch, daß solche Ventile für Röhrenkessel in der That eine zu
bedeutende Dimension haben, daher man sie ohne Nachtheil bei diesen Systemen
reduciren könnte, sowie im Allgemeinen in allen den Fällen, wo der Raum für das
Wasser und den Dampf verhältnißmäßig viel kleiner ist als bei den Generatoren mit
gewöhnlichen Siederöhren.
Dampf-Volume, welche ausströmen müssen, damit der in
einem Behälter von 1 Kubikmeter Inhalt eingeschlossene Dampf nach einander alle
Pressionen von 5 Atmosphären bis zum atmosphärischen Druck durchmacht, und
Gesammt-Volume, welche ausströmen müssen,
damit sich der Dampf bis zum atmosphärischen Druck expandirt.
Textabbildung Bd. 129, S. 407
Absoluter Druck in Atmosphären;
Gewicht des Kubikmeters Dampf bei den angegebenen absoluten Pressionen;
Unterschiede des Gewichts von 1 Kubikmeter Dampf zwischen zwei auf einander
folgenden absoluten Pressionen; Volum des ausgeströmten Dampfgewichts, für den
mittlern Druck des Dampfs berechnet; Gesammt-Volum, welches ausströmen
muß, damit der Kubikmeter Dampf bei den verschiedenen Pressionen bis zum
atmosphärischem Druck expandirt wird; Atmosphären; Kilogramme; Kubikmeter