Titel: | Magnetismus und Elektricität in Beziehung auf Ampère's Theorie; von E. Romershausen. |
Autor: | Dr. theol. Elard Romershausen [GND] |
Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XLII., S. 199 |
Download: | XML |
XLII.
Magnetismus und Elektricität in Beziehung auf
Ampère's
Theorie; von E.
Romershausen.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Romershausen, über Magnetismus und Elektricität in Beziehung auf
Ampère's Theorie.
Magnetismus und Elektricität haben in neuerer Zeit einen so hohen praktischen Werth
für technische, chemische, physiologische und medicinische Zwecke erlangt, daß es
gewiß eine dringende Aufgabe unserer gelehrten Physiker seyn möchte, die immer noch wankenden Grundlagen
dieses wichtigen Zweiges der physikalischen Wissenschaft sorgfältig zu untersuchen
und neu zu befestigen. Ich bin, bei meiner vorwaltend praktischen Richtung, zwar
nichts weniger als ein Freund von Theorien, aber doch überzeugt, daß eine
mangelhafte Theorie ein großes Hinderniß erfolgreicher Forschung ist. Dieses haben
auch wohl mehrere unserer ausgezeichnetsten Naturforscher gefühlt, z.B. Pfaff, Oerstedt, Munke, De la Rive, Althaus, Faraday, Müller, Schmidt, Biot, Nobili
u. m. a., indem sie auf die Mängel der herrschenden Ampère'schen Theorie aufmerksam machten – sie aber mehr
durch neue Hypothesen, als durch naturgemäße Thatsachen zu unterstützen suchten.
Ampère's durch den scharfsinnigsten und
elegantesten Calcul befestigtes System des Elektromagnetismus, wird seine
unwandelbare Gültigkeit behalten, wenn wir ihm die offenbare Selbstständigkeit und
geradlinige Richtung des Magnetismus substituiren und als kreisenden Factor die
Elektricität annehmen, wie uns dieses sowohl die Natur im Großen als auch das
Experiment nachweist.
Das Interesse, welches man meinen seitherigen fragmentarischen Mittheilungen in
dieser, für naturwissenschaftliche Technik hochverdienten Zeitschrift gewährt hat,
veranlaßt mich, mehreren Aufforderungen zufolge, hier nachträglich eine kurze und
gemeinfaßliche Uebersicht dieser Verhandlung zusammenzustellen und sie der
öffentlichen Beurtheilung zu übergeben.
I. Grundzüge der
Ampère'schen Theorie.Obgleich die allgemeinere Bekanntschaft mit diesen Grundzügen vorausgesetzt
werden kann, so sehe ich mich doch wegen Verständigung und Anknüpfung des
Folgenden genöthigt, sie hier der Hauptsache nach aufzuführen.
1) Ampère beobachtete, daß sich zwei beweglich
aufgehangene und elektrischdurchströmte Leitungsdrähte
Fig. 20
ab und cd
gegenseitig anziehen, wenn der elektrische Strom in denselben, wie hier, gleiche
Richtung hat; daß sie sich dagegen abstoßen, wenn ihre Strome eine entgegengesetzte
Richtung haben.
2) Hiernach ergab sich nun auch, daß sich zwei solche, sich kreuzende und elektrisch
durchströmte Leitungsdrähte, zu Herstellung ihres Parallelismus und der gleichen
Stromrichtung gegeneinander um ihren gemeinschaftlichen Mittelpunkt bewegen. Fig. 21 macht
dieses anschaulich. Zwei Ströme ab und ed kreuzen sich im Punkt C, ihre Stromrichtung ist von a + zu b –, und von e + zu
d – hin. Ist nun ab fest und ed frei beweglich, so wird e + zu a + und d – zu b – hin
angezogen, dagegen e + von b
–, und d – von a + abgestoßen. Mithin erfolgt eine Drehung um C, bis beide Ströme in gleiche und parallele Richtung treten. Dieses ist
nun auch, wie es von selbst einleuchtet, der Fall, wenn diese Leitungsdrähte einen
kreisförmigen Bogen bilden, und sich in einer gemeinschaftlichen Drehungsachse
kreuzen.
3) Auf diesen sichern Erfahrungssatz gründete nun Ampère das Fundamentalgesetz seines Systems:
Gleichgerichtete elektrische Ströme ziehen sich an und
ungleichgerichtete stoßen sich ab. Sie streben also zu gleicher und paralleler
Richtung.
4) Ampère fand ferner, daß sich ein solcher
ringförmiggebogener, freibeweglicher und elektrisch durchströmter Leiter mit seiner
Fläche senkrecht auf den magnetischen Meridian stellt. Daß also der zu beiden Seiten
auf- oder absteigende Strom dem Leiter die Richtung Ost–West, oder
umgekehrt ertheilt. Auch ergab es sich, daß diese Seitenströme in einem durch die
Stromrichtung bestimmten Verhältniß, von den Polen eines Stahlmagnets angezogen oder
abgestoßen werden.
5) Zur Erklärung dieser Erscheinung nahm er an, daß dieselbe durch elektrische
Strömungen veranlaßt werde, welche durch die von Ost nach West andringende
Sonnenwärme erregt, die Oberfläche der Erde in dieser Richtung umkreisen, und denen
sich also, nach obigem Fundamentalgesetz, die Ströme des Ringes parallel und in
dieselbe Ost-Westrichtung stellen müssen.
6) Da sich nun auch eine, aus mehrern solchen kreisförmigen Ringen bestehende, frei
beweglich aufgehängte und elektrisch durchströmte Spirale mit ihrer Längenrichtung
in den magnetischen Meridian stellt, indem die einzelnen Windungen derselben mit dem
elektrischen Erdstrom parallel und gleichlaufend in die angegebene
Ost-Westrichtung treten; da ferner das Nord- und Südende einer solchen
Kupferspirale nach Verschiedenheit der Stromrichtung
von den Polen eines Stahlmagnets abgestoßen oder angezogen wird, so zeigte sich
– wenn auch eine solche Spirale nicht alle Eigenschaften eines Magnets
besitzt – doch eine so auffallende Aehnlichkeit mit einer Magnetnadel, daß
Ampère schloß:
Der Magnetismus besteht lediglich aus elektrischen
Kreisströmchen, welche jedes Eisenmolecul rastlos umkreisen und bei der
Coercitivkraft des gehärteten Stahls etc. einmal geordnet, in stetem Streben zu dem
Parallelismus mit dem angegebenen elektrischen Erdstrom, alle Erscheinungen
magnetischer Polarität nachweisen.
7) Diese elektrischen Kreisströmchen der Ampère'schen Nadel fließen ferner so um jedes Element derselben, daß
von Süd nach Nord gesehen, die positive Elektricität an der obern Seite der Nadel,
von West nach Ost, und an der untern Seite zurück, von Ost nach West, also rechtsum
kreiset. Diese untere, der Erdströmung nähere Kreisung der Nadel stellt sich daher
in gleiche und parallele Richtung mit derselben und dirigirt die Längenrichtung der
Nadel fortdauernd in den magnetischen Meridian.
Eine solche Ampère'sche Magnetnadel ns
zeigt Fig.
22. Sie liegt in einem stromlosen Multiplicator abcd in der ruhigen, durch den elektrischen
Erdstrom dirigirten Meridianlage, und hat ihren Drehpunkt bei C. Ihre elektrischen Strömchen sind also von Süd nach Nord gesehen,
rechtsumlaufend und rechtwinklich gegen die Windungen des Multiplicators gerichtet.
Tritt nun der den Erdstrom überwiegende galvanische Strom oben von a + zu b
– hin ein, durch e + zu d – hin zurück u.s.w., so ist die Nadel genöthigt, zur Herstellung
des Parallelismus und der gleichen Stromrichtung, wie Fig. 23 zeigt, mit ihrem
Nordpol nach West zu entweichen; denn die obere Hälfte ihrer elektrischen
Kreisströmchen ist jetzt mit ab und die untere
Hälfte derselben mit ed gleichlaufend und parallel
gerichtet.
8) Auf diesen Nachweis führte Ampère nun die
gesammten elektromagnetischen Erscheinungen zurück, und erläuterte sie durch die
kunstreichsten Apparate. Bei der herrschenden Idee, alle Naturerscheinungen auf eine
Grundkraft zurückzuführen, raubte er zwar dem Magnetismus seine Selbstständigkeit,
hat aber als Schöpfer eines vollständigern elektromagnetischen Systems, das
unsterbliche Verdienst, zuerst Licht und Zusammenhang in diese Erscheinungen
gebracht zu haben.
II. Bedenken über die Grundzüge der
Ampère'schen Theorie.
1) Die unter I, 1 und 2 dargestellte sichere Erfahrung, daß sich gleichgerichtete
elektrische Ströme anziehen und entgegengesetzte abstoßen – ist keine rein
elektrische Erscheinung; sie widerspricht allen seither als bekannt angenommenen
Eigenschaften der Elektricität. Denn die gleichnamige
Elektricität (+ und + und – und –) stößt sich
ab. Es muß daher ein anderes Motiv dieser Erscheinung zum Grunde
liegen.
2) Widerstreitet es dem Ampère'schen
Fundamentalgesetz, daß in dem weichen Eisen diese rastlos
und frei beweglichen, hypothetischen Kreisströmchen ungeordnet und also verschieden gerichtet, vorhanden seyn sollen. Nach diesem Gesetz
müßten sie sich nothwendig in jeder Ruhelage des Eisenstabs zu gleicher und
paralleler Richtung unter sich vereinigen, also eine bestimmte Polarität wie der
Stahlmagnet zeigen. Dieses widerspricht aber der Erfahrung. Auch würden die zunächst
übereinander liegenden Strömchen bei der zugekehrten entgegengesetzten Richtung
gegeneinander reagiren und einen Stillstand veranlassen. Es ist ohnehin nicht
einzusehen, warum diese elektrischen Strömchen, bei dem Mangel der Coercitivkraft
des Eisens und seiner guten Leitungsfähigkeit, nicht abgeleitet werden können?
3) In Folge dieses Princips müßten sich nothwendig zwei
parallel genäherte Magnetnadeln mit ihren gleichnamigen Polen, also bei den gleichgerichteten
elektrischen Strömchen, anziehen. Hier zeigt sich aber gerade die umgekehrte Bewegung.
4) Die Hypothese, daß die Sonne von Ost nach West gerichtete elektrische Ströme in
der Erdrinde veranlassen soll (I, 5), scheint wenig Haltbarkeit zu haben; denn bei
der von West nach Ost gerichteten Rotation der Erde durchlauft ein Punkt am Aequator
in einer Secunde 1427 Par. Fuß – und die höchst langsame und durch das
verschiedenartigste Leitungsvermögen der Erdrinde unterbrochene Wärmeverbreitung
würde daher weit zurückbleiben und sich eher seitwärts nach den kältern
Polargegenden hin ausdehnen.
Es ist dagegen durch die sorgfältigsten Beobachtungen nachgewiesen, daß im
Allgemeinen Wärmeströmungen vom Aequator zu den kälteren höheren Breiten hin
stattfinden – und es ist nicht zu läugnen, daß diese thermoelektrische
Strömungen veranlassen, wovon weiter unten die Rede seyn wird. Wenn nun aber diese
hypothetischen, von Ost nach West gerichteten Wärmeströmungen und mit ihnen die
angenommene ost-westliche elektrische Erdumkreisung hinwegfallen, so fällt
auch die obenbemerkte motivirende Kraft der Ampère'schen elektrischen Magnetnadel.
5) Gesetzt aber auch, daß diese elektrische Umkreisung der Erde vorhanden wäre, so
würde doch:
a) Die verlangte Wirkung auf die Ampère'sche Nadel nicht stattfinden; denn es sey SFig. 24 der
Durchschnitt einer solchen Nadel, ab die
rechtsumlaufenden Kreisströmchen und O die einseitig von Ost andringende elektrische Erdströmung. Da hier nun die Radien sa = sb, also
die Hebelarme, wie auch die darauf wirkende Kraft cd, völlig gleich sind, so muß nach statischen
Gesetzen nothwendig Gleichgewicht und Stillstand erfolgen. Nimmt aber Ampère an, daß die der Erde näher liegende, untere Seite a der Nadel von dem Erdstrom kräftiger motivirt werde, so
möchte dieses wohl weniger Haltbarkeit haben: da bei einer feinen, auf ein Minimum des Durchmessers reducirten Magnetnadel von einer vorwaltenden Wirkung des Erdstroms auf das Unten oder Oben nicht die Rede
seyn kann. Demnach scheint also diese Hypothese in sich selbst zu zerfallen.
b) Müßte dieser problematische Erdstrom bei der
isolirenden Eigenschaft der trocknen Luft in bedeutenden Höhen über der Erdfläche
seine Kraft verlieren und mit ihm die Nadel ihre Polarität, und Richtkraft. –
Beide müßten auch durch die häufigen, senkrecht entgegengesetzt auf und absteigenden
atmosphärischen Strömungen die wunderlichsten Unterbrechungen und Abweichungen
erleiden – welches der Erfahrung widerspricht.
c) Endlich verträgt sich diese Hypothese nicht mit den
Erscheinungen eines, in der Inclinationsrichtung aufgestellten weichen Eisenstabs. Die mit Veränderung seiner Lage augenblicklich
eintretende Veränderung seiner Polarität zeigt von der
hohen Empfindlichkeit der Ampère'schen
Kreisströmchen gegen die elektrische Strömung – und doch verändert ein
stärkerer seine Längenrichtung durchdringender Strom die Polarität desselben nicht.
Ich benutze eine solche nahe in der Inclinationsrichtung aufgestellte Eisenstange als Conductor der atmosphärischen
Elektricität. Dieselbe zeigt sich bei bedeutender und unveränderter Polarität
gleichzeitig als ein trefflicher Leiter der der
horizontalen Magnetnadel senkrecht entgegengerichteten, und auf und niedersteigenden
atmosphärischen Strömungen. Offenbar müßte hier durch den dominirenden Strom die
Polarität aufgehoben und der Stab in einen Transversalmagnet verwandelt werden – wo sich dann wieder die
zugekehrten Seiten der übereinanderliegenden Strömchen störend entgegentreten
würden.
6) Der angenommene Erdstrom ist kein Kupferdraht wie der Multiplicator
Fig. 22. Hier
lassen sich die Erscheinungen, dem Fundamentalgesetz gemäß, als rein elektrische
Erscheinungen, völlig consequent nachweisen. Schwieriger ist dieses bei dem von mir
angegebenen Multiplicator (vergl. polytechn. Journal Bd. CXXV S. 181
Fig. 27),
dessen Nadel ihren Drehpunkt außerhalb der Multiplicatorwindung bei C' hat. Die Ampère'sche Nadel hat hier schon bei dem stromlosen Multiplicator ganz
die mit den Windungen desselben parallele Lage, wie sie obige Fig. 23 zeigt, und wie
sie dem Ampère'schen Fundamentalgesetz entspricht.
Dennoch wird die Nadel (Fig. 27 a. a. O.), wenn
der Strom bei O + eintritt, aus ihrer
Gleichgewichtslage, sowohl nach Ost als nach West hin abgelenkt, senkrecht auf die Strömung des
Multiplicators gerichtet und bei völlig freier Bewegung, außerhalb derselben, bis zu
180° verdrängt.Obgleich dieser Multiplicator höchst empfindlich ist, so ist doch wegen
dieser zweifachen Abweichung das im polytechn. Journal Bd. CXVII S. 321 angegebene und nicht
minder empfindliche Galvanometer mit transversaler
Nadel, zum praktischen Gebrauch vorzuziehen. Wenn sich diese Anomalie nun auch mit Hülfe einiger neuen Hypothesen im Ampère'schen Sinne erklären läßt, so ist doch
nicht wohl einzusehen, wie ein so schwacher elektrischer Strom eine so große
Fernwirkung äußern kann, und die a. a. O. auf die magnetische Polarität gegründete
Erklärung ist jeden Falles einfacher und naturgemäßer.
7) Erklärt die Ampère'sche Theorie nicht die
Erscheinungen der stagnirenden Elektricität isolirt überladener KörperVergl. polytechn. Journal Bd. CXXIV S.
416. und des sogenannten Diamagnetismus etc., obgleich auch dieses offenbar
elektromagnetische Erscheinungen sind.
Mehrere andere Bedenken übergehe ich hier, da die vorliegenden schon einen
zureichenden Nachweis der Unzulänglichkeit des Ampère'schen Systems hinsichtlich seiner Grundlage darbieten werden. Indessen bedarf die Basis dieser Theorie nur
einer geringen naturgemäßen Berichtigung und Ergänzung, um ihre vollkommne und
unwandelbare Gültigkeit festzustellen.
III. Beseitigung dieser Bedenken und
naturgemäße Ergänzung des Ampère'schen Systems.
Um im Folgenden verständlich zu seyn und Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich
auf meine früheren Mittheilungen in diesem Journal, namentlich über die
Richtungs- und Drehungsverhältnisse und die davon abhängige Polarität der
Agentien (Bd. CXVII S. 324), indem hierüber noch differente und verwirrende
Ansichten zu herrschen scheinen. Auch werden die in diesen Aufsätzen gegebenen
Erörterungen über das Wesen und die dynamische Reaction dieser Naturkräfte
einstweilen zum Verständniß des folgenden Nachweises einer naturgemäßen und völlig
consequenten Erklärung sämmtlicher elektromagnetischen Erscheinungen zureichen.
1) Hiernach sind also Magnetismus und Elektricität, wie Licht und Wärme etc.,
selbstständige Kräfte. Sie bewohnen, nach Verhältniß der individuellen Capacität,
alle materiellen Substanzen in einem bestimmten ruhigen und latenten
Gleichgewichtszustand. Sie regen sich gegenseitig auf und werden in Thätigkeit
versetzt, sobald eins dieser Agentien überwiegend auftritt und den ruhigen
Gleichgewichtszustand aufhebt. Diese gegenseitige dynamische Reaction ist der
Grund und die Bedingung alles Lebens und aller Bewegung in der an sich todten
Materie.
2) Der Magnetismus. Die von jeher anerkannte
Selbstständigkeit und geradlinige Süd-Nordrichtung desselben im Weltraume ist
keine willkürliche Hypothese. Es entspricht allen Naturerscheinungen auf das
vollkommenste, daß die den Raum erfüllenden, alles ungehindert durchdringenden und
in den Körpern nach Verhältniß ihrer Capacität sich verdichtenden und polarisirten
magnetischen Elemente die Grundlage aller Polarisation sind; daß die in der
Gesammtmasse der Erde condensirten kosmisch-magnetischen Elemente dieselbe zu
einem fixpolarisirten und dominirenden Magnet machen, welcher unwandelbar von dieser
kosmisch-polaren Spannung dirigirt wird, und den gehärteten, mit Magnetismus
reichlich geladenen, durch seine Coercitivkraft fixpolarisirten Stahl etc., wenn er,
wie die Magnetnadel frei beweglich ist, stets zu Herstellung des polaren
Kreisschlusses in seine lineare Richtung lenkt; daß dagegen die in den nicht mit
Coercitivkraft versehenen Körpern frei beweglichen Elemente stets der dirigirenden
polaren Richtung des Erdmagnetismus folgen, welche Lage wir diesen Körpern auch in
Beziehung auf den magnetischen Meridian geben mögen.
Ohne diese vermittelnden, den Raum und die Körper erfüllenden freien magnetischen
Elemente würde es unmöglich seyn, daß ein starker, die Erdkraft überwiegender
Stahlmagnet in weite Ferne hin und durch zwischenliegende Körper hindurch, auf die
polare Richtung einer Magnetnadel wirken könnte.
3) Die Elektricität. Es ist allgemein anerkannte
Thatsache, daß sich eine elektrische Ueberladung auf der Oberfläche der Körper
ansammelt und zu entweichen strebt, und es ist keine willkürliche Hypothese, daß die
Elektricität bei ihrer enormen Geschwindigkeit und dem innern Leitungswiderstand der
Leiter, dieselben vom + zum – hin, in einer mehr oder weniger gestreckten
Spirale vorschreitend, rechtsum umwallet. Dieses bezeugen
sowohl viele Naturerscheinungen im Großen,Vergl. polytechn. Journal Bd. CXVII S.
329. Es ist offenbar ein Irrthum, wenn B. v. Minkwitz in Poggendorff's Annalen, 1852 Nr. 7, S. 490 glaubt, daß
die Sonne die trocknen Telegraphenstangen
nachgerade in diese Spiralform drehe – ihre Längenfaser ist vielmehr,
wie bei allen Vegetalien, schon während ihres Wachsthums, mehr oder weniger
rechtsum gewunden. Am auffallendsten ist dieses bei den Rankengewächsen,
welche eine rechtsgewundene Spirale bilden und also der als Haupttriebkraft
sich überall in der Natur bewährenden Elektricität in ihrer Richtung folgen.
Die Pflanzen wenden sich zwar einseitig nach dem Licht, allein dieses kann
eine völlige Kreisdrehung nicht veranlassen. Diese erfolgt auch im
Dunkelraume, wie dieses z.B. eine Bohnenpflanze nachweist. Eine völlig
durchnäßte Telegraphenstange bietet dem elektrischen Strom ringsum eine
zureichende Leitung, und ich habe mich persönlich davon überzeugt, daß die
spiralförmige Ansprengung einer solchen schlichtspanigen Stange ohne
Rücksicht auf ihre Längenfaser stattgefunden hatte.Es ist immerhin merkwürdig, daß von Reichenbach's
sogenannte Sensitiven in der Dunkelkammer den galvanischen Leitungsdraht mit einer vorschreitenden
spiralförmigen Leuchte umwallet sehen. (Vergl. dessen
Od-magnet. Briefe.) als auch überall
das Experiment. Wir wenden uns nun zu der einfachen, diesen naturgemäßen Grundsätzen
entsprechenden Erklärung der hauptsächlichsten elektromagnetischen
Erscheinungen.
4) Die Anziehung und Abstoßung frei beweglicher elektrisch durchströmter Leiter
erfolgt lediglich nach den Gesetzen der magnetischen Polarität. Fig. 25. Die
gleichgerichtete Rechtsumwallung der parallelen Leiter vom + zum – hin
veranlaßt, daß sich zwischen denselben die ungleichen freundschaftlichen Pole + und
–, s und n der
aufgeregten magnetischen Elemente begegnen, also die beweglichen Leiter sich
anziehen. Fig.
26. Die entgegengesetzte elektrische Strömung der Leiter ab und cd bringt
hier zwischen denselben die gleichgerichtete oder feindliche Polarität – und
–, n und n, in
Berührung, daher erfolgt Abstoßung.
Sind diese Leiter isolirt aufgehangen und mit gleicher
positiver Elektricität überladen, so zeigen sich in Folge derselben
magnetischen Polarität die umgekehrten Bewegungen und erklären den oben unter II, 1
bemerkten Widerspruch.Vergl. die stagnirende Elektricität, polytechn. Journal Bd. CXXIV S. 416.
Fig. 27. Die
Leiter ab und cd
sind beide gleichförmig mit positiver Elektricität überladen; da diese nicht
entweichen kann, so bildet sie um dieselben eine positiv ausströmend gespannte
Atmosphäre. Die aus derselben verdrängten und condensirten magnetischen Elemente
ertheilen ringsum, und dem im Zwischenraum befindlichem Magnetismus, dieselbe
positive Spannung (– und –), also erfolgt Abstoßung.
Ist dagegen Fig.
28 einem dieser Leiter cd ein Theil
seiner elektrischen Ladung entzogen, so erscheint er in Beziehung auf die positive
Spannung von ab negativ. Die elektromagnetischen
Elemente von cd sind daher entgegengesetzt,
negativ einströmend nach innen gerichtet. Es begegnen sich also zwischen beiden
Leitern, wie die Figur anschaulich macht, die ungleichnamigen freundschaftlichen
Pole (+ und –, s und n), daher erfolgt Anziehung.
5) Eben so einleuchtend ist die Drehung zweier sich kreuzenden elektrischen Ströme
nach dem Gesetz der magnetischen Polarität, Fig. 29.
Zwei solche Ströme a +, b
–, und e +, d
–, kreuzen sich hier in dem gemeinschaftlichen Mittelpunkt C. Ist nun ab fest und
ed beweglich, so ziehen sich in den Quadranten
ae und bd
die ungleichen und freundschaftlichen Pole n und s der in Umschwung gesetzten elektromagnetischen
Elemente an, während sich dieselben in den Quadranten ad und eb, wie ss und nn zeigt,
als gleichnamig und feindlich abstoßen. Mithin erfolgt eine Drehung um C, bis ed mit ab in gleiche und parallele Richtung tritt, wie
Fig.
25.
6) Ein allgemeines Schema der dynamischen Reaction des Magnetismus und der
Elektricität zeigt uns Fig. 30.
S und N sind die uns
vorliegenden Durchschnittsflächen eines elektrisch durchströmten Leiters. S + zeigt den Eingang, und N
– den Ausgang des Stroms. Die Pfeile aa
bezeichnen die unwandelbare Rechtsumwallung der
aufgeregten elektromagnetischen Elemente und zwar bei S
+, dem Eintrittspunkt des Stroms, die wirkliche
Rechtsdrehung und bei N –, dem
Ausgangspunkt des Stroms, die in der Vorderansicht scheinbare
Linksdrehung der Rechtsumwallung.
Liegt nämlich der geradlinige Leiter in der Meridianrichtung und wir stehen im Süden
mit dem Gesicht nach Nord gerichtet, so haben wir die Ansicht der
Durchschnittsfläche S +, des Eingangspunktes des Stroms.
Stehen wir dagegen im Norden mit dem Gesicht nach Süd gerichtet, so haben wir die
Ansicht der Durchschnittsfläche N –, des
Austritts des Stroms. Im ersten Falle liegt uns also Ost O zur Rechten, und im zweiten Fall zur Linken. Die motivirende Rechtsumkreisung vom + zum
– hin bleibt also in beiden Fällen ganz dieselbe, ob sie sich gleich hei dem
Austritt N – scheinbar
links gerichtet zeigt. Daher behalten die umschwingenden elektromagnetischen
Elemente aa, wie die Pfeilspitze zeigt, stets
dieselbe polare Richtung von West nach Ost. Der Angriffspunkt ist, in Folge ihrer
Bewegungsrichtung, immer der ausströmende Nordpol.
7) Die Pfeile 1, 2, 3, 4, zeigen uns nun für beide Ansichten, daß in Folge des
polaren Anschlusses:
a) Eine genäherte Magnetnadel über dem Leiter wie 1, mit ihrem Nordpol nach Ost; unter demselben, wie 3,
nach West; neben demselben im Westen, wie 4, nach oben;
und auf der andern östlichen Seite, wie 2, nach unten
bewegt wird.
b) Daß transversal auf die Längenrichtung des Leiters
befestigte Stahlnadeln, rings um denselben so magnetisch polarisirt werden, wie
dieses die nördlichen Pfeilspitzen 1, 2, 3 und 4 bezeichnen.
8) Die in diesem Schema dargestellten, scheinbar
entgegengesetzten Drehungen der elektromagnetischen Elemente veranschaulicht die
durch den elektrischen Strom bewirkte Kreisung eines flüssigen Leiters Fig. 31.
g ein Glasgefäß mit zureichend angesäuertem Wasser. z ein Zinkdraht und p ein
Platindraht, welche bei x zusammengelöthet und so
befestigt sind, daß sie mit ihren untern Enden in die Flüssigkeit eintauchen. Das
Gefäß g steht auf dem Nordpol eines kräftigen Magnets
M.
Da nun der erregte galvanische Strom vom Zink z durch die
Flüssigkeit zum Platin p, und von diesem durch xz zurück u.s.w. bewegt wird und in dem
Nordmagnetismus N einen geeigneten Stützpunkt findet, so
erfolgt, von oben gesehen, die dem Eingang und Angriffspunkt der Kraft
entsprechende, wirkliche Rechtskreisung der Flüssigkeit um den Leiter Z, wie ihn das Schema Fig. 30 bei + S zeigt. Der von hier nach der Richtung des Pfeils durch
die Flüssigkeit laufende Strom tritt also von unten in den Platinleiter p ein, und hier zeigt sich nun, wie in dem Schema
– N, von oben gesehen, die scheinbare
Linkskreisung der Flüssigkeit um p, indem von unten am
Eingangspunkt der Kraft gesehen, auch hier die wirkliche Rechtskreisung
stattfindet.
Wird dieser Zink-Platinbügel bei x frei beweglich
aufgehängt und der Magnet N beseitigt, so vertritt die
Stelle des letztern der im Meridian gespannte Erdmagnetismus. (Vergl. Oben I, 4.)
Die elektromagnetischen Elemente der Leiter Z und p setzen sich (wie in dem horizontal gedachten Schema
Fig. 30,
die äußern hier dominirenden Pfeile 4, 4 zeigen) in polare Verbindung mit dem
Erdstrom; die beweglichen Leiter werden daher in die Ost-Westrichtung
gedrängt und die Fläche des Bogens stellt sich also mit Süd-Nordpolarität
senkrecht auf den Meridian. Diese Flächen verhalten sich nun ganz wie ein Magnet und
werden von einem fixen, die Erdströmung überwiegenden Stahlmagnet, nach
Verschiedenheit der in dem Schema bemerkten Polarität, seitwärts angezogen oder
abgestoßen.
9) Die freien Elemente beider Agentien folgen stets der polaren Bewegungsrichtung des
überwiegend auftretenden; ist daher:
a) Ein Träger derselben fest
und der andere freibeweglich, so erhält letzterer in
ersterm den erforderlichen Stützpunkt um sich selbst, dem Gesetze der Polarität
gemäß, in Bewegung zu setzen.
b) Sind hingegen diese Elemente, wie im Stahlmagnet,
fixirt, so ertheilen sie überwiegend auftretend den freien Elementen eines in ihrem
Bereich befindlichen Körpers ihre polare Bewegungsrichtung () oder umgekehrt
() ohne ihn selbst zu bewegen.
c) Ist aber ein solcher Stahlmagnet frei beweglich und
begegnet seine polare Spannung einem festen und überwiegenden Strom, so wird der
Magnet selbst, ihrer gegenseitigen Polarität gemäß, in Bewegung gesetzt.
Ein allgemeines Schema aller dieser elektromagnetischen Bewegungen gibt uns Fig. 32. Es
sey N – der Nordpol eines Stahlmagnets und E + ein von hier aus elektrisch durchströmter Leiter,
wie ihn der Durchschnitt S + Fig. 30 von oben
zeigt.
Ist der Magnet N fest und der Leiter E frei beweglich, so reagirt die Nordpolarität der
rechtsumkreisenden elektromagnetischen Elemente des Stroms gegen die Nordpolarität
des fixen Magnets M, der Leiter E wird daher nach O hin abgestoßen und
disponirt den Magnetpol in dieser Richtung zu umkreisen.
Ist dagegen der Leiter E fest und der Magnet N frei beweglich, so wird letzterer in Folge derselben
Reaction nach der entgegengesetzten Seite W hin
abgestoßen und also genöthigt den Leiter in entgegengesetzter Richtung zu
umkreisen.
Hiernach ist es nun an sich einleuchtend, daß alle diese Bewegungen in umgekehrter
Richtung erfolgen, wenn die Stromrichtung oder der Magnetpol umgekehrt werden.
10) In Folge dieser Darstellung sind nun die Bewegungen der mannichfachen künstlich
zusammengesetzten elektromagnetischen und magnetoelektrischen Apparate vollkommen
erklärlich und bedürfen keines weitern Nachweises. Die Erscheinungen der
ElektromagnetePolytechn. Journal Bd. CXX S. 358.
Ich mache die Techniker hier nochmals aufmerksam auf die Kraft dieses verstärkten Elektromagnets und ihre Benutzung zur
Maschinenbewegung. Die Ziehkraft der
Inductionsrolle erhält durch die von mir angegebene äußere Eisenarmatur eine so enorme Stärke, daß ein in derselben
beweglicher und bei dem Stromwechsel auf- und niederbewegter
Eisenkern die seitherigen Leistungen elektromagnetischer Maschinen bei
weitem übertrifft., der Induction, der stagnirenden ElektricitätPolytechn. Journal Bd. CXXIV S. 416.
Ich erlaube mir hier die Bemerkung, daß es sehr vortheilhaft seyn würde, bei
dem Vortrag der Elektricitätslehre, den historischen Gesichtspunkt zu
verlassen und die strömende Elektricität, als den ursprünglichen und
naturgemäßem Zustand voranzuschicken., der Bindung und Vertheilung, des Diamagnetismus etc. sind bereits in den
früheren Aufsätzen eben so einfach als consequent erörtert worden. Wir wollen daher
nur noch einen Blick auf die elektromagnetische Beschaffenheit unseres Erdkörpers
werfen.
IV. Der Erdmagnet.
1) Wir haben bereits oben (III, 2) die Magnetisirung des Erdkörpers als nothwendige
Folge der kosmisch-magnetischen Spannung im Weltraum nachgewiesen. Es
leuchtet nun aber ein, daß dieser Magnetismus, in Verbindung mit dem sowohl durch
die Sonne, als auch durch die von Innen nach Außen dringende Wärme erregten
elektromagnetischen Strömungen in der Erdrinde, nach Obigem entsprechende Bewegungen
hervorbringen muß. Fig. 33 wird dieses anschaulich machen.
E sey die in der kosmischen Süd-Nordspannung MM' getragene Erdkugel. Um uns den Hergang zu
versinnlichen, können wir uns die Erde als eine zwischen dem Süd- und Nordpol
zweier starker Stahlmagnete M und M' schwebende Eisenkugel denken, welche zugleich von elektrischen Strömen
umflossen ist. Die hier oben im Süden, durch den nördlichen Angriff n – der constanten kosmisch magnetischen
Spannung, dirigirte elektrische + Strömung der Erdrinde erhält zur Herstellung des
polaren Anschlusses eine durch die Pfeile WO
bezeichnete, und ihr ohnehin naturgemäße Rechtsrichtung von West nach Ost. Die im Raum frei bewegliche
Erdkugel wird daher durch diesen Strom in gleicher Richtung um ihre Achse gedreht,
folglich ist die von West nach Ost gerichtete Rotation hierdurch nachgewiesen
und dem allgemeinen Schema Fig. 33 entsprechend.
2) Diese Süd-Nordspannung des kosmischen Magnetismus und die dadurch
motivirte, vom südlichen zum nördlichen Erdpol gerichtete elektromagnetische
Erdströmung erklären nun auch die größere Kälte der südlichen Polargegend, die mehr
nördlichliegende Mittelzone der Erdwärme, die mehr nördlich beim Meridian liegende
Scheidelinie der polaren Richtung der Magnetnadel und überhaupt den im Weltraum vorherrschenden Drang nach Norden hin u.s.w.
Eine nähere mathematisch begründete Erörterung dieses Gegenstandes würde aber sowohl
den Raum, als auch den Zweck dieses Aufsatzes überschreiten, ich überlasse dieselbe
daher den Astronomen und schließe diese Verhandlung mit dem Wunsche, daß sie jüngere
und bessere Kräfte zu weiterer naturgemäßen Begründung des Ampère'schen Systems veranlassen möge.
Marburg, im Decbr. 1852.