Titel: | Ueber den Ersatz der Seife beim Seideentschälungsproceß durch Borar; von Dr. Bolley. |
Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. CV., S. 450 |
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CV.
Ueber den Ersatz der Seife beim
Seideentschälungsproceß durch Borar; von Dr. Bolley.
Aus dem schweizerischen Gewerbeblatt, 1852, Nr.
9.
Bolley, über den Ersatz der Seife beim
Seideentschälungsproceß.
Bei wiederholten Versuchen, die ich im kleinern Maaßstabe anstellte, habe ich.
gefunden, daß sich der Borar zum Degummiren gebrauchen läßt. Veranlaßt wurde ich zu
den Versuchen durch die Ueberlegung, daß der Borar, falls er zu diesem Zwecke diene,
auch immer wieder brauchbar hergestellt werden könne, und nicht wie die Seife
verloren sey. Es hat sich mir bewiesen, daß Borar, in Wasser gelöst, bei längerem
(1–1½ stündigem) Kochen eine zu seinem Gewicht doppelte Menge Seide
ziemlich stark zu entschälen im Stande sey. Ich habe mich auch überzeugt, daß die
Entschälung vollkommen erreicht werden kann, wenn man eine zweite Boraxlösung
anwendet. Ueber den erstern Erfolg kann ich indeß mit weit mehr Sicherheit sprechen,
und möchte nicht eine Aussicht auf die Möglichkeit, das ganze Geschäft mittelst
Borax anstatt Seife vorzunehmen, eröffnen. Das scheint mir durch die Versuche
festgestellt, daß der erste Theil des Geschäftes, das, was die Färber das Degummiren
nennen, sich mit Boraxlösung ausführen lasse, während man beim zweiten, was sie das
„Kochen“ nennen, vielleicht zweckmäßiger sich der Seife
bedient.
Es wäre aber diese Substituirung nichts weiter, als eine nutzlose Curiosität, wenn
nicht zugleich die Versicherung gegeben werden könnte, daß die gebrauchte Brühe
durch Zusatz von etwas Soda und Abdampfen (Stehenlassen an der Luft in flachen
Gefäßen) den größern Theil des Borax in Krystallen wieder liefert. Die Mutterlauge,
worin eiweißund
leimähnliche Theile sich befinden, abgedampft und bis zur Verkohlung dieser Stoffe
erhitzt, liefert aber beim Auslaugen sämmtlichen Borax wieder. Die auf die genannte
Art entschälte Seide fühlt sich sehr weich an, die gelben Sorten sind fast ganz
weiß, die Untersuchung unter dem Mikroskop läßt nirgends eine Zerstörung des Fadens
erkennen, die Stärke des einzelnen Fadens unterscheidet sich nicht von gewöhnlicher
Seide. Kurz, ein Nachtheil für die Qualität ist, soweit ich prüfen konnte und das
Urtheil erfahrener Fabrikanten berieth, nirgends zu finden. Die Frage der
Zweckmäßigkeit wird eine rein ökonomische.
Bietet das Factum der Wiedergewinnbarkeit des Borax gegenüber seinem fast doppelt so
hohen Preis, der Nothwendigkeit etwas stärkern Zusatzes, dem Zeitaufwand und den
geringen Kosten für die Abdampfung (wozu jedenfalls abgängige Wärme in jeder
Färberei genug vorhanden ist), ferner gegenüber dem unvermeidlichen kleinen Abgang,
noch Vortheile über die Seife? Soweit ich in die Sache Einsicht habe, meine ich, es
müsse bei der Möglichkeit, vielleicht 30 Pfd. Seife auf den Centner ersparen zu
können, das der Fall seyn; namentlich wenn es sich erwahren soll, daß die
nothwendige Dauer des Erhitzens eine geringere ist. Ich selbst werde suchen, in
Gemeinschaft mit Seidefärbern den Sachbestand genauer zu erheben, und beabsichtige
mit dem Obigen zunächst nur, zu Versuchen aufzufordern, welche gewiß keinerlei
Schwierigkeit darbieten, und keinen Schaden für das Product fürchten lassen. Dieß um
so mehr, da der Vorschlag der Entschälung mit Wasserdampf eine allgemeinere
Verbreitung bis jetzt noch nicht gewonnen zu haben scheint.