Titel: | Die neuesten Veränderungen in dem Schenck'schen Warmwasser-Röstverfahren des Flachses; von Hrn. C. Flandorffer |
Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. LXXXVI., S. 381 |
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LXXXVI.
Die neuesten Veränderungen in dem Schenck'schen
Warmwasser-Röstverfahren des Flachses; von Hrn. C. Flandorffer
Aus den Verhandlungen des Vereins für Gewerbfleiß in
Preußen, 1852, 1 ste Liefer.
Flandorffer, über Schenck's Warmwasser-Röstverfahren des
Flachses.
In der letzteren Zeit hat das Schenck'sche Verfahren den
Flachs zu rösten (beschrieben im polytechn. Journal Bd. CXXIII S. 59)
folgende Veränderungen erfahren:
1. Der Ankauf des Stengelflachses geschah früher auf dem Felde nach dem Flächeninhalt
(Ackerweis); es hat sich diese Art und Weise des Kaufs als ungenau, sowie in
einzelnen Fällen als trüglich und unsicher und deßhalb als unvortheilhaft für die
Käufer herausgestellt. Es ist daher der Bedarf an 1851er Flachsstroh fast
durchgehends von Seiten aller Rottanstalten dem Gewichte nach angekauft worden; der
gezahlte Preis betrug für 20 Centner Stengelflachs zwischen 20 bis 30 Thlr.
Nur in einigen Gegenden Irlands wurden von Seiten der Verkäufer einem solchen Verkauf
Schwierigkeiten entgegengesetzt, indem der Erbauer bei dem erwähnten Preise seinen Flachs
durchschnittlich nicht so hoch verwerthete als früher.
In dem Ankaufe des Stengelflachses liegt hauptsächlich die Rentabilität für
Röstanstalten, und es kann die größte Vorsicht dabei nicht genug anempfohlen werden.
Hauptsächlich ist es rathsam, den Ankauf der besseren Stengelflachse im Auge zu
behalten, da die Unkosten der Bearbeitung des schlechten und guten Flachses ziemlich
dieselben sind, ein genügender Ertrag bei ersterem, um die Arbeit bezahlt zu machen,
unsicher, während bei letzterem ein gewisser Ertrag und höhere Verwerthung sich mit
mehr Bestimmtheit erwarten läßt. Ferner liegt ein wesentlicher Unterschied im
Ertrage zwischen früh und spät
gesäetem Flachse; ich mache daher darauf aufmerksam, damit man beim Ankaufe hierauf
Rücksicht nehme. Frühflachs liefert besseren Flachs und mehr Ertrag, während sehr
später Flachs den Erwartungen nach dem Rösten und Reinigen in Hinsicht des Ertrages
weniger, oft gar nicht entspricht.
2. Was das Rösten des Flachses betrifft, so hat sich die Anwendung einer niedrigeren
Temperatur als 90° F. und Auslegen auf Gras nach der Röste, sowohl in
Hinsicht auf Qualität, Haltbarkeit und Farbe des Flachses, als auch in Rücksicht auf
den Ertrag vortheilhafter erwiesen.
Bei Anwendung des ursprünglichen Schenck'schen
Patentverfahrens in künstlich erwärmtem Wasser von einer Temperatur von 90°
F. und unmittelbar nach vollendeter Röste folgendem Trocknen, ohne Auslegen auf
Gras, stellten sich durch die Länge der Erfahrung folgende Uebelstände heraus:
a) der so geröstete und zubereitete Flachs war nicht allein zu weich, so daß er beim Hecheln zu viel Abfall als Werg
lieferte, sondern es schien auch in vielen Fällen die Haltbarkeit beeinträchtigt zu
seyn, was sich hauptsächlich bei längerem Lagern zeigte. Beides ist nicht gerade dem
Verfahren ganz allein zur Last zu legen, sondern die überhaupt schlechte Qualität
des irländischen 1850er Flachses, sowie Mangel an hinlänglicher Erfahrung, in
einigen Fällen sogar Verwahrlosung beim Rösten und Zubereiten des Flachses, mögen
hierzu beigetragen haben.
b) Ein Hauptübelstand bei dem in der früheren Weise gerösteten
Flachse war die grünliche Farbe desselben, da er deßhalb zu solchen Garnen, die ohne
weitere Behandlung im rohen Zustande verwendet werden, gar nicht versponnen werden konnte,
überhaupt aber auch das Garn davon nicht beliebt war, wenn es auch zum Weben für
glatte, später zu bleichende Leinen dienen sollte, weil das Garn durch das dem Weben
vorangehende Kochen in Lauge etc. keine angenehme und beliebte Farbe erhielt.
Beide Uebelstände sind durch Anwendung einer niedrigeren Temperatur des Röstwassers
und durch mehrtägiges Auslegen des Flachses nach dem Rösten beseitigt worden, und
ist diese Abweichung von dem ursprünglichen Schenck'schen
Verfahren unläugbar ein bedeutender Vortheil zu Gunsten des letzteren. Zu Crieve in
der County Monaghan macht man jetzt, nach der Beschaffenheit des Flachses, einen
Unterschied in der Anwendung der Temperatur des Röstwassers. Für stärkere
Stengelflachse wendet man eine Temperatur von nur 70° F. (16,8° R.)
während 90–96 Stunden, dagegen für feineres Flachsstroh eine Temperatur von
80° F. (21,3° R.) während 72 Stunden an.
In der Röstanstalt von Jos. Hull, zu Grange bei Toome,
County Antrim, gibt man dem Flachse durchgehends eine Temperatur von 82° F.
(22° R.) während 70–72 Stunden; dieses Verfahren hat sich nicht allein
hinsichtlich der Röste des Flachses als genügend, sondern auch nach vielen Versuchen
verschiedener Temperaturen und verschieden langer Zeit als das zweckmäßigste
herausgestellt. Die Temperatur von 82° F. wird dem Wasser nach 8–9
Stunden, vom Einlassen des Dampfes an gerechnet, gegeben und dann stetig
unterhalten. — In dieser Weise wird in letzterer Anstalt seit längerer Zeit
gearbeitet und der Flachs läßt in Hinsicht auf Haltbarkeit nichts zu wünschen übrig
und steht den nach älterem Verfahren in Gruben gerösteten Flachsen nicht nach.
— Der Ertrag ist von 1200 Stein Stengelflachs vor dem Rösten im Durchschnitt
10–16 ¼ Stein an geschwungenem Flachs; der Preis durchschnittlich 7
½ Shillinge (2 ½ Thlr.) der Stein.
Man breitet jetzt auch nach dem Rösten, wenn irgend möglich, den Flachs für einige
Tage aufs Gras aus und zwar hauptsächlich, wie schon erwähnt, um demselben die nach
der Warmwasser-Röste erhaltene grünliche Farbe zu benehmen. Hierbei hat man
es ganz in der Gewalt, dem Flachse eine beliebige mehr oder weniger lichte Farbe zu
geben, und es ist ein solches Auslegen und späteres Trocknen im Freien äußerst
vortheilhaft für die Qualität des Flachses. Das Trocknen im Freien stellt sich gegen
die frühere Art in Trockenschuppen zu trocknen, nicht nur als zweckmäßiger heraus,
ganz besonders aber gegen ein Trocknen mit Anwendung künstlicher Erwärmung. Die
Zeitdauer des Auslegens
ist je nach Ersorderniß verschieden und hängt auch von der Witterung mit ab; im
Durchschnitt beträgt dieselbe etwa drei Tage. Der Flachs wird hierauf in Bündel
zusammengerafft und letztere in der Weise zum Trocknen aufgestellt, daß man
dieselben mit den Wurzelenden ausspreizt, wodurch den Bündeln eine festere Basis
gegeben wird.
Zu Crieve wurde auch eine bedeutende Partie 1851er Stengelflachs gekauft, welcher in
noch grünem Zustande gerauft worden war; ein Theil davon wurde nach dem oben
erwähnten von dieser Anstalt jetzt befolgten Principe geröstet und zubereitet. Die
Resultate hinsichtlich des Ertrags und der besseren Qualität sind entsprechend, es
muß aber von einer Samengewinnung Seitens der Röstanstalt mehr oder weniger
abgesehen werden. Im Uebrigen ist das Warmwasser-Röstverfahren unverändert
beibehalten worden.
Obwohl über die vorstehend angegebenen Abweichungen vom ursprünglichen Schenck'schen Röstverfahren bisher nichts öffentlich
bekannt gemacht worden ist und es die Anstalten vorziehen, jeden Vortheil, so viel
wie möglich, für sich zu behalten und zu eigenem Nutzen auszubeuten, so kann ich
doch die genannten Veränderungen als wirkliche Verbesserungen verbürgen, und halte
es für meine Pflicht, dieselben zur allgemeinen Kenntniß zu bringen.