Titel: | Ueber die Zusammensetzung einiger Getreidearten aus den Jahren 1850 und 1851; von H. Fehling und A. Faißt in Stuttgart. |
Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. LI., S. 224 |
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LI.
Ueber die Zusammensetzung einiger Getreidearten
aus den Jahren 1850 und 1851; von H. Fehling und A.
Faißt in Stuttgart.
Aus Riecke's Wochenblatt, 1852, Nr.
16.
Fehling, über die Zusammensetzung einiger Getreidearten aus den
Jahren 1850 und 1851.
In Folge des ungünstigen Fruchtjahrs 1851 hörte man wieder, wie schon früher bei
gleichen Veranlassungen, die Meinung aussprechen, daß die Frucht des nassen und
kalten Jahres 1851 weniger Brod liefere und weniger Rahrungsstoff enthalte, als das
Getreide besserer Jahrgänge. Wenn diese Meinung begründet ist, so mußte sich dieß
durch die chemische
Analyse darthun lassen. Es schien daher wichtig, die Früchte der Jahre 1850 und 1851
in dieser Hinsicht vergleichend zu untersuchen. Die königliche Centralstelle für die
Landwirthschaft ließ zu dem Ende Getreidemuster von Hohenheim, Ochsenhausen,
Kirchberg und Ellwangen aus den genannten beiden Jahrgängen kommen. Faißt führte die Analysen im chemischen Laboratorium der
polytechnischen Schule aus.
Bei der Analyse wurde das betreffende Getreide vollkommen von beigemengten
Unreinigkeiten, Steinen, fremdartigen Samen etc. befreit; eine Probe des zerriebenen
Getreides wurde bei 100° C. zur Bestimmung des Wassergehalts vollständig
ausgetrocknet. Der Stickstoffgehalt der Körner ward durch Verbrennen mit Natronkalk
bestimmt, das Ammoniak ward in verdünnter titrirter Schwefelsäure aufgefangen und
nach Peligot's Methode durch Sättigung der Säure mit
Zuckerkalklösung bestimmt; aus dem Stickstoffgehalt ward die Menge des Klebers und
eiweißartiger Verbindungen berechnet, indem in diesen Körpern 1,55 Proc.
Stickstoffgehalt angenommen ward. Die Menge der Holzsubstanz wurde bei den meisten
Früchten direct bestimmt durch abwechselndes zweimaliges Ausziehen von ungefähr 50
Gramm. Körner mit verdünnter Säure (1 Theil Salzsäure mit 20 Theilen Wasser) und
verdünnter Kalilauge von 1,10 spec. Gewicht. Bei den mit * bezeichneten Körnern ist die Zellensubstanz
nicht direct bestimmt, es ist hier das arithmetische Mittel in Rechnung gebracht aus
den Zahlen, welche bei den directen Bestimmungen der gleichen Getreidearten erhalten
wurden. Zur Bestimmung der Asche wurden ungefähr 100 Gramme Körner zuerst in einem
Tiegel verkohlt, von dem gewogenen kohligen Rückstand wurde eine gewogene Menge in
einer Platinschale bei nicht zu hoher Temperatur, unter mehrmaligem Befeuchten mit
reinem destillirtem Wasser, vollständig eingeäschert. Zur Bestimmung der
Phosphorsäure ward ein Theil des kohligen Rückstands mit verdünnter Salzsäure
ausgezogen, die Phosphorsäure daraus mit Eisenchlorid wie gewöhnlich gefällt und aus
dem phosphorsauren Eisenoxyd die Säure als phosphorsaures Magnesia-Ammoniak
aus der weinsauren Lösung erhalten. Der Gehalt an Stärkmehl und Fett wurde nicht
direct bestimmt, sondern ergab sich aus der Differenz.
Da es nicht nachgewiesen ist, daß die Frucht der beiden Jahrgänge von demselben Gut
auch auf dem gleichen Acker bei gleicher und gleichartiger Düngung erbaut ist, so
könnte man einwerfen, daß die Getreide sich eigentlich nicht mit einander
vergleichen lassen. Es ist jedoch angegeben, daß die Frucht desselben Gutes in den
beiden Jahren unter sehr ähnlichen Boden- und Düngerverhältnissen gewachsen
ist, und aus der
Gesammtheit der Analysen läßt sich daher doch wohl ein praktisch brauchbares
Resultat ziehen. Bei der Vegleichung der in nachstehender Tabelle mitgetheilten
Analysen ergeben sich folgende Resultate:
Der Wassergehalt der Frucht von 1851 ist zuweilen wohl um 1 Proc. größer als der in
dem vorhergehenden Jahre, zuweilen aber auch im Getreide von 1850 größer; diese
Differenzen sind unbedeutend.
Der Gehalt an Stickstoffsubstanzen differirt in den beiden Jahrgängen zuweilen von
1–2 Proc., nur einmal (Kernen von Ochsenhausen) um 3¾ Procent, aber er
ist eben so oft höher im Getreide von 1851 als in dem von 1850, so daß hier beide
Schwankungen sich heben.
Der geringe Unterschied im Stärkmehlgehalt kann umsoweniger in Betracht kommen, da
das Stärkmehl nur aus der Differenz bestimmt ist, alle Fehler in den einzelnen
Bestimmungen sich hier addirt haben.
Die Menge der Asche ist in beiden Jahrgängen wenig verschieden, auch im Gehalt an
Phosphorsäure zeigt die Frucht selten Differenzen.
Im Ganzen zeigen sich hier in den Hauptbestandtheilen der Früchte keine so großen
Unterschiede, daß man annehmen kann, das Getreide des einen Jahrs enthalte bei
gleichem Gewicht weniger Nahrungsstoff als das des andern. Etwas anders ist es bei
Vergleichung nach dem Maaß; daß hiebei sich in verschiedenen Jahrgängen
Verschiedenheit im Gewicht zeige, ist bekannt. Es ist auch möglich daß, wenn in
weniger günstigen Jahren die einzelnen Getreidekörner kleiner sind, das Oberhäutchen
des Samenkorns verhältnißmäßig größer ist und die Frucht dann also mehr holzartige
Substanz enthält.
Nach den nachstehenden Resultaten der Analysen sind aber die Unterschiede in der
Menge der Holzsubstanz in den beiden Jahrgängen sehr unbedeutend, so daß sie nicht
in Betracht kommen können. Ueberhaupt ist die Menge der Holzsubstanz in den
Brodfrüchten, wie es sich auch aus frühern Untersuchungen, namentlich von Millon und PeligotPolytechn. Journal Bd. CXI S. 386 und 446, Bd. CXII S. 142. ergeben hat, sehr
gering, der Kernen enthält im Mittel kaum 1½ Proc., Weizen 3 Proc., Roggen
2⅓ Proc. Holzsubstanz. Diese Substanz ist der einzige nicht nahrhafte
Bestandtheil der Getreidekörner; beim Mahlen des Getreides bleibt sie großentheils
in der „Kleie“ zurück und nur ein kleiner Theil geht in das
Mehl, besonders der geringern Sorte über. Enthielte die Kleie nur Holzsubstanz, so
dürfte man also nicht mehr als 1½ Proc. von Kernen erhalten, es wird aber
wenigstens 5 Proc., zuweilen selbst 25 Proc. Kleie erhalten; nach Versuchen, die in
Hohenheim und Stuttgart früher angestellt wurden, im Mittel 10 Procent.
Schon aus diesen Zahlen muß geschlossen werden, daß die Kleie
der Hauptmasse nach aus nahrhaften Stoffen besteht; directe Untersuchungen
haben auch ergeben, daß sie im Mittel nur etwa 1/10 unverdauliche Holzsubstanz
enthält, sonst aber die angeführten Bestandtheile des Mehls, die direct zur
menschlichen Nahrung gebraucht werden können. Wenn man nun annimmt, daß in Stuttgart
täglich wohl etwas mehr als 40,000 Pfd. Mehl allein zu Brod verbacken werden, so
werden beim Mahlen dieses Mehls etwa 4500 Pfd. Kleie erhalten, darin wären aber noch
an 4000 Pfund ähnlicher nahrhafter Bestandtheile wie im Mehl selbst. Aus diesen
Zahlen ergibt es sich von selbst, wie höchst wünschenswerth und wichtig es wäre, in
Zeiten der Theuerung wenigstens, die Kleie nicht von dem Mehl zu trennen, sondern
mit demselben zu Brod zu verbacken. Man wird im Ganzen etwa 1/10 an Mehl ersparen,
also 10 Tage mit derjenigen Menge Frucht reichen, die sonst nur 9 Tage reichte. Wie
schon öfters darauf aufmerksam gemacht ist, liegt in der Anwendung des ungebeutelten
Mehls zum Brod die einzige Möglichkeit, auf nachhaltige Weise in Zeiten der
Theuerung die Brodfrucht zu sparen.
Andere Surrogate und Zusätze zum Brod sind meist unthunlich, weil sie nicht in
gehöriger Menge zu haben sind oder nur ein schlechtes Brod liefern, während sie für
sich allein viel passender zur Nahrung verwendet würden, wie Kartoffeln, Bohnen
etc., oder solche Zusätze enthalten für sich wenig oder gar keinen Nahrungsstoff,
wie ausgepreßter oder gar ausgewaschener Rübenbrei. In der Kleie würde eine Substanz
verwendet, die der Hauptmasse nach aus nährenden Bestandtheilen besteht, die bis
jetzt nicht direct zur menschlichen Nahrung verwendet wird,Man hat wohl schon Abkochungen der Kleie zum Ankneten von Brodteig verwendet,
es wird hiedurch ein Theil der nahrhaften Bestandtheile der Kleie allerdings
entzogen, die wichtigern Bestandtheile bleiben aber dabei zurück.
welche die Qualität des Brods nicht verändert und die auch in so großer Menge
vorhanden ist, daß eine merkbare Ersparniß erzielt würde. Wir haben nicht ein anderes Surrogat, welches in allen diesen Beziehungen
die Vortheile der Kleie bietet. Das zu überwindende Hinderniß wäre freilich die
Ungewohnheit; durch das Beispiel ließe sich hier wohl allein wirken und vielleicht
könnte hier der Umstand fördernd wirken, daß Kleienbrod, namentlich bei sitzender
Lebensweise, ungleich gesünder wirkt, als gewöhnliches Brod aus gesiebtem Mehl. Liebig hat dieß in seinen chemischen Briefen sehr
deutlich auseinandergesetzt, und man hat auch in England Kleienbrod von
Hypochondristen mit gutem Erfolg gebrauchen lassen. Jedenfalls ist, wie Liebig auch bemerkt, die
Absonderung der Kleie vom Mehl eine Sache des Luxus und für den Ernährungszweck
eher schädlich als nützlich.
Textabbildung Bd. 124, S. 227
Getreideart; Bezugsquelle; In 100 Theilen
des Getreides sind enthalten:; In 100 Theilen. bei 100°C. getrocknetem
Getreide, sind enthalten:; In 100 Theilen Asche sind enthalten:; In der aus 100
Th. trockenem Getreide erhaltenen Asche sind enthalten:; Wasser; trockene
Substanz; stickstoffhaltige Substanz; Stärkmehl und Fette; Holzsubstanz; Asche;
Phosphorsäure; Kieselsäure; Phosphorsäure; Kieselsäure; Winterigelweizen 1850;
Hohenheim; Winterigelweizen 1851; —; Staudenroggen 1850; —;
Staudenroggen 1851; Jerusalemsgerste 1850; —; Jerusalemsgerste 1851;
—; Kamschatkahaber 1850; —; Kamschatkahaber 1851; —;
Schlegeldinkel 1850; —; Schlegeldinkel 1851; —; Gerste 1851;
Ochsenhausen; Kernen 1850; —; Kernen 1851; —; Roggen 1850;
—; Roggen 1851; —; Haber 1850; —; Haber 1851; —;
Kernen 1850; Kirchberg; Kernen 1851; —; Roggen 1851; —;
Textabbildung Bd. 124, S. 228
Getreideart; Bezugsquelle; In 100 Theilen
des Getreides sind enthalten:; In 100 Theilen, bei 100°C. getrocknetem
Getreide, sind enthalten:; In 100 Theilen Asche sind enthalten:; In der aus 100
Th. trockenem Getreide erhaltenen Asche sind enthalten:; Wasser; trockene
Substanz; stickstoffhaltige Substanz; Stärkmehl und Fette; Holzsubstanz; Asche;
Phosphorsäure; Kieselsäure; Phosphorsäure; Kieselsäure; Haber 1850; Kirchberg;
Haber 1851; —; Gerste 1850; —; Haber 1850; Ellwangen; Haber 1851;
—; Gerste 1850; —; Gerste 1851; —; Roggen 1850; —;
Roggen 1851; —;