Titel: | Das Besohlen der Schuhe mit Gutta-percha; mitgetheilt von Hrn. Fr. A. Schramm, Bandagist in Leipzig. |
Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. XXXV., S. 150 |
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XXXV.
Das Besohlen der Schuhe mit Gutta-percha;
mitgetheilt von Hrn. Fr. A.
Schramm, Bandagist in Leipzig.
Aus der deutschen Gewerbezeitung, 1852, erstes Heft,
S. 55.
Schramm, über das Besohlen der Schuhe mit
Gutta-percha.
Die rohe Gutta-percha hat mehr oder weniger Unreinigkeiten, Baumrinde, Blätter
und dergl. bei sich; um sie hievon gänzlich zu befreien, zieht man sie ganz dünn
aus, wo man leicht jede Unreinigkeit entfernen kann. Von einem Pfund geht
durchschnittlich ein Loth verloren. Um sie recht dicht und geschmeidig zu machen,
muß sie, wie unser Pech, in warmem und weichem Zustande mit den Händen gezogen und
diese Procedur 3 bis 4 Mal, nachdem man sie aus dem kochenden Wasser genommen,
wiederholt werden, wodurch sie immer mehr Zähigkeit erlangt.
Zu einem Paar gewöhnlicher Stiefelsohlen bedarf man 8 bis 12 Loth, je nachdem solche
stärker oder schwächer, größer oder kleiner sind. Die erweichte
Gutta-percha legt man nun auf ein Brett, nimmt ein sogenanntes Wellholz und
walzt sie wie Teig zur Breite und Form einer Sohle. Sie wird schnell wieder trocken;
hat man daher noch nicht die rechte Form erreicht, so bringt man die noch nicht
fertige Sohle wieder ins heiße Wasser und treibt sie, herausgenommen, wo sie wieder
ganz weich ist, in die gehörige Form, jedoch stets einen Zoll länger als nöthig ist,
weil dieselbe der Länge nach bei dem Aufkleben durch das trockene Erhitzen
ebensoviel wieder zurückgeht Verloren geht durchaus nichts, indem man alle Abfälle
wieder einschmilzt, die Gutta-percha auch dadurch nur immer fester und besser
wird. Diese Sohlen werden nun auf die schon vorhandenen Ledersohlen geleimt und
bilden demnach Doppelsohlen, in die schlechterdings weder Nässe noch Kälte
einbringen kann.
Hr. Schramm fing im November 1848 an Schuhwerk aller Art
für jedermann zu belegen, seit jener Zeit hat er an die 6000 Paar Schuhe und
Stiefeln aller Art mit Gutta-percha belegt. Manches Stück Werkzeug der
schnellen Förderung wegen war zu dieser Arbeit erforderlich, was von ihm ausgedacht
und angewandt wurde. Auf eine gegen ihn, wahrscheinlich von Seiten der
Schuhmacherinnung, bei der Obrigkeit eingereichte Beschwerde, das Belegen von
Schuhwerk aller Art betreffend, wurde durch die königl. sächs. Kreisdirection am 19.
Mai 1849 Hrn. Schramm die ausdrückliche Befugniß
ertheilt.
Hr. Schramm sagt: „Ich gebe zu, daß mancher sich
Gutta-percha-Sohlen auf Stiefel gemacht und diese einige Tage nachher
wieder verloren hat; solche Leute behaupten dann kurzweg: ach, mit dem Zeug ist es
nichts, ich habe es auch versucht. Der Eigendünkel läßt es ihnen aber nicht zu, die
Wahrheit zu sagen, sonst müßten sie sich ja selbst gestehen, sie wären zu unwissend
zu dieser Verrichtung gewesen.
Der Preis der rohen Masse war anfänglich 18 Ngr. (1 fl. 3 kr.) à Pfund, en gros verkauft Hr. Schramm solche gegenwärtig à
11 Ngr. (38½ kr.) das Pfund.
Die richtige Bereitung des Leimes ist folgende: man nimmt gereinigte
Gutta-percha, wozu man alle kleinen Abfälle am besten brauchen kann,
schneidet sie möglichst klein, und bringt sie in eine steinerne oder blecherne
Büchse und setzt zu 2 Theilen Gutta-percha 1 Theil Terpenthinöl; dieses
zugedeckt oder zugebunden auf den warmen Ofen gestellt, wird gehörig durchgerührt,
wie dicker Syrup fließend.
Bei dem Besohlen ist es durchaus nöthig, daß der Stiefel ganz gehörig trocken ist; es
ist daher sehr gut, wenn man denselben vor der Bearbeitung noch eine Stunde auf den
warmen Ofen stellt, um ihn ganz auszutrocknen. Dann reinigt man die Ledersohle
gehörig von Schmutz und den eingetretenen Sandkörnchen, was mittelst eines alten
Messers geschehen kann, und sucht die Rauheit des Leders durch Abschaben des
Schmutzes hervorzubringen. Leisten sind hierbei nicht erforderlich, man stopft die
Stiefel mit Werg, Stroh oder dergleichen aus. Nun erwärmt man die alte Ledersohle
aufs Neue, damit der Leim oder die Auflösung besser eindringt und weil der starke
Leim sich auch um so viel besser streicht. Der Leim muß bei jedem Gebrauch wieder
warm und fließend gemacht werden. Er wird mittelst einer Spatel ziemlich fett auf
die Ledersohle gestrichen, ungefähr zur Stärke eines Kartenblattes; darauf nimmt man
die Gutta-percha-Sohle, hält sie über Kohlen, helles Feuer oder in
eine herße Röhre, wodurch dieselbe trocken, weich und sehr klebrig wird. Die Sohle
muß durch und durch weich, und die Seite, welche auf den Leim kommt, besonders warm
seyn. Den Stiefel, worauf der Leim gestrichen ist, nähert man ebenfalls dem Feuer,
so daß der Leim auf der Ledersohle raucht und das Terpenthinöl verdampft, wodurch
die Auflösung ganz geruchlos wird, worauf man die Gutta-percha-Sohle
von der Spitze des Stiefels nach hinten zu auflegt, damit keine Luftblasen zwischen
den beiden Sohlen entstehen; dann nimmt man den Stiefel, bestreicht die
Gutta-percha-Sohle äußerlich mit kaltem Wasser und walzt dann mit dem
Wellholz erst langsamer, dann immer fester beide Sohlen auf einander. Auch kann man
den Ballen der Hand zu Hülfe nehmen und stark und kräftig hin- und herreiben,
die Gutta-percha-Sohle aber äußerlich häufig mit recht kaltem Wasser
bestreichen, wodurch eine Art Politur entsteht. Auf die Größe der Sohle kommt wenig
an, dieselbe kann kleiner als der Stiefel seyn, weil in weichem Zustande sich die
Sohle nach allen Richtungen ausdehnen läßt. Ist man fertig, so läßt man über eine
Stunde lang Alles gehörig erkalten, schneidet dann das über der Ledersohle
Vorstehende etwas nach untenzu verjüngt ab, wodurch die Doppelsohle wenig oder gar
nicht beim Tragen bemerkt, auch das Oberleder beim Beschneiden nie verletzt wird.
Dieses Besohlen hat noch den großen Vortheil, daß man diejenigen Stellen der Sohle,
worauf man am meisten geht, stärker, und die, welche weniger berührt werden,
schwächer machen kann.
Absätze auf Stiefel zu machen, dient dasselbe Verfahren. Man kann entweder einen
Fleck abreißen, wenn der Absatz schief ist, kann auch bloß die schiefe Stelle
ergänzen, auch kleine spitzige Absätze mittelst Gutta-percha größer und
breiter machen. Außerdem werden diese Absätze so gut wie lederne genagelt, die
Ränder mit einer Raspel, Feile und Glaspapier sauber geschliffen, dann mit Eisenlack
(Asphalt) oder schwarzem Wachs polirt.
Ist das Oberleder gebrochen, so kratzt man auf der Stelle des Bruches die Wichse bis
auf das rohe Leder ab, streicht Leim auf das Loch, berührt den Riß und ein wenig
drum herum, nimmt ein kleines Stückchen Gutta-percha, von der Größe eines
Kirschkernes, und drückt es in die schabhafte Stelle so fest ein, daß es sich
inwendig im Stiefel umlegt, was man mit der Hand im Innern des Stiefels erkennt. Mit
irgend einem warmen Metall- oder Eisenstück verschmilzt man es äußerlich, so
wie der Flaschner Zinn auf Blech verschmilzt.
Auf diese Art hat man in einer Stunde, sagt Hr. Schramm,
Sohlen und Absätze auf Stiefel gemacht, welche aller Nässe und Kälte widerstehen und
mehr als das Doppelte so lange wie das beste Leber halten. Auch gegen Galloschen
aller Art haben sie den Vorzug, daß sie weit leichter und bequemer sind, daß der Fuß
völlig freie Ausdünstung hat, und daß das Oberleder nicht wie von den Galloschen
beschabt und verletzt wird. Mit Gutta-percha belegte Stiefeln hat man nie
nöthig auf den Ofen zu stellen, um sie, wie das Leder zu trocknen,
Gutta-percha wird nie durchnäßt.
Hr. Schramm ist im Besitze vorzüglicher Walzwerke,
Reinigungs- und Schmelzapparate, von ihm selbst gefertigter Sohlenpressen,
mit denen man 60 Paare der besten Sohlen in einer Stunde pressen kann. Er fertigt
Rollen eine Elle breit in jeder Länge, von ½ Zoll Stärke bis zur feinsten
Papierstärke, deßgleichen alle Arten Treibriemen und Rundschnuren zum Gebrauch an
Drehbänken etc. Von Sohlen aller Art sind bei ihm stets 2000 Paar zur Auswahl
vorräthig, zu 5 bis 12 Ngr. (17½ bis 42 kr.) das Paar, in Pfunden zu 26 Ngr.
(1 fl. 31 kr.) per Pfund. Mehr denn 1000 Personen haben dieses Verfahren von ihm
theils in öffentlichen Sälen, theils in seiner Wohnung erlernt, darunter mehrere der
ersten Leipziger und auswärtigen Schuhmachermeister, welche auch oft noch für ihre
Kunden neues wie gebrauchtes Schuhwerk bei ihm belegen lassen.