Titel: | Alkoholometrisches Thermometer von Lerebours und Secretan, zur Bestimmung des Alkoholgehalts der Weine. |
Fundstelle: | Band 122, Jahrgang 1851, Nr. LXXV., S. 363 |
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LXXV.
Alkoholometrisches Thermometer von Lerebours und Secretan, zur Bestimmung des
Alkoholgehalts der Weine.
Aus dem Journal de Pharmacie, Nov. 1851, S.
333.
Mit einer Abbildung auf Tab. V.
Lerebours' und Secretan's alkoholometrisches
Thermometer.
Die Aräometer für Branntwein und Weingeist, unter welchen Gay-Lussac's
Centesimal-Alkoholometer das genaueste ist, sind zum Probiren der Weine nicht
anwendbar, weil diese außer dem Alkohol und Wasser auch Farbstoffe und Salze
enthalten. Man kann sich zwar dadurch helfen, daß man aus dem Wein den Alkohol
abdestillirt, aber diese Operation erfordert ziemlich viel Zeit und einige
Geschicklichkeit; man wünschte daher längst einen einfachen und bequemen Apparat zu
besitzen, womit sich der Alkoholgehalt der Weine direct bestimmen läßt.
Hr. Dr. Louis Jabarié
in Montpellier hatte zuerst die Idee ein Instrument zu construiren, welches auf die
verschiedenen Temperaturgrade, wobei die geistigen Flüssigkeiten kochen, gegründet
ist. Er berücksichtigte auch den Einfluß des verschiedenen Barometerstandes aus den
Siedepunkt und gab hierzu seinem Centesimal-Oenometer Correctionstabellen
bei.
Auf dasselbe Princip gründet sich das Thermometer mit Zifferblatt, welches der
Abbé Brossard-Vidal zu Toulon im J. 1842
construirte und èboullioscope-alcoométrique nanntePolytechn. Journal Bd. XCVIII S.
376.; aber die mechanischen Mängel seines Systems rechtfertigen vollkommen die
wenig günstige Aufnahme, welche sein Apparat fand.
Das von Conaty verbesserte alkoholometrische Thermometer
(thermomètre-alcoométrique),
wie es von den HHrn. Lerebours
und Secretan (opticiens de l'Observatoire, place du Pont-neuf,
in Paris) angefertigt wird, gründet sich ebenfalls auf den verschiedenen Siedepunkt
der geistigen Flüssigkeiten. Bekanntlich kommt das Wasser (unter dem Luftdruck von
760 Millimetern) bei 100° Celsius ins Kochen. Es ist klar, daß eine Mischung
von Wasser und Alkohol bei einer Temperatur zwischen 100° und 78° C.
ins Sieden kommen muß, und daß der Siedepunkt 100° um so näher seyn wird, je
mehr Wasser die Mischung enthält. Es war zu befürchten, daß die fremdartigen Körper,
welche die Weine und
geistigen Flüssigkeiten gewöhnlich enthalten, z.B. Zucker, ätherische Oele,
Farbstoffe etc., den Siedepunkt verändern; durch Versuche ist jedoch die merkwürdige
Thatsache vollkommen erwiesen, daß der Siedepunkt der geistigen Flüssigkeiten von
den fremdartigen Stoffen, welche sie enthalten können, unabhängig ist. Dieß ist zwar
nicht absolut richtig, aber der Einfluß dieser Substanzen verändert den Siedepunkt
so wenig, daß der Unterschied beim Probiren der im Handel vorkommenden Weine und
geistigen Flüssigkeiten unberücksichtigt bleiben kann. Wir wollen als Beispiel den
Zucker wählen, welcher am häufigsten angewandt wird, um den Gehalt der geistigen
Flüssigkeiten zu maskiren; löst man Zucker in Weingeist auf, so absorbirt er eine
gewisse Menge Wasser, macht dadurch den Alkohol stärker und erniedrigt folglich
dessen Siedepunkt; andererseits wirkt aber dieser Zucker als Salz und verzögert das
Sieden (bekanntlich kocht das mit Salz gesättigte Wasser erst bei 110° C.).
Diese zwei entgegengesetzten Wirkungen compensiren sich zwar nicht ganz genau, aber
annähernd genug für die alkoholometrischen Proben.
Der neue Apparat Fig. 39 besteht aus einem kupfernen Kochgefäß, in welches man eine kleine
Quantität von der zu prüfenden Flüssigkeit gibt. Eine Weingeistlampe erhitzt die
Flüssigkeit und bringt sie in fünf Minuten zum Sieden; ein
Quecksilber-Thermometer, welches nach Versuchen graduirt ist, hat die
Alkoholgrade, welche den Centesimalgraden des Gay-Lussac'schen Alkoholometers entsprechen, auf einer beweglichen
Scala. Dieses Thermometer taucht man in das Siedegefäß in dem Maaße als die
Flüssigkeit sich erhitzt; die Quecksilbersäule steigt und bleibt im Augenblick des
vollen Siedens lange genug stehen, um den wahren Grad der Flüssigkeit gut ablesen zu
können. Zahlreiche Versuche haben die Genauigkeit dieses Instruments erwiesen,
weßhalb sein Gebrauch bei den Octrois von Paris, den bürgerlichen Spitälern der
Seine und bei mehreren anderen Zweigen der öffentlichen Verwaltung amtlich
vorgeschrieben wurde.
Aus demjenigen, was wir oben gesagt haben, ist leicht ersichtlich, daß das Instrument
bei dem Barometerstand von 760 Millimetern genau seyn muß. Ist dieß aber auch bei
dem so veränderlichen Druck unserer Atmosphäre der Fall? Keineswegs, aber man hat
diesen Fall vorgesehen und das Problem auf eine sinnreiche Weise gelöst. Man wählte
den Siedepunkt des Wassers als Basis und bewerkstelligt die Correction
folgendermaßen. Wenn man das Thermometer in kochendes Wasser taucht, so zeigt es
eine Temperatur an, welche vom Gewicht der Atmosphäre abhängt; die Temperatur ist
höher, wenn der Luftdruck stärker ist, sie ist niedriger, wenn er geringer ist.
Jeden Tag macht man einen vorläufigen Versuch, indem man Wasser kochen läßt, und da
die graduirte Scala, worauf sich die Abtheilungen befinden, an der Thermometerröhre
verschiebbar ist, so führt man die 0 der Scala (welche den Siedepunkt des reinen
Wassers repräsentirt) vor den Scheitel der Quecksilbersäule. Auf diese Weise ist das
Instrument regulirt und gibt für die folgenden Proben Resultate, welche keiner
Correction bedürfen.
Mittelst dieses einfachen und tragbaren kleinen Apparats läßt sich der Alkoholgehalt
von Weinen, Vieren, Aepfelweinen und geistigen Getränken genau bestimmen, wozu man
dieselben bisher der Destillation unterziehen mußte.