Titel: | Ueber die Rolle des Mergels bei seiner Anwendung in der Agricultur; von V. A. Jacquelain. |
Fundstelle: | Band 122, Jahrgang 1851, Nr. LX., S. 301 |
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LX.
Ueber die Rolle des Mergels bei seiner Anwendung
in der Agricultur; von V. A.
Jacquelain.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, Juni 1851, S.
212.
Jacquelain, über die Rolle des Mergels in der
Agricultur.
Ich habe durch sorgfältig angestellte Versuche nachgewiesen, daß die Carbonate der Erden und Metalloxyde bei 80° und selbst
20° Reaumur, sowohl bei gewöhnlichem Drucke als im Vacuum, unter dem
Einflüsse eines Stromes von Wasserdampf oder von feuchter Luft, Kohlensäure von
sich geben. Diese Eigenschaft der Carbonate dürfte uns als ein zur
Entwickelung der Pflanzen nothwendiges Factum erscheinen.
Da der künstliche kohlensaure Kalk dem des sogenannten kreidigen Bodens, und des
kalkhaltigen Thones oder des Mergels analog ist, so entfernt man sich sicher nicht
von der Wahrheit, wenn man annimmt, daß die Mergel, welche so wohlthätig auf den
Ackerbau einwirken, unter der Einwirkung der Sonnenstrahlen, bei Gegenwart der
atmosphärischen Luft sich wie bei den erwähnten Versuchen zuerst erhitzen, dann eine
gewisse Menge Wasser, und endlich Kohlensäure abgeben, welche durch den Wasserdampf
mit fortgerissen wird.
Wir haben in dieser Zersetzung eine neue und reichliche Quelle von Kohlensäure, deren
Kohlenstoff die Pflanzen aufnehmen können. Dieser fortwährende Verlust von
Kohlensäure aus der Kreide muß mit der Temperatur und folglich auch mit dem
hygrometrischen Zustande der Luft zunehmen, besonders wenn der Atmosphärendruck sich
vermindert. Diese Erscheinung ist unter den Tropen deutlicher zu bemerken, als in
den gemäßigten Klimaten; sie muß auffallender zu einer Zeit hervortreten, in welcher
die Oberfläche unseres Planeten die höchste Temperatur hat; sie muß am intensivstem
in den tieferen Schichten unseres Erdkörpers seyn, wenn diese Schichten einen Theil des in ihnen enthaltenen
Wassers als Wasserdampf abgeben; die Kohlensäureströme der Vulcane, und selbst
diejenigen gewisser Keller zu Paris welche längere Zeit verschlossen geblieben
waren, müssen auf diese Ursache zurückgeführt werden.
Bei der Temperatur des Gefrierpunktes und in Folge dessen im Winter, müssen die
verschiedenen, in der warmen Jahreszeit etwas basisch gewordenen Carbonate aus der
Luft und aus dem atmosphärischen Wasser wieder Kohlensäure aufnehmen; sie werden auf
diese Weise gewissermaßen die Vorrathskammern eines Körpers, der seinen gasförmigen
Zustand bei Gegenwart von Wasserdampf, welcher durch die Sonnenstrahlen erwärmt
worden ist, wieder annimmt.
Es versteht sich von selbst, daß dieses Alterniren in seiner Dauer durch die Menge
des kohlensauren Salzes bedingt ist, welches die Ernten in dem Boden
zurücklassen.
So sind also die Respiration der Thiere, welche im Wasser und auf dem Lande leben,
die Verbrennung organischer zur Beleuchtung und zur Heizung dienenden Substanzen,
die vulcanischen Eruptionen, die langsamen Verbrennungen aller leblosen
vegetabilischen und animalischen Substanzen, welche einer freiwilligen Zersetzung
unter der Mitwirkung der Wärme, der Luft und der Feuchtigkeit ausgesetzt sind, die
nächtliche Exhalation der Vegetabilien, die Fortpflanzung der unzähligen grünen und
rothen Körperchen, welche in süßen und stehenden Gewässern und im Meerwasser
vegetiren, reichliche Quellen von Kohlensäure, zu deren wohlthätigem Einfluß auf die
Vegetation noch die langsame Zersetzung der Kreide und des
Mergels unter der Mitwirkung des durch die Sonnenstrahlen concentrirten
Wasserdampfes zu rechnen ist.
Der Mergel würde demnach zu gleicher Zeit wirken als Verbesserungsmittel, weil er die
Eigenschaften des Bodens verändert, ihn weniger compact und poröser macht, und als
wesentliches Princip der Ernten durch die stickstoffhaltigen Substanzen, den Kalk
und die Kohlensäure, die er zu liefern im Stande ist.