Titel: | Ueber die Fortpflanzung des elektrischen Stroms; Experimentaluntersuchungen von Ch. Matteucci. |
Fundstelle: | Band 121, Jahrgang 1851, Nr. XLVIII., S. 202 |
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XLVIII.
Ueber die Fortpflanzung des elektrischen Stroms;
Experimentaluntersuchungen von Ch. Matteucci.
Aus den Comptes rendus, April 1851, Nr.
14.
Matteucci's Experimentaluntersuchungen über die Fortpflanzung des
elektrischen Stroms.
In einer der franz. Akademie der Wissenschaften eingereichten Abhandlung beschrieb
ich die Apparate und das Verfahren, durch welche es mir gelang, metallene Ketten
vollkommen zu isoliren und die Ströme zu messen; dann zeigte ich, daß ich leicht und
ohne Fehler eine Veränderung im Widerstand einer Erdschicht von mehreren Kilometern
entdecken kann, welcher Widerstand demjenigen eines 30 bis 40 Meter langen
Eisendrahts von 3 Millimeter Durchmesser gleichkömmt. Ich bestimmte das Verhältniß
des Leitungsvermögens des Eisens und Kupfers auf Längen, welche beim Eisen 155 und
beim Kupfer 8 Kilometer betrugen; das gefundene Verhältniß war = 1 : 5,152, welche
Zahl von jener des Hrn. Pouillet wenig abweicht. Den
Coefficienten der Widerstands-Zunahme durch die Wärme fand ich beim Eisen
zwischen 0,00467 und 0,00437 für 1 Centesimalgrad wechselnd, wie ihn auch Ed. Becquerel unter sehr verschiedenen Umständen gefunden
hat. Ich bestimmte ferner die Leitungsfähigkeit des Meerwassers; dasselbe, ein
besserer Leiter als eine gesättigte Auflösung von schwefelsaurem Kupfer, hat bei +
11,50° C. eine 2134172mal kleinere Leitungsfähigkeit als das Eisen, und eine
100 bis 120mal größere als Quell- oder Flußwasser. Hierauf theilte ich
mehrere Versuche mit, welche in der Absicht angestellt wurden, annähernd zu
bestimmen, wie sich das Leitungsvermögen des Thons, des Sandes, des Sandsteins und
des Marmors zu demjenigen des Wassers verhalten. Es ergab sich, wie vorauszusehen
war, aber nachgewiesen werden mußte, daß die Leitungsfähigkeit der Materialien der
Erdrinde von dem Wasser herrührt, welches Spuren von Salzen aufgelöst enthält und
über feste Theilchen verbreitet ist, die durch mehr oder weniger große Zwischenräume
von einander getrennt sind, so daß sie, in Berührung mit Elektroden, Schichten von
unterbrochener Leitungsfähigkeit bilden. — Hierauf beschrieb ich die
zahlreichen Versuche, welche ich anstellte, um den Einfluß zu entdecken, welchen auf
die Leitungsfähigkeit der Erdschichten haben: 1) die Ausdehnung und Gestalt dieser
Schichten; 2) die Oberfläche der Elektroden und das Leitungsvermögen der Substanz,
welche eine sehr dünne Schicht in Berührung mit den Elektroden bildet; und 3) die
Länge der Erdschicht
unter verschiedenen Umständen. Folgendes sind die allgemeinen Schlüsse, welche ich
mit aller bei diesem Gegenstand möglichen Genauigkeit nachgewiesen zu haben
hoffe.
1) Die Leitungsfähigkeit einer Erdschicht ist um so größer im Vergleich mit
derjenigen, welche man mit denselben Elektroden in derselben isolirten Schicht
findet, je länger sie und je schlechter ihr Leitungsvermögen ist.
2) Wenn man die Oberfläche der Elektroden vergrößert, oder sie mit einer sehr
begränzten Schicht eines gut leitenden Körpers umgibt, so wird dadurch der
Widerstand einer Erdschicht beträchtlich vermindert und zwar je nach den Fällen um
die Hälfte bis zu einem Dreißigstel.
3) Der Widerstand einer Erdschicht, dessen Zunahme in der Regel mit ihrer Dicke
abnimmt, und zwar mehr oder weniger rasch, im Verhältniß der Ausdehnung der
Elektroden und der Leitungsfähigkeit der Schicht, bleibt von 10 bis 100 und von 200
Meter bis ungefähr 8 Kilometer constant; von da an bis zu 77 Kilometer nimmt der
Widerstand zwar nur unbedeutend, jedoch merklich und im Verhältniß zur Verlängerung
der Schicht ab; diese Abnahme ist um so größer, je schlechter die Leitungsfähigkeit
der Schicht ist und in einigen Ausnahmsfällen, z. B. beim Contact einer sehr gut
leitenden Schicht, beginnt diese Abnahme bei vergleichungsweise viel kleinern
Abständen.
4) Der Widerstand einer zwischen großen Elektroden eingeschalteten Erdschicht von 77
Kilometern ist nicht größer als derjenige einer Schicht von 0,50 Meter ihres
Wassers, welches in einem isolirten Behälter von dem Querschnitt dieser Elektroden
enthalten ist. Ich brauche nicht erst zu bemerken, daß die größte
Erdschicht-Länge, womit ich operiren konnte, 77 Kilometer betrug. Von
sämmtlichen Versuchen, aus welchen ich den ersten dieser Schlüsse ableitete, theile
ich hier nur diejenigen mit, welche beweisen, daß die Erdschichten welche die
Hochebenen der Berge bilden, unter übrigens gleichen Umständen eine viel (um die
Hälfte bis ein Achtel) kleinere Leitungsfähigkeit haben, als diejenige der oberen
Schichten auf dem ebenen Land ist, und daß mit ihrer Verlängerung der Widerstand
zunimmt, ähnlich wie bei den isolirten Schichten. Auch ist durch meine Versuche
bewiesen, daß die Leitungsfähigkeit einer Erdschicht, welche die Basis eines Berges
ist, größer als diejenige einer ähnlichen horizontalen Schicht ist. Bezüglich des
zweiten Schlusses muß ich bemerken, daß man durch Vergrößern der in dem Boden
steckenden Elektroden an eine Gränze gelangt, über welcher die Intensität des Stroms
constant bleibt. Dieß erklärt, daß bei den Versuchen mit sehr langen metallenen Ketten von
großem Widerstand, z. B. einer von Paris nach Rouen, mit welcher Hr. Breguet seine Versuche anstellte, der Einfluß der Größe
der Elektroden Null bleibt oder ein kaum merklicher ist. Ich verwendete vielen Fleiß
auf das Studium der großen Verminderung im Widerstand einer Erdschicht, welche
eintritt, wenn man die 8 bis 77 Kilom. von einander entfernten Elektroden mit einer
Schicht Sand umgibt, welche einige Centimeter dick und mit Salzwasser oder
Kupfervitriollösung benetzt ist. Der Widerstand der oberflächlichen Erdschicht wird
auf diese Weise beträchtlich vermindert und manchmal auf 1/30 reducirt.
Die meisten und genauesten meiner Versuche betreffen den Einfluß der Länge der
Schicht auf ihre Leitungsfähigkeit. Eine Schicht Meerwasser von einigen Metern bis 8
Kilometer Länge variirt nicht im Widerstand, denn mit Elektroden aus Kupferblechen
von 0,140 bis 0,508 Met. war es unmöglich an meinem Galvanometer den Widerstand
einer Schicht dieser Flüssigkeit von jenen Längen zu entdecken. In den Flüssen nimmt
die Vergrößerung des Widerstands mit der Dicke rasch ab und von 5 oder 10 Metern bis
zu 50 oder 100 Metern, je nach der Größe der Elektroden, variirt der Widerstand der
Schicht nicht mehr, und ich fand denselben bei 8 Kilometern gerade so wie bei 100
Metern. Der Widerstand dieser Wasserschicht ist derselbe wie derjenige welchen man
für eine eben so lange Erdschicht zwischen zwei Brunnen findet, in welche die
Elektroden tauchen. Ich habe schon gesagt, daß dieser Widerstand nicht größer ist
als derjenige einer isolirten Wasserschicht von 0,50 Meter Dicke und 0,420
Quadratmeter Querschnitt; er ist gleich demjenigen von 1900 bis 2000 Meter eines
Eisendrahts von 3 Millimeter Durchmesser. Erst bei Längen von mehr als 8 Kilometer
beginnt eine Verminderung in diesem Widerstand. Für die oberflächlichen Schichten,
welche weniger gute Leiter sind, wurde unter übrigens ganz gleichen Umständen diese
Verminderung größer gefunden und schon bei geringern Abständen stattfindend. Ich
überzeugte mich von dieser Verminderung auf verschiedenen Erdreichen; in den
oberflächlichen Schichten der Sandbank an Küsten zeigt sich diese Erscheinung schon
beim ersten Kilometer. Die allgemeinen Gesetze über diese Erscheinung können nur aus
Versuchen auf längeren Linien als ich benutzte, und mit Erdreichen von verschiedener
Beschaffenheit und Gestaltung abgeleitet werden.
Der zweite Theil meiner Abhandlung ist betitelt: Experimentelle
Erklärung und theoretische Ansichten über die Leitungsfähigkeit
des Erdbodens. Es war mir nicht besonders darum zu thun,
nachzuweisen daß es unmöglich ist diese Leitungsfähigkeit und ihre Gesetze durch die
Annahme zu erklären, daß die beiden Elektricitäten der galvanischen Säule sich in
das Reservoir ergießen, wie es die Elektricität des Conductors der Maschine thun
würde. Dasselbe muß ich von der andern Erklärung sagen, welche sich auf das Gesetz
der dem Querschnitt proportionalen Leitungsfähigkeit gründet. Ich beschrieb
Versuche, welche beweisen, daß im Fall der Fortpflanzung des elektrischen Stroms in
einer Masse Wassers oder Erdreichs mittelst Elektroden, deren Größe unendlich klein
ist im Verhältniß zu den Dimensionen dieser Masse, die Leitungsfähigkeit, welche man
findet, weder diejenige ist, welche nach besagtem Gesetz dem Querschnitt der
Elektroden angehören würde, noch diejenige, welche dem Querschnitt der flüssigen
Schicht entspräche. Ich theilte bei dieser Gelegenheit die Versuche mit, welche
einen Fall von Leitungsfähigkeit nachweisen, der bezüglich der Theorie von
Wichtigkeit ist: daß nämlich homogene Sphären von einer und
derselben Flüssigkeit gleiche Leitungsfähigkeit haben, welchen Durchmesser sie
auch haben mögen, und daß, wenn sie von verschiedenen Flüssigkeiten sind,
ihre Leitungsfähigkeit nur von dem Leitungsvermögen dieser Flüssigkeiten abhängt.
Bei Versuchen mit großen, isolirten Wasser- oder Thonschichten, oder den
größten flüssigen Sphären, welche ich mir verschaffen konnte, findet man, wenn man
den Abstand der Elektroden verändert, dieselben Gesetze der Leitungsfähigkeit wie
für den Erdboden. Die Nebenströme endlich, welche ich von Wasserschichten erhielt,
die einen Theil des Erdreichs ausmachen, befolgen dieselben Gesetze, wie sie die
HHrn. Kirchhoff und Smaasen in
Deutschland und die HHrn. Louis Rudolfi und Felici in Italien analytisch ableiteten und durch
Versuche mit sehr dünnen und sehr großen Metallblechen fanden, die durch den
Metalldraht der Säule berührt wurden. Durchgeht man mit den Enden des Galvanometers
die verschiedenen Punkte dieser Wasserschichten, welche in der galvanischen Kette
liegen, so findet man, wie auf den Metallblättern, Linien oder Flächen von gleicher Spannung, deren Mittelpunkte in einem bestimmten
Falle sich auf der die Elektroden verbindenden geraden Linie befinden, und welche in
den verschiedenen Punkten der Wasserschichten oder des Blechs Elektricitätsströme
von sehr verschiedener Intensität durchschneiden. Wenn man mit dem Ende des
Galvanometers zwei verschiedene Punkte einer und derselben Linie berührt, so
entsteht kein Nebenstrom; berührt man die Punkte zweier verschiedenen Linien, so ist
der Nebenstrom constant. Die Gesetze der so erhaltenen Nebenströme lassen sich nicht aus den
Gesetzen ableiten, welche Hr. Pouillet bei seinen schönen
Untersuchungen über die Nebenströme der Metalldrähte gefunden hat.