Titel: | Bericht über Masson's Verfahren Nahrungsmittel aus dem Pflanzenreich aufzubewahren; der französischen Akademie der Wissenschaften erstattet von den HHrn. Richard, Payen, Babinet und Morin. |
Fundstelle: | Band 121, Jahrgang 1851, Nr. XV., S. 65 |
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XV.
Bericht über Masson's Verfahren Nahrungsmittel aus dem
Pflanzenreich aufzubewahren; der französischen Akademie der Wissenschaften erstattet von
den HHrn. Richard,
Payen, Babinet und Morin.
Aus den Comptes rendus, Mai 1851, Nr.
20.
Ueber Masson's Verfahren vegetabilische Nahrungsmittel
aufzubewahren.
Das von dem Obergärtner den Centralgartenbaugesellschaft, Hrn. Masson, erfundene und in der Anstalt der HHrn. Chollet und Comp., rue
Marboeuf, No. 5 zu Paris, in Ausübung gebrachte VerfahrenPolytechn. Journ. Bd. CXX S. 225. besteht
bekanntlich zunächst in einem Trocknen der Pflanzen bei mäßiger Temperatur in einer
Trockenkammer, bis das überschüssige, zur Constitution der Pflanzen nicht
unentbehrliche Wasser entfernt ist, worauf man die Pflanzen mittelst der
hydraulischen Presse stark zusammendrückt.
Die Commission begab sich in genannte Anstalt, um den Gang der Operationen genau
kennen zu lernen und mit den Heiz- und Ventilir-Vorrichtungen einige
Versuche anzustellen.
Die auszuführenden Operationen sind einfach und nicht zahlreich. Die zu trocknenden
Substanzen werden sorgfältig geputzt, von harten Theilen befreit, wie es gewöhnlich
in der Küche geschieht. Man legt sie nun auf Hürden, welche man anfangs aus Weiden
verfertigte, jetzt aber wohlfeiler von Leinwand oder sehr dünnem Cannevas macht, der
auf einen Rahmen von Latten angebracht wird. Diese Hürden werden in Lattenfächer
gelegt und so die Substanzen in einem, für die wässerigsten Gemüse auf ungefähr
38½ ° Reaumur geheizter Trockenraum der warmen Luft ausgesetzt.
Der Röhrenofen wurde von ChaussenotMan vergleiche über dessen System polytechn. Journal Bd. CXII S.
22. construirt und speist zwei Trockenkammern
abwechselnd mit warmer Luft mittelst einer verticalen Röhre von 0,70 Meter
Durchmesser, welche in jeder Trockenkammer mit einer auf dem Boden angebrachten
doppelten horizontalen Röhre von 0,40 Meter Durchmesser verbunden ist. Die beiden
Enden dieser horizontalen Röhre sind verschlossen; aber an der Oberfläche dieser
Röhre angebrachte Seitenöffnungen können durch Register nach Belieben geöffnet oder
geschlossen werden, um das Ausströmen der Luft stets nach Bedarf reguliren zu
können; solcher Luftzulassungsöffnungen sind im Ganzen fünfzehn vorhanden, die
zusammen eine Fläche von 0,7860 Quadratmeter darbieten, und zuweilen größtentheils
geöffnet sind.
Um die in den Trockenraum eingeführte Luft und den von ihr aufgenommenen Dampf
abzuführen, sind an der der Röhre entgegengesetzten Seite der Trockenkammern
Zugöffnungen angebracht, und zwar eilf, die ungefähr 0,25 Höhe auf 0,15 Meter Breite
haben und zusammen eine Fläche von 0,3973 Quadratmeter ausmachen, was kaum über die
Hälfte jener der Einlaßmündungen beträgt. Diese Oeffnungen münden in einen Gang oder
Canal von 1,80 Quadratmeter Querschnitt, welcher mit vier Kaminen aus Eisenblech von
0,15 Meter Durchmesser und 3 bis 4 Meter Höhe communicirt.
Mittelst eines Anemometers mit einigen neuen Einrichtungen zur leichtern und sicheren
Beobachtung, suchten wir die von der Heizvorrichtung zugeführten und die durch die
Zugöffnungen abgeführten Luftmengen zu bestimmen.
Der Anemometer wurde nacheinander vor zwölf geöffnete Mündungen der Vertheilungsröhre
gebracht und die bei der Temperatur von 73,7° Reaumur gelieferte Luft betrug
in einer Stunde zusammen ungefähr 16241 Kubikmeter.
Allein die Beobachtungen ergaben die merkwürdige Thatsache, daß die rechts und links
an der rechtwinkeligen Verzweigung der verticalen Luftzuführungsröhre angebrachten
Mündungen beinahe nichts abgaben, während die zwei Mündungen, welche gegen die zwei
Enden angebracht waren, am meisten und gleiche Mengen lieferten. Die Versuche
ergaben, daß diese vier Mündungen, von gleichen Dimensionen wie die acht andern, für
sich allein ungefähr ⅔ der gesammten, von dem Apparat zugeführten Luftmenge
lieferten.
Die Erklärung dieses Umstandes ist leicht; sie beruht auf der bekannten Thatsache,
daß einerseits der Druck der (gasförmigen) Flüssigkeiten in verengerten Canälen
(Querschnitten) und in Leitungen worin sie sich mit großer Geschwindigkeit bewegen,
vermindert wird, andererseits derselbe durch jedes ihrem Lauf dargebotene Hinderniß
zunimmt. Hieraus allein schon ergibt sich, daß es bei Untersuchung der Luftmengen,
welche von Circulations-Apparaten geliefert werden, nöthig ist, an jeder
Mündung Versuche zu machen und sie nicht auf einige zu beschränken.
Auch schienen diese Versuche zu zeigen, daß wenn die Schwingungsknoten, welche sich
während der Bewegung der Flüssigkeiten in den Röhren bilden, auf die Natur der
hervorgebrachten Töne von großem Einfluß sind, sie auch einen nicht unbedeutenden
Einfluß auf den Luftaustritt durch die in diesen Röhren angebrachten Mündungen
haben; denn wir bemerkten, daß zwischen aufeinanderfolgenden gleichgroßen Mündungen
hinsichtlich des ausgelassenen Luftvolums ungeheure Unterschiede stattfinden. Ohne
auf diese merkwürdige Thatsache hier weiter einzugehen, begnügen wir uns sie der
Aufmerksamkeit der Physiker zu empfehlen.
Was die Abführung der Luft durch die Zugkamine anbelangt, so ist sie beinahe null;
überhaupt müssen die Verhältnisse der Oeffnungen und der Kamine ganz abgeändert
werden, um ein rascheres Ansaugen zu erzielen.
Diese auf die Heiz- und Ventilations-Vorrichtungen bezüglichen
Beobachtungen, welche mit den Producten, die wir zu prüfen berufen waren, nichts zu
thun haben, schienen uns in diesem Bericht dennoch eine Stelle zu verdienen, weil
sie die geringe Wasserverdampfung per Kilogramm
verbrannter Steinkohle erklären.
Während der Abfassung dieses Berichts machten die Besitzer der Anstalt von obigen
Bemerkungen Gebrauch, um den Mängeln der Luftabführungs-Vorrichtung
abzuhelfen. Sie setzten zu diesem Behufe die Zugöffnungen direct und jede einzelne
für sich mit den Kaminen in Verbindung, wodurch allein schon eine sehr merkliche
Verstärkung des Zuges erzielt und die Dauer des Austrocknens bei 28 Stunden um 5
Stunden, also um mehr als 1/5 abgekürzt wurde. Wir gaben ihnen aber noch andere,
wirksamere Mittel hiezu an.
Da es zur Zeit unserer Versuche noch wenig frische Gemüse gab, so konnten nur zwei
Versuche angestellt werden, einer mit grünem Wirsingkohl, sogenanntem Brocoli, der
andere mit Spinat.
920 Kilogr. Kohl wurden in einem Tage von 30 Frauenspersonen geputzt und gaben 725
Kilogr. zu trocknende grüne Substanz; diese wurden auf 710 Hürden ausgebreitet,
daher auf eine Hürde von ungefähr 1 Quadratmeter Oberfläche 1 Kilogr. kam.
Nachdem sie sich 28 Stunden lang bei einer Temperatur von 32 bis 38° R. in der
Trockenkammer befunden hatten, hinterblieben 68 Kilogr. trockener Substanz; da sie
auf diese Weise 656 Kilogr. Wasser, oder 87 Procente, also 7/8 ihres ursprünglichen
Gewichts verloren, und in diesen 28 Stunden 300 Kilogr. Charleroier Steinkohle
verbrannt wurden, so hat 1 Kilogr. dieser Kohle nur 2,18 Kilogr. Wasser
verdampft.
Beim zweiten Versuch wurden 820 Kilogr. roher Spinat in einem Tag von 30
Frauenspersonen geputzt, und davon 639 Kilogr. zu trocknende Substanz erhalten. Auf
710 Hürden (0,9 Kil. per Hürde) in die Trockenkammer
gebracht, verminderten sie sich nach 22stündigem Erwarmen bei 32 bis 38° R.
auf 71 Kil. trockener Substanz; sie verloren also 568 Kil. Wasser oder 89 Proc.,
etwas über 7/8 ihres Gewichts. Verbraucht wurden hierzu 250 Kil. Steinkohle, welche
568 Kil. Wasser verdampften, was auf 1 Kil. Steinkohle 2,272 Kil. ausmacht.
Es wurde also in diesen beiden Versuchen grünen Gemüsen das überaus große Verhältniß
von 7/8 ihres Gewichts Wasser entzogen.
Durch Pressen mit der hydraulischen Presse wurde alsdann ihr Volum so reducirt, daß
man eine Dichtigkeit von 550 bis 600 Kilogr. per
Kubikmeter erzielte.
Was die Güte der Producte und die fast vollkommene Conservirung des Geschmackes
anbelangt, so sind der Akademie die Berichte mehrerer Marine-Commissionen
bekannt und mehrere ihrer Mitglieder hatten selbst Gelegenheit sich davon zu
überzeugen. Wir führen daher nur einige Stellen aus dem Bericht einer Commission an,
welche der Marine-Präfect im Hafen zu Cherbourg mit der Prüfung der von den
HHrn. Chollet und Comp.
eingereichten, nach dem Masson'schen Verfahren
präparirten Producte beauftragte.
Die von dieser Commission geprüften Gemüse waren gewöhnliche Kohlarten, Kerbel,
Brüsseler Kohl, Sellerie-Spinat, das „Julienne“ genannte
Gemenge, Gelbrüben und Kartoffeln.
Nachdem man sich vorher von dem guten Zustand, befriedigenden Aussehen und Geruch
dieser Producte überzeugt hatte, wurden sie in warmes Wasser gelegt, vorher und
nachher gewogen, und so die Menge des von ihnen verschluckten Wassers bestimmt. Die
Resultate dieser sehr gut angestellten Beobachtungen sind in folgender Tabelle
zusammengestellt.
Gemüseart.
Gewicht vor dem Eintauchen.
Temp. des Wassers.
Dauer des Eintauchens.
Gewicht nach dem Einlegen.
Verhältniß der Gewichte vor und nach dem Einlegen.
Gewöhnlicher Kohl
280
Gr.
40° R.
33 Min.
1480
Gr.
5,30
Kerbel
73
36
30
324
4,44
Brüsseler Kohl
139
40
38
630
4,53
Sellerie
130
40
41
510
3,93
Spinat
87
36
30
475
5,47
Julienne
142
40
40
741
5,22
–––––––
4,81
Diese Gemüse hatten also nach dem Einweichen den größten Theil des Wassers, welches
sie vor dem Trocknen enthielten, wieder aufgenommen.
Der Bericht der Cherbourger Commission bezeugt, daß diese Gemüse auch ihre Biegsamkeit und ihre natürliche Farbe wieder angenommen
haben, und daß einige derselben, namentlich das Kerbelkraut und der Brüsseler
Kohl ihre Gestalt so schön beibehielten, daß sie aussahen wie frisch gepflückte
Pflanzen. Auch der Geschmack und Geruch hatte
sich durch das Einweichen in warmes Wasser bedeutend
entwickelt.
Das Kochen aller dieser Gemüse erforderte 1¼ bis 1¾ Stunden, und nach
dem Zurichten derselben erklärte die Commission einstimmig, daß alles sehr gut befunden wurde, der Spinat aber und der Brüsseler Kohl sich
vor allen andern Gemüsen besonders auszeichneten und zum Verwechseln an frische
Gemüse erinnerten.
Bei dieser Uebereinstimmung der Zeugnisse aller Commissionen kann über den
glücklichen Erfolg der Methode des Hrn. Masson, die
vegetabilischen Nahrungsmittel aufzubewahren, kein Zweifel mehr bestehen.
Zieht man ferner in Betracht, daß wenn die Fabrication im Großen zweckmäßig
eingeführt seyn wird, die so zubereiteten Gemüse wahrscheinlich wohlfeiler zu stehen
kommen werden als das Sauerkraut, daß der Transport dieser wenig Raum einnehmenden
Producte so wenig kosten wird, daß es möglich wird die Gemüse von Plätzen, wo sie in
Menge erzeugt werden, zu beziehen, so muß man anerkennen, daß Hr. Masson die wichtige Aufgabe, die Nahrung und folglich die
Gesundheit unserer Matrosen zu verbessern, auf eine eben so befriedigende als
einfache und ökonomische Weise gelöst hat. Dazu kömmt noch der Nutzen dieses
Verfahrens für die Verproviantirung der Festungen und Armeen; da sich dasselbe in
unveränderter Weise auch auf Arzneipflanzen anwenden läßt, so ist es überdieß von
großem Vortheil für die Civilspitäler, vorzüglich aber für die fliegenden
Militär-Lazarethe (Ambulancen).