Titel: | Ueber die Auflöslichkeit des kohlensauren Kalks im Zuckerkalk; von Hrn. Barreswill. |
Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. LXVI., S. 306 |
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LXVI.
Ueber die Auflöslichkeit des kohlensauren Kalks
im Zuckerkalk; von Hrn. Barreswill.
Aus dem Journal de Pharmacie, Mai 1851, S.
330.
Barreswill, über die Auflöslichkeit des kohlensauren Kalks im
Zuckerkalk.
Es ist jetzt erwiesen, daß die Melassen, wenigstens
diejenigen von Runkelrüben, keinen unkrystallisirbaren Zucker
enthalten, sondern bloß aus krystallisirbarem
Zucker nebst verschiedenen organischen Substanzen und Salzen bestehen; ferner daß
der Zucker, welcher durch diese Beimischungen verhindert wird zu krystallisiren,
sich leicht ganz oder theilweise aus diesem Gemenge abscheiden läßt, entweder
mittelst Bleioxyd, welches die fremdartigen Substanzen
großentheils niederschlägt und den Zucker in reinerem Zustande zurückläßt, oder
mittelst Baryt, welcher im Gegentheil den Zucker fällt
und die fremdartigen Verbindungen in der Auflösung zurückläßt. Beide
Verfahrungsarten — jene von Scoffern, diese von
Dubrunfaut angegebenMan vergl. über Scoffern's Verfahren polytechn.
Journal Bd. CXVII S. 265 und über Dubrunfaut's Verfahren polytechn. Journal Bd. CXVII S.
142. — wurden bereits in großem Maaßstab
angewandt, erstere hauptsächlich bei den Producten des Zuckerrohrs, letztere bei den
Producten der Runkelrübe, und man konnte nach den damit erhaltenen Resultaten das
Problem als gelöst betrachten. Der einzige ernstliche Einwurf, welchen man gegen
diese Methoden machen kann, ist in der Natur der zwei Agentien begründet; bei dieser
Sachlage ist es nun die Aufgabe der Chemiker, entweder Mittel aufzusuchen, welche
den bei Anwendung des Bleioxyds und des Baryts zu befürchtenden Nachtheilen
begegnen, oder neue Agentien zu erforschen, welche ganz unschädlich sind. In
letzterem Sinne hat bereits Hr. Peligot gearbeitet, und
seine Abhandlung über die Verbindungen des Zuckers mit dem Kalk enthält darüber
nützliche Belehrungen. Nach meiner Ansicht lassen sich diese Untersuchungen dadurch
erleichtern, daß man die Zusammensetzung der Melassen genau studirt und die
Thatsache welche ich im Folgenden mittheile, ist unter diesem Gesichtspunkt von
Wichtigkeit.
Ich habe beobachtet, daß die alkalischen Melassen von Runkelrüben meistens mit den
Säuren aufbrausen, selbst nachdem man sie vorher zum Sieden erhitzt hat; ich
sammelte das hierbei sich entbindende Gas und fand, daß es wirklich Kohlensäure ist.
Ueber dieses Resultat mußte ich mich wundern, weil bekanntlich die Melassen
Kalksalze enthalten, deren Gegenwart mir mit derjenigen der Bicarbonate
unverträglich schien; es blieb mir nur eine Erklärung übrig, daß nämlich der
kohlensaure Kalk in einer von den Unreinigkeiten der Rübenmelassen auflöslich
ist.
Ich untersuchte daher das Verhalten der verschiedenen in den Melassen enthaltenen
Substanzen zu dem kohlensauren Kalk, wobei ich fand, daß der kohlensaure Kalk in dem
Zuckerkalk auflöslich ist, wovon ich mich auf
verschiedene Art überzeugte:
1) So wird eine Auflösung von Zuckerkalk, in welche man kohlensaures Gas strömen
läßt, in der ersten Zeit nicht getrübt; 2) ein Gemenge von Chlorcalcium und
kohlensaurem Natron bildet in den Auflösungen von Zuckerkalk keinen Niederschlag; 3)
versetzt man aber eine Auflösung von kohlensaurem Kalk in Zuckerkalk mit einer
Auflösung von salzsaurem Ammoniak, so schlägt sich daraus
sogleich reiner kohlensaurer Kalk nieder. Der Salmiak wird angewandt um den
freien Kalk des Zuckerkalks zu sättigen; dieses Reagens muß natürlich mit Vorsicht
zugesetzt werden, weil es selbst ein Auflösungsmittel des kohlensauren Kalks ist.
Die Auflöslichkeit des kohlensauren Kalks im Zuckerkalk beruht ohne Zweifel auf der
Bildung eines Doppelsalzes, welches ich jedoch nur mit einem Ueberschuß von
Zuckerkalk gemengt darzustellen vermochte. Ich setze diese Untersuchungen fort, weil
die Doppelsalze, welche die Verbindungen des Zuckers mit den Erden leicht zu bilden
scheinen, offenbar bei der Zuckerfabrication eine bedeutende Rolle spielen.
Jedenfalls ist die Auflöslichkeit des kohlensauren Kalks im Zuckerkalk schon für die
Analyse der Zuckersorten von Wichtigkeit; vielleicht werden physiologische
Untersuchungen ergeben, daß sich durch analoge Reactionen die Bildung gewisser
Producte des Organismus erklären läßt.