Titel: | Die Rechenmaschine von Maurel und Jayet. |
Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XXIV., S. 100 |
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XXIV.
Die Rechenmaschine von Maurel und Jayet.
Aus den Comptes rendus, Decbr. 1850, Nr.
25.
Maurel's und Jayet's Rechenmaschine.
Die (französische) Akademie der Wissenschaften hat auf den Bericht der HHrn. Cauchy, Largetau, Seguier und Binet dieser
Maschine ihre Approbation ertheilt und beschlossen, deren Beschreibung im Recueil des Savants étrangers aufzunehmen. Der Zweck
dieses Apparats ist, numerische Rechnungen nach Belieben des Rechners durch die vier
Species auszuführen; in dieser Hinsicht darf man sie nicht mit andern derartigen
Maschinen verwechseln, z. B. mit denen von Babbage,
welche ebenfalls eine Reihe von Operationen, jedoch nach zuvor bestimmter Ordnung
durchführen. Die Differenz-Maschine dieses
englischen Mathematikers, welche er im Jahr 1822 für vierzifferige Zahlen
construirte, die jedoch auch für 40 bis 60ziffrige Zahlen eingerichtet werden kann,
welche aber wegen der Kosten ihrer Construction seit 1834 nur auf achtziffrige
Zahlen gebracht wurde, kann Reihen berechnen, oder die verschiedenen Werthe, welche
eine Function hat, deren Variable gleichförmig zu- oder abnimmt. Ebenso wird
die analytische Maschine von Babbage alle durch die complicirtesten analytischen Ausdrücke
vorgeschriebenen Operationen ausführen und deren numerische Werthe berechnen, indem
sie nicht bloß die bei jeder Aufgabe gegebenen Größen, sondern auch alles übrige
Gegebene, so zahlreich es auch seyn mag, anwendet. Dieß wird man mittelst Anwendung
durchbrochener Pappen (Karten) erzielen, welche bekanntlich von Basil Bouchon erfunden und seit 1738 von Falcon bei der Fabrication façonnirter Stoffe angewendet wurden; Vaucanson hat dieselben bei seinem letzten Webestuhl
durch einen Mechanismus seiner Erfindung, welcher einen Arbeiter erspart, beweglich
gemacht; diese durch den Mechanismus von Vaucanson
beweglich gemachten Karten wandte dann Jacquard, als er
sie kennen lernte, bei seiner am 23. December 1801 patentirten Maschine an, die nun
unter seinem Namen überall bekannt und gebräuchlich ist.
Die Rechenmaschine von Maurel und Jayet erfüllt vollkommen ihren Zweck, da sie in sehr kurzer Zeit (ungefähr
in 14 Secunden für die sechsziffrigen, und in 20 Secunden für die achtziffrigen
Producte) die numerischen Resultate der Operationen angibt. Der Mechanismus ist demjenigen ähnlich,
welcher bei den früheren derartigen Maschinen angewendet und bei der Rechenmaschine
von ThomasIm Bulletin de la Société d'Encouragement, Jahrg
1822, S. 358. genau beschrieben wurde. Der Haupttheil desselben
besteht aus einem Cylinder, welcher parallel seiner Achse, auf einem Theile seiner
Länge und seines Umfangs gekerbt ist, so daß er neun neben einander befindliche
Räder, die beziehungsweise 1, 2, 3, 4 …9 Zähne haben, vorstellt. Jedes von
diesen Rädern oder Theilen des Cylinders entspricht einer Stellung eines längs
seiner Achse beweglichen Getriebes, und dreht dasselbe bei jedem Umgang proportional
der Anzahl von Zähnen oder Kerben, welche sich auf diesem Theile des Cylinders
befinden, mit dem es eingreift.
Der Mechanismus, mittelst dessen die Erfinder die behaltenen Einheiten auf eine
Einheit höherer Ordnung übertragen, beruht auf der Anwendung der sogenannten
Planetenräder Dieses sinnreiche Mittel erfüllt seinen Zweck, ist jedoch etwas
complicirt und erfordert eine große Anstrengung für die Fortpflanzung der Bewegung,
wenn mehrere behaltene Einheiten zugleich auf Einheiten höherer Ordnung zu
übertragen sind, daher man es bei mehr als vier oder fünf Transmissionen nicht mehr
anwenden kann, sondern direct durch den Treibcylinder die behaltenen Einheiten zur
nächsten Ordnung bringen muß.
Die Subtraction kann nur insoweit stattfinden, als es die auf dem Instrument
bemerkten Zahlen ermöglichen; der Mechanismus leistet darüber hinaus nichts mehr.
Der Operirende sieht alsdann, daß die Aufgabe sich nicht berechnen läßt. Ebenso wird
er bei der Division in dem Augenblick, wo die Maschine die größte ganze Zahl des
Quotienten anzeigt, davon in Kenntniß geseht. Eine sehr einfache Einrichtung erspart
folglich alles Probiren, indem die Operationen in den durch die Construction
angegebenen Gränzen bleiben. Hierbei ist jedoch zu bemerken, daß die Erfinder nicht
die ganze mögliche Leistung des Haupttheils ihres Mechanismus benutzen; denn jedes
Treibrad, welches auf das Getriebe der Einheiten von der höchsten Ordnung wirkt,
kann im Falle der Addition 18 dieser Einheiten, und im Falle der Multiplication 81
dieser Einheiten anzeigen, unabhängig von denjenigen Einheiten, welche durch
Anhäufung von Einheiten niederer Ordnung dazu kommen. Das Zifferblatt eines
Getriebes kann aber diese Zahlen nur durch eine einzige Ziffer darstellen. Die
Zugabe eines bloßen Zaͤhlers für die Einheiten einer höheren Ordnung würde also die
Zahlen, auf welche diese Maschinen einwirken können, verzehnfachen.
Die Sicherheit der Operationen, welche das Hauptverdienst jeder Rechenmaschine ist,
und welche fast bei allen derartigen Maschinen fehlt, wird bei den Instrumenten von
Maurel und Jayet durch ein
allgemeines Verbindungssystem erzielt, bei welchem nur verlangte Bewegungen möglich
sind, und jede neue Operation, bevor die vorhergehende nicht ganz beendigt ist,
absolut verhindert wird; daraus folgt, daß falsche Bewegungen oder irreguläre und
unvollständige Versetzungen, bei diesen Apparaten nicht vorkommen können. Die
Federn, welche aus ihrer Lage kommen oder in Folge einer zu geringen oder zu starken
Spannung nicht immer gleichförmig wirken können, wurden von den Erfindern nur in
einigen Fällen angewendet, wo sie bloß dazu dienen, die Lage einzelner Theile genau
herzustellen, so daß ihre Rolle eine rein passive und zum Spiel des Mechanismus
nicht unentbehrlich ist.
Eine von diesen Maschinen ist oben mit einer Gallerie versehen, welche die Summe
einer Reihe von Producten angibt, die man nach einander erhalten hat, ohne baß
jedoch die Partialproducte dabei verschwinden würden. Diese Anordnung ist in
gewissen Fällen nützlich, jedoch für die Praxis entbehrlich; sie macht auch das
Instrument viel complicirter und theurer.
Die Maschine von Maurel und Jayet übertrifft also alle derartigen Apparate, welche bis jetzt
construirt wurden; sie erfüllt ihre Functionen mit aller wünschbaren Schnelligkeit
und Sicherheit. Die Commission spricht daher den Wunsch aus, daß die Akademie eine
von den 30 Maschinen, welche gegenwärtig verfertigt werden, ankaufen und dieselbe in
einem der Bibliotheksäle zur Verfügung ihrer Mitglieder aufstellen möchte.
Die Akademie hat bereits den HHrn. Maurel und Jayet den mechanischen Preis von 1000 Franken
zuerkannt.
Piobert, Berichterstatter.