Titel: | Ueber die Bildung von Essigsäure aus Seealgen; von J. Stenhouse. |
Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XVIII., S. 72 |
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XVIII.
Ueber die Bildung von Essigsäure aus Seealgen;
von J.
Stenhouse.
Aus dem Philosophical Magazine, Januar 1851, S.
29.
Stenhouse, über die Bildung von Essigsäure aus
Seealgen.
Bei Gelegenheit einer Reihe von Versuchen mit Seealgen, über welche der Royal Society am 18. April 1850 Bericht erstattet wurde,
machte ich häufig die Beobachtung, daß eine feucht zusammengehäufte Menge dieser
Pflanzen, wenn sie sich einige Zeit an einem warmen Orte befand, bald in eine Art
von Gährung überging. Diese Beobachtung ist meines Wissens nicht neu, allein da sich
bis jetzt noch Niemand die Mühe genommen hat, die Natur der bei diesem Proceß
erzeugten Säuren zu untersuchen, so fand ich mich veranlaßt, den Gegenstand etwas
genauer zu studiren.
Bei gewöhnlicher Temperatur, selbst während der Sommermonate, geht in Schottland die
Gährung der Seealgen sehr lansam vor sich, so daß sie drei oder vier Monate zu ihrer
Vollendung nöthig hat; aber wenn man die Pflanzen bei einer Temperatur von
32–35° C. (26 bis 28° R.) hält, so ist der Proceß in zwei bis
drei Wochen fertig.
I. Sechs Pfund der frischen, feuchten Pflanze des Fucus vesiculosus wurden mit etwas ungelöschtem Kalk und
soviel Wasser, als nöthig war um die Oberfläche eben zu bedecken, in einen irdenen
Topf gethan und drei Wochen lang einer Temperatur von 35° C. ausgesetzt. Von
Zeit zu Zeit wurden kleine Mengen Kalk hinzugefügt, um das Ganze schwach alkalisch
zu erhalten. Nach vollendeter Gährung wurde die flüssige Portion, welche ziemlich
viel Schleim und etwas essigsaures Ammoniak enthielt, durch ein Tuch geseiht und die
klare durchgelaufene Flüssigkeit bis zur Trockne verdampft und dann vorsichtig
erhitzt, so daß fast alle schleimige Substanz unlöslich wurde, während der rohe
essigsaure Kalk unzersetzt blieb. Die dunkelbraune Masse wurde mit etwas Wasser
digerirt, abermals filtrirt und die klare Lösung zur Trockne abgedampft. Es wurden
vier Unzen, zwei Drachmen trocknen essigsauren Kalkes erhalten, der fast ganz frei
von anhängender organischer Substanz war. Bei der Destillation mit Salzsäure gab
dieser essigsaure Kalk 29 Unzen eines reinen aber schwachen Essigs, von dem 1 Unze
zur Neutralisation 24 Gran wasserfreien kohlensauren Natrons brauchte. Da nun 662
Gran wasserfreien kohlensauren Natrons 650 Gran wasserfreier Essigsäure zur Sättigung nöthig
haben, so kann man einen Gran des ersteren einem Gran der letzteren äquivalent
betrachten. Die erhaltenen 29 Unzen Essig enthielten demnach 696 Gran wasserfreier
Essigsäure. Dieß entspricht, das Pfund zu 7000 Gran, einem Gehalt von 1,65 Procent
wasserfreier Essigsäure in den feuchten Seealgen.
II Vierundzwanzig Pfund von frischem Fucus nodosus, ebenfalls feucht, überließ man bei einer
Temperatur von 35° C. etwa fünf Wochen lang der Gährung, indem man, wie
vorher, Kalk zusetzte. Es wurden 20 Unzen rohen essigsauren Kalks erhalten, welche,
mit Salzsäure destillirt, 57 Unzen eines ziemlich reinen Essigs lieferten. Eine Unze
dieses Essigs sättigte 43 Gran wasserfreien kohlensauren Natrons und der ganze
Betrag an Essigsäure war daher 2451 Gran = 1,45 Proc. des feuchten Fucus nodosus.
III. Vier Pfund der frischen Pflanze des Fucus vesiculosus wurden mit Kalk in freier Luft und bei
gewöhnlicher Temperatur vom 8. Junius an der Gährung überlassen, welche am 1.
September vollendet war. Die Destillation der filtrirten und bis zur Trockne
eingedampften Lösung des essigsauren Kalkes mit Salzsäure lieferte 46 Unzen eines
schwachen Essigs, von dem 1 Unze 7 Gran wasserfreien kohlensauren Natrons sättigte;
dieß macht im Ganzen 322 Gran wasserfreier Essigsäure, oder 1,15 Proc. der feuchten
Pflanze. Man sieht hieraus, wie viel langsamer die Gährung bei der gewöhnlichen
Temperatur von Schottland während der Sommermonate von statten geht, und um wie viel
geringer die Menge des erhaltenen Productes ist, verglichen mit der Schnelligkeit
des Processes und der Menge der Essigsäure, welche man bei einer constanten
Temperatur von etwa 32° C. erhält. Wollte also Jemand in Großbritannien oder
einer nördlichen Gegend Europa's den Versuch machen, aus Seealgen Essig zu
fabriciren, so würde es räthlich seyn, dazu eine constante Temperatur von
32–35° C. anzuwenden. In den südlichen Ländern Europa's und unter den
Tropen würde man wohl während der Sommermonate die künstliche Temperaturerhöhung
entbehren können.
Eine der vorzüglichsten Anwendungen finden die Seealgen als Dünger, und zu diesem
Zwecke würden sie durch den vorherigen Gebrauch zur Darstellung von Essigsäure nicht
untauglich werden; denn die gegohrenen Pflanzen und die in dem Gewebe derselben
zurückbleibenden Salze würden vom agronomischem Gesichtspunkte aus für das Land
denselben Nutzen gewähren wie die frischen Pflanzen.
Der aus dem Fucus dargestellte Essig enthielt eine
geringe Quantität Buttersäure. Ließ man eine mit kohlensaurem Natron gesättigte und zur Trockne
eingedampfte Portion desselben eine Zeit lang in feuchter Luft stehen, so
verflüssigte sich ein Theil des Salzes. Der flüssige Theil wurde von dem festen
getrennt und abermals zur Trockne eingedampft; er bildete eine seifenartig
aussehende, unkrystallisirbare Masse, mit dem eigenthümlichen Geruch der
buttersauren Salze, und gab, mit einer Mischung von Schwefelsäure und Alkohol
digerirt, einen Aether, welcher den charakteristischen Geruch und die Eigenschaften
des Buttersäureäthers hatte. Ein aus dieser, für buttersaures Natron gehaltenen
Verbindung durch Fällung mit salpetersaurem Silberoxyd dargestelltes Silbersalz
enthielt 60,49 Proc. Silberoxyd. Die für das buttersaure Silbersalz berechnete
Quantität Silberoxyd ist 59,48 Proc., die für das essigsaure Salz 69,46 Proc. und
für das metacetonsaure 64,09 Procent. Es ist aber daher sehr wahrscheinlich, daß der
in dem buttersauren Salze gefundene Ueberschuß an Silberoxyd von einer geringen
Beimischung von Essigsäure oder Metacetonsäure herrührte.
Es wurde ein Silbersalz durch Digestion von Silberoxyd mit der reinen, aus dem Fucus gewonnenen Essigsäure dargestellt. Dieses Salz
hatte alle Charaktere des essigsauren Silberoxyds, und bei der Analyse gaben 0,250
Theile desselben 0,161 Theile metallisches Silber = 0,172 Silberoxyd = 69,16
Procent. Die berechnete Menge des Silberoxyds in dem essigsauren Salze ist, wie
schon angegeben, 69,46 Procent.