Titel: | Das Löthen der Schildkrötenschale; von E. Pflüger, Drehermeister in Ludwigsburg. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. LXVI., S. 296 |
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LXVI.
Das Löthen der Schildkrötenschale; von E. Pflüger, Drehermeister in
Ludwigsburg.
Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1850 Nr.
28.
Pflüger, über das Löthen der Schildkrötenschale.
Dieses Löthen, oder – eigentlicher – Zusammenschweißen der
Schildkrötenschale geschieht, ohne daß ein besonderer Löthkörper zwischen die zu
vereinigenden Theile gebracht wird, einzig unter dem erweichenden Einfluß des heißen
Wassers und zugleich unter einem gewissen auf die Löthstelle ausgeübten und die
getrennten Theile anhaltend zusammenpressenden Druck, wobei vermuthlich ein Theil
desjenigen Bestandtheils der Schildkrötenschale, welcher die Cohäsion ihrer Materie
vermittelt, auf die Oberfläche hervortritt und durch gegenseitiges Eindringen in die
sich darbietenden und durch den Druck innig genäherten Flächen der getrennten Theile
die feste Vereinigung derselben bewirkt. Diese ist, wenn dabei gehörig zu Werke
gegangen wurde, öfters so vollkommen, daß, wenn die beiden Stücke einerlei Farbe
hatten, die Stelle der Zusammensetzung schwer zu erkennen und nur bei verschiedener
Grundfarbe oder an den nicht zusammentreffenden dunkleren Flecken der Schale
sichtbar ist.
Das Hauptinstrument bei dieser Arbeit ist die Löthzange,
eine leichte Zange von Eisen, deren Schenkel, vom Drehpunkt abwärts etwa 11 Zoll
lang, wie bei einer Schmiedezange so gestellt sind, daß mittelst eines Rings durch
das Weiteraufwärtsschieben desselben ein beliebiger Druck auf die vom Endstück der
Zange erfaßten Gegenstände gegeben und fortgesetzt werden kann. Dieses ist etwa 4
Zoll lang und trägt bewegliche Backen von Messing von 2 1/2''' Dicke, in Breite und
Länge nach dem zu löthenden Gegenstand sich richtend, gewöhnlich aber 7''' breit. In
der Mitte ihrer Hinterseite ist ein eisernes, eine halbe Linie vorstehendes Knöpfchen, und über
dasselbe her ein Steg, dessen rechtwinkelig gebogene Enden zu beiden Seiten des
Knöpfchens angelöthet sind. Die längliche Oeffnung zwischen Steg und Backen kann 4
1/2''' auf 3 1/2''' betragen. Die Enden der Zange sind nach dieser Oeffnung geformt
und tragen auf zwei Ansäßen die Stege; ein über denselben durchgesteckter Stift
verhindert das Abfallen der Backen. Denselben muß jedoch so viel Spielraum gelassen
werden, daß sie nach allen Seiten hin einige freie Bewegung haben, der Druck der
Zange aber unmittelbar nur auf die Knöpfchen geschehen kann.
Diese Einrichtung der Zange macht es möglich, bei jeder Form und Dicke des
Gegenstandes einen gleichen Druck auf alle von den Backen berührte Punkte geben und
Eine Zange für Backen von verschiedener Größe und Gestalt nach Erforderniß benützen
zu können.
Die Vorbereitung zum Löthen geschieht zuerst durch die Reinigung der beiden
zusammenzufügenden Stücke, wenigstens an den Stellen, wo die Löthung stattfinden
soll und deren nächster Umgebung, wie man denn Reinlichkeit bei diesem Geschäft
nicht genug empfehlen kann, da das Mindeste von Fett, auch der Staub und selbst das
Berühren der Löthflächen mit den bloßen Fingern die Löthung verhindern kann. Zu
diesem Ende schabt man die Stücke entweder ab oder legt sie in Seifenwasser und
bürstet sie in diesem und nachher in klarem Wasser gut aus.
Eine weitere Arbeit ist das Zusammenfügen der beiden Plättchen, welche gelöthet
werden sollen. Man feilt nämlich die betreffenden Ränder der beiden Plättchen von
einer Seite her schief zu, das eine von oben, das andere von unten, bis die schiefe
Fläche 5 bis 6mal so lang ist, als die Dicke des Plättchens beträgt, und so, daß
wenn die beiden schiefen Ränder auf einander gelegt werden, die Fuge überall
schließt, beide Oberflächen ununterbrochen fortlaufen und das Ganze in gleicher
Dicke erscheint. Das Gefeilte wird sodann glatt abgeschabt.
Vor dem Löthen hält man die beiden Plättchen, so weit sie angefeilt sind, einige
Secunden lang in kochendes Wasser, und nun bringt man das entsprechende Paar Backen
auf die Zange und wärmt sie in Kohlenfeuer so weit, daß
ein zwischen die Backen geklemmtes Stück weißen Briefpapiers kaum merklich gelb
wird; man wärmt lieber etwas mehr und wartet, bis die rechte Farbe erscheint,
indessen reinigt man die Löthstellen mit reiner Leinwand oder Papier von Staub,
nimmt dann einen in Bereitschaft stehenden acht oder mehrfach zusammengelegten Wickel von weicher
feiner Leinwand oder ungefärbtem Baumwollenzeug, hinlänglich breiter als die Backen,
und mehr als doppelt so lang als die Löthfuge, macht ihn mit warmem Wasser durchaus
feucht (nicht naß), legt auf demselben die Arbeit genau zusammen und schlägt die
andere Hälfte des Wickels darüber her. Mit Beihülfe der Enden desselben hält man nun
die Arbeit unverrückt fest und faßt sie, wenn die Zange ihre rechte Wärme hat,
vorsichtig zwischen deren Backen.
Anfangs läßt man die Zange nur schwach drücken, nach einigen Secunden vermehrt man
den Druck allmählich, nach etwa 15 Secunden legt man den Ring an und die Zange mit
der Arbeit zurück, bis die Backen nur noch handwarm sind, wo die Löthung geschehen
seyn wird.
Die Stärke des Drucks darf nur eine mäßige seyn, und um so geringer, je schwächer das
Plättchen und je kleiner die Fläche der angewendeten Backen ist, auf keinen Fall
aber stärker, als das Festhalten eines Beilstiels erfordert, während man Holz
spaltet. Sollte die Löthung nicht vollkommen gelungen seyn, so besprengt man den
Wickel wieder mit warmem Wasser, reibt ihn zwischen den Fingern, bis er durchgängig
feucht ist und wiederholt das Löthen.
Eine andere Art der Zusammenfügung der Plättchen ist folgende: man feilt eins
derselben von beiden Seiten schief zu, jedoch nicht messerscharf, in das andere
macht man der Länge nach einen feinen Sägenschnitt, so tief, als der Keil des
ersteren ist. Diesen reinigt man, so wie den Schnitt, letzteren, indem man einen
Streifen Papier durchzieht, von allem Staub, und taucht das aufgeschnittene Ende,
nachdem man vorne ein kleines auf den Seiten vorstehendes hölzernes Keilchen leicht
eingesteckt hat, in kochendes Wasser. Die Schnittenden werden schnell erweicht seyn
und sich beim allmählichen Tiefereinschieben des Keilchens auseinandersperren.
Zuletzt taucht man die zusammenzufügenden Enden beider Plättchen ein, und sobald sie
weich sind, entfernt man das Keilchen schnell, steckt die beiden Plättchen behende
in einander und drückt die Schnittenden an. Auf diese Weise hält die Arbeit beim
Umwickeln von selbst zusammen, weil aber die Schnittenden eine vorstehende Wulst
bilden, so hält man die Arbeit beim Löthen etwa 15 Secunden lang fortwährend unter
leichtem Druck der warmen Zange, ohne den Ring anzulegen, und nimmt dann den Wickel
ab, wo man die Enden schon so weit geheftet finden wird, daß man das Vorstehende ohne Nachtheil
gleichfeilen, reinigen und dann die Löthung vollenden kann.
Bei dieser Methode fällt die Arbeit zwar sehr gut aus, nur ist bei hellerer
Schildkrötenschale der Grund des Sägenschnitts durchscheidend sichtbar.