Titel: | Ueber die Zuckerproduction des südlichen Spaniens, hauptsächlich in Verbindung mit der Anwendung des Bleiessigs und der schwefligen Säure als Raffinirmittel; von Dr. Scoffern. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. XLIX., S. 217 |
Download: | XML |
XLIX.
Ueber die Zuckerproduction des südlichen
Spaniens, hauptsächlich in Verbindung mit der Anwendung des Bleiessigs und der
schwefligen Säure als Raffinirmittel; von Dr. Scoffern.
Aus der Chemical Gazette, 1850, Nr.
189.
Scoffern, über die Zuckerproduction des südlichen
Spaniens.
An der Südküste Spaniens, in einer Gegend welche östlich durch Almeria, westlich
durch Malaga, nördlich durch eine Gebirgskette und südlich durch das mittelländische
Meer begränzt ist, befindet sich ein Landstrich, der hinsichtlich seines Klima's und
seiner Erzeugnisse ein tropischer genannt werden kann; der Dattelbaum, der Palmbaum,
die Baumwollenstaude, Anilpflanze und das Zuckerrohr gedeihen daselbst vortrefflich,
und liefern Producte welche in Menge und Güte denjenigen der tropischen Länder
gleichkommen. Aus dem Zuckerrohr, dessen Anbau die Araber als Eroberer einführten,
wird Rohzucker und Raffinade erzeugt – ein Umstand, welcher außer Spanien
selbst, sehr wenig bekannt zu seyn scheint.
Es ist wohl keine technische Operation mit einer so ungeheuren Zerstörung von
Material verbunden, wie die Gewinnung des Zuckers aus dem Rohr; dieser Verlust wird
theils durch mechanische, theils durch chemische Ursachen veranlaßt. Das Zuckerrohr
enthält nach der Behauptung der meisten Chemiker welche Gelegenheit hatten es zu
untersuchen, außer dem Zucker nicht über 10 Proc. fester Substanz, so daß also 90
Proc. Saft ausgezogen werden können. Von diesen 90 Proc. Saft gewinnt man aber in
der Praxis nach den verläßlichsten Angaben kaum 50 Proc., wenigstens auf den
englischen Besitzungen in Westindien. Der Rohrsaft selbst enthält nach der
gewöhnlichen Annahme 17 bis 23 Proc. krystallisirbaren Zucker, wovon man aber in der
Praxis kaum 7 Proc. erhält. Da diese Angaben über den Gehalt des Rohrs an Saft und
des Safts an Zucker, vielseitig bezweifelt wurden, so habe ich in der letzten Zeit
in dieser Hinsicht eine Reihe von Versuchen angestellt, wodurch ich sie jedoch
vollkommen bestätigt fand. Ich habe dazu Rohr aus verschiedenen Theilen dieses
Districts in Scheiben zerschnitten, zuerst mit heißem Wasser, dann mit heißem
Alkohol ausgezogen und endlich getrocknet; als mittleres Resultat erhielt ich
beiläufig 10 Proc. holziger oder unauflöslicher Substanz, während der ausgezogene
und krystallisirte
Zucker wirklich 17 bis 23 Proc. betrug. Es scheint daher, daß in der Praxis auf
unseren westindischen Colonien in der That 40 Procent Saft verloren gehen; und nun
entsteht die höchst wichtige Frage, bis zu welcher Gränze dieser Verlust
unvermeidlich ist und wie weit er sich durch verbesserte Apparate und Manipulationen
verringern läßt. Anstatt 50 Proc. Saft, liefern die Zuckermühlen auf der spanischen
Küste durchschnittlich 70 bis 75 Proc.; diese Mühlen sind von sehr mittelmäßiger
Construction, man läßt aber das Rohr viermal durch die Walzen gehen, bis die
zurückbleibenden ausgepreßten Stengel (megass genannt)
so aus ihrem Zusammenhang gebracht sind, daß sie gemahlener Lohe gleichen, während
sie in Westindien die Form langer Bänder beibehalten – ein hinreichender
Beweis, daß der angewandte Druck bei weitem nicht hinreichend war. Nachdem das Rohr
das Quetschwerk verlassen hat, wird es in den spanischen Zuckerdistricten sogleich
ausgepreßt, wozu man Schraubenpressen, häufig aber auch hydraulische Pressen
benutzt. Nach letzterer Methode sah ich 13 Proc. Saft aus Rohrstengeln gewinnen,
welche bereits 73 Proc. Saft in der Zuckermühle abgegeben hatten, so daß im Ganzen
86 Proc. Saft von 90 gewonnen wurden, daher diese technische Operation sehr wenig
mehr zu wünschen übrig läßt. Die hydraulische Presse betrachte ich als einen für die
ökonomische Gewinnung des Rohrzuckers unentbehrlichen Apparat; mittelst desselben
gewinnt man aus den zerquetschten Stengeln nicht nur viel mehr Saft, sondern
derselbe ist auch nach meinen Beobachtungen merkwürdigerweise stets zuckerreicher
als der Saft welchen das Quetschwerk liefert – eine Thatsache welche sich nur
durch die Annahme erklären läßt, daß der hydraulische Druck groß genug ist um auch
diejenigen Zuckertheilchen auszupressen, welche das Rohr in festem und
krystallinischem Zustande enthält, wie die mikroskopische Untersuchung desselben
beweist.
Die Operationen welche nach dem Zerquetschen des Rohrs folgen, unterscheiden sich in
Spanien nicht wesentlich von den auf Cuba und in vielen anderen tropischen Ländern
gebräuchlichen. Der Saft wird mit Kalk geklärt, abgeschäumt, auf den erforderlichen
Grad abgedampft, und in irdene Formen gegossen, deren Inhalt endlich gedeckt wird.
In einer Fabrik die ich besuchte, zu Almunecar, wird aber der Kalk nicht mehr als
Klärmittel angewandt, wegen seiner bekannten schädlichen Wirkung auf den Zucker; er
wurde jedoch durch kein anderes Agens ersetzt, sondern man begnügt sich die im Saft
enthaltenen eiweißartigen Substanzen durch die Hize zum Gerinnen zu bringen und sie
dann durch Abschäumen zu beseitigen. Der nach diesem Verfahren gewonnene Zucker ist hell gefärbt, hat
aber ein schlechtes Korn und enthält noch so viel eiweißartige Substanzen, daß 100
Theile Syrup aus der letzten Abdampfpfanne beim Abkühlen nur 40 Theile
krystallisirten Zucker liefern; die anderen 60 Proc. verbleiben im Zustand
vollkommen unkrystallisirbarer Melasse, bis man sie durch ein geeignetes Mittel
geläutert hat.
Der Hauptzweck meines Aufenthalts in diesem Zuckerbezirk war, die Errichtung von
Apparaten zur Zuckerfabrication mittelst meines eigenen VerfahrensMan vergl. die Beschreibung desselben von Prof. Brande im polytechn. Journal Bd.
CXVII S. 265. zu überwachen, nämlich zu Montril, etwa 45 engl. Meilen südlich von Granada,
in einer Fabrik die mit Apparaten der rohesten Art versehen war. Bis jetzt ist die
Aufstellung meiner Vacuumpfanne noch nicht so weit vorgeschritten, daß ich meine
Operationen mit Hülfe derselben anstellen kann; da aber das
basisch-essigsaure Blei ein höchst wirksames Klärmittel ist, so habe ich
dennoch mit den alten und rohen Apparaten über 16 Proc. Zucker anstatt 7 Proc.
erhalten. Die Pfannen für das letzte Abdampfen (striking
teaches) war ich genöthigt zu entfernen, um den erforderlichen Raum für
meine eigenen Apparate zu gewinnen; ich war daher gezwungen das letzte Abdampfen in
einer messingenen Pfanne von conischer Form vorzunehmen, welche beiläufig 600
Gallons faßte, was die Schwierigkeit des Abdampfungsprocesses nicht wenig steigerte.
Bisher wurde der Saft nur mit einem sechstel Procent basisch-essigsauren
Bleies gemischt; ich vermuthe aber daß dieses Quantum mit Vortheil vergrößert werden
kann. Da das Filtriren bei meinem Verfahren nicht zu umgehen ist, so befürchtete man
sehr, es möchte Gährung eintreten; dieß geschah jedoch keineswegs, weil die
schweflige Säure ein so kräftiges Verhinderungsmittel derselben ist. Andererseits
wurden nachtheilige Wirkungen von dem angewandten Bleisalz befürchtet; diese
Befürchtung zeigte sich jedoch in der Praxis als ganz unbegründet (?), denn das
schwefligsaure Blei ist nicht nur sehr leicht zu entfernen, sondern könnte sogar,
wenn es zurückbliebe, keinen Nachtheil verursachen, weil es so unschädlich ist wie
Kreide.Nachdem
vorstehendes in der Versammlung der brittischen Naturforscher zu Edinburgh
vorgetragen worden war, bemerkte Dr.
Gregory, daß er Versuche über das schwefligsaure
Blei angestellt habe, welches sich bei diesem Proceß bildet. Er gab zu, daß
eine unendlich kleine Menge davon in dem Zucker zurückbleiben kann, welche
er jedoch als ganz unschädlich betrachtet. Er hatte nämlich dem Futter von
Kaninchen und Hunden schwefligsaures Blei einverleibt, ohne daß dieses
Metallsalz irgend einen nachtheiligen Einfluß äußerte oder sich ein Symptom
von Bleivergiftung einstellte.
Dr.
Gregory bemerkte auch, daß man beim Prüfen des
Zuckers auf Blei mittelst schwefelwasserstoffsauren Ammoniaks, schon oft
durch die Reaction des Eisens irre geführt worden
sey.Dr.Christison behauptete dagegen, daß wir noch
keinen Beweis für die Unschädlichkeit des schwefligsauren Bleies hätten. Er
führte einige Beispiele an, wo außerordentlich kleine Dosen von Blei mit dem
Trinkwasser über zwölf Monate genommen wurden, ehe sich nachtheilige
Wirkungen davon zeigten. Er glaubt daher es bleibe noch zu beweisen, daß das
schwefligsaure Blei ohne Wirkung auf den Organismus ist, da wir über die
Einflüsse der Lösungsmittel, womit es in demselben zusammentreffen kann,
oder über den Einfluß der Lebenskraft nichts wissen. Die Kaninchen seyen für
solche Untersuchungen ganz zu verwerfen, denn er habe gefunden daß sie von
vielen Giften nicht afficirt werden. Hunde und Katzen seyen die einzigen
Thiere welche gemäß ihrer inneren Structur als Repräsentanten des
menschlichen Systems bei solchen Untersuchungen betrachtet werden
können.
Zusatz.Scoffern's Verbesserung seines Verfahrens zum
Zuckerraffiniren.
Mit Abbildungen auf Tab. III.
In seinem im polytechn. Journal Bd. CX S. 261
mitgetheilten Patent beschrieb Dr.
Scoffern die Awendung des basisch-essigsauren
Bleies zum Klären der Rohzuckerlösungen; seitdem fand er, daß der Bleiessig am
besten auf folgende Weise zum Klären des Rohrsafts angewandt wird.
Nachdem der Rohrsaft in eine kupferne (oder eiserne) Pfanne gebracht wurde welche mit
einem Dampfgehäuse versehen ist, erhöht man nach und nach die Temperatur auf
beiläufig 210° F. (79° R.), indem man fortwährend abschaumt, so daß
die Unreinigkeiten in dem Maaße als sie aufsteigen, entfernt werden; dann läßt man
kochen, bis der Saft an Baumé's Saccharometer einen Grad über seine ursprüngliche Dichtigkeit, bei gleichen
Temperaturen, zeigt. Hierauf sperrt man den Dampfzutritt ab, damit sich der Saft
unter den Siedegrad abkühlt, aber so wenig als möglich, dann setzt man das
basisch-essigsaure Blei zu, welches vorher mit Wasser zu einem dünnen Brei
angerührt worden ist; dasselbe wird dem Saft durch Umrühren gut einverleibt. In der
Regel ist ein sechstel Procent von dem Bleisalz hinreichend.
Eine andere Verbesserung betrifft die Ventile für die Pumpen womit man das
schwefligsaure Gas in die Syrupe treibt. Fig. 8 zeigt ein Rohr mit
einem elastischen Ventil nach dieser Erfindung; Fig. 9 zeigt das Rohr ohne
das Ventil, und Fig. 10 ist das elastische Band welches das Ventil bildet. Das Rohr a ist an seinem unteren Ende verschlossen, und mit zahlreichen kleinen
Löchern versehen. b ist das elastische Band aus
geschwefeltem Kautschuk, welches dicht um das Rohr a
paßt. Durch diese Anordnung wird ein Ventil gebildet, welches die Gase aus dem
Innern des Rohrs nach außen zu treiben gestattet, worauf sich das elastische Band
sogleich dicht schließend anlegt und jeden Rücktritt der Gase verhindert. (Repertory of Patent-Inventions, October 1850, S.
233.)