Titel: Expandirbare, cylindrische und conische Reibahlen, und expandirbare Bohrspindeln; von C. Walther, Lehrer der praktischen Mechanik und der Maschinenkunde in Augsburg.
Autor: C. Walther
Fundstelle: Band 117, Jahrgang 1850, Nr. III., S. 13
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III. Expandirbare, cylindrische und conische Reibahlen, und expandirbare Bohrspindeln; von C. Walther, Lehrer der praktischen Mechanik und der Maschinenkunde in Augsburg. Mit Abbildungen auf Tab. I. Walther's expandirbare Reibahlen und Bohrspindeln. Fast überall werden in den Maschinenbauwerkstätten zum Ausreiben cylindrischer und conischer Löcher in Gußeisen, Schmiedeisen und Messing ganz einfache Reibahlen angewandt, welche nur aus einem flachen Stück Stahl bestehen, dessen schmale Seiten rechtwinkelig zu den breiten stehen, so daß die vier Ecken gleichzeitig mit dem auszureibenden Metalle in Berührung kommen. Von solchen Reibahlen hat man gewöhnlich ein ganzes Sortiment, wobei immer die nächstfolgende um eine halbe oder eine ganze Linie größer ist als die vorhergehende. Fällt der Durchmesser des auszureibenden Loches zwischen die Maaße zweier auf einander folgender Reibahlen, so hilft man sich gewöhnlich dadurch, daß man Holzkeile an der Seite der Reibahle einlegt, und durch das Antreiben derselben die Reibahle im Loche seitwärts drängt, wodurch der Durchmesser des Loches größer wird als es die Reibahle, in diagonaler Richtung gemessen, ist, und es können deßhalb solche Reibahlen innerhalb sehr wenig entfernt liegender Gränzen die Stelle expandirbarer vertreten. Ein Fehler zeigt sich jedoch bei dieser Manipulation fast jedesmal, nämlich der, daß die glatt zu reibenden Löcher nicht mehr cylindrisch bleiben, sondern etwas conisch oder conoidisch werden, weil der in das cylindrische Loch neben der Reibahle eingetriebene Keil oben die Reibahle mehr an die gegenüberliegende Seite preßt, als unten. — Wo es sich um genau runde und cylindrische Löcher handelt, wurden bisher fünf- oder überhaupt vieleckige prismatische Reibahlen angewandt, die aber viel theurer zu stehen kommen als die flachen, und von welchen man eine unendliche Anzahl haben müßte, um für alle Fälle vorgesehen zu seyn, weil eine jede nur ein Loch von einem bestimmten Durchmesser zu machen im Stande ist. Durch die seit einiger Zeit in der mechanischen Werkstätte der polytechnischen Schule in Augsburg ausgeführten expandirbaren Reibahlen wird einerseits die Anzahl derselben bedeutend gemindert, weil mit demselben Werkzeuge mittelgroße Löcher hergestellt werden können, welche einen Viertelszoll und noch mehr im Durchmesser variiren, während bei großen Reibahlen die Expansion leicht über einen halben Zoll betragen kann; andererseits bleiben die Löcher bei Anwendung dieser Reibahlen genau cylindrisch, wobei es in der Willkür des Arbeiters steht, ob er die Reibahle viel oder wenig angreifen lassen will. Fig. 25Sämmtliche Figuren sind im dritten Theil der natürlichen Größe gezeichnet. stellt eine solche nach Abnahme des Deckels Fig. 26 dar. Fig. 27 ist der den Cylinder ergänzende Deckel im Durchschnitte. Fig. 28 der Keil mit Schraube, welcher die beiden Schneiden auswärts schiebt, von oben und von der Seite gesehen. Fig. 29 ein Durchschnitt nach der Linie e f, Fig. 25. Fig. 30 ist die Ansicht der Reibahle von oben mit dem Vierecke zur Aufnahme des Wandeisens. Fig. 31 die vollständige Ansicht des zum Gebrauche bereiten Werkzeuges in der Richtung gesehen, in welcher sich die Schneiden verschieben. Der schmiedeiserne und später eingesetzte Körper der Reibahle besteht aus zwei Hälften A und B, welche, wenn sie gehörig auf einander gelegt sind, einen vollständigen Cylinder mit viereckigem Kopfe bilden. Durch diesen Cylinder geht ein Schlitz zur Aufnahme der beiden Schneiden C, C. Die beiden Cylinderhälften sind nicht nur mittelst der vier Schrauben D mit einander vereinigt, sondern der Deckel B ist oben abgesetzt, und greift so in eine unter dem cylindrischen Kopfe der Reibahle quer über laufende Nuth, wodurch der Druck von den obern beiden Schrauben D weggenommen ist, und diese nur noch gegen eine Verschiebung zur Seite zu schützen haben. Die unteren beiden Schrauben erleiden ebenfalls fast keinen Druck, da über das dünner gedrehte Ende des Cylinders eine Zwinge oder ein Ring I mit Boden geschoben ist, welcher nicht bloß jede Verschiebung, sondern auch jedes Auseinanderweichen der beiden Cylinderhälften verhütet. Die Endkapsel, oder der mit Boden versehene Ring ist durch zwei Schrauben E, welche ebenfalls noch zur festen Vereinigung beitragen, auf die beiden Cylinderhälften aufgeschraubt. Mitten in dem aus den beiden Cylinderhälften ausgearbeiteten Schlitze, welcher zur Aufnahme der beiden Schneiden dient, liegt der Länge der Reibahle nach ein doppelter stählerner Keil, dessen unteres prismatisches Ende F in einer Nuth G, Fig. 26b, geführt wird, die in Fig. 27 im Durchschnitt zu sehen ist, und welche aus dem Ansätze H, Fig. 31, des Deckels B ausgehobelt ist. Das obere Ende dieses doppelten Keiles, welches cylindrisch gedreht und mit einem Gewinde K zur Aufnahme einer Mutter versehen ist, geht durch den der Länge nach ausgebohrten Kopf der Reibahle, und steht über letzteren so weit vor, daß wenn der Keil so weit als möglich einwärts gedrückt ist, die Mutter L noch aufgeschraubt werden kann. Die beiden Schneiden C, C schließen sich mit ihren inneren Kanten genau an den doppelten Keil an, und passen so in den aus der Reibahle ausgearbeiteten Schlitz, daß sie sich nur schwer darin verschieben lassen. Ist der Keil so weit als möglich in die Reibahle hineingedrückt, so daß er die in Fig. 25 angegebene Lage hat, und sind die beiden Schneiden C, C so weit gegen die Mitte der Reibahle eingeschoben, daß sie an dem Keile anliegen, so hat das Werkzeug seinen kleinsten Durchmesser. Will man nun während des Ausreibens den Durchmesser allmählich vergrößern, so hat man nur die Mutter L. nach und nach zu drehen, wodurch der Keil in die Höhe gezogen wird und die beiden Schneiden C, C auswärts schiebt. Hat der obere und untere Keil genau gleiche Steigung, so können sich die beiden Schneiden nur parallel mit sich selbst bewegen, und folglich wird das auszureibende Loch cylindrisch bleiben, vorausgesetzt daß ursprünglich die schneidenden Kanten überall gleichen Abstand von einander hatten. Daß man durch Vergrößern der beiden Keile oder durch größere Steigung derselben die beiden Schneiden, wenn es für nöthig befunden werden sollte, auch weiter auswärts schieben, und also den Grad der Expansion erhöhen kann, ist leicht einzusehen. Nimmt man die Schneiden aus der Reibahle und setzt für dieselben ein zweites, breiteres Paar ein, so ist dieselbe zum Ausreiben größerer Löcher tauglich gemacht. Gibt man den eingelegten Schneiden oben eine größere Breite als unten, so erhält man eine Reibahle für conische Löcher, welche, da sie viel kürzer als eine gewöhnliche Reibahle für dieselbe Ausdehnung wird, sich nicht so leicht verdreht und also auch weniger leicht schnurrt. Mit derselben kann man jedoch conischen Löchern nur gerade die Schräge geben, welche die Reibahle selbst hat, und für verschiedene Conen müßte man eine unendliche Menge von einzulegenden Schneiden haben. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, construirte ich noch eine zweite Reibahle, welche nur für conische Löcher bestimmt ist, und bei welcher die beiden Schneiden unter einem beliebigen Winkel zu einander gestellt werden können. Fig. 32 stellt dieselbe theils im Längendurchschnitte, theils in der Ansicht dar. Fig. 33 ist eine Ansicht in der Richtung der Schneiden, Fig. 34 ist ein Längendurchschnitt in derselben Richtung gesehen, Fig. 35 eine Ansicht von oben, und Fig. 36 ein Durchschnitt nach der Linie m n. Fig. 37 sind zwei Ansichten einer aus dem Werkzeuge herausgenommenen Schneide. Der Körper der Reibahle M besteht aus einem einzigen cylindrischen Stücke Schmiedeisen, welches für das Wendeeisen oben mit einem Viereck versehen ist. Durch diesen später eingesetzten Cylinder geht ein Schlitz, in welchen die beiden Schneiden N genau eingepaßt sind. Zwei stählerne Schrauben O, welche ihr Gewinde im Körper der Reibahle haben, bilden die Drehungsachsen für die beiden Schneiden, so daß diese unten beständig in dem Reibahlenkörper bleiben, während die oberen Enden beliebig weit aus ihren Schlitzen hervortreten können. Der Kopf und der größte Theil der Reibahle ist der Länge nach durchbohrt, und zwar so, daß nach Ausarbeitung des Schlitzes noch ein Theil der Bohrung in der Mitte stehen bleibt und zwei rinnenförmige Canäle bildet, was aus Fig. 34 zu ersehen ist. So weit der Kopf der Reibahle reicht, ist in die Bohrung ein Gewinde eingeschnitten, in welches eine Schraube P paßt, die bis auf die schiefen Flächen der beiden Schneiden hinabreicht und da kugelförmig abgerundet ist. Diese Abrundung liegt in den beiden rinnenförmigen Canälen, und es kann so das ziemlich weit freistehende untere Schraubenende durch keine der beiden Schneiden seitwärts gedrückt werden, was der Fall seyn würde, wenn die Schraube dünner wäre als der Schlitz weit ist. Wird die mit einer Stellmutter Q versehene Schraube P in die Reibahle hineingeschraubt, so drückt das abgerundete Ende die beiden Schneiden N, N auseinander, und zwar umsomehr, je tiefer die Schraube eingeschraubt wird, so daß man den Schneiden jeden beliebigen Winkel geben kann, der durch Anziehen der Stellmutter Q dann so lange erhalten wird als man es wünscht. In Fig. 32 sind die beiden Schneiden parallel zu einander gestellt, und die Reibahle würde so ein cylindrisches Loch machen; bei der geringsten Drehung der Schraube P aber wird der Parallelismus gestört, und die Schneiden N bekommen oben einen größeren Abstand von einander als unten. Die expandirbare Bohrspindel ist für Drehbänke bestimmt, deren vorderer Körner geradlinig verschiebbar ist; doch kann der Mechanismus zum Verschieben der Bohrmeißel auch in jeder cylindrischen Achse und zwar nicht bloß an ihrem Ende angebracht werden, so daß derselbe für kleinere Bohrmaschinen zum Ausbohren von Lagern etc. vollkommen anwendbar ist. Bisher mußte man für jeden Durchmesser eines auszubohrenden Loches einen besonderen Bohrmeißel von gewisser Größe haben, so daß man für Löcher von verschiedener Größe eine bedeutende Anzahl solcher Bohrmeißel zu halten genöthigt war. Durch Abnützung und Nachschleifen änderten dieselben bald ihr Maaß, so daß sie von Zeit zu Zeit ausgestreckt und dann wieder auf ihr bestimmtes Maaß gefeilt oder zur nächstfolgenden kleineren Nummer verwendet werden mußten. Diesen beiden Uebelständen, nämlich der großen Anzahl von Meißeln und dem häusigen Verändern derselben, wird nun durch die expandirbare Bohrspindel vollständig abgeholfen, da mit demselben Meißelpaar nicht bloß alle möglichen Löcher, deren Durchmesser innerhalb gewisser Gränzen liegen, ausgebohrt, sondern die Meißel auch immer so gestellt werden können, daß sie, wenn sie durch Schleifen etc. schmäler wurden, doch wieder ein Loch von demselben Durchmesser wie früher bohren. In den Figuren 38 bis 44 ist eine solche expandirbare Bohrspindel abgebildet. Fig. 38 ist eine Ansicht derselben von oben, wobei der Deckel Fig. 43, durch welchen die Meißel gehalten werden, abgenommen ist. Ebenso ist das Füllstück A, welches den Keil an Ort und Stelle erhält, abgebrochen gezeichnet, um den darunter liegenden Keil sichtbar zu machen. Fig. 39 ist ein Längendurchschnitt der Bohrspindel, wobei ebenfalls der Deckel abgenommen und das Füllstück G abgebrochen gedacht werden muß. Fig. 40 ist eine Ansicht der Bohrspindel in der Richtung ihrer Achse, Fig. 41 ein Durchschnitt nach der Linie a b, Fig. 42 ein Durchschnitt nach der Linie c d. Fig. 43 zeigt den abgenommenen Deckel und Fig. 44 einen aus der Spindel herausgenommenen Meißel von der hohen Kante aus gesehen. Die cylindrische Bohrspindel B ist bei C mit einem Gewinde versehen, so daß sie in die vordere geradlinig verschiebbare Spindel der Drehbank statt des vorderen Körners eingeschraubt werden kann. Ihr vorderes, bis ungefähr auf die Hälfte abgeplattetes Ende ist mit zwei schief liegenden Canälen versehen, in welche die beiden Bohrmeißel D und E genau eingepaßt sind. Durch den nachher aufgeschraubten Deckel Fig. 43 werden diese Meißel niedergedrückt und fest an Ort und Stelle erhalten, so daß sich keiner derselben von selbst verschieben kann. Die Meißel greifen zum Theil über einander, um ihnen innerhalb der Bohrspindel eine so große Breite zu geben als es nur möglich ist Zwischen die abgeschrägten hinteren Enden der beiden Bohrmeißel tritt ein Keil F, welcher in einer Nuth liegt, die der Länge nach aus der cylindrischen Bohrspindel ausgehobelt ist. Dieser Keil ist an seinem hinteren Ende aufgebogen, die Aufbiegung durchbohrt, und mit einem Gewinde versehen, durch welches eine stählerne Schraube G tritt. Der Kopf dieser Schraube stützt sich gegen die senkrechte Endwand der Nuth in welcher der Keil F liegt, während ihr vorderes Ende gegen das Füllstück A drückt, das den größten Theil der Nuth wieder ausfüllt und den Keil F auf dem Grunde der Nuth liegend erhält. Drei Schrauben H verbinden das Füllstück mit der Bohrspindel. In der Fig. 38 dargestellten Lage sind die beiden Bohrmeißel, der Keil F und die Schraube G so gestellt, daß die Meißel so wenig als möglich über die Bohrspindel vorstehen, und also das kleinste Loch bohren, welches man mit denselben zu machen im Stande ist. Wird mit Hülfe eines Stiftes die Schraube G gedreht, was ohne die Lage der Spindel im geringsten zu ändern immer geschehen kann, selbst während des Bohrens, so schiebt sich der Keil F, der in seiner Aufbiegung die Mutter für die Schraube G enthält, gegen die Meißel, und drängt dieselben auseinander, so daß sie aus der Bohrspindel mehr und mehr hervortreten, und folglich ein immer größeres Loch bohren werden. Mittelst dieser Bohrspindel ist man im Stande, aus einem schon ausgebohrten Loche noch den feinsten Span nachzuschneiden, so daß man eben so leicht die zu bohrenden Löcher nach schon vorhandenen cylindrischen Zapfen richten kann, als man früher Zapfen in vorher gebohrte Löcher einpassen konnte. Zur Anwendung expandirbarer Gewinde- oder Schraubenbohrer, die schon so oft in Vorschlag gebracht wurden, konnte ich mich bisher nicht entschließen, und zwar nicht sowohl deßhalb, weil dieselben nothwendig weniger dauerhaft als die bisher gebräuchlichen seyn müssen, sondern vorzüglich deßhalb, weil mit solchen Gewindebohrern doch nur Schraubenmuttern von einem bestimmten inneren Durchmesser ganz richtig geschnitten werden können. Bei gleicher Schraubensteigung verändert sich nämlich der Winkel, unter welchem der Schraubengang zu einer Erzeugenden des Grundcylinders liegt, mit dem Durchmesser. Ein Gewindebohrer, auf welchen eine Schraube geschnitten ist, kann deßhalb nur für seinen Durchmesser die richtige Schräge des Schraubenganges haben, und sobald durch irgend ein Mittel der Durchmesser des Bohrers vergrößert wird, müßte nothwendig auch die Schräge des Ganges nach dem neuen Durchmesser zu ändern seyn, wenn das zu schneidende Gewinde richtig werden sollte. — Bei allen bisher vorgeschlagenen expandirbaren Gewindebohrern wurde auf die richtige Lage des Gewindeganges keine Rücksicht genommen, und es möchte vielleicht bei gehöriger Berücksichtigung derselben ein expandirbarer Gewindebohrer fast unausführbar erscheinen.

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