Titel: | Die Benutzung der Hohofengase zu nutzbaren Zwecken; von E. Montefiore Levi, Ingenieur an dem Hüttenwerk Ougrée bei Lüttich in Belgien. |
Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. LXXI., S. 363 |
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LXXI.
Die Benutzung der Hohofengase zu nutzbaren
Zwecken; von E. Montefiore
Levi, Ingenieur an dem Hüttenwerk Ougrée bei Lüttich in
Belgien.
Aus dem Mining Journal vom 9. März
1850.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Levi, über die Benutzung der Hohofengase zu nutzbaren
Zwecken.
Die Zusammensetzung der Hohofengase, sowohl in der Gicht, als auch in jedem andern
Theil des Ofens, ist ein sehr interessanter Gegenstand; allein seine Untersuchung
ist sehr schwierig, und die Analyse eines Gemisches verschiedener Gase
außerordentlich verwickelt.
Die Beamten, denen der Betrieb der Hohöfen anvertraut ist, haben in den bei weitem
meisten Fällen nicht die gehörige Kenntniß und Geschicklichkeit und noch seltener
die Zeit, um ausgedehnte chemische Untersuchungen vornehmen zu können, wie sie die
Analyse der Hohofengase erfordert. Die Schwierigkeit wird noch durch die kostbaren
Apparate erhöht, welche zu solchen Untersuchungen erforderlich sind. Die Erfahrung
beweist, und jeder rationelle Hüttenmann muß es zugeben, daß die Kenntniß von der
Zusammensetzung dieser Gase aus dem praktischen Gesichtspunkte von großer
Wichtigkeit ist, und daß der Gegenstand auch die Aufmerksamkeit derjenigen verdient,
die ihn weniger aus dem wissenschaftlichen, als aus dem rein praktischen
Gesichtspunkte betrachten. Die Gesetze, welche die sehr vielfachen Erscheinungen des
Hohofenbetriebes beherrschen, sind lediglich durch eine genaue Beobachtung der
Zusammensetzung der Gase zu bestimmen, und ein jeder, der genauer auf die Theorie
des Hohofenbetriebes eingeht, muß es bald begreifen, wie wichtig eine genaue
Kenntniß dieser Gesetze ist.
Praktische Hüttenleute, die, wie schon gesagt, nur unter besondern Verhältnissen
eigene Untersuchungen über die Gichtengase anzustellen vermögen, müssen daher ein
großes Interesse an den Arbeiten Anderer über diesen Gegenstand haben, unter welchen
diejenigen der HHrn. Bunsen
und Playfair, Ebelmen etc. die wichtigsten
sind.Bunsen und Playfair,
über den Proceß der englischen Roheisenbereitung, im polytechnischen Journal
Bd. CVII S. 271, 364 und 433; Ebelmen's Untersuchungen Bd. LXXXV S. 33
und Bd. XCIV S. 44.
Hier kann nun der fragliche Gegenstand in Beziehung auf die praktische Benutzung der
Hohofengase ganz summarisch betrachtet werden.
Der erste und vielleicht wichtigste Punkt ist die Art wie die Gase aufgefangen
werden, und dieß ist auch der Gegenstand vorliegender Mittheilung. Dieses Auffangen
und Ableiten der Gase kann auf verschiedene Weise bewerkstelligt werden:
1) dadurch, daß man einen Theil des Gases durch Oeffnungen in den Wänden des
Ofenschachtes entweichen, die Gichtöffnung aber wie gewöhnlich offen läßt;
2) durch Ableitung des Gases auf dieselbe Weise, aber mit Verschluß der Gichtöffnung
zwischen dem Aufgeben der Gichten;
3) indem man in die Gicht des Hohofens einen 6 bis 7 Fuß hohen Cylinder von Gußeisen
oder von starkem Eisenblech hängt, dessen Durchmesser geringer als derjenige der
Gichtöffnung, und der an beiden Enden offen ist, so daß ein Theil des Gases zwischen
seiner äußern und der innern Ofenwand emporsteigen, und dann durch eine oder durch
mehrere Oeffnungen abgeleitet werden kann. Diese Einrichtung kann gleich der
vorhergehenden, bei offener oder bei einer mit einem blechernen Deckel
verschlossenen Gicht, angewendet werden;
4) endlich werden die Gase in der Esse über der Gichtöffnung aufgefangen, und es
werden sowohl die Thüren zum Aufgeben der Gichten, wie auch die obere Oeffnung der
Esse, in den Zeiträumen, in denen nicht aufgegeben wird, sorgfältig verschlossen
gehalten.
Das erstere Verfahren ist dasjenige, welches der Entdecker dieser so wichtigen
Benutzung der Gichtengase, Hr. Bergrath
Faber du Four, zuerst zu Wasseralfingen im Württembergischen und zu
Neu-Joachimsthal in Böhmen eingerichtet hat, und das später in vielen andern
deutschen und in vielen französischen Hütten, mit mehr oder weniger wesentlichen
Veränderungen, ebenfalls angewendet wurde. Dahin gehört besonders die Abänderung,
daß man die Ableitungsöffnungen höher als Hr. Faber anbrachte, nach dessen Angabe sie sich in
einer Höhe von 3/10 der ganzen Höhe des Ofens, von oben nach unten gerechnet,
befinden. Dieß war offenbar viel zu niedrig, da die Materialien, welche den
Ofenschacht ausfüllen, sich schon im geschmolzenen Zustande befinden, und die Gase
durchaus ihren reducirenden Einfluß auf das Eisenoxyd ausüben müssen. Alsdann haben
sie auch eine viel zu hohe Temperatur, so daß der Wärmeverlust sehr bedeutend ist;
denn es werden die Gase alsdann aus dem Ofen an Punkten abgeleitet, wo sie noch einen sehr wesentlichen
Nutzen haben. Der Ofen muß daher einen Wärmeverlust erleiden, und die nothwendige
Folge davon ist ein größerer Brennmaterialverbrauch. Die Hohöfen zu Wasseralfingen
und zu Neu-Joachimsthal sind ungefähr 32 Fuß hoch; sie haben sechs 19 1/2
Zoll hohe, 8 1/2'' breite und ungefähr 10' von der Gichtöffnung entfernt liegende
Ableitungsöffnungen. Diese Hohöfen producirten ungefähr fünf Tonnen täglich, und es
waren die abgeleiteten Gase hinreichend zur Feuerung der
Gebläse-Dampfmaschine und eines Weißofens. Diese Methode hat das
Vortheilhafte, daß wenig Veränderungen an dem Ofen erforderlich sind; die Gicht wird
nicht enger gemacht und die Art und Weise des Aufgebens bleibt auch unverändert.
Dagegen ist es ganz augenscheinlich, daß dem Ofen nur ein Theil des Gases entzogen
werden kann. Eine weit größere Menge kann abgeleitet werden, wenn man die
Gichtöffnung mit einem Deckel verschließt; allein wenn dieselbe weit ist, so hat der
Verschluß einige Schwierigkeiten. Jedoch hat Hr. Levi verschlossene Gichten auf mehreren Hütten,
z.B. bei den Hohöfen zu La Voulte an der Rhone gesehen, und es lieferte diese
Einrichtung sehr gute Resultate.
Die Hohöfen Le Pouzin zu La Voulte sind ungefähr 57 engl. Fuß hoch, und in der Gicht
6 Fuß 4 Zoll weit. Die Gase werde durch sechs Oeffnungen in den Wänden des
Ofenschachts abgeleitet, und sammeln sich in ein ringförmiges Reservoir, welches den
obern Theil des Schachtes umgibt. Aus diesem ringförmigen Behälter wird das Gas
durch eine Röhre dahin geführt, wo man es benutzen will. Fig. 12 ist ein
senkrechter Durchschnitt der Gicht des Hohofens, nebst Röhren zur Ableitung der
Gase, und mit dem Verschluß der Gichtöffnung, den wir sofort näher beschreiben
wollen.
Rings um die Gichtöffnung befindet sich ein gußeiserner Kranz mit einem doppelten
aufrecht stehenden Rande, von etwa 8 Zoll Höhe. Zwischen beiden Rändern bleibt ein
etwa 4 Zoll weiter ringförmiger Raum, der mit Wasser ausgefüllt ist. In dasselbe
tritt der cylinderförmige Rand eines Deckels von starkem Eisenblech, der mittelst
eines Hebels, wie Fig. 12 zeigt, leicht gehoben und seitwärts geschoben werden kann. Unter
diesem Deckel liegen Schienen, die Fortsetzung der Förderbahn, auf denen die
Auflaufwagen bis über die Gichtöffnung geschoben werden. Diese kleinen eisernen
Wagen haben einen beweglichen Boden, den man mittelst einer einfachen Vorrichtung
auf der einen Seite öffnen, und den Inhalt, Kohks oder Beschickung, in den Ofen
fallen lassen kann. Es ist ein sehr wesentlicher Punkt, daß das Aufgeben recht rasch bewirkt
wird, da begreiflicherweise während dieses Zeitpunktes recht wenig Gase durch die
Canäle abgeleitet werden können, und sie meistentheils durch die Gichtöffnung
entweichen.
Aus diesem Grunde wendet man auch weit lieber die Einrichtung mit dem Cylinder oder
Trichter an, wie sie in Fig. 13 im Durchschnitt
dargestellt ist. Ein solcher Trichter besteht aus Gußeisen oder starkem Eisenblech,
und ist entweder cylindrisch, oder nach unten zu etwas erweitert, wie Fig. 13 näher
zeigt. Er ist 6 bis 7 Fuß hoch, und der Durchmesser so, daß zwischen seinen äußern
Wänden und dem Schachtfutter ein etwa 1 Fuß breiter ringförmiger Raum bleibt. Der
obere Theil des Trichters ist an einem Kranz befestigt, der auf einem gußeisernen
Kranz, welcher den Rand der Gichtöffnung bildet, fest aufliegt. Das Gas wird aus dem
ringförmigen Raum durch eine oder durch mehrere Oeffnungen abgeleitet. Gußeiserne
Trichter sind blechernen vorzuziehen, weil sie weniger leicht verbrennen. Manche der
ersten dauerten zwei bis drei Jahre, während blecherne Trichter nach neun Monaten
verbrannt seyn können.
Sehr häufig ist nun der Trichter mit einem Gichtdeckel verbunden. Diese Einrichtung
ist bei den sieben Hohöfen der großen Hütte Le Creusot in Frankreich angewendet, und
Fig. 14
gibt einen Durchschnitt von dem obern Theil des Hohofens mit dem Trichter, dem
Ableitungscanal und dem mit Wasser abgesperrten Deckel.
Zu Givors, ebenfalls in Frankreich, wendet man eine ähnliche Einrichtung an, allein
der Hohofen ist weit kleiner, und hat nur eine 4 Fuß weite Gicht. Statt eines
Deckels, der durch einen Hebel gehoben wird, hat der Deckel die Einrichtung eines
Schiebers, und das Aufgeben wird wie bei den Hohöfen zu Le Pouzin bewirkt. Die Gase
werden zu Givors sehr vollständig gesammelt, und das Aufgeben erfolgt mit großer
Schnelligkeit. Obgleich der Ofen täglich nur 20 Tonnen Roheisen zum Gießereibetriebe
producirt, so gibt das abgeleitete Gas dennoch das Brennmaterial für eine
Dampfmaschine von 40 Pferdekräften und für zwei Lufterhitzungsöfen.
Die auf den großen Eisenwerken zu La Voulte und Terre-noire angewendeten
Einrichtungen sind von den oben beschriebenen wesentlich verschieden. Hier steht die
Röhre, durch welche die Gase entweichen, mit der Esse in Verbindung, und liegt höher
als die Thüren zum Aufgeben. Letztere sind durch gußeiserne Schieber verschlossen.
Die obere Oeffnung der Esse ist ebenfalls mit einem eisernen Deckel verschlossen,
der durch einen
Hebel und ein Gegengewicht leicht aufgehoben werden kann. Um das mögliche Einströmen
der atmosphärischen Luft in die Röhren, welche die Gase abwärts leiten, zu
verhindern, hat man eine sehr sinnreiche Vorrichtung angebracht. Es bildet nämlich
das Gegengewicht von dem Deckel der Esse ein Schieberventil, so daß die Verbindung
unterbrochen wird, sobald man den Eisendeckel zu öffnenöffneu sich genöthigt sieht, indem das Ventil sich alsdann schließt. Dadurch
werden alle Unfälle verhindert, weil die Arbeiter sicher den Deckel öffnen, indem
sie sonst von den schädlichen Gasen erstickt werden könnten. Hier, so wie bei den
Pouzin-Hohöfen, ist es ein Punkt der größten Wichtigkeit, das Aufgeben so
rasch als möglich zu bewirken, da keine Gase abgeleitet werden können, während die
Thüren offen stehen. Betrachtet man die erlangten ökonomischen Wirkungen, so
erscheinen diese Betriebseinrichtungen im höchsten Grade vortheilhaft. Zu La Voulte
berechnet man die Kraft, welche durch die Benutzung der von einem Hohofen
abgeleiteten Gase hervorgebracht wird, auf siebenzig dynamische Pferdekräfte.
Die Benutzung der Hohofengase ist in Frankreich ganz allgemein; Hr. Montefiore Levi sah zu Creusot, La
Voulte, Terre-noire, Le Pouzin, Givors etc. den besten Erfolg davon. Wegen
der Anwendung mehrerer verschiedener Einrichtungen läßt sich annehmen, daß gegen
alle Einwürfe zu machen sind. Nirgend hat aber eine nachtheilige Explosion durch die
Bildung explodirender Gase in den Ableitungsröhren stattgefunden, obgleich man
diesen Einwurf gegen die Benutzung der Hohofengase oft gemacht hat. Hr. Levi bemerkt, daß in einer Tiefe von
6 Fuß in den Hohöfen zu Ougrée in Belgien, der Druck der Gase gleich einer
dreizölligen Wassersäule sey, es findet daher in den Röhren stets ein Druck des
Gases statt, und es kann also unmöglich Luft eindringen. Wenn man statt weiter
Leitungsröhren, in welche die Gase durch den eigenen Druck einströmen, engere Röhren
und einen künstlichen Zug anwendet, so ist die Gefahr, daß atmosphärische Luft
eindringt, und explodirende Gemische entstehen, jedenfalls beseitigt.