Titel: | Ueber Hrn. Rousseau's Verfahren zur Rübenzuckerfabrication. |
Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. XCV., S. 457 |
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XCV.
Ueber Hrn. Rousseau's Verfahren zur
Rübenzuckerfabrication.
Nach dem Moniteur industriel, 1850, Nr.
1425.
Ueber Rousseau's Verfahren zur Rübenzuckerfabrication.
In einem Vortrage, welchen Professor Payen unlängst über die neuesten Verbesserungen der
Zuckerfabrication im Cercle agricole zu Paris hielt,
besprach er hauptsächlich das Verfahren des Hrn. Rousseau bei der Rübenzuckerfabrication als
einer Neuerung von großer Wichtigkeit.
„Dieses Verfahren, sagt Payen, gab sogleich
außerordentliche Resultate; schon die ersten Versuche waren entscheidend, weil
sich alle Elemente des Erfolgs verbunden hatten: ein geschickter Chemiker, Hr.
Rousseau; ein sehr
gewissenhafter Zuckerfabrikant, Hr. Lequime; und ein Maschinenbauer mit speciellen Kenntnissen, Hr.
Cail. Das neue
Verfahren besteht im Wesentlichen darin, daß man zuerst
den Kalk anwendet, um in dem Saft alle Bestandtheile, ausgenommen den
Zucker, anzugreifen, und hierauf einen Strom Kohlensäure, um den Kalk
auszuscheiden. Der so behandelte Saft gibt sogleich und ohne
Raffinirung einen Zucker, welcher mit dem schönsten raffinirten Zucker den
Vergleich aushält.“
Der erwähnte Zuckerfabrikant Ad. Lequime theilt über die
Resultate, welche man mit Rousseau's Verfahren in der
Fabrik zu Boucheneuil erhielt, in einem Schreiben an den Redacteur des Moniteur industriel folgendes mit:
„Wir begannen unsere Fabrication gegen Mitte Septembers 1849 und zerrieben
bis jetzt (Mitte Februar) beiläufig 4,200,000 Kilogr. Runkelrüben. In diesem
Zeitraum haben wir 28,400 Brode von Melis erster Qualität versendet, und wir
besitzen in der Trockenstube oder im Magazin noch 8000 Brode, zusammen 36,400
Brode. Wir haben überdieß Producte aller Art an Rohzucker und in der
Krystallisation, die ich nicht genau schätzen kann.
Nachdem der Rübensaft nach einander mit Kalk und mit Kohlensäure behandelt und
zweimal filtrirt worden ist, das erstemal nach der Sättigung, das zweitemal nach
dem ersten Abdampfen, verkocht man ihn direct zu Broden Nr. 4, welche alle in
den Handel kommen. Die grünen Syrupe der Brode Nr. 1 liefern beim zweiten
Verkochen Brode Nr. 2, welche man bloß als Decksel zum Raffiniren verwendet.
Die grünen Syrupe der Brode Nr. 2 geben Zucker von der dritten Krystallisation;
die grünen Syrupe von letzterer geben Zucker der vierten Krystallisation, und so
erhält man noch eine fünfte und sechste Krystallisation.
Alle Zucker von diesen Krystallisationen, sie mögen nun mittelst des
Centrifugalapparats oder mittelst der Schützenbach'schen Kästen gereinigt worden seyn, werden mit dem
Runkelrübensaft zu Broden verarbeitet; diese Vermischung bewirkt nothwendig eine
Ersparniß an Brennmaterial, weil dadurch die Dichtigkeit des Safts ohne ein
Abdampfen erhöht wird.
Die nach dem Rousseau'schen Verfahren behandelten
Zucker sind übrigens so rein und werden so auffallend weiß, daß es mir bei neuen
Versuchen gelungen ist, direct ohne Umschmelzen, das
heißt ohne vorhergehendes Auflösen und Abdampfen der Zucker vom dritten und
vierten Wurf, sehr schöne Brode zu erhalten, welche ich mit Nr. 3 bezeichne.
Das Rousseau'sche Verfahren, bei welchem die täglichen
Auslagen gering sind, dürfte sich übrigens noch vervollkommnen lassen, und ich
habe Grund anzunehmen, daß wenn man die Syrupe von der dritten Krystallisation
noch einmal mit Kalk, Kohlensäure und einem dritten Agens (das sich mit den
verschiedenen Kali- und Natronsalzen verbindet, welche in der Mutterlauge
zurückbleiben) behandelt, es gelingen wird diese Syrupe so vollständig zu
reinigen, daß man sie direct zu Brod Nr. 3 oder vom dritten Wurf verkochen kann.
Meine Meinung gründet sich auf das Resultat eines Versuchs, welchen ich
gemeinschaftlich mit Hrn. Rousseau anstellte: wir verarbeiteten nämlich Syrupe vom
sechsten Wurf, welche wir von der letzten Campagne besaßen, und erhielten aus
diesem schlechten Material zuerst sehr entfärbte Syrupe, dann nach achttägiger
Krystallisation fast 30 Proc. Zucker.
Die Hauptvortheile des Rousseau'schen Verfahrens
bestehen erstens in einer beträchtlichen Ersparniß an Brennmaterial, weil man
die Zucker von den geringen Producten dem Rübensaft zusetzt, um dessen
Dichtigkeitsgrad zu erhöhen; dann in Folge des directen Verkochens zu Broden,
wodurch man ein Umschmelzen des Zuckers vermeidet und folglich ein neues
Abdampfen desjenigen Wassers, welches man zuzusetzen genöthigt ist, um das
Klären dieser geringen Zucker zu bewerkstelligen.
Eine Ersparniß an Brennmaterial entsteht noch dadurch, daß der abzudampfende und
zu verkochende Saft vollkommen neutral ist, sich daher auf dem Schlangenrohr der
Apparate keine Kruste bildet, weßhalb auch das Abdampfen viel leichter und
schneller von Statten geht. – So brauchten wir während der ganzen
Campagne das Schlangenrohr unserer Abdampfpfanne nicht ein einzigesmal mit Säure
zu waschen, während wir im letzten Jahr diese Operation fast täglich vornehmen
mußten.
Aus demselben Grunde brauchen wir auch niemals Butter oder Fett anzuwenden, um
das Steigen des zu verkochenden Safts oder Syrups in den Pfannen zu verhindern,
welches nie eintritt.
Bei der Knochenkohle ersparen wir das ganze Quantum, welches im letzten Jahre zum
Raffiniren diente; überdieß haben wir bei unserer ganzen Fabrication noch nicht
3000 Kilogr. neues Beinschwarz verwendet.
Bekanntlich gibt jedes Umschmelzen von Zucker einen Verlust beim Raffiniren; wir
vermeiden diesen Verlust, indem wir den Rübensaft direct zu Broden verkochen,
und erhöhen folglich um eben soviel unsere Ausbeute.
Da ich nur positive Thatsachen mittheilen will, so enthalte ich mich einer
Schätzung der Ausbeute an raffinirtem Zucker, weil eine solche jetzt nur
annähernd gemacht werden könnte, und erst nach der vollständigen Verarbeitung
aller geringen Producte genaue Ziffern zu erhalten sind.“