Titel: | Ueber Entglasung; von D. E. Splitgerber. |
Fundstelle: | Band 113, Jahrgang 1849, Nr. X., S. 28 |
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X.
Ueber Entglasung; von D. E.
Splitgerber.
Im Auszug aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1849, Nr.
4.
Splitgerber, über Entglasung.
Ich hatte Gelegenheit über diesen Gegenstand mehrere Erfahrungen zu sammeln und
Versuche zu machen, welche die Ansicht von Fournet
bestätigen, daß man unkrystallinische und krystallinische Entglasungen zu
unterscheiden hat, und daß beide das Resultat der Ausscheidung von verschiedenen
neuentstandenen Verbindungen sind, deren Bildung durch verschiedene Temperaturgrade
und deren Dauer bedingt werden.
Dasjenige Glas, welches viel Thonerde und Kalkerde enthält, wie z.B. das gewöhnliche
grüne, ist am meisten zur Entglasung geneigt und nimmt am leichtesten ein
krystallinisches oder strahliges Gefüge an. (Ein ausgezeichnetes Stück befindet sich
im Besitz des Hrn. H. Rose und stammt vom Hamburger Brande.) Ich wandte jedoch
gewöhnlich reineres Glas an, welches zuerst mit Sand umgeben in Tiegeln gepackt
einem andauernden Feuer ausgesetzt wurde; doch gab dieß kein reines Resultat, und
war dabei nur zu bemerken, daß um das Natronglas eine weit größere Rinde Sand
anhaftete, als um das daneben befindliche Kaliglas, wegen der größern Flüssigkeit
des ersteren bei gleichem Hitzgrad. Zweckmäßiger war es, Glasstücke in einem
thönernen Gefäß zu oft wiederholtenmalen einem achtstündigen Feuer auszusetzen,
welches übrigens kaum bis zur Weißglühhitze stieg und welche dann jedesmal mit dem
Ofen erkalteten. Das dazu genommene Glas war gewöhnliches Spiegelglas und bestand
nach der Analyse aus:
61,30
Kieselerde,
24,52
Kali,
11,63
Kalkerde,
1,20
Bleioxyd,
1,35
Thonerde.
Beim ersten Erwärmen war keine Veränderung zu bemerken und das Glas nahm nur die Form
des Gefäßes an, welches mit Kreide ausgestrichen war, deren entweichende Kohlensäure
oft Blasen darin veranlaßte, welches anzeigt, daß dieselbe erst vertrieben wird,
wenn das Glas schon sehr flüssig ist. Erst nach dem zweiten Aufwärmen bemerkt man
eine geringe Entglasung an der ganzen Außenseite des Glasstücks, welche bei jeder
Wiederholung des Erwärmens zunimmt und endlich eine vollkommen undurchsichtige Masse
gibt; doch bemerkt man dabei keine krystallinische Structur (auch im
Polarisations-Apparat untersucht, beutet nichts darauf hin), sondern nur eine
von außen nach innen zunehmende Trübung, bis endlich das Glas in eine
porzellanartige Masse verwandelt ist, in welcher sich nach außen zu eine
schichtenweise Zunahme der Entglasung angedeutet findet, was jedoch nach innen zu
sich verliert, wie auch der Bruch nach der Oberfläche zu eben, nach dem Innern aber
feinsplittrig ist, wogegen der muschlige Bruch des Glases aber ganz mit dessen
Durchsichtigkeit verschwunden ist, sowie der Glasglanz sich in Wachsglanz verwandelt
hat.
Bei diesen sowie bei den übrigen Entglasungsversuchen ist wohl eine, wenn auch nur
geringe Veränderung der chemischen Zusammensetzung nicht zu vermeiden, nämlich die
Verflüchtigung einer geringen Menge des im Glase enthaltenen Alkalis.
So verlor ein in einen tarnten Platintiegel gelegtes Glasstück von 1,236 Gram. nach
dreimaligem Aufwärmen in einer achtstündigen starken Rothglühhitze 0,005, also nur
0,404 Proc., wobei es sich, wie oben erwähnt, verändert hatte; doch war die völlig
entglaste Rinde nur erst dünn, die Masse aber schon durch und durch getrübt und der
muschlige Bruch hatte sich verloren. Bei dieser unkrystallinischen Entglasung fand
sich, daß das specifische Gewicht des durchsichtigen Kaliglases, welches 2,571 ist,
geringer geworden, nämlich nach einem Durchschnitt von zwölf Wägungen auf 2,562
heruntergegangen war. Das Zerfallen der ursprünglichen Zusammensetzung des Glases in
andere undurchsichtige Verbindungen ist ohne Zweifel die Ursache der auffallend
physikalischen Veränderung, und obgleich es möglich ist, daß dieß Zerfallen durch
jenen kleinen Verlust an Alkali eingeleitet wird, da es immer von außen nach innen
vor sich gehtWie dieß übrigens auch beim geschmolzenen Zucker schnell, beim Weißen
Arsenikglase aber sehr langsam bei derselben Temperatur, ohne eine chemische
Veränderung geschieht, und wobei nur eine Veränderung des Aggregatzustandes
angenommen wird.: die directe Veranlassung des Undurchsichtigwerdens ist es aber bei seiner
Geringfügigkeit gewiß nicht, da man durchsichtiges Glas mit geringerm Alkaligehalt
darstellen und übrigens auch die entglaste Masse ohne weitern Zusatz zu gutem Glase
wieder umschmelzen kann; die Ursache ist wie gesagt vielmehr in einer Umlegung der
Atome zu andern undurchsichtigen aber nicht immer krystallinischen Verbindungen in
der erweichten Masse zu suchenOder nach Graham in einem Verlust an chemisch
gebundener Wärme., während dieß beim schnelleren Erkalten im Glase verhindert wird.
Auf eine andere Art wurde ferner ein sehr auffallend entglastes Natronglas erhalten,
als ein Gemenge von
100
Theilen Kieselerde,
50
„ reiner
zerfallener Soda,
25
„ zerstoßener
Kalkerde
in einem kleinen Tiegel in einen
Spiegelglas-Schmelzofen eingelegt worden, und nachdem es zu gutem Glase
geschmolzen, mit dem Ofen, da die Schmelzperiode beendet war, sehr langsam
erkaltete, so daß derselbe nach zwei Monaten beim Eröffnen noch so warm im Innern
gefunden wurde, daß man nicht mit bloßen Händen hineinkriechen konnte. Auf diesem
Tiegel, dessen Inhalt durch die ungleiche Zusammenziehung des Thons und Glases in
viele Stücke zersprungen war, hatte sich auf dem guten Glase eine undurchsichtige 6
bis 7 Millimet. dicke sein unebene Kruste gebildet, welche einen theils ebenen,
theils splittrigen Bruch und Wachsglanz auf demselben hat, und beim ersten Anblick
keine Krystallisation zeigt, nach der Oberfläche hin zur Hälfte undurchsichtiger und
ganz porzellanartig, nach unten aber weniger undurchsichtig und weiß ist, welche
beide Schichten sich nicht trennen lassen, sondern wolkenartig in einander
übergehen, wogegen die untere Schicht nierenförmig in das vollkommen durchsichtige
Glas hineinhängt, aber scharf davon geschieden ist und sich auch mechanisch leicht
davon trennen läßt. Der Unterschied dieser beiden undurchsichtigen Schichten besteht
nun darin, daß man in der obern, wiewohl mit einiger Mühe mittelst der Lupe, eine
Zusammenhäufung von ganz kleinen Krystallen bemerkt, die aber in der nur schwach
durchscheinenden Masse fast ganz verschwinden. Man hat also hier eine
unkrystallinische und krystallinische Entglasung zusammen, bei welcher die feinen
Krystalle sich wohl erst später in der undurchsichtigen Masse gebildet haben, da sie
nur einen Theil derselben erfüllen. Das specifische Gewicht des Glases fand ich bei
13° R. 2,485, das der Kruste 2,503, letztere also um ein Geringes schwerer,
doch dieß bei allen Wägungen ganz constant, welches wohl auf die darin
stattgefundene Krystallisation deutet, nach der Erfahrung, daß dieselbe Masse im
amorphen Zustand leichter ist als im krystallinischen, obgleich sie es hier nicht
ganz geworden ist, während dagegen oben gefunden wurde, daß das noch ohne eine Spur
von Krystallisation entglaste Kaliglas eher etwas specifisch leichter geworden
war.
Trotz des auffallenden physikalischen Unterschiedes dieses Glases und seiner Kruste
in Hinsicht der Durchsichtigkeit, der Farbe und des Bruches, so geben die Analysen,
welche öfter wiederholt worden sind, keinen bedeutenden Unterschied zwischen beiden, und
weichen diejenigen derselben Masse oft eben so viel von einander ab; auch kann der
auffindbare chemische Unterschied wohl nur in einer Differenz des Natrongehalts hier
bestehen, insofern davon mehr auf der Oberfläche verdampft ist. Dieß Glas, welches
nach der oben angegebenen Zusammensetzung aus
100,00
Kieselerde,
29,29
Natron.
14,07
Kalkerde
hätte bestehen müssen, gab bei der Analyse des durchsichtigen
Theils:
100,00
Kieselerde,
17,40
Natron,
12,65
Kalk.
1,99
Thonerde,
wobei also auf 100 Theile des angewandten Natrons 40 Theile
sich verflüchtigt haben. Ebenso verhält es sich mit der entglasten Kruste, deren
Analyse gab:
100,00
Kieselerde,
17,12
Natron,
12,21
Kalk,
1,77
Thonerde,
oder bei 100 Kieselerde 0,28 weniger Natron als das darunter
befindliche Glas.
Der Vergleichung wegen hatte ich zugleich mit und neben diesem Natronglase einen
Tiegel mit Kaliglas, zusammengesetzt aus:
100
Theilen Kieselerde,
60
„ Potasche,
35
„ zerfallener
Kalkerde,
jener langsamen Erkaltung ausgesetzt, welches aber vollkommen
gut und durchsichtig geblieben war und keine Spur einer Entglasung zeigte.
Ein andermal, als ein aus:
100
Kieselerde,
50
reiner zerfallener Soda.
12 1/2
zerer Kalkerde
geschmolzenes Glas in einem kleinen Ofen abkühlte, welches
schon nach zehn Tagen der Fall war, fanden sich aus dem guten Glase rundliche
undurchsichtige weiße Körner ausgeschieden, welche theils auf der Oberfläche wie
Tropfen erschienen, theils in der Glasmasse, einige wenige aber auf dem Boden des
Tiegels befindlich waren, so daß man annehmen kann, daß sie an der Oberfläche sich
gebildet und dann heruntergesenkt haben. Die meisten dieser ungefähr 2 Millimet. großen
Körner hatten sich anders als die Glasmasse zusammengezogen und waren ringsum durch
einen Sprung von derselben getrennt, oder wenn dieß nicht der Fall war, zeigten im
Apparate um diese undurchsichtigen Körper herum regelmäßige
Polarisations-Erscheinungen, welche in einem schwarzen Kreuz oder einem
weißen und schwarzen Ringe bestanden, die Spannung im Glase an. Eine krystallinische
Structur war aber an den Körnern selbst nicht zu bemerken, sondern sie erschienen im
Innern porzellanartig, und kaum findet man bei einigen jener Tropfen an der
Oberfläche ein strahliges Gefüge angedeutet. Man kann nun annehmen, daß die vorher
beschriebene Kruste aus einer größern Zusammenhäufung von solchen Körnern entstanden
ist, welche bei der langsamen Abkühlung Zeit gehabt hat sich zu bilden, sowie die
feinen Krystalle darin.
Eine fernere Art Entglasung zu erhalten, wobei eine Krystallisation sich deutlich
zeigte, bestand darin, daß nachdem das Glas gut geschmolzen war, 5 bis 6 Stunden
lang nicht weiter geschürt wurde, wodurch die Temperatur des Schmelzofens bedeutend
sank und dann aus mehreren Glasmischungen sich feine nadelförmige Krystalle
ausschieden, welche Aehnlichkeit mit Schneeflocken hatten, die aber alsbald wieder
verschwanden und sich auflösten, sowie man das Feuer verstärkte; zuweilen wurde auch
die ganze Masse dabei weiß, undurchsichtig und steif, doch bei erhöhter Hitze wieder
durchsichtig und flüssig.
Diese Erscheinung habe ich nur bei kalkhaltigem Glase erhalten, wie z.B. bei den
folgenden Sähen:
100 Theile Kieselerde 40 Thl. Soda
10 Thl. kohlensaure Kalkerde
100
„ „
45 „ „
15
„
„
„
wogegen sich Glas aus 100 Kieselerde, 45 Soda und 10 Kalkerde
bei Verringerung der Hitze nicht trübte.
Das mit Potasche bereitete Glas verträgt in dieser Hinsicht einen bei weitem größern
Zusatz von Kalkerde, denn Glas aus 100 Theilen Kieselerde, 50 Thl. Potasche und 50
Thl. kohlensaurer Kalkerbe wurde nicht trübe, wohl aber mit 60 Theilen Kalkerde;
ebenso wurde solches aus 100 Thl. Kieselerde, 60 Thl. Potasche und 50 Thl.
kohlensaurer Kalkerbe bei der Abkühlung trübe, nicht aber bei der Zusammensetzung
von 100 Thl. Kieselerde mit 60 Thl. Potasche und 40 Thl. kohlensaurer Kalkerde. Es
hängt bei diesen Versuchen natürlich viel davon ab, bis zu welchem Punkt die
Abkühlung stattfindet, auch sind dieselben fortzusetzen.
Es dürfte hier der Ort seyn, noch einige Beobachtungen über Schmelzversuche
anzuschließen, um zu zeigen, daß der Verlust an Alkali durch Verdampfung von
mehreren zusammenwirkenden Umständen abhängig ist, nämlich von der Zusammensetzung
der Masse, vom Hitzgrade und von der Dauer desselben.
Eine Schmelzung von 100 Thl. Kieselerde und 50 Thl. reiner zerfallener Soda (29,29
Natron) hatte ein ziemlich gutes durchsichtiges Glas gegeben, welches aber an der
Luft etwas beschlug und dessen spec. Gewicht bei 14° R. 2,386 war. Die
Analyse gab auf 100 Kieselerde 25,5 Natron und es hatten sich also beinahe 13 Proc.
Natron verflüchtigt.
Zur Vergleichung untersuchte ich ein Glas, welches aus 100 Thl. Kieselerde und 50
Thl. reiner Potasche (34,04 Kali) zusammengeschmolzen worden, welches aber viel
schlechter als das vorige Sodaglas war, aus der Luft stark Feuchtigkeit anzog und
mit der Zeit gänzlich undurchsichtig wurde und verwitterte; es hatte ein spec.
Gewicht von 2,372, löste sich leicht in wässeriger Flußsäure auf und bestand aus 100
Kieselerde und 30,22 Kali, daher sich 11,2 Proc. des verwendeten Kalis verflüchtigt
haben.
Da der bei beiden Schmelzen angewandte Hitzgrad als gleich angenommen werden kann, so
bestätigt sich, daß das Natron leichter als das Kali verdampft.
Ein Glas aus 100 Thl. Kieselerde, 45,5 zerfallener Soda (26,6 Natron) und 12,72 Thl.
zerfallenem kohlensaurem Kalk (7,06 Kalk) geschmolzen, gab bei der Analyse:
100
Kieselerde,
20,2
Natron,
6,6
Kalk;
es waren also 24 Proc. Natron verdampft, welcher Verlust
offenbar durch den Zusatz der Kalkerde veranlaßt ist, welche das Alkali durch ihre
größere Feuerbeständigkeit verdrängt hat.
Hiemit ist noch die oben angeführte Analyse des Glases zu vergleichen, welches bei
der langsamen Abkühlung auf der Oberfläche entglast war, und durch die länger
andauernde Hitze, verbunden mit dem doppelten Kalkgehalt, 40 Proc. Natron und
darüber verloren hatte.
Diese Versuche geben auch in technischer Beziehung einigen
Aufschluß über die Vorgänge beim Glasschmelzen, und zeigen wie
andere Verhältnisse man im Glase als im Satze hat.