Titel: | Ueber Schmarotzer-Insecten der Cochenille; von Guérin-Méneville. |
Fundstelle: | Band 111, Jahrgang 1849, Nr. CI., S. 458 |
Download: | XML |
CI.
Ueber Schmarotzer-Insecten der Cochenille;
von Guérin-Méneville.
Aus dem Comptes rendus, Nov. 1848, Nr.
20.
Guérin-Méneville, über
Schmarotzer-Insecten der Cochenille.
Ich habe stets beobachtet, daß die von Insecten am stärksten befallenen Culturen
vorzugsweise sehr alte und weitverbreitete sind, wie die der Getreidearten, des
Weinstocks, Oelbaums, der Kartoffeln, Runkelrüben, Seidenwürmer etc., und daß die
Verheerungen derselben desto größer sind, je ausgedehnter die von einer und
derselben Species eingenommene Strecke Landes ist. In gewissen Gegenden des
südlichen Frankreichs, wo man Stücke eines und desselben Feldes mit Wein, Oelbäumen,
Obstbäumen, Getreidearten, künstlichen Wiesen etc. zugleich anzubauen pflegt, fand
ich solche viel weniger von Insecten verheert. In diesen Gegenden scheint, so zu
sagen, das Streben der Natur in Erfüllung zu gehen, nämlich die Cultur eine Art
Gleichgewicht zwischen den verschiedenen, dieses Erdreich bedeckenden Pflanzen
hergestellt zu haben, wodurch das große Mittel, dessen sich die Natur in den
Insecten zur Herstellung des Gleichgewichts bedient, leichter entbehrlich wird.
Wirklich glaube ich, daß die Vermengung und die Mannichfaltigkeit der Culturen die
besten Mittel sind, um solche Verheerungen, diese große Klage der Landwirthe zu
verhüten, und ich bin überzeugt, daß künftige Beobachtungen zur Bestätigung
folgender Regel dienen: „Wenn ein pflanzliches oder
thierisches Wesen in seiner Vermehrung durch künstliche Mittel in Schuh
genommen wird und diese Vermehrung sich daher zu einer außergewöhnlichen
steigert, so wird es bald von andern Geschöpfen angefallen, damit es niemals
vorherrschen und das nothwendige Gleichgewicht stören könne, welches die
andauernde Existenz aller Species der Schöpfung sichert.“
Das Nachfolgende beweist, daß dieses Gesetz auch in den Culturen der andern
Hemisphäre in der Cochenillezucht seine volle Anwendung findet.
Der reisende Naturforscher Sallé fand zu Antigua,
dem alten Guatimala, die Cochenille-Cultur sehr verbreitet; es werden
daselbst sechs Cactus-Species behufs der Cochenillezucht angebaut und in
Antigua allein etwa 12,000 Suronen Cochenille, jede von 150 Pfd. Gewicht,
geerntet.
Die Cochenillethierchen haben aber sehr viel von den Angriffen mehrerer Würmer zu
leiden, welche sie auf den Cactusblältern verzehren. Hr. Sallé hatte Gelegenheit sie zu
untersuchen und fand längliche Würmchen, die aus ihrem Munde beständig einen
seidenartigen weißen Faden von sich gaben, mittelst dessen sie sich an den Blättern
fest halten. Diese sehr beweglichen, weißlichen, fast durchsichtigen Larven haben in
der Mitte eine breite, rothe Linie, die nichts anderes ist, als der von der
Cochenillesubstanz angefüllte Darmcanal. Die Puppen dieser Thierchen, geben beim
Ausschlüpfen eine Art Hummelfliege (Syrphide), von schwarzer Farbe. Die Verheerung welche diese
Larven auf den mit Cochenillen bedeckten Cactusblättern anrichten, verursachen oft
ganz geleerte Stellen, auf welchen nichts mehr zu sehen ist, als das weiße Pulver,
zum Beweis, daß Cochenillen vorhanden waren. Da diese sich nicht vom Platze bewegen
können, kann die Larve bequem eine nach der andern aussaugen, wie unsere
europäischen Syrphiden unsere Blattläuse. Das Insect gehört der Gattung Baccha von
Fabricius an, und ist folgendermaßen beschaffen: B. cochenillivora. schwarz, länglich; Brustschild an den
Seiten gelb gesteckt, mit nach hinten einem schwarzen Schildchen; Flügel
durchsichtig, mit breit braun eingefaßter Rippe; Füße schwarz mit gelben Knieen und
untern Theilen des Schienbeins; Hintertheil am Anfang verengt, am Ende plötzlich
erweitert, schwarz, mit einem gelben Ring am Anfang des erweiterten Theils. Länge 12
Millimeter; bei ausgebreiteten Flügeln, 22 Millim.; Heimath: Antigua, Guatimala.
Wenn eine Nopalerie (Cochenille-Pflanzung) angelegt werden soll, so befestigt
man kleine Säckchen mit Cochenille-Weibchen mittelst Mimosen-Dornen,
welche die Indianer in den Wäldern sammeln, durch Anstecken an den Blättern, was
manchmal das Ausschwitzen eines Gummis zur Folge hat, welches mehr oder weniger
große Räume auf denselben überzieht und die Cochenillen verhindert diese Stellen
einzunehmen.