Titel: | Das Ventilir- und Heizsystem in dem Mustergefängnisse „Pentonville.“ Aus einem Berichte des Hrn. Jebb, Generalinspectors der Gefängnisse. |
Fundstelle: | Band 111, Jahrgang 1849, Nr. LXXXIV., S. 410 |
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LXXXIV.
Das Ventilir- und Heizsystem in dem
Mustergefängnisse „Pentonville.“ Aus einem Berichte des Hrn.
Jebb,
Generalinspectors der Gefängnisse.
Aus dem Mechanics' Magazine, 1848, Nr.
1300.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Ventilir- und Heizsystem für Gefängnisse.
Die Ventilation einer Zelle hat ohne Zweifel einen directen Einfluß auf die
Gesundheit des Gefangenen und ist daher einer der wichtigsten Gegenstände beim Bau
von Gefängnissen. Die Nothwendigkeit wegen Zuführung frischer Luft zu jeder
Jahreszeit, zu einem künstlichen System die Zuflucht zu nehmen, wird einleuchten,
wenn man erwägt, daß zur Verhütung einer Communication zwischen den Gefangenen in
den benachbarten Zellen die Schließung von Fenstern und Thüren im Allgemeinen nöthig
ist. Die hier in Betracht kommenden Haupterfordernisse sind demnach folgende:
1) die Entziehung einer bestimmten Quantität verdorbener Luft aus jeder Zelle;
2) die Zuführung einer gleichen Quantität frischer Luft in jede Zelle, ohne jedoch
den Bewohner derselben dem nachtheiligen Einflusse eines Zuges auszusetzen;
3) die Mittel, um die frische Luft nöthigenfalls zu erwärmen, unbeschadet ihrer
Qualität oder hygrometrischen Beschaffenheit;
4) Anordnungen zur Verhütung der Fortpflanzung des Schalles durch die Luftcanäle.
Die allgemeine Anordnung der Canäle und Apparate zur Erfüllung obiger Bedingungen
wird aus den beigefügten Abbildungen Fig. 4 bis 10 erhellen. Der
Luftheizungsapparat wird gewöhnlich in der Mitte des untersten Stockwerks
angeordnet. Dieser Apparat besteht aus einem Kessel, an welchen die zur Circulation
des heißen Wassers dienlichen Röhren befestigt sind. Ein in die freie Luft sich
öffnender weiter Canal steht mit demselben in Verbindung. Die durch diesen Canal
hergeführte frische Luft strömt über die Oberfläche des Kessels, und wendet sich
dann rechts und links längs des Hauptcanals C, D,
welcher sich horizontal unter dem Boden des Corridors hinzieht. Von da strömt die
Luft aufwärts durch engere in dem Gemäuer des Corridors angebrachte Canäle A, B, C, welche sich in einem dicht unter der gewölbten
Decke jeder Zelle der drei Stockwerke angebrachten Roste (Gitter) endigen (siehe
Fig. 5,
6 und 8). Auf diese
Weise kann in jede Zelle von außen ein Luftstrom geleitet werden; derselbe kann nach
den Umständen erwärmt oder in seinem natürlichen Zustande gelassen werden. Dieser
Canal zur Einführung frischer Luft würde indessen seinen Zweck nicht erfüllen, wenn
nicht Anordnungen getroffen wären, um die schlechte Luft aus den Zellen zu
entfernen. Die Anordnung der zu diesem Zwecke dienlichen Canäle und des Schachtes
ist aus den Abbildungen zu entnehmen. Dicht an dem Boden jeder Zelle an der nächst
der äußeren Mauer befindlichen Seite und in diagonaler Richtung derjenigen Stelle
gegenüber, an welcher die frische Luft einströmt, ist nämlich ein Gitter D, E, Fig. 4 und 7, angebracht. Dieses
Gitter bedeckt einen Canal im äußeren Wall, der sich an seinem oberen Ende in einen
im Dache befindlichen horizontalen Canal zur Ableitung der verdorbenen Luft
einmündet. Letzterer Canal steht mit einem verticalen, 20 bis 25 Fuß über den Giebel
sich erhebenden Schacht, in Verbindung.
Es erhellt hieraus, daß eine Communication hergestellt ist zunächst von der äußeren
Luft, durch den Heizapparat, nach der Decke jeder Zelle; ferner von dem Boden jeder
Zelle aufwärts durch die Extractionscanäle und den Ventilirschacht wieder in die freie Luft. Dieser
Einrichtung zufolge sind die Totallängen eines jeden Paares der Canäle, welche dazu
dienen, die verdorbene Luft aus den Zellen heraus und frische Luft hineinzuschaffen,
in allen Stockwerken nahezu gleich, wodurch eine Gleichförmigkeit der Wirkung
erzielt wird.
Da indessen das Princip, die frische Luft an der Decke der Zellen einzuführen und die
verdorbene Luft vom Boden aus abzuziehen, Einwürfe zuläßt, und die Frage entstehen
kann, ob nicht diese Ordnung eher umgekehrt werden sollte, so mag Dr.
Reid's Ansicht über diesen
Gegenstand, welche er in einem Briefe an den Grafen Duncannon in Beziehung auf die Einrichtungen zum Ventiliren des Hauses der
Gemeinen ausspricht, hier Platz finden. „Man kann die Luft von der Decke
herabsinken lassen und durch den Boden entfernen. Ich kenne keine Methode,
welche so mannichfache und zahlreiche Vortheile vereinigt, als diese. Die
Erfahrung hat mich überzeugt, daß es keine Methode gibt, welche mit diesem im
Hause der Gemeinen angewandten Princip einen Vergleich aushielte. Nicht eine
Spur von Staub belästigt die Mitglieder. Die Luft kann von jeder Temperatur
zugelassen werden, weil ihr erster Impuls durch die Luft, auf welche sie fällt,
gemildert wird.“
Folgendes ist die Anordnung der Ventilircanäle und der bewegenden Kraft, durch welche
eine regelmäßige Entfernung der verdorbenen Luft aus den Zellen und die Zuführung
frischer Luft erzielt wird. Die in dem Dach befindlichen Hauptcanäle zur Entfernung
der verdorbenen Luft aus den Zellen sind mit dem Fig. 4 im Durchschnitt
abgebildeten verticalen Schacht verbunden. Während der Sommermonate wird an dem
unteren Ende dieses Schachtes ein kleines Feuer unterhalten, welches die Temperatur
der in ihm befindlichen Luftsäule über die Temperatur der äußeren Luft oder die
allgemeine Temperatur der Zellen erhöht, und die Luftsäule dadurch specifisch
leichter macht. Die Luft steigt nun natürlich in die Höhe, um sofort durch die
verdorbene Luft der angränzenden Canäle ersetzt zu werden. Letztere beziehen die
Luft direct aus den Zellen, und diesen wird der Verlust an verdorbener Luft durch
frische Luft ersetzt. Die Quantität der den Zellen entzogenen verdorbenen Luft hängt
hauptsächlich von der in dem Ventilirschacht unterhaltenen Temperatur ab. Unter
gewöhnlichen Umständen erscheint es zur Hervorbringung des verlangten Erfolges
genügend, wenn im Durchschnitt ein Temperaturunterschied von zwei bis vier
Reaumur'schen Graden im Vergleich mit der äußeren Luft beobachtet wird. Die
Brennmaterialconsumtion beträgt für diesen Zweck in dem Pentonville-Gefängniß
etwa einen Centner
Steinkohlen per Tag für einen Flügel mit 130 Zellen. An
jeder Seite des Corridors befindet sich eine Feuerstelle, wo man einen Tag um den
andern abwechselnd ein Feuer anzuzünden pflegt. Die Kosten der Sommerventilirung
eines Flügels belaufen sich bei dem gegenwärtigen Preise des Brennmaterials auf
ungefähr 15 Pence per Tag oder 1/8 Penny für jede
Zelle.
Während der Wintermonate, wenn die Feuer des unten befindlichen Apparates angesteckt
werden, ist die in den Ventilirschacht geleitete disponible Wärme nebst dem Rauch im
Allgemeinen zur Erzielung einer wirksamen Ventilation hinreichend, und keine weitere
Ausgabe für Brennmaterial nothwendig.
Die Figuren 5,
6, 7 und 8 erläutern das
in dem Mustergefängnisse im Betrieb befindliche Ventilirsystem, welches in allen
neueren Hauptgefängnissen mit Erfolg eingeführt wurde. Fig. 5 ist ein Grundriß
des Fundaments; Fig.
6 ein anderer Grundriß; Fig. 7 ein Grundriß des
Daches; Fig. 8
ein Längendurchschnitt eines Theils des Corridors.
P die Kammer des Apparates;
A die ins Freie mündenden Canäle zur Herbeileitung
frischer Luft;
C, D Canäle für frische Luft;
A¹, B, C kleine
Canäle für frische Luft;
C¹, C¹
Zellen;
F, F Canäle für die verdorbene Luft;
M, F Hauptcanäle für verdorbene Luft;
S, S Rauchcanäle;
F, S Schacht für die verdorbene Luft;
R Corridor;
L, L Kohlenplätze.
Fig. 9 stellt
einen Regulator dar, mit dessen Hülfe der Gefangene im Stande ist warme Luft aus den
Hauptcanälen, oder kalte Luft aus dem Corridor zuzulassen. C¹ ist der Corridor; C die Zelle.
Fig. 10 zeigt
die Anordnung, um kalte Luft von außen in eine Zelle zu leiten, ferner die
Einrichtung zur Verstärkung der Ventilation während des Sommers. F ist der Fußboden; C der
Corridor; C, L die Zelle; A
der Canal zur Herbeileitung der frischen oder warmen Luft; H die Decke; I der Canal zur Entfernung der
verdorbenen Luft; B Canal zur Herbeileitung der äußeren
Luft; G Gitter mit hölzernem Schieber für den
Sommergebrauch; G² ein zweites Gitter für
gleichen Zweck.
Fig. 4 stellt
das Gefängniß im senkrechten Durchschnitte dar. A ist
die Kammer für den Heizapparat; A¹ Canal für die
kalte Luft; B der Corridor; C¹ die Zellen; F, F Canäle für die
verdorbene Luft; M, F Hauptcanal zum Abführen der
verdorbenen Luft; S Schornstein; F, S Zugschacht für die verdorbene Luft; T
Feuerstelle für die Sommerventilation.