Titel: | Beleuchtung des Steinheil'schen „Letzten Beitrages zur Beurtheilung der Aufsätze des Prof. Schafhäutl über die hallymetrische und die optisch-aräometrische Bierprobe“ (im polytechn. Journal Bd. CX S. 360). Von Professor Dr. Schafhäutl. |
Fundstelle: | Band 111, Jahrgang 1849, Nr. XIII., S. 51 |
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XIII.
Beleuchtung des Steinheil'schen „Letzten Beitrages
zur Beurtheilung der Aufsätze des Prof. Schafhäutl über die hallymetrische und die
optisch-aräometrische Bierprobe“ (im polytechn. Journal Bd. CX S. 360). Von Professor Dr. Schafhäutl.
Schafhäutl, über die optisch-aräometrische und die
hallymetrische Bierprobe.
Nachdem Professor Steinheil in erwähntem Aufsatze als
Einleitung mit den Gemeinplätzen: persönliche Injurien und Verdrehungen coquettirt,
und sich in den weiten Mantel der Indignation gehüllt hat, der alles verdeckt was
man nicht gerne sehen läßt, beginnt er seinen eigentlichen Angriff mit folgendem
Vordersatze:
„Die optisch-aräometrische Probe stimmt in ihren Resultaten völlig
mit der chemischen Elementaranalyse überein“, und schließt dann:
„Wer also die Ergebnisse der Analyse nicht in Zweifel zieht, muß auch die
Richtigkeit der optischen Probe zugeben.“
Dieser Schluß wäre ganz gut, wenn nur der Vordersatz eben so richtig wäre; allein
dieses ist er leider nicht! Freilich hat die optische Probe in Steinheil's Händen mit seinen Correcturen, nachdem die Resultate der
chemischen Analyse bekannt waren, mit dieser Analyse ganz gut übereingestimmt;
dieselbe Probe jedoch, nach des Erfinders Vorschrift von andern Händen gebraucht,
welche sich gleichfalls seit Jahren mit dieser Probe beschäftigten, gab ganz andere
Resultate, wie schon beim ersten Anblicke aus der vergleichenden Zusammenstellung
der Resultate in meinem oben erwähnten Aufsatze (Bd. CIX S. 458 dieses Journals)
erhellt, welche während einer Reihe von Jahren gleichzeitig durch die hallymetrische
und die optisch-aräometrische Probe ermittelt worden waren.
Eine Probe aber, welche überhaupt in den Händen eines geübten Beobachters andere
Resultate gibt, als in den Händen des Erfinders, ist ganz gewiß nicht als Werkzeug
zu empfehlen, welches bei gerichtlichen Untersuchungen dem Richter als Anhaltspunkt
dienen könnte, und zum Theil aus diesem Grunde hat sie auch die Commission der
hallymetrischen nur als Controle an die Seite gestellt.
Die Gründe aber, welche die Commission bewogen, die optisch-aräometrische
Probe der hallymetrischen als Controle beizugeben, waren von zweierlei Art.
Erstens haben wir in unserer oben erwähnten Schrift schon gezeigt, daß die
optisch-aräometrische Probe innerhalb gewisser Gränzen mit der
hallymetrischen ziemlich gleichgehend gemacht werden könne. Ergibt sich also bei
Bieruntersuchungen eine große Differenz zwischen den Angaben der beiden Instrumente,
so wird man jedenfalls aufmerksam gemacht, näher nachzusehen wo der Fehler
stecke.
Ein zweiter Grund, weßhalb die Commission die optische Probe der hallymetrischen an
die Seite stellte, war: Beschwichtigung und möglichste Zufriedenstellung eines sich
in den Sitzungen nichts weniger als der Wissenschaft würdig benehmenden
Commissionsmitgliedes.
Steinheil fährt in seinem letzten Beitrage weiter
fort:
„Schafhäutl gibt sich das Ansehen, als seyen
die Gründe, welche er gegen die Richtigkeit der optischen Probe geltend machen
will, von der Commission zur Prüfung der verschiedenen Biere getheilt worden
u.s.w.“ und will dem Leser dann begreiflich machen: er halte das für
eine Anschuldigung der Commission, indem er sagt:
„Ich habe darüber Anfrage durch den Centralverwaltungsausschuß des
polytechnischen Vereins gestellt, und die Antwort erhalten: daß die Commission
sich nur auf die in ihrem Protokolle enthaltenen Gründe beziehe, und die von Schafhäutl veröffentlichte Schrift als Sache zwischen
mir und ihm betrachte.“
Auf dieses Citat hin erkläre ich: es ist eine Unwahrheit,
daß die Commission und der Centralverwaltungs-Ausschuß diese Antwort gegeben habe, wie ich sogleich beweisen will.
Unterm 6. Novbr. 1848 richtete Steinheil an den
Centralverwaltungs-Ausschuß des polytechnischen Vereins ein Schreiben mit
folgenden zwei Fragen:
„Ich erlaube mir die Anfrage, ob die Commission und der
Centralverwaltungs-Ausschuß den in der Art (S.
455–58–62–64–66–69 meiner Betrachtungen)
angeführten Gründen beistimmt, oder, wenn dieß nur theilweise stattfinden
sollte, welchen derselben sie ihre Zustimmung gibt (sic), und ob sie mit der Art, in welcher die Gründe gegeben sind,
einverstanden ist.“
Da Steinheil als „ergebenstes
Mitglied“ des Centralverwaltungs-Ausschusses recht sehr um die Erfüllung seiner Wünsche bat, so
beschloß der Ausschuß, die Commissionsmitglieder durch ein Circular neuerdings zu
einer Zusammenkunft einzuladen.
Zwei der Commissionsmitglieder erklärten: sie würden nicht erscheinen; zwei bei der
Frage Betheiligte konnten natürlich gar nicht an der Berathung theilnehmen; es
versammelten sich also am 26. Novbr.
die HHrn. Professoren Andr. Buchner
jun., C. Krötz
und Hr. Apotheker Marx
unter dem Vorsitze des Vorstands, um sich über die
Beantwortung obiger Fragen zu verständigen.
Die Lösung dieser Aufgabe war sehr leicht; denn die von Steinheil bezeichneten Gründe gegen die optisch-aräometrische
Bierprobe sind sämmtlich aus meinem Separatvotum ausgezogen, welches sich die
Commission und der Centralverwaltungs-Ausschuß am 1. März 1848 angeeignet und
auch der königlichen Regierung übersendet hatteDas Sitzungsprotokoll des Centralverwaltungs-Ausschusses vom ersten
März 1848 enthält in Beziehung auf obige Fragen wörtlich Folgendes:Nr. 102. Der erste Hr. Vorstand Münzwardein Hainol
geht nun zum Bericht bezüglich der Bierprobe über. Hr. Prof. Schafhäutl verliest im Namen der Commission eine Entgegnung auf das Separatvotum des Hrn.
Prof. Steinheil.Der Ausschuß beschließt in Bezug auf die vorgetragenen
Gegenerinnerungen: „daß dieselben mit dem Berichte zur
Vorlage (bei der Regierung) gebracht werden sollen, wenn der Hr.
Conservator Steinheil auf der Vorlage seines
Separatvotums besteht.“
Man hatte nämlich Steinheil, der sich ohne alle
Discretion in den Sitzungen der Commission und des Ausschusses betrug, so
lang es nur einigermaßen gehen wollte, mit aller möglichen Schonung
behandelt., da es überhaupt nur diejenigen Gründe zusammengestellt enthielt, welche bei
der Wahl der beiden Bieruntersuchungsmethoden die Commission geleitet hatten.
Was die zweite Frage Steinheil's betraf, so war die
Commission natürlich der Meinung, daß die Entscheidung darüber überhaupt nicht in
ihr Bereich siele; es war, nach dem was die Commission in den Sitzungen so oft in
Erfahrung gebracht, vorauszusehen, daß ihre Antwort eine ziemlich bitter schmeckende
Arznei bilden dürfte.
Das dem Centralverwaltungsausschuß von Seite der erwähnten drei Commissionsmitglieder
erstattete Gutachten lautete dahin: „daß sie sich durch Ihr Schreiben nicht veranlaßt finden können, irgend eine Erklärung
darüber abzugeben, indem der Inhalt der Commissionsprotokolle über die
Commissionsverhandlungen Ew. Wohlgb. hinlänglich bekannt sey, und sie selbst
weder etwas hinwegzunehmen noch hinzuzufügen hätten; alle andern in den Protokollen nicht enthaltenen Aeußerungen und
Behauptungen aber als Privatsache zwischen Hrn. Professor Dr. Schafhäutl und Ew. Wohlgeb. betrachten
müßten.
Der Centralverwaltungs-Ausschuß hat sich in der
Sitzung vom 29. Novbr. l. J. dieser Ansicht angeschlossen.
Indem wir etc.“
Ich frage nun den unparteiischen Leser: ist in dieser Antwort gesagt, der
Centralverwaltungs-Ausschuß und die Commission betrachte die von mir
veröffentlichte Schrift als Sache zwischen ihm (Steinheil) und mir?
Fällt auf diese Weise mein Hauptstützpunkt: Berufung auf die
Commission, hinweg – wenn nämlich diese Commission mein Separatvotum
mit allen seinen Einwürfen gegen die optische Probe zu dem ihrigen macht, und sich
weigert dem Fragesteller irgend eine Erklärung über seine Frage zu geben? Heißt das:
die Commission betrachte die von mir veröffentlichte Schrift als Sache zwischen mir
und Steinheil, wenn sie zur obigen Verweigerung irgend einer Erklärung über seine Fragen hinzusetzt: alle
Aeußerungen und Behauptungen (nicht aber Gründe) in ihren
Protokollen nicht enthalten, betrachte sie als Privatsache, die sie nichts weiter
anginge?
Mit welchem Namen würde der Leser eine solche offenbar absichtliche (gelinde gesagt)
Entstellung der Antwort des Centralverwaltungs-Ausschusses belegen, und würde
er es eine Injurie heißen, wenn man das Kind beim rechten
Namen nennt?
Nachdem nun Steinheil auf eine solche, eben nicht viel
geraden Sinn verrathende Weise den „Hauptstützpunkt
seines Gegners“ in den Augen der Leser fallen zu machen
versucht hat, sollte man glauben, er ginge nun geraden Weges zur Bekämpfung meines Haupteinwurfes gegen die optisch-aräometrische
Bierprobe über, der ihre Selbstständigkeit vernichtet, der darthut, daß diese
optisch-aräometrische Probe ihre Hauptaufgabe nicht zu lösen, den wahren
Alkoholgehalt der Biere für sich allein nicht richtig anzugeben vermöge, sondern in
Bezug auf ihre Angaben so gut es eben gehen wollte, der hallymetrischen Probe
angepaßt worden sey, und sich also ohne inneren praktisch brauchbaren Haltpunkt
bisher mühsam an der Seite der hallymetrischen Probe fortschleppte, während sie sich
vor dem Publicum dennoch den Schein der Selbstständigkeit zu geben versuchte
– was ich nicht durch Experimente bewies, denen man allenfalls vorwerfen
konnte: sie seyen zur Erreichung eines vorherbestimmten Resultates angestellt,
sondern ganz einfach durch Zusammenstellung ihrer Leistungen während der Zeit ihrer
Existenz – nein, Steinheil nimmt diesen
Hauptangriffspunkt gegen seine Erfindung ganz leise unter den weiten Mantel seiner
Indignation, und beginnt mit einer Materie von secundärer Bedeutung – mit der
Bestimmung des ursprünglichen Würzegehaltes der Biere, welche ohne Kenntniß des
wahren Alkoholgehaltes, worüber mein erster Haupteinwurf sprach, sich gar nicht
ausführen läßt.
Hier lehrt er uns nicht einmal wie er den Würzegehalt der Biere zu berechnen Pflege,
sondern gibt sogar, zu meinem und gewiß auch der Leser nicht geringem Erstaunen,
vermittelst a + b –
c die Formel an, nach welcher ich die bisher
bekannten hallymetrischen Bieranalysen neuerdings berechnet und natürlich falsch
berechnet haben soll, weil ich vergessen hätte, den gefundenen Gehalt in Procente zu
verwandeln.
Hier geht es nun meinem verehrten Gegner noch viel schlimmer, als dem großen
Mathematikus in Butler's
Hudibras, der vermittelst der Algebra zu sagen wußte,
wie viel die Uhr geschlagen hatte, und durch Hülfe der Geometrie bestimmen konnte,
wie schwer die Butter wog – denn von seiner Formel habe ich keinen Buchstaben
gebraucht, und konnte also auch nicht vergessen haben, mit seinem Nenner zu
dividiren.
Ich will mm dem Leser ohne Formel zeigen, nach welcher Weise ich die bisher bekannt
gewordenen zuverlässigeren hallymetrischen Analysen der Biere berechnet habe.
Kenne ich nämlich den wahren Alkoholgehalt der Biere, so weiß ich natürlich auch, wie
viel Traubenzucker in der Flüssigkeit vorhanden gewesen seyn mußte, aus welcher sich
der Alkohol gebildet hat; denn nach der Liebig'schen
Formel kommen 47,12 absoluter Alkohol auf 100 Theile Traubenzucker.
Haben wir auf diese Weise aus dem Alkohol die Quantität Traubenzucker ermittelt, aus
welcher der Alkohol entstanden war, so brauchen wir nur diesen Traubenzucker zu dem
sogenannten Extracte des Bieres, dessen Quantität man gleichfalls ausgemittelt hat,
zu addiren, um den überhaupt berechenbaren Würzegehalt des Bieres zu erhalten, wie
wir sogleich an dem ersten Beispiele meiner Zusammenstellungen von 119 neu
berechneten Bieranalysen im Kunst- und Gewerbeblatt des polytechnischen
Vereines für Bayern 1848, S. 300 zeigen werden.
In 1000 Gran dieses Bieres wurden hallymetrisch gefunden:
28,283
absoluter Alkohol und
41,7
Extract.
Da nun 47,12 absoluter Alkohol 100 Theilen Traubenzucker entsprechen, so werden die
in 1000 Gran unseres oben genannten Bieres gefundenen 28,28 absoluten Alkohols aus
60,016 Theilen Traubenzucker entstanden seyn müssen.
Addiren wir nun diese 60,016 Theile Traubenzucker zu den oben gefundenen 41,7 Theilen
Extract, so erhalten wir den Würzegehalt des Bieres zu 101,7 Gran in 1000 Gran Bier,
wie ihn auch die Tabelle ohne Rechnungsfehler angibt.
Bei diesem durch Rechnung erhaltenen Würzequantum fehlt
nur noch derjenige Theil des ursprünglichen Würzegehaltes der Flüssigkeit, welcher
als Hefe in den Gährbottichen zurückgeblieben ist. Dieser Würzegehalt fällt also auf
diese Weise noch immer zu klein aus gegen den ursprünglichen Würzegehalt der
Flüssigkeit, und nicht zu groß, wie Steinheil glaubt. Wer
wird aber einen so veränderlichen und deßhalb bis jetzt unbestimmbaren Factor, wie
das Hefenquantum, in die Rechnung einführen wollen; am wenigsten sollte man das von
Steinheil erwarten, der beinahe auf jeder Seite
seiner Arbeiten mit der Wahrheit seiner Zahlen prunkt!
Steinheil erzählt uns nun ferner, daß die hallymetrische
Probe bei allen bis zum Jahre 1847 angestellten Bieruntersuchungen in Bezug auf die
Würzeberechnung einen Fehler von 1,3 Procent begangen habe, verschweigt aber dem
Publicum wohlweislich, daß seine Probe denselben, ja noch einen größern Fehler
beging, eben weil sie sich ohne innere Selbstständigkeit auf die hallymetrische
stützte. Er verschweigt, daß dieser Fehler bei der hallymetrischen Bierprobe nicht
im Principe derselben lag, sondern in einer Tafel aus
verwechselten wahren Resultaten berechnet, in einer Tafel, die Steinheil selbst berechnet hat. Er verschweigt ferner, daß der oft noch
größere Fehler der optisch-aräometrischen Probe jedoch in dem Principe lag,
auf welches er seine Erfindung gebaut hatte, daß also diese Probe ohne Beihülfe der chemischen Analyse
nie im Stande gewesen wäre diesen Fehler zu
entdecken. Er verschweigt dabei, daß ich es war, der zuerst den Fehler der
hallymetrischen und also auch der optischen Probe auffand, und daß er es sey, der wenigstens einen Theil der Schuld an
diesem Fehler trägt, weil er die Alkoholtafel dazu
berechnet hat.
Hätte Steinheil bei Interpolirung der ihm übergebenen
zusammengestellten Daten neben seiner Formel auch noch seinen Geist angewendet;
hätte er also seine Aufgabe geistig durchdrungen und die Entstehung der
verschiedenen Zahlencolumnen auseinander gehörig verfolgt, so müßte er sogleich
gefunden haben, daß eine Verwechslung der Zahlen der dritten und vierten Colonne in
den Versuchen c, d und e
stattgefunden hatte, ein Versehen, das vor der Interpolation hätte leicht wieder
gutgemacht werden können, so daß wir anstatt einer nur annähernd wahren, eine
durchaus wahre Tafel erhalten haben würden.
Auf derselben Seite beschuldigt mich Steinheil: ich
verstände nicht, weßhalb er die Einheiten der Balling'schen und seiner Probe gleich mache.
Den Grund dieser Ausgleichung hat uns ja Steinheil oft
genug angegeben, und ich habe im Texte sogar seine eigenen Worte angeführt. Daß er
seine Einheiten mit denen von Balling gleich machte, das
hatte ich ihm indessen nicht zum Vorwurf gemacht, sondern daß er seine Zahlen bald
mit den Balling'schen Zahlen und der chemischen Analyse
gleich machte, bald nicht, ja sogar von den Balling'schen Zahlen bald hinwegnahm, bald hinzusetzte,
um Resultate zu erhalten, wie er sie eben brauchte (siehe
meine Betrachtungen etc. S. 465); daß er also, in seinem Bewußtseyn gar wohl
überzeugt, auf welcher Wahrheit seine Zahlen beruhten,
der Commission und der Welt nicht eine der Aufgabe
entsprechende bestimmte Zahl vorlegte, sondern bald diese, bald jene Zahl angab, wie
es der fortschreitende Gang der Untersuchung eben zu verlangen schien (siehe Bd. CIX
S. 465 dieses Journals); und Steinheil dreht und windet
sich vergebens, seinem Verfahren in dieser Beziehung eine andere Deutung zu
geben.
Was ferner Steinheil in einer Anmerkung Nr. 47 sagt:
„auffallend ist, daß Sch. von einer amtlichen Bieruntersuchung des
Jahres 1846 sagen kann: die Frage bezüglich der Tarifmäßigkeit der Biere wurde
auf die musterhafteste Weise erledigt“ – zeigt wieder, wie
wenig Steinheil selbst in das Thatsächliche einer
Angelegenheit zu dringen vermag, die ihn doch so sehr berührt.
Er thut, als ahne er nicht einmal, daß die obige wichtige Frage durch seine Anklage
der hiesigen Bräuer bei dem Ministerium des Innern veranlaßt wurde, zu welcher er
sich Kaiser's Unterschrift verschaffte, auf eine Weise,
über welche ihm selbst sein feuriger Freund Weber kaum
eine zweite Trostepistel schreiben würde; denn er weiß hoffentlich, daß zwar nicht
der Glanz und der Triumph der
Wissenschaft, aber doch die Würde derselben auf einer ethischen Basis ruht.
Gerade hier handelt es sich um eine sehr wichtige Frage, von welcher Steinheil, ehe ihn Balling
darüber belehrte, gar keine Ahnung hatte: daß sich nämlich aus
dem gefundenen Alkohol- und Extractgehalt der Biere allein ohne
vorausgegangene Untersuchungen ganz anderer Art, das zum Sude verwendete
Malzquantum nicht berechnen lasse; daß der Würzegehalt, wie ihn Steinheil in seiner Weise berechnete, auch wenn seine
Probe den Alkoholgehalt hätte wirklich richtig angeben können, bald mehr, bald
weniger von der Wahrheit abweichen, aber in jedem Falle zu gering ausfallen müsse,
weil sich die Qualität und Quantität der das Gerstenkorn zusammensetzenden
Bestandtheile mit der Jahreszeit, dem Boden und der Witterung ändern, auf eine
Weise, von welcher man vor dieser Untersuchung keine Idee gehabt hatte. Es hat sich
auch hier durch langjährige Untersuchungen gezeigt, daß eine geübte Zunge, wie beim
Wein, so auch beim Bier, über die Normalmäßigkeit und Güte desselben besser zu
urtheilen im Stande sey, als jede optisch-aräometrische Probe, und daß Proben
überhaupt nur Werkzeuge seyen, welche bei Streitigkeiten oder Straffällen dem
Richter ein greifbares Mittel darböten, an welches er seine Entscheidungsgründe
knüpfen könne.
Gehen wir nun wieder zum Text zurück. Steinheil macht mir
den Vorwurf: ich hätte bei den Daten unter Nr. 14 meiner schon oft erwähnten
vergleichenden Zusammenstellung der Resultate der hallymetrischen und optischen
Bierprobe S. 458 andere Zahlen angeführt als die, welche die Commission gefunden, und deutet dabei sehr geistreich an, es möchte wohl
wieder ein Schreibfehler seyn, wie bei den Balling'schen
Resultaten.
Allein Steinheil ist hier in einem großen Irrthume
befangen.
Die Zahlen, an welchen er Aergerniß nimmt, sind gleichfalls von der Kommission
gefunden und finden sich in dem Protokolle derselben; denn als Kaiser und ich die hallymetrische Untersuchung des Probebieres ausführten, haben wir dasselbe
Bier zugleich optisch untersucht und die Resultate gleichfalls unserem Protokolle beigefügt.
Daß ich aber gerade diejenigen Zahlen, welche Kaiser und ich mit dem Steinheil'schen Instrumente und seiner Gebrauchsanweisung
ermittelten, und nicht die seinen angeführt habe, geschah
aus einem sehr triftigen Grunde, den wir schon im Anfange unseres gegenwärtigen
Aufsatzes entwickelt haben.
Wenn nämlich der Erfinder eines Instrumentes dieses Instrument in seiner eigenen
Werkstätte verfertigt, mit der deutlichen Gebrauchsanweisung dem Publicum nicht nur
um schweres Geld verkauft und versichert: der zufällige Beobachtungsfehler bei
diesem Instrumente sey 15mal kleiner als bei einem andern, welches zu gleichem Zweck
gebraucht wird, sondern noch überdieß alle möglichen Mittel anwendet, den Staat zu
vermögen, dieses sein Instrument als Norm aufzustellen, nach welcher die Leistungen
einer sehr großen achtbaren Classe von Bürgern gerichtlich beurtheilt werden sollen,
so darf ich mich nur an die Aussagen dieser dem Publicum verkauften Instrumente
halten, die sie in den Händen nicht ungeübter Experimentatoren geben; denn gibt das
Instrument nur in den Händen seines Erfinders oder einer von ihm geleiteten
Commission und nur nach mannichfaltigen Correcturen, von welchen die
Gebrauchsanweisung nichts sagt, das richtige Resultat: so ist das Publicum mit
diesem Instrumente betrogen, und die Ehre einer ganzen nützlichen Bürgerclasse aufs
Spiel gesetzt.
Der Werth oder Unwerth solcher Instrumente, die aus den physikalischen Armarien
heraus ins praktische Leben treten sollen, kann überhaupt nur durch die Resultate
festgestellt werden, welche bei ihrem Gebrauche die Zeit gibt, die ganz parteilose,
und eben deßhalb habe ich nur diejenigen Resultate angegeben, welche aus der Zeit
hervorgegangen sind, vom ersten Auftreten der Bierprobe bis zum Jahre 1847, woraus
sich eben unzweideutig ihre innere Haltlosigkeit ergab. Freilich, hätte Steinheil die Analysen mit seiner optischen Probe
gemacht, und überall die hallymetrische oder gar die chemische Analyse zugleich
benützen können, so würde es ihm ein Leichtes gewesen seyn, durch sogenannte
wissenschaftliche Correctionen und Reductionen die optische mit der hallymetrischen
in Einklang zu bringen; aber dadurch würde die wahre Natur der Probe immer mehr
verhüllt, und das Publicum von der sogenannten Wissenschaft an der Nase
herumgeführt.
Steinheil beschuldigt mich ferner: um zu beweisen was ich
beweisen wollte, hätte ich in Nr. 15 meiner Tabelle Bd. CIX S. 458 dieses Journals
den Gehalt desselben Bieres anders angegeben, als im Kunst- und Gewerbeblatt des polytechnischen
Vereines für Bayern 1848, S. 300 unter Nr. 72. Woher weiß denn Steinheil, daß Nr. 72 und Nr. 15 von einer und derselben Analyse sind? Hat
er denn nicht gesehen, daß der Alkoholgehalt in Nr. 72 4,09, in Nr. 15 dagegen 4,20
beträgt? Hier hat ihm seine Leidenschaft und sein ängstliches Suchen nach Fehlern
wieder das Auge getrübt, wie wir in gleicher Beziehung einen zweiten, noch
interessanteren Fall am Schlusse unserer Entgegnung kennen lernen werden. Steinheil bringt dabei wieder die irrige Balling'sche Zahl in Erwähnung, welche ihm die erste
Gelegenheit zu seiner scheinbaren Entrüstung und den Vorwand zum Angriffe gegen mich
gegeben, der von meiner Seite auf keine Weise hervorgerufen war. Der freundliche
Leser sehe:
Die ursprüngliche Zahl für den Alkohol nach der Balling'schen Methode erhalten war
3,75
wie sie der Copist schrieb
3,15.
Der Copist hatte also die Zahl 7 für 1 gelesen. Bei Zahlen, welche namentlich in
flüchtiger Handschrift einander so ähnlich sehen, wie leicht ist solch eine
Verwechslung möglich. Es gibt kein Rechenbuch, in welchem sich nicht zahlreiche
Fehler finden, ja selbst die Werke der größten Mathematiker sind nicht frei davon
– wer will hier den ersten Stein aufheben!
Steinheil geht nun zu meinen Bemerkungen über, welche die
Schwierigkeiten bei Handhabung des optischen Instrumentes hervorheben. Er sagt:
dieselben Schwierigkeiten finden bei allen Schraubenmikrometern statt. Ich sage: es
finden nicht dieselben Schwierigkeiten bei allen Schraubenmikrometern statt.
Indessen geben wir zu, es finden ganz dieselben statt, so sind die
Schraubenmikrometer Werkzeuge für die Hand und das Auge des Astronomen und des
gelehrten Beobachters überhaupt – für die Tatzen und das Auge eines
sogenannten Vierbeschauers sind sie gewiß keine passenden Werkzeuge.
Wenn Bessel versichert hat, er wolle in einem halben Tage
einen jeden Soldaten dahin bringen, daß er brauchbare astronomische Beobachtungen
liefere (mittelst der Mikrometer?), so wollen wir ihm das aufs Wort glauben; wir
haben aber nicht überall einen Bessel, der solche Dinge
verrichten könnte. Daß Steinheil kein Bessel ist, hat er schon dadurch bewiesen, daß er nicht
einmal unsern tüchtigsten gebildeten Bierbräuer Sedlmaier
dahier trotz seines Unterrichtes dahin brachte, daß dieser durch die optische Probe
Resultate erhielt, die so mit einander übereinstimmten, daß sie als verlässig betrachtet werden könnten.
Daß der Magistrat von München die optische Probe der königl. Regierung zur Einführung
vorgeschlagen, ist wieder nur theilweise wahr.
Warum citirt Steinheil das Protokoll nicht und die Stelle,
wo diese Empfehlung geschah, wie ich es gemacht habe und stets zu machen pflege,
wenn ich Daten dem Publicum vorführe, auf welche sich meine Vorwürfe stützen!
Die Wahrheit ist: der Magistrat hat die optische Probe nur zur
Vergleichung der verschiedenen Biere unter sich vorgeschlagen; dazu dient
aber bei nur einiger Vorsicht jede Bierwaage, die
wenigstens 60mal wohlfeiler ist als die optische.
Im magistratischen Gutachten vom 1. März 1844 heißt es:
„Die optische Probe habe polizeilichen Nutzen, wo es lediglich die Controlirung der Wirthe bezüglich der Alterirung der
Biere mit Wasser betrifft.“
Im an das Ministerium erstatteten Gutachten vom 22. Sept. 1846 heißt es sub Lit. G:
„Nur zur Vergleichung der Biere unter sich ist
die Steinheil'sche Probe vollkommen
dienlich“; und am Ende wird gesagt: „die Commission hält,
vom technischen Standpunkte aus, die Steinheil'sche
Probe noch nicht für so reif, daß sie dem Antrage des
Professors Steinheil beipflichten könnte.“
Der Leser sieht, daß sich mit einer solchen Anempfehlung nicht viel zu brüsten
ist.
Daß der Magistrat von Augsburg beim Ministerium um alsbaldige gesetzliche Einführung
der Steinheil'schen Probe gebeten, glaube ich wohl. Es
hat indessen schon mancher Magistrat um verschiedene andere Dinge gebeten, ohne zu
wissen, was er eigentlich that. Der Magistrat hat gewiß nicht mit der optischen und
hallymetrischen Probe experimentirt, um sich selbst von den Vorzügen oder
Nachtheilen bei den Proben zu überzeugen, und er wird seine Bitte höchst
wahrscheinlich auf Anempfehlung eines Dritten gestellt haben.
Daß Steinheil in seiner Instruction ausdrücklich verlangt,
daß man aus mehreren Beobachtungen das arithmetische Mittel nehme, weiß ich gar
wohl, und ich habe diese wundervolle Kunst des Kleinermachens
der zufälligen Beobachtungsfehler auch bei der Vergleichung der Resultate
der optisch-aräometrischen mit denen der hallymetrischen in jener oft
erwähnten Tabelle Bd. CIX S. 458 dieses Journals angewendet. Hier beträgt nämlich
der Fehler, um welchen
seine Probe den Gehalt eines starken Bieres zu geringe angab 4,89, also nahezu 5
Procente. Ich habe hingegen angegeben, daß im Durchschnitte der Fehler, um welchen die optische Probe den Gehalt der
Biere zu gering angibt, mehr als zwei Procente betrage.
Daß aber der Bierbeschauer mehrere Beobachtungen bei
einem und demselben Biere anstelle, und aus mehreren Beobachtungen das arithmetische
Mittel ziehe, halte ich nicht für praktisch; es ist auch bei der Anwendung der
optischen Probe durch die magistratischen Bierbeschauer natürlich nie geschehen, und
ich wundere mich nur, daß Steinheil nicht einige 30
Beobachtungen verlangt, und zur Ausgleichung der zufälligen Beobachtungsfehler die
Methode der kleinsten Quadrate in Anwendung zu bringen befiehlt!
Sogar das Einstellen seiner Schubtafel hat für eben nicht sehr zarte Hände bedeutende
Schwierigkeiten und ebenso das Ablesen der Resultate, namentlich wenn man Theile von
Procenten durch das Augenmaß bestimmen soll, namentlich da man immer Theilungen an
zwei Leisten des Rahmens zugleich zu vergleichen hat, und wegen der krummen Linien
sich nicht einmal eines Lineals bedienen kann.
Am schönsten ist indessen Steinheils neue Entdeckung, von
welcher er nun die Welt benachrichtigt: daß es nämlich
Menschen gibt, für welche die Zahlen keine Wahrheit sind. Wir möchten ihn
nur noch in geographisch-ethnographischer Hinsicht bitten, daß er uns sage wo
wohl diese Menschen zu finden sind.
Wer sollte wohl glauben daß es Leute gebe, die läugnen daß z.B. 6 eine bestimmte
Menge von Einheiten bedeute, und zwar gerade sechs, nicht mehr und nicht
weniger!
Das weiß ich aber gewiß daß es Menschen gibt, welche, wenn ihnen von gewissen Leuten
eine Zahl vorgeführt wird – zweifeln: ob diese Leute auch das
wissenschaftliche Recht hatten, ihnen gerade diese Zahl, und keine andere
vorzulegen, als gerade 6. Da könnte es sich denn treffen, ja es hat sich leider
schon mehrmals getroffen, daß eine solche Zahl, obgleich an sich absolut wahr,
dennoch zum Ausdruck einer Unwahrheit gebraucht wurde.
Ebenso ist es wohl keiner Seele eingefallen, je zu zweifeln, daß, wenn man 2 mit 2
multiplicirt, als Product vier erhalten werde. Häufig ist in mir jedoch der Zweifel
aufgestiegen: ob der Autor auch das wissenschaftliche Recht hatte, die Zahl 2 eben
mit 2 und keiner andern Zahl zu multipliciren, und so kömmt es auch wohl noch
täglich vor, daß analytische und algebraische Gleichungen, obwohl an sich vollkommen wahr,
dennoch zum Instrumente der Unwahrheit werden.
So habe ich z.B. gar nichts gegen Steinheil's oder
vielmehr Seidl's Rechnungsweise, wodurch er mit Anwendung
der optischen Probe und der Senkspindel den Werth des Bieres zu bestimmen versucht,
ohne zu wissen, aus was die Würze besteht. Wir wollen hier die naive Weise gar nicht
einmal berühren, in welcher Steinheil der Praxis antragt:
den Werth einer Flüssigkeit gesetzlich zu bestimmen, ohne daß er weiß was darin ist,
und was damit während ihres Werdens vorgegangen ist – er könnte dadurch
leicht in den Fall kommen, in der besten Meinung den Werth von Dingen zu bestimmen,
vor deren Gebrauch sich das Publicum und zwar wohlweislich verwahren würde.
Daß seine Rechnungsweise aber ein praktisches, gesetzlich verlässiges Mittel
darbieten könne, nach welchem sich der wahre Werth der Biere im allgemeinen bestimme
lasse – das verneine ich, und zwar aus sehr triftigen Gründen.
Wenn wir auch vorläufig annehmen wollen, Steinheil's neues
Verfahren führe in der Praxis nicht zu Irrthümern, was ich jedoch wieder verneine
– so gesteht er von vornherein selbst: daß vor Anwendung seines Verfahrens
Probesude im Großen und in
verschiedenen Districten vonnöthen seyen, welche erst die Basis abgeben
müßten, auf welcher seine Rechnung ihr Gebäude aufführen könne.
Dadurch allein wird das ganze Verfahren viel zu weitläufig und deßhalb unpraktisch;
denn es müßten des Jahres zweimal Probesude in verschiedenen Theilen des Landes
angestellt, und dazu eine sachkundige Commission von der Regierung ernannt und
bezahlt werden. Wer die Störungen kennt, welche das Einschiebsel einer solchen neuen
Branche von Beamten in das Räderwerk unserer polizeilichen und Staatsverwaltung
Heraufrufen würde, wird von vornherein vor der Anwendung eines solchen Verfahrens
zurückschrecken, so lang es noch einfachere Mittel gibt, welche zum nämlichen Zweck
führen.
Allein die Steinheil'sche Methode kann auch nur dann
einigermaßen verlässige Resultate geben, wenn das Malz, aus welchem das Bier
bereitet wurde, dieselbe quantitative chemische Zusammensetzung und dieselbe Farbe
besitzt, also bei denselben Temperaturgraden getrocknet worden ist, als das Malz,
mit welchem Steinheil in München seine Normalversuche
anstellte; ferner: wenn das Maisch- und Brauverfahren das nämliche ist, ja
sogar die Temperaturverhältnisse dieselben sind, als diejenigen unter welchen er seine
Normalexperimente anstellte.
Denn sobald das Refractionsvermögen der Biere, also die optische Probe als
Anhaltspunkt genommen wird, auf welchen sich die Rechnung stützt, sobald ist Fehlern
Thüre und Thor geöffnet, deren Erscheinen man bis jetzt noch in keiner Weise
controliren kann. Meine schon oft erwähnte Tafel in diesem Journale Bd. CIX S. 458 thut ganz augenscheinlich dar,
daß während die optische Probe bei in München gebrauten gewöhnlichen Bieren so
eingestellt werden konnte, daß sie höchstens 1,2 Procente von den Angaben der
hallymetrischen Probe abwich, so stieg die Abweichung bei dem blässern, an Alkohol
reicheren englischen Ale Nr. 18 auf 3,22 Procente; ein Fehler, welcher ein solches
Instrument als polizeiliches Werkzeug unbrauchbar macht.
Ich muß hier wieder bemerken daß diese Analysen, auf welche ich mich eben bezog,
nicht von mir allein gemacht worden sind; sie wurden von dem Hrn. Medicinalassessor
Dr.
Pettenkofer, von Hrn. Universitätsprofessor Dr. Pettenkofer und mir
gemeinschaftlich mit den neuen für die polytechnische Schule von Steinheil verfertigten Instrumenten veranstaltet. Man
hielt sich dabei genau an die Steinheil'schen
Vorschriften, ja man verfuhr dabei noch mit größerer Vorsicht. Jede Ablesung der
Trommeltheile geschah dreimal von jedem der drei Beobachter, und zwar in gleichen
Zwischenräumen. Die Trommel wurde nach jeder Beobachtung wieder verstellt, so daß
jeder Beobachter genöthigt war, die Trommel selbst einzustellen und keiner von den
Resultaten des andern Kenntniß erhielt, bis zuletzt bei der Zusammenstellung der
Resultate. Die Grade der Senkspindel wurden von jedem der drei Beobachter abgelesen
und die Schubtafel ebenso von jedem derselben eingestellt. Ein ähnliches Verfahren
wurde bei den hallymetrischen Analysen angewendet.
Ehe wir uns zum Schlusse wenden, muß ich noch die Behauptung Steinheils am Schlusse seines letzten Ausfalles abfertigen: als gäbe der
erste Theil der hallymetrischen Probe nicht für den beabsichtigten Zweck hinreichend
genaue Resultate.
Ich behaupte wieder: der erste Theil der hallymetrischen Probe gebe ausreichend
sichere Resultate für die erste Untersuchung der Biere; denn der Fehler bei wirklich
verkäuflichen Bieren übersteigt ein halbes Procent nicht.
Ich berufe mich dabei wiederholt auf meine Tafel im Kunst- und Gewerbblatt des
polytechnischen Vereins für Bayern 1848, S. 300 in welcher die bisher hallymetrisch
analysirten Biere Oberbayerns zusammengestellt sind.
Steinheil hat sich während der drei Monate, innerhalb
welchen er an seinem letzten Beitrage arbeitete, die allerdings nicht unbeachtet zu
lassende Mühe genommen, jede meiner vielen Zahlen zu prüfen und zu vergleichen, um
wo möglich einen Schreib- oder Rechnungsfehler aufzujagen, an welchen er sich
bei seiner letzten Abwehr zu halten vermöchte.
Es ist ihm auch wirklich gelungen, unter den 119 zusammengestellten Analysen zwei zu
finden,Zwei andere, nebst einigen Druckfehlern, hat er dennoch übersehen, welche ich
im Kunst- und Gewerbeblatt des polytechnischen Vereins für Bayern,
1stes Heft 1849, berichtigen werde. welche durch einen Schreibfehler bei dem durch das Experiment bestimmten
Salzrückstande einen falschen Platz in der Reihe der übrigen Analysen erhielten.
Steinheil nimmt nun die falsche Stellung dieser zwei
Zeilen als ihre richtige an, und gründet darauf seinen Einwurf gegen die Sicherheit
des ersten Theiles der hallymetrischen Probe.
Die Zeilen, welche an einem falschen Platze stehen, sind die 9te und 39ste. Jeder
oberflächliche Beobachter welcher die Columne 17 durchgeht, wird finden daß hier die
Zahlen von 1 bis 119 nach einem sehr einfachen Gesetze regelmäßig wachsen. Da tritt
ihm nun auf einmal unter Nr. 9 eine Zahl entgegen, welche, anstatt um 1 Procent zu
wachsen, plötzlich um mehr als 5 Procente wächst, während die nächstfolgende,
anstatt gleichfalls zu wachsen, wieder um nahezu 3 Procente zurückgeht.
Ein einfacher gesunder Menschenverstand wird unter solchen Umständen sogleich
vermuthen: es müsse hier ein Irrthum vorgefallen seyn, und wird die fragliche Zahl
unter Nr. 9 Columne 17 – nämlich 108,4, welche zwischen 102,8 und 105,6
steht, an ihren Platz zu setzen suchen, wo sich nämlich dieselben Zahlen finden.
Fahren wir in oben erwähnter Columne abwärts, so finden wir unter Nr. 16–18
dreimal die Zahl 108,4, und unter Nr. 19 die Zahl 108,9. Unsere obige Zahl müßte
also von Nr. 9 entfernt und zwischen 108,4 und 108,9, also zwischen Nr. 18 und 19
eingereiht werden. Da ist aber in der 20sten Columne der Salzrückstand im Hallymeter
anstatt 8,0–9,0, und es wird also auch unser Salzrückstand anstatt 8 nunmehr
9 seyn müssen.
Um zu sehen, ob unsere Vermuthung richtig ist, wollen wir den Salzrückstand, welchen
uns das Experiment gegeben hat, aus den in der Tabelle enthaltenen Daten durch
Rechnung zu finden suchen.
Als Anhaltspunkt dient uns der Alkoholgehalt, welcher 39,967 ist. Diesem entsprechen
nach unserer Tafel S. 287 71,55 Weingeist, wie ihn die hallymetrische Probe angibt,
und dieser Weingeist enthält also 31,59 Wasser.
Ziehen wir diesen Wassergehalt von dem Gesammtwassergehalt in der 13ten Columne ab,
welcher 923,283 beträgt, so bleiben uns 891,693 Wasser, wie es durch die Salzlösung
angegeben worden ist.
Diesem Wasser nun entsprechen 321,009 Gran aufgelöstes Kochsalz, und dieses von den
zum hallymetrischen Versuche vorschriftsmäßig verwendeten 330 Gran abgezogen, gibt
uns 9,009 Salzrückstand, wie wir ihn schon oben aus der Stellung, welcher dieser
Analyse der Zahl 108,4 gemäß, in der Reihe gebührte, vermuthen konnten.
Bei der zweiten Zahl finden wir dasselbe Resultat.
In unserer Columne 17 erscheint unter Nr. 39 die Zahl 131,9 plötzlich zwischen 118,1
und 118,9.
Jeder ruhige Beobachter sieht auf den ersten Blick, daß 131 nicht zwischen 118
gehören könne. Er wird also in der Columne so lange herabfahren, bis er eine
geringere Zahl als 131,9, und eine gleiche oder größere findet. Unter Nr. 75 stößt
er auch wirklich auf 130,6 und 131,9; zwischen diese zwei Zahlen muß also unsere
obige 131,9 hineingehören.
Da wäre denn nur die Zahl des Salzrückstandes im Hallymeter falsch angegeben, und
müßte anstatt 12,5 wohl 17,5 heißen.
Sehen wir auch hier, ob die Rechnung unsere ausgesprochene Vermuthung bestätigt.
Der Alkoholgehalt von Nr. 39 ist 42,77; dieser entspricht einem Weingeist von 34,33
Wassergehalt. Ziehen wir dieses Wasser vom Gesammtwassergehalt des Bieres in der
Columne 13 ab, der 902,36 beträgt, so erhalten wir 868,03 Wasser, welches uns der
erste Theil der hallymetrischen Probe anzeigt. Diese 868,03 Wasser entsprechen
312,249 aufgelöstem Kochsalz, und diese Kochsalzmenge von den vorschriftsmäßig
verwendeten 330 Gran abgezogen, hinterläßt 17,51 Gran, ganz wie wir schon aus der
Stellung der Zahl 131,9 vermuthen konnten.
Wer nur um ein geringes tiefer in die Sache eingehen wollte, der würde sehen, daß der
Gesammtgehalt in der 17ten Columne lediglich aus dem Kochsalzrückstande im
Hallymeter berechnet wird, daß also ein gleicher Kochsalzrückstand auch einen
gleichen Gesammtgehalt angeben müsse. Nun findet er unter Nr. 10 für 8,0
Kochsalzrückstand in der 17ten Columne 105,6 Gesammtgehalt, unter Nr. 9 für
denselben Kochsalzrückstand dagegen 108,4 – eine von diesen Zahlen muß also
unrichtig seyn. Dasselbe ist noch evidenter in Nro. 39. Hier hat er unter Nr. 36,
37, 38 drei Kochsalzrückstände, welche alle = 12,5 sind und dafür den
Gesammtrückstand 118,1; nur bei Nr. 39 ist der Gesammtgehalt für denselben
Kochsalzrückstand 131,9; diese Zahl muß also offenbar unrichtig seyn. Das findet
jeder gesunde Menschenverstand, nur nicht der Gelehrte von
Profession, dem vor lauter Form und aus lauter Leidenschaftlichkeit der
Geist der Sache unter den Händen entschlüpft, und der noch überdieß verleitet wird,
dieser seiner Scharfsinnigkeit halber einen glänzenden Triumph seiner eigenen
logischen Kraft zu feiern!Ich muß mich bei dem freundlichen Leser wirklich wegen dieser Fehler in
meiner Tabelle entschuldigen. Man sieht dieser Tabelle die Mühe wohl nicht
an, die sie gekostet, namentlich was das Zusammensuchen der Analysen aus
allen Winkeln, ihr Vergleichen, und endlich das Zusammenstellen der neu
berechneten Analysen selbst betrifft. Wenn man noch überdieß bedenkt, daß
ich über drei Gegenstände an der Universität zu lesen, ein geognostisches
Cabinet zu gründen, zu ordnen und zu beschreiben habe, ohne alle Beihülfe
eines gelehrten oder ungelehrten Freundes, wobei mich noch technische
Commissionen der verschiedensten Art in Anspruch nehmen, während mein
verehrter Gegner gar nicht liest, und mit Beihülfe seines gelehrten Freundes
arbeiten kann was und wie und so lange er will – so wird mir der
Leser diese obigen Irrthümer nicht allzuhoch anrechnen.
Somit wären wir denn für diesesmal mit dem speciellen Theil unserer Abwehr zu Ende,
und können nun zum eigentlichen Schlusse übergehen, der eine mehr lebendigere
sentimentale Farbe annehmen wird.
Um nämlich den etwa ungläubigen Leser recht von der Größe und Bedeutsamkeit seiner
Erfindung zu überzeugen, läßt sich Steinheil von einem
auswärtigen Freunde, dem bekannten Physiker Weber, ein
Condolenzschreiben schicken, und führt zugleich einen Gratulationsbrief von dem
Mathematiker Ohm in Berlin an.
Weber beschreibt in seinem Briefe den recht traurigen Eindruck, welchen mein Aufsah gegen
seinen Freund auf ihn gemacht, und wahrscheinlich auch den freudigen, den Steinheil's erster
herausfordernder Angriff auf mich in seinem freundlichen Herzen erregt hat, was
jedoch nicht abgedruckt steht. Dabei fallen einige zarte Anspielungen von geistiger Befangenheit, vom Ignoriren geistiger Beschränktheit, und das Ganze schließt mit
Vertröstungen auf die Zukunft.
Ohm geht gewissermaßen weiter. Er schimpft zwar nicht;
denn er hat damals unsern Kampf noch nicht geahnt; aber er feiert schon anticipando im Geiste den Steinheil'schen Triumph und mit ihm den Triumph der Physik.
Was mich betrifft, so habe ich vor den beiden eben angeführten Gelehrten so viel
Respect als irgend jemand, sobald sich diese Herren in ihren heimischen Gefilden
bewegen. Hier aber, wo es sich um die Anwendung eines physikalischen Hülfsmittels in
dem ganz eigenthümlich organisirten Gebiete der Chemie und noch überdieß speciell
der technischen Chemie handelt, haben diese Herren, so lange sie nicht selbst in dem
Garten dieses Zweiges der Naturwissenschaft die Hand angelegt, keine maßgebende
Stimme, und es wäre mir ein Leichtes, einige Landrichter zu finden, welche in ihren
Briefen von dem recht traurigen Eindruck sprachen, welchen Steinheil's Angriff auf mich in ihrem Herzen erregt, wobei es an einigen
kräftigen Ausdrücken von geistiger Beschränktheit und Vertröstungen auf die Zukunft
gleichfalls nicht fehlen sollte; ebenso getraute ich mir wenigstens sechs
Bürgermeister vorzuführen, welche mit mir ein Jahrzehend voraus schon den Triumph
der Chemie zu feiern bereit wären. Allein die Beileidsbezeugungen der einen würden
mir in den Augen der Parteilosen nichts nützen, und der voreilige Triumph der andern
nur Gelächter erregen. Da ich noch überdieß stets vorgezogen habe, in Freud und Leid
auf eigenen Füßen zu stehen, so will ich den freundlichen Leser mit solchen Briefen
nicht belästigen.
Erlaubt wird es mir aber auch seyn, am Ende dieser Abweisung, schon des beliebten
Parallelismus halber, gleichfalls den recht traurigen
Eindruck zu beschreiben, den es auf mich gemacht hat, zu sehen, wie zwei
namhafte Gelehrte so leichten Herzens bereit sind, den Schild zu erheben für eine
neue Idee, die sie von der eigentlich praktisch chemischen Seite gar nicht, von der
theoretischen hingegen nur nach einer Richtung kennen – bloß, um ihrer
physikalischen Idee einen scheinbaren Triumph zu verschaffen, unbekümmert, ob Segen
oder Fluch für das Leben daraus entstehe.
Sehen wir nun, wie Hr. Professor Weber die Sache auffaßt.
Er spricht von schechtem Danke für eine so meisterhaft
durchgeführte Untersuchung! Was kennt er denn eigentlich von dieser Untersuchung?
Die Seidl'schen und Steinheil'schen Formeln und Entwicklungen? – Ich zweifle nicht, daß sie
meisterhaft sind: aber sie beruhen auf dem Grundsatze, welchen uns ein schon alter Wissenschaftsmann
in Faust vorführt:
„Das Erst' wär' so, das Zweite so,
Und drum das Dritt' und Vierte so;
Und wenn das Erst' und Zweit' nicht wär',
Das Dritt' und Viert' wär' nimmermehr.
Wie aber wenn nun wirklich das Erst' nicht immer so wäre,
wie es die papierne Untersuchung annimmt, und auch das Zweite nicht? Wenn sich die meisterhafte mathematische Entwickelung auf
die Aussagen eines Instrumentes stützte, das aber in seinen Aussagen unzuverlässig
ist, wie meine so oft berührte Tabelle in Bd. CIX S. 458 dieses Journals
unumstößlich beweiset, und wenn nun durch eine solche einseitige wissenschaftliche
Untersuchung die Ehre und das Wohl einer redlichen Familie aufs Spiel gesetzt würde
– wäre solch ein wissenschaftlicher Erfolg dankenswerth?
So lange solche wissenschaftliche Untersuchungen sich aus der Atmosphäre der Akademie
und der Hörsäle nicht entfernen, kann man ruhig zusehen, wie die gelehrten Herren
über ihre eigenen geistigen Kinder einander die rührendsten Complimente machen; denn
sie thun dadurch keinen Schaden. Sobald aber diese Herren keine Anstrengung scheuen
ihre geistigen Lieblinge ins Leben hineinzudrängen, und ihnen dort die Waage in die
Hand zu geben, welche einem Theil der menschlichen Gesellschaft Lohn oder Strafe
zumißt – da ist es Pflicht jedes ehrlichen Mannes, mit aller möglichen Kraft
zu wachen daß die richtende Waage nicht in unreife Hände
gegeben, und die Wissenschaft die „hohe“ die
„himmlische“, welche nur da ist die Menschheit zu
beglücken, als ein Werkzeug von Eigennutz und Eitelkeit mißbraucht anstatt zur
Wohlthäterin, zur Geißel der Menschheit werde.
Hr. Professor Weber irrt ferner, wenn er angibt, ich habe
die beliebteste Methode für die beste erklärt. Er hat gewiß nie beide Methoden der
Bieruntersuchung mit einander in der Praxis verglichen, sonst würde er einsehen, daß
die Commission gerade die mühsamere der beliebteren Methode vorgezogen hat, gerade
weil sie die sicherste ist. Nennt er das geistige Befangenheit, so ist jedes
rechtliche Unternehmen geistige Befangenheit.
Ich habe ferner kein ausschließendes Privilegium verlangt auf die bisherigen Methoden
und Hülfsmittel der chemischen Wissenschaft. Ich glaube aber auch nicht, daß die
bisherigen Methoden von irgendeinem verdrängt werden können, der ein Fremdling im Gebiete
dieser oder irgend einer andern Wissenschaft ist.
Ebensowenig habe ich ein wissenschaftliches Problem für unlösbar erklärt, weil es Berthollet nicht gelöst hat; ich habe nur gesagt: gegenwärtig sey dieß Problem noch nicht gelöst, und so
lange dieses Problem noch nicht gelöst ist, können wir eine Methode, welche sich auf
ein bisher höchstens theilweise gelöstes Problem stützt, im Leben und in der Praxis nicht brauchen, wo man
Wahrheit und Recht und klare und unzweideutige Aussprüche über beide verlangt.
Verräth eine solche Erklärung Beschränktheit, so gratulire ich Hrn. Professor Weber von ganzem Herzen zu seiner eigenen
Unbeschränktheit und noch mehr zu seinen „geistigen
Waffen“!
Auch des Hrn. Professor Weber letzter Trostspruch berührt unsern bisher verhandelten
Gegenstand nur halb.
Daß man in geeigneten Fällen durch die Combination zweier Merkmale wie das
specifische Gewicht und die Brechungskraft, praktisch viel mehr auszurichten im
Stande ist, als wenn man sich bloß auf eines dieser Merkmale beschränkt – wer
hat dieß je geläugnet? Daß man aber durch die Verbindung dieser zwei Merkmale
gegenwärtig ein Mittel zur Untersuchung und richtigen
Schätzung unserer Biere erhalten habe, welches dem Staate als
Basis seiner Urtheilsspüche dienen und empfohlen werden könne – das
habe ich verneint und das verneine ich so lange, bis nicht die umfassendsten praktischen (nicht papiernen) Untersuchungen das
Gegentheil dargethan haben werden.
Ich weise endlich die Anschuldigung, als hätte ich mir in meiner Abwehr eines
Angriffes Injurien erlaubt, mit Indignation zurück. Man müßte nur mit dem Worte
Injurie den Begriff jenes englischen Kanzlers verbinden, welcher entschied: je
größer die Wahrheit der Anschuldigung, desto größer die Injurie. Ich habe nämlich,
jedoch nur veranlaßt und herausgefordert durch Persönlichkeiten, nichts anders
gesagt als die reine nackte Wahrheit, wie ich dieß stets gethan habe und thun werde.
Was ich als Thatsache angeführt habe, das wurde durch Protokolle und Zeugnisse
belegt, welche nicht umgestoßen worden sind. Was aus Schonung nicht weiter
ausgeführt und deßhalb nicht mit Protokollen belegt worden ist, das werde ich in
einem eigenen Werke thun sobald es verlangt werden sollte.
Eine Wissenschaftlichkeit, welche von der Erfahrung nahezu bei jedem Schritte Lügen
gestraft wird, bringt die wahre Wissenschaftlichkeit nur um ihren Credit. Die Zeit ist
vorbei, in welcher der Werth des Gelehrten nach dem Papiere und dem Materiale
bestimmt wurde, das er verbrauchte.
„Ἀπὸ τὼν
καϱπῶν
αṽιῶν
ὲπιγνώσεοϑε
αὐτοίς ;“
das heißt auf deutsch:
Aus ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!