Titel: | Die grünen Arsenikfarben und ihre Surrogate; von A. Beringer. |
Autor: | August Beringer |
Fundstelle: | Band 108, Jahrgang 1848, Nr. XXXI., S. 143 |
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XXXI.
Die grünen Arsenikfarben und ihre Surrogate; von
A.
Beringer.
Beringer, über die grünen Arsenikfarben und ihre
Surrogate.
Unter den grünen mit arseniger Säure bereiteten Farben muß man zweierlei
unterscheiden, die aus Arsenik und Kupfervitriol, und die aus Arsenik und Grünspan
bereiteten. Der Typus der ersteren ist das Scheel'sche,
der der letzteren das Schweinfurter Grün. Beide kommen unter sehr verschiedenen
Namen im Handel vor, theils einzeln, theils in verschiedenen Verhältnissen gemischt.
Die bekanntesten sind: das Schweinfurter-, Pariser-, Baseler-,
Wiener-, Mitis-, Neuwieder-, Mineral- und Neugrün.
Was das Scheel'sche (das Mineralgrün) anbelangt, das
seines hohen Preises wegen wenig oder gar nicht mehr im Handel vorkommt, so ist
dasselbe arsenigsaures Kupferoxyd, und zwar neutrales = 2 CuO, As₂ O₃.
Das Schweinfurtergrün dagegen ist eine Doppelverbindung von arsenigsaurem Kupferoxyd
mit essigsaurem Kupferoxyd, und hat die Formel CuO, Ā + 3 (CuO, As₂O₃). Seine
Bildung ist eine der interessantesten und schönsten, welche die Chemie aufzuweisen
hat.
Ursprünglich wurde es immer aus arseniger Säure und Grünspan hergestellt, später aber
fand man, daß es sich überhaupt bilde, wenn Arsenik, Kupferoxyd und Essigsäure
zusammenkommen. Man kann es also bereiten entweder aus weißem Arsenik und
gewöhnlichem Grünspan, oder aus Arsenik und destillirtem Grünspan, oder aus Arsenik,
Kupfervitriol und essigsauren Salzen. In allen diesen Fällen bildet sich im Anfange
nur arsenigsaures Kupferoxyd, das eine ganz schmutzige Farbe hat, und erst bei
längerer Berührung mit der essigsäurehaltenden Lauge tritt eine Reaction auf das
essigsaure Kupferoxyd ein, und die Verbindung geht vor sich. Der Niederschlag nimmt
bei dieser Umwandlung eine krystallinische Beschaffenheit an, wenn man die
Flüssigkeit ruhen läßt, während er feiner und zugleich blässer wird, wenn man oft
darin rührt.
Vergleichen wir nun die Farbe dieser beiden Verbindungen, so finden wir, daß die eine
grasgrün, während die andere zeisig-, pistazien- oder olivengrün ist.
Die Reihe des Schweinfurtergrüns besteht aus durchaus reinem, Hellem und zartem
Grün, während die des Scheel'schen mehr dunkle, zum Theil
schmutzige Lasirfarben bildet. Für die Zeit als das Scheel'sche Grün entdeckt wurde, waren die letztern unstreitig die
schönsten Grün die man hatte, allein nachdem zuerst durch Sattler das reine Schweinfurtergrün, und in neuerer Zeit die verdünnten
oder gemischten, die man fast durchgängig mit dem Namen
„Neugrün“ bezeichnet, in den Handel gebracht wurden, traten
jene mit Recht in den Hintergrund. Es machte zwar schon vor 10 bis 12 Jahren Leopold
Gmelin öffentlich darauf aufmerksam, daß sich beim
Feuchtwerden der mit Schweinfurtergrün bedruckten Tapeten Arsenikwasserstoffgas
entbinde, allein obwohl auch französische Chemiker die Giftigkeit derselben
hervorhoben, und in Folge dieser von mehreren Seiten Preise für die Entdeckung
arsenikfreier Grün ausgesetzt wurden, so nahm man doch immer noch zu den Giftfarben
seine Zuflucht, aus dem einfachen Grunde, weil es Niemanden gelang, ein Grasgrün
ohne Arsenik herzustellen. Erst in neuester Zeit soll sich die preußische Regierung,
wie es scheint, durch die Arbeiten des Hrn. Prof. Elsner
in Berlin veranlaßt, bewogen gefunden haben, den Eingang und die Fabrication von mit
arsenikhaltigem Grün bedruckten Tapeten in der ganzen Monarchie zu verbieten,
ungeachtet, wie schon erwähnt, ein Surrogat dafür nicht existirt.
Ich weiß nicht ob der Menschheit durch ein solches Verbot ein wirklicher Dienst
geleistet würde, die Kunst und der Geschmack werden jedenfalls nicht dadurch gefördert, denn so
gut es ein Verstoß gegen die Gesetze derselben ist, wenn die Farbenharmonie nicht
eingehalten wird, so ist es nicht minder einer, wenn die Schönheit oder
Lebhaftigkeit außer Acht bleibt.
Es ist gewiß dringend nothwendig, daß man die Anwendung von Giftfarben beschränke, daß man z.B. den Zuckerbäckern es zur Pflicht
mache, kein Schweinfurtergrün, Bleiweiß etc. auf Backwerk zu bringen, allein bemalte
Papiere zu verbieten, die auf die Wand geklebt werden, ist meiner Ansicht nach zu
weit gegangen. Man hat seit einigen Jahren sogenanntes Fliegenpapier, was mit einer
Lösung von arsenigsaurem Kali getränkt und getrocknet worden; dieses Papier ist
äußerlich nicht von gewöhnlichem Fensterpapier (weißem Filtrirpapier) verschieden,
es kann zum Einwickeln von Gegenständen, zum Abreiben von Geräthschaften u.s.w.
benutzt werden, und wenn diese Gegenstände mit Wasser in Berührung kommen, wird die
ganze Quantität des löslichen Salzes darin übergehen. Dessenungeachtet, obwohl
dieses Papier viel gefährlicher zu handhaben ist, und durch Thatsachen bewiesen
werden kann, daß Vergiftungen damit vorgekommen, gibt es noch viele Länder in
Deutschland, wo der Verkauf desselben erlaubt ist. Die Arsenikfarben dagegen sind
unlösliche Verbindungen, die an sich nicht so giftig wirken können, wie lösliche
Salze; wenn man nun auch zugibt, daß im Magen die Lösung durch Säuren vermittelt
wird, so müßte man, um consequent zu seyn, auch Bleiweiß, Chromgelb und Bremerblau
verbieten.
Ich will gerade nicht dem Arsenik das Wort reden, allein die Giftigkeit desselben ist
in Wirklichkeit nicht so groß als man im allgemeinen glaubt. Auf Arsenikhütten
werden Hunde, Schweine und Geflügel gehalten, und sämmtliche Thiere wie auch die
Menschen befinden sich ganz wohl dabei, während auf Bleihütten die Arbeiter wie
Gespenster umhergehen, und ihr Leben kaum über 40 Jahre bringen. Dasselbe sieht man
in Bleiweißfabriken; die Arbeiter sind fortwährend Anfällen von Kolik u.s.w.
ausgesetzt, so daß das Ungesunde der Arbeit sogar sprüchwörtlich geworben ist,
während die Arbeiter in Fabriken von Schweinfurtergrün und grünen Tapeten immer nur
äußerliche Inconvenienzen haben. Ich habe nie davon gehört, daß man sich an den
Staub von Bleiweiß oder die Dämpfe von Blei gewöhnen könne, wie man sich an die
Wirkung des Opiums gewöhnt, wohl aber kann ich aus eigener Erfahrung behaupten, daß
dieß beim Arsenik der Fall ist. Der Arsenik ist schon deßhalb weniger gefährlich als
Bleiverbindungen, weil er kein schleichendes Gift ist; verspürt man wirklich einmal
die Wirkungen desselben im Innern des Körpers, so kann man sich leicht durch eine Dosis Eisenoxydhydrat
wieder davon befreien. Fabrikanten schildern namentlich die Dämpfe an
Arseniklösungen für gefährlich, was für die Verflüchtigung des Arseniks mit
Wasserdämpfen spräche, analog der Borsäure, allein obwohl ich mich oft stundenlang
denselben ausgesetzt, habe ich nie weder innerlich noch äußerlich nachtheilige
Wirkungen davon verspürt; nur wenn man Weichtheile mit den Händen berührt, an denen
etwas Lösung von arseniger Säure oder von Schweinfurtergrün haftet, äußert sich die
ätzende Wirkung durch Ausschläge oder Geschwüre. Eine viel heftigere Wirkung übt das
chromsaure Kali aus. Schon wenn man größere Quantitäten von einem Faß ins andere
leert, noch mehr aber wenn man welches stoßt, hat man in der Nase, den Augen und dem
Schlunde eine ganz unerträgliche Empfindung. Damit ist aber keineswegs gesagt, daß
auch die Chromfarben, wie Chromgelb und Chromgrün, giftig wirken, und es scheint mir
ebenso verkehrt, wenn man das Färben von Kaffeebohnen, wie es in allen Seestädten
geschieht, für ein Verbrechen hält, als wenn man das Färben von Weinen mit
Heidelbeeren oder Kirschen verdammt. Das gewöhnliche Färbemittel für Kaffeebohnen
ist nämlich das Chromgrün, ein Gemenge von Chromgelb und Berlinerblau (das ächte
Chromgrün ist Chromoxyd); diese Chromgrün oder Zinnobergrün enthalten aber so wenig
reines Chromgelb, daß selbst, wenn wir das chromsaure Bleioxyd als Gift betrachten,
die Quantität Farbe, die an einer Bohne hängen bleibt, niemals einen nachtheiligen
Einfluß auf die Gesundheit ausüben kann. Allerdings könnte man, da das Färben wegen
dem Vorurtheil vieler Kaffeeliebhaber einmal ein nothwendiges Uebel geworden, auch
gelbe und blaue Pflanzen-Pigmente, z.B. Quercitron und Indigo, nehmen, allein
ein Pfund solcher Farben würde so theuer zu stehen kommen, als 50 Pfunde der
genannten Zinnober.
Es ist ja einer der wichtigsten Sätze der Heilkunde, daß ein Körper der in Granen
giftig wirkt, in Millionentheilchen eines Grans nicht nur kein Gift mehr ist,
sondern sogar ein Heilmittel. Man könnte möglicherweise sogar nachweisen, daß
Medicamente, die früher in großem Ansehen gestanden, nur deßhalb ihren Credit
verloren, weil sie jetzt chemisch rein angewandt werden, so das phosphorsaure
Natron. Ich bin natürlich weit entfernt die dießfallsigen Bestimmungen der
Sanitäts-Behörden für übertrieben erklären zu wollen, im Gegentheil ich
stimme vollkommen damit überein, daß alle und jede Arzneimittel einer strengen
Controle unterworfen werden, allein es ist ein Unterschied zwischen Heilmitteln und
Farben.
Hunderte von Beispielen ließen sich anführen, um zu zeigen, daß bei vorsichtiger Handhabung
Gifte der mannichfaltigsten Art unschädlich und unschuldig werden, sowie daß es
häufig nur in der Einbildung der Menschen liegt, wenn Gifte als furchtbar und
tödtlich verschrieen sind. Welche Apathie hatte man anfangs gegen das Neusilber! Das
Nickel hat den Arsenik zum steten Begleiter, folglich mußte auch, so wähnte man,
jede saure Speise sofort dadurch vergiftet werden. Das Kupfer bildet mit Essigsäure
den Grünspan, Grund genug, um alle kupfernen Geräthschaften aus Küchen und
Laboratorien zu verbannen. Zum Glück gibt es noch immer Leute die solche Vorurtheile
bekämpfen, und so haben wir denn trotz des Vorurtheils neusilberne Löffel und
kupferne Kessel. Die Geschichte der arsenikfreien Schwefelschnitten liefert einen
weitern Beleg wie groß die Furcht vor kleinen Mengen Arsenik ist; die bayrischen,
württembergischen und badischen Regierungen haben dem Erfinder Attestate
ausgefertigt, nach welchen seine Schwefelschnitten völlig frei von Arsenik sind, und
deßhalb allen andern vorgezogen zu werden verdienen. Ich glaube nicht, daß es eine
Methode gibt Schwefel und Arsenik als solche zu trennen, und der Patentträger kann
also nur insofern arsenikfreie Schnitten liefern, als er bereits reinen
sicilianischen Schwefel dazu verwendet.
Die Feuervergoldung wird als eine der Quecksilberdämpfe wegen sehr schädliche
Operation betrachtet, und mit Recht; dessenungeachtet, obwohl man seit Jahren in der
galvanischen Vergoldung einen Ersatz dafür hat, ist noch von keiner deutschen
Regierung ein Verbot oder Beschränkung oder auch nur eine Warnung dagegen
ergangen.
Wenn man, um auf das Thema unserer Abhandlung zurückzukommen, die mit Arsenikgrün
bedruckten Tapeten für gefährlich hält, so sollte man entweder ein in jeder
Beziehung sie ersetzendes Grün vorschlagen, oder aber davor
warnen. Die von Dr. Elsner beschriebenen arsenikfreien Farben ersetzen die Schweinfurtergrün
in keiner Beziehung. Das Titangrün ist zu theuer, als daß es einer Beachtung werth
wäre. Die mit gelben Pflanzen-Pigmenten und Kupfervitriol bereiteten sind
theuer, unächt und relativ schmutzig; die mit denselben Gelb und Berlinerblau
erhaltenen zwar wohlfeiler, aber ebenso unächt und unschön. Auch das von Dr. Bolley empfohlene
borsaure Kupferoxyd trifft der Vorwurf eines zu hohen Preises, und es wird daher
trotz seiner Haltbarkeit und seines hellen Tones kaum Eingang in der Malerei finden.
Man muß überhaupt sehr vorsichtig seyn in seinem Urtheil über Farben, denn die
Schönheit derselben ist immer nur relativ. Der beste Kenner kann sich täuschen, wenn
er nicht Vergleiche anstellt mit andern Pigmenten, und die Lebhaftigkeit ist immer nur
ein Moment, Deckkraft und Haltbarkeit sind nicht minder wichtig.
Dr. Elsner gibt an daß die
Farben beim Trocknen in der Sonne nichts von ihrem Ansehen verloren hätten, allein
wenn es bekannt ist, daß keines der gelben Pflanzen-Pigmente auf Zeugen
befestigt ächt ist, so müssen noch viel mehr die daraus bereiteten Lacke unächt
seyn. In wenig Stunden verbleichen die Farben freilich nicht, sobald man sie nur in
einigermaßen dicken Schichten der Sonne darbietet, dagegen sieht man z.B. ein
Gemenge von Chromgelb und Berlinerblau in zehn Minuten in Graugelb übergehen, wenn
das Gemenge viel Schwerspath oder Gyps enthält. Die Farben aus Berlinerblau und
Pflanzengelb müssen der Natur der Sache nach völlig unhaltbar seyn, denn wenn Gelb
und Blau zu gleicher Zeit verschießen, so bleibt am Ende gar nichts mehr von Farbe
übrig.
Wie dem auch sey, die arsenikfreien Kupferfarben des Hrn. Dr. Elsner lassen sich noch auf ganz andere
Weise herstellen, ohne Pflanzen-Pigmente, und wenn man sie bisher nicht im
Handel gefunden, so beweist das nur, daß sie auch von Andern für untauglich zum
Ersatz der arsenikhaltigen beurtheilt werden. Was dann die mit Berlinerblau
bereiteten betrifft, so sucht man umsonst nach einem Grunde, warum man statt
Chromgelb, Gelb- oder Visetholz nehmen soll. Es ist, wie ich in meiner
Abhandlung über Sodafabrication ausgesprochen, immer sehr dankenswerth, wenn
Gelehrte das Theoretische der Fabricationszweige aufzuklären suchen, denn obwohl ich
weit entfernt bin die verschiedenen Untersuchungen über Anil, Cumol, Styrol u.s.w.
für zwecklos und unnütz erklären zu wollen, so ist es doch auf der andern Seite
gewiß, daß man darin zu weit geht. Aber es heißt das Fabrikwesen ganz und gar
verkennen, wenn man glaubt durch empirische Herstellung von Farben und andern Dingen
den Fabrikanten einen wesentlichen Dienst leisten zu können. Fabrikanten allein
können solche Versuche mit wahrem Nutzen anstellen, denn nur sie kennen den
Unterschied zwischen der Bereitung im Kleinen und der im Großen; die Fabrikanten
wissen die Anforderungen welche die Gesammtmasse der Konsumenten an den innern und
äußern Gehalt der Waare stellt, und sie haben auch den Beruf, Versuche der Art zu
machen. Gelehrten hingegen fehlt in der Regel die Beobachtung im Großen; wenn sie
auch Fabriken gesehen, so geschah dieß meistens nur flüchtig und unvollkommen; die
Anforderungen der Künstler und Gewerbtreibenden kennen sie nur aus dem Orte ihres
Aufenthalts, und wenn sie sich auch mit Fleiß und Ausdauer an die Lösung einer
Aufgabe in unserem Sinne machen, so ist dieß im Vergleich gegen die Zeit, die
ein Fabrikant darauf verwendet, ein sehr kleiner, fast verschwindender Zeitraum. Ich
brauche wohl kaum noch Belege dafür anzuführen, daß Fragen der mannichfaltigsten Art
nur durch Beobachtung im Großen gelöst werden konnten und können; die Entdeckung
mancher Alkaloide von Merk, das Studium des Leukols und
Kyanols von Dr. Hofmann, die
Bereitung des Runkelrübenzuckers von Hochstetter, die
Bildung künstlicher Mineralien in Hohöfen und vieles andere konnten nur auf diesem
Wege gefördert werden. Die Bereitung von Farben ist von jeher mit besonderer
Vorliebe von Gelehrten behandelt worden, allein es ist mir außer dem Ultramarin von
Gmelin, dessen Aufsuchung übrigens einen andern
Beweggrund hatte, keine bekannt die eine besondere Bedeutung erlangt hatte. Die
genaueste Kenntniß davon hat Prof. Brunner, der, selbst ausgezeichneter Künstler,
mit wirklich wissenschaftlichem Eifer verschiedene Farben herstellen und ihre wahre
Zusammensetzung kennen lehrte. Lampadius, Elsner und R.
Böttger haben sich mit weniger Glück darin versucht;
das hellgrüne Chromoxyd, welches letzterer als prachtvoll bezeichnet, erhielt ich
bei genauer Befolgung seiner Vorschrift wie natürliches phosphorsaures
Eisenoxyduloxyd, wie sogenannte grüne Erde aussehend.
Die Mischungen von Gelb und Blau geben nur dann ein schönes lebhaftes Grün, wenn das
Gelb sehr hell ist. Nun ist aber jedes Gelb aus Gelbholz, Berberis, Curcuma und
Quercitron nicht bloß unächt, sondern auch schmutzig im Vergleich gegen Helles
Chromgelb, und selbst wenn sie auch dasselbe Feuer und dieselbe Beständigkeit
hätten, so würde man schon deßhalb nie dazu greifen, weil die Chromgelb unter allen
Farben die meiste Deckkraft haben, folglich die wohlfeilsten sind. Die Franzosen und
noch mehr die Engländer haben es in neuerer Zeit so weit gebracht in der Bereitung
der sogenannten Chromgrün, daß man die schönsten Nüancen, die sich auf diese Weise
herstellen lassen, um 10 bis 20 Fr. per 50 Kilogr. kauft. Die Konsumtion der
Chromgrün hat sehr bedeutend zugenommen, um so mehr als sie in Oel angewandt eine
ziemlich lange Dauer besitzen, indessen zu Tapeten und Papieren sind und bleiben sie
immer ein sehr schlechtes Ersatzmittel für die Arsenikfarben und zwar: 1) weil sie
niemals grasgrün sind, 2) weil sie in dünnen Lagen dem Lichte dargeboten sehr
schnell bleichen und 3) weil auch bei trocknen Kalkwänden das Berlinerblau
stellenweise zerstört wird, insofern bekanntlich der aufgestrichene Aetzkalk nicht
in neutralen kohlensauren Kalk, in Kreide, sondern in basisch kohlensauren Kalk
übergeht.
Die grünen arsenikhaltigen Kupferfarben sind vor der Hand die schönsten und die
haltbarsten Grün. So lange man also keine schöneren, keine wohlfeileren und keine
beständigeren hat, so beschränke man das Verbot auf Zucker- und Spielwaaren,
und warne vor der Anwendung der Tapeten in feuchten
Zimmern, namentlich Schlafzimmern. Ein Verbot in letzterer
Beziehung zu geben ist weder durch die Farbe selbst gerechtfertigt, noch
ist es ein consequentes in Betreff anderer Erlasse oder Nichterlasse. Die Farben auf
Tapeten werden mit starkem Leimwasser aufgetragen, es können also Kinder, wenn sie
mit den Händen an der Wand Herumrutschen, sich um so weniger durch Abreiben der
Farbe Schaden thun, als alle Schweinfurtergrün, die Grün nämlich die keinen Zusatz
haben, folglich mehr Arsenik enthalten, noch außerdem satinirt werden. Wollte
dennoch die Behörde auch die Möglichkeit einer Vergiftung durch Abreiben in den
Kreis ihrer Voraussetzungen ziehen, so müßte sie vor allem die grünen Glanzpapiere
und weißen Visitenkarten verbieten, denn letztere werden bekanntlich sehr häufig in
die Hand genommen und durch den Daumen und Zeigefinger schlüpfen gelassen.
Die Hauptschädlichkeit der grünen Tapeten liegt immer in der Eigenschaft des
Schweinfurtergrüns, im feuchten Zustande Arsenikwasserstoffgas auszudunsten. Durch
Firnissen wird dieser Uebelstand nicht gehoben, im Gegentheil wenn die Feuchtigkeit
nicht ungehindert abdunsten kann, ist diese Fäulniß, wie man sie mit Recht nennen
kann, insofern ihr eine Umsetzung der Bestandtheile der Essigsäure zu Grunde liegt,
viel stärker, wie man leicht daraus ersieht, daß ein Faß mit nicht ganz trockener
Farbe beim Oeffnen sehr stark riecht, und am Ende bekommt der Firniß doch Risse,
durch welche das Gas in das Zimmer tritt. Man kann also diesem Uebel nur dadurch
vorbeugen, daß man bei Zimmern an der Wetterseite auf grüne Tapeten Verzicht
leistet. Ein ordentlicher Baumeister weiß ja recht gut, ob die Zimmerwände dem
Feuchtwerden ausgesetzt sind, und ein sehr guter, sollte ich denken, muß bei
Neubauten das Feuchtwerden umgehen können.
Indem ich zum Schluß auf eine im allgemeinen wenig bekannte gefährliche Operation,
bei der sich eine noch viel stärker wirkende Gasart entwickelt, aufmerksam mache,
will ich eben damit zeigen, daß auch die gefährlichsten Gifte nicht in dem Grade
gefährlich wirken, als man gewöhnlich glaubt. Das sogenannte Bleu de France wird durch Kochen von Ferridcyankalium mit Schwefelsäure
erzeugt. Da aber das Ferridcyan sich nicht abscheiden kann ohne Freiwerden von
Blausäure, so ist der Färber beim Ansieden der Garne in dem Kessel einer wirklichen
Atmosphäre von Blausäure ausgesetzt. Vielleicht hat man nur deßhalb nie von dem Gefährlichen dieser
Operation gehört, weil die wenigsten Färber wissen, was der Bittermandelgeruch zu
bedeuten hat.